Medizinrecht

pauschales Besuchsverbot, Antragsbefugnis, Rechtsfehler in der Ermessensausübung

Aktenzeichen  B 7 S 22.127

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6682
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 28a Abs. 8, Abs. 1 Nr. 15
IfSG § 28a Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen das dem Antragsteller gegenüber verfügte Besuchsverbot wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen ein pauschales Besuchsverbot im Demenzkompetenzzentrum …, in dem die Mutter des Antragstellers untergebracht ist.
Wegen eines Infektionsgeschehens aufgrund des Coronavirus ordnete das Gesundheitsamt … am 19.01.2022 mündlich gegenüber dem Demenzkompetenzzentrum für den Wohnbereich 1 ein Besuchsverbot an. Am Mittwoch, den 26.01.2022 erhielt der Antragsteller einen Anruf aus dem Demenzkompetenzzentrum, dass er aufgrund bei einer Reihentestung positiv ausgefallener PCR-Tests bei Mitarbeitern seine Mutter bis auf Weiteres nicht besuchen könne, weil das Gesundheitsamt … ein Besuchsverbot für den Wohnbereich seiner Mutter erlassen habe. Nachdem festgestellt worden war, dass sich das Infektionsgeschehen auf das ganze Haus verteilt hatte, weitete das Gesundheitsamt am 29.01.2022 das Besuchsverbot auf das ganze Haus aus.
In einer E-Mail fragte der Antragsteller beim Gesundheitsamt … an, wie lange das Besuchsverbot aufrechterhalten werden solle und mit welcher Begründung trotz negativer Schnelltestungen, Boosterimfpungen, Hygienemaßnahmen und in Anbetracht des erheblichen Schadens solcher Maßnahmen, der demenziell veränderte Menschen besonders massiv betreffe, angeordnet werde.
Darauf antwortete das Gesundheitsamt, dass das Besuchsverbot für einen Teilbereich des Kompetenzzentrums in … einschließlich des ersten Stockwerks ausgesprochen werden habe müssen, da im Rahmen einer Reihentestung in der Einrichtung auch Bewohner positiv getestet worden seien. Anders als bei positiven Mitarbeitern müsse dann von einem Ausbruchsgeschehen in der Einrichtung selbst ausgegangen werden, was weitergehende Sicherheitsvorkehrungen wie beispielsweise ein Besuchsverbot zur Folge habe. Die Dauer der Einschränkungen richte sich ganz nach der Dauer des Infektionsgeschehens, es liege leider in der Natur der Sache, dass hierzu noch keine verbindliche Aussage getroffen werden könne. Durch eine weitere Reihentestung der Bewohner, die baldmöglichst durchgeführt werde, werde nun ermittelt, ob es zu weiteren Infektionen und damit einer Ausbreitung des Geschehens innerhalb der Einrichtung gekommen sei oder ob durch die getroffenen Maßnahmen bereits ein Sistieren des Infektionsgeschehens eingetreten sei. Davon abhängig seien auch die weiteren Maßnahmen. Da es sich bei Bewohnern von Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen um hochvulnerable Personengruppen handle, müssten gemäß den aktuellen RKI-Richtlinien auch vollständig geimpfte und geboosterte Personen in Quarantäneanordnungen miteinbezogen werden. Die Sorge um die Mutter werde verstanden und es werde gehofft, durch die Darlegungen das Erfordernis der Maßnahmen verständlich zu machen. Es könne versichert werden, dass auch dem Gesundheitsamt sehr daran gelegen sei, Einschränkungen für pflegebedürftige Menschen so gering wie möglich zu halten, ohne dabei jedoch den Infektionsschutz zu vernachlässigen.
Auf diese E-Mail antwortete der Antragsteller, dass wichtige Fragen ungeklärt blieben. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das Gesundheitsamt und die Pflegeeinrichtung, wie von den RKI-Richtlinien angedacht, sämtliche milderen Maßnahmen geprüft hätte, ehe ein Besuchsverbot erlassen wurde. Da es sich bei einem Besuchsverbot um eine massive Grundrechtseinschränkung für Bewohner und Angehörige handle, müsse hier jede andere Möglichkeit in Erwägung gezogen und abschließend für nicht zielführend betrachtet werden, bevor ein Besuchsverbot ausgesprochen werden könne. Vielleicht gebe es die Möglichkeit, die infizierten Personen räumlich zu trennen und das Personal so einzusetzen, dass die infizierten Personen nur von denselben Pflegekräften betreut würden. Vielleicht gebe es auch andere Möglichkeiten, dass die geboosterten Personen nach erfolgter Testung in einem gesonderten Raum – beispielsweise wie bisher ausschließlich im Zimmer – Besuch empfangen könnten. Denn grundsätzlich würden geimpfte, geboosterte und frisch genesene Personen gesondert behandelt und z.B. von Quarantäneanordnungen freigestellt, z.B. bei geboosterten Personen. Der Empfehlung des RKI sei zwar zu entnehmen, dass auch geboosterte Personen von gewissen Maßnahmen betroffen sein könnten, vgl. Punkte 3.8.2. Dennoch sei auch hier das Gesundheitsamt dazu verpflichtet, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, da es sich bei dem Besuchsverbot um eine gravierende Grundrechtseinschränkung handle. Falls eine solche eingehende Prüfung von Alternativen stattgefunden habe, wurde die Frage aufgeworfen, welche Möglichkeiten vom Gesundheitsamt in Erwägung gezogen und aus welchem Grund die Alternativen zum Besuchsverbot verworfen worden seien.
Darauf antwortete das Gesundheitsamt, dass auf Grund der aktuell hohen Arbeitsbelastung auf die gestrige Stellungnahme verwiesen werde. Die angeregten Punkte seien und würden selbstverständlich fortlaufend berücksichtigt.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 09.02.2022, eingegangen bei Gericht am 14.02.2022, einen Eilantrag zur Aufhebung des pauschalen Besuchsverbotes im Demenzkompetenzzentrum … gestellt. Das Besuchsverbot gelte mittlerweile nicht mehr alleine für den Wohnbereich seiner Mutter, sondern für das ganze Haus, da sich bei weiteren PCR-Testungen neue Infektionen herausgestellt hätten.
Im Wesentlichen begründet er seinen Antrag wie folgt: Während der zurückliegenden zwei Jahre sei hinlänglich zu beobachten, dass die Besuchsverbote in Pflege- und Behinderteneinrichtungen verheerende Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner zeichnen würden. Besonders bei demenziell veränderten Menschen, die in hohem Grad an Verwirrtheitszuständen litten, sei es eine unzumutbare Belastung über unbestimmte Zeit (bis die Infektionskette durchbrochen sei) keinen Besuch empfangen zu dürfen. Am Beispiel seiner Mutter habe er selbst mit ansehen müssen, wie vor allem während der Zeit der ersten Pandemiephase, als das Pflegeheim bereits einmal über Wochen hinweg völlig für Besuchsverkehr geschlossen gewesen sei, eine massive Verschlechterung, vor allem ihres mentalen Zustandes, eingegangen sei. Beispielsweise habe sie über diese Zeit beinahe völlig „verlernt“ zu sprechen.
Unter Berufung auf die Auskunft des Heimleiters gebe er zu bedenken, dass von den 68 Menschen, die im Kompetenzzentrum wohnten, 64 – wie auch seine Mutter – „geboostert“ seien und es regelmäßige Testungen sowohl von Seiten der Pflegeeinrichtung als auch vom Gesundheitsamt gebe und Besuch grundsätzlich nur mit negativem Testergebnis das Haus betreten dürfe. Dies bedeute bereits als solches ein sehr hohes Sicherheitsniveau.
Darüber hinaus solle, da es sich bei einem Besuchsverbot um eine massive Grundrechtseinschränkung sowohl für Bewohner als auch für Angehörige handle, jede andere Möglichkeit in Erwägung gezogen und abschließend für nicht zielführend betrachtet werden, bevor ein Besuchsverbot ausgesprochen werde. Diese Prüfung weniger gravierender Maßnahmen sei entweder nicht ernsthaft in Erwägung gezogen oder ihm gegenüber nicht ernsthaft kommuniziert worden.
Aus Sicht der Einrichtung und des Gesundheitsamtes sei ein solches Besuchsverbot sicherlich das einzig zielführende Mittel, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. Die o.g. Aspekte würden hierbei jedoch nicht berücksichtigt. Es gebe beispielsweise die Möglichkeit, die infizierten Personen räumlich zu trennen und das Personal so einzusetzen, dass die infizierten Personen nur von denselben Pflegekräften betreut würden. Vielleicht gebe es auch andere Möglichkeiten, dass die geboosterten Personen nach erfolgter Testung in einem gesonderten Raum, wie bisher beispielsweise ausschließlich das Zimmer der Angehörigen, Besuch empfangen könnten. Denn grundsätzlich würden geimpfte, geboosterte und frisch genesene Personen gesondert behandelt und z.B. von Quarantäneanordnungen freigestellt.
Der Empfehlung der Richtlinien des RKI, auf welche sich das Gesundheitsamt bei seinem Verfahren berufe, sei zwar zu entnehmen, dass auch geboosterte Personen von gewissen Maßnahmen betroffen sein könnten, vgl. Punkt 3.8.2. Dennoch sei das Gesundheitsamt auch hier dazu verpflichtet, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen und die danach gefällte Entscheidung nachvollziehbar zu begründen, da es sich bei dem Besuchsverbot um eine gravierende Grundrechtseinschränkung handle.
Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die aktuell dominante „Omikron“-Variante von SARS-CoV-2 dem Vernehmen der Fachwelt nach durch seine hohe Infektiosität früher oder später einen überwiegenden Großteil der Bevölkerung infizieren werde und dabei wesentlich mildere Krankheitsverläufe hervorrufe, als seine Vorgängervarianten. Dies sei zum einen zu beachten, weil es bedeuten würde, dass mit eventuell kurzen Abständen das Besuchsverbot monatelang bestehen bleiben könnte, ehe alle 68 in der Einrichtung wohnhaften Personen betroffen und als „genesen“ eingestuft wären und des Weiteren, dass die Risikoeinschätzung der Krankheitsverläufe durch die mit Impfungen gegebene solide Grundimmunität als auch wegen des weit weniger aggressiven Wirkens von „Omikron“ auch in diesem Fall eine andere sein müsse, als sie es bisher gewesen sei. Der Vergleich zwischen dem erbrachten Nutzen dieser Maßnahme und dem dadurch entstehenden massiven Schaden stehe unter den genannten Gesichtspunkten mittlerweile in keinem Verhältnis mehr. Konsequent zu Ende gedacht seien mehrere Infektionen einer Person in kürzeren Abständen möglich, was letztlich eine Endlosschleife an Besuchsverboten nach sich ziehen würde.
Der Antragsteller hat seinem Antrag eine vollumfängliche Vollmacht – erteilt von seiner Mutter – in Kopie vorgelegt, durch die eine vom Gericht angeordnete Betreuung vermieden werden soll.
Das Landratsamt … hat am 15.02.2022 für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag kostenpflichtig abzuweisen.
Der Antrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass seit dem 14.01.2022 in dem Heim ein Ausbruchsgeschehen aufgrund des Coronavirus festzustellen sei. Am 14.01.2022 habe das Ausbruchsgeschehen mit einem positiven Fall einer Mitarbeiterin in dem von der Mutter des Antragstellers bewohnten Wohnbereich 1 begonnen. Am 19.01.2022 habe es einen weiteren Fall einer Infektion einer Mitarbeiterin im genannten Wohnbereich gegeben. Aufgrund dieser Infektionen habe für den Wohnbereich 1 die dringende Gefahr der Ausbreitung der Infektionen bestanden.
In der angeordneten Reihentestung vom 26.01.2022 seien weitere drei Mitarbeiterinnen positiv getestet worden, eine weitere am 29.01.2022 mittels Schnelltests und zudem ein Bewohner im Wohnbereich 2.
Am 01.02.2022 sei ein positiver Test beim Küchenpersonal und eines Bewohners des beschützten Bereiches festgestellt worden, am 03.02.2022 hätten sich aufgrund der Reihentestung vom 02.02.2022 weitere Infektionen von sieben Bewohnern aus allen Wohnbereichen gezeigt. Am 08.02.2022 seien weitere sechs Bewohner und drei Mitarbeiter positiv getestet worden.
Eine Reihentestung am 09.02.2022 habe vier neu infizierte Bewohner aus drei Wohnbereichen und drei Bewohner, die wieder aus der Isolierung entlassen werden könnten, ergeben.
Am 10. und 11.02.2022 seien weitere zwei Mitarbeiter positiv getestet, am 12.02.2022 habe es einen Todesfall gegeben, der Corona positiv gewesen und in der Klinik verstorben sei. Am 14.02.2022 seien weitere zwei Bewohner im beschützten Bereich positiv getestet und damit infiziert.
Die räumliche Situation im Heim stelle sich so dar, dass die Bewohner des „H-förmigen“ Gebäudes in drei Stockwerken untergebracht seien, wobei im Erdgeschoss ein beschützter Bereich vorhanden sei. Die anderen Wohnbereiche und damit auch der Wohnbereich, in dem Frau … (damit ist die Mutter des Antragstellers gemeint) untergebracht sei, seien zueinander offen mit viel freier Bewegungsmöglichkeit für die Bewohner. Es handle sich bei der Einrichtung um ein Spezialzentrum für an Demenz erkrankte Menschen, die meisten Bewohner und auch die Mutter des Antragstellers seien nicht in der Lage, angeordnete Maßnahmen zu befolgen. Maskentragen, Abstand halten und Händedesinfektion seien nur sehr begrenzt und wenn überhaupt dann nur unter Aufsicht des Personals möglich. Die Bewohner würden sich unbeaufsichtigt in Gruppen mischen und auch die natürliche Distanz zu fremden Bewohnern oder Besuchern könne nicht eingehalten werden und sei für Besucher nicht vorhersehbar und steuerbar.
Aktuell seien 44% des Personals im Krankenstand: 24 Personen, davon acht aufgrund einer Covidinfektion. Die Pflege könne nur mit Unterstützung der Bundeswehr bei Begleitaufgaben aufrechterhalten werden. Eine intensivere Beaufsichtigung der Bewohner und damit die Gewährleistung der Trennung von Infizierten und Nichtinfizierten könne nicht im ausreichenden Maß gewährleistet werden, zumal eine räumliche Trennung aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht möglich sei. Derzeit seien im Erdgeschoss neun Bewohner positiv und damit infiziert, im 1. Obergeschoss zwei Bewohner und im 2. Obergeschoss sechs Bewohner.
Aufgrund der geschilderten besonderen räumlichen und personellen Situation der Pflegeeinrichtung und des Krankheitsbildes der Bewohner (Demenz) sei eine vom Antragsteller vorgeschlagene Betreuung der Bewohner durch feste Pfleger und eine gesonderte Unterbringung in festen Räumen nicht möglich. Die Bewohner müssten quasi in ihren Zimmern eingesperrt werden, was einen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff bedeuten würde.
Alle Anordnungen seien unter ständiger Abwägung der Interessen der Bewohner hinsichtlich ihrer Gesundheit und ihrer persönlichen Fortbewegungsfreiheit und Selbstbestimmung erfolgt. Auch die Interessen der Besucher bezüglich ihres Gesundheitsschutzes und der Selbstbestimmung, ihre Angehörigen besuchen zu können, seien stets in die Interessenabwägung einbezogen und zeit- und infektionsaktuell neu gewertet und gewichtet.
Somit seien auch die Besuchsverbote räumlich und zeitlich gestaffelt erfolgt. Am 19.01.2022 sei zunächst nur für den Wohnbereich 1 ein Besuchsverbot angeordnet und erst nach den Feststellungen, dass die Infektion sich auf das ganze Haus verteilt, sei am 29.01.2022 eine Ausweitung auf das ganze Haus angeordnet worden. Das sei aus Sicht des Antragsgegners die einzig mögliche Maßnahme zur Verhinderung von erheblichen Gefahren für die Bewohner, die Pflegekräfte und auch die Besucher. Die Infektionen hätten sich auf das ganze Haus verteilt, eine Absonderung oder Trennung von Infizierten und Nichtinfizierten könne aus den geschilderten räumlichen und personellen Gründen nicht sichergestellt werden. Die verhängten Maßnahmen würden daher den geringsten Eingriff in die Bewegungsfreiheit unter Berücksichtigung der körperlichen Unversehrtheit von Bewohnern, Pflegepersonal und Besuchern darstellen. Für die Mutter des Antragstellers sei zudem festzustellen, dass sie nach Auskunft der Heimleitung derzeit aufgrund der fehlenden Besuchsmöglichkeiten noch keinerlei Anzeichen dafür aufweise, dass sie Leidensdruck empfinden würde. Dies sei auch ihrem Krankheitsbild geschuldet. Auch dies sei in die Interessenabwägung im konkreten Einzelfall einbezogen. Sollten hier Änderung festgestellt werden, werde überlegt, in Einzelfällen dann negativ getesteten Bewohnern in Begleitung von Personal der Bundeswehr im Nebengebäude Besuche von Angehörigen zu ermöglichen. Dies könne aber nur in Einzelfällen ermöglicht werden, wenn der Leidensdruck des konkreten Bewohners sehr groß sei, dass eine erhebliche psychische Problematik zu befürchten sei. Aufgrund des immensen Personalaufwandes sei dies nicht generell möglich, weil das Personal derzeit dann die Betreuung der Bewohner nicht mehr ausreichend gewährleisten könne.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte seien die gestaffelten Besuchsverbote notwendige nicht vermeidbare Anordnungen zum Schutz der Bewohner, Pflegekräfte und des Personals der Einrichtung sowie der Besucher. Diese Anordnungen seien auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 IfSG und unter Ausübung der notwendigen Ermessensgrundsätze erfolgt. Zudem berücksichtige der Antragsgegner bei seinen Entscheidungen bei der Beratung und den Anordnungen im Einzelfall bei Ausbruchsfällen in Pflegeheimen auch die wissenschaftlichen Richtlinien des Robert Koch-Instituts „Prävention und Management von Covid-19 in Alten- und Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen“ und beziehe diese in seine Abwägungen mit ein. Auch der vorhandene Impfstatus der Bewohner sei in die Ermessensabwägung einbezogen worden. Bei der Omikronvariante des Virus seien aber Impfdurchbrüche feststellbar, auch hier in dieser konkreten Einrichtung, so dass auch dies keine andere Betrachtungsweise ermöglicht habe.
Der Antragserwiderung war ein Dokument des RKI beigefügt zum Thema „Prävention und Management von COVID-19 in Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen; Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen und für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ vom 14.02.2022.
Außerdem war der Antragserwiderung weiterer E-Mail-Verkehr beigefügt. Danach hat am 01.02.2022 der Einrichtungsleiter des Demenzkompetenzzentrums angefragt, ob ein Besuchsverbot für den Wohnbereich EG ausgesprochen werde. Darauf antwortete das Landratsamt, dass das Besuchsverbot jetzt vorsichtshalber für die ganze Einrichtung ausgesprochen werde. Aus einer E-Mail des Landratsamts vom 01.02.2022 ergibt sich, dass das Besuchsverbot habe ausgesprochen werden müssen, da in einer Reihentestung in der Einrichtung auch mehrere Bewohner positiv getestet worden seien. Anders als bei positiven Mitarbeitern müsse dann von einem Ausbruchsgeschehen in der Einrichtung selbst ausgegangen werden, was weitergehende Sicherheitsvorkehrungen wie beispielsweise ein Besuchsverbot zur Folge habe. Die Dauer der Einschränkungen richte sich ganz nach der Dauer des Infektionsgeschehens und sei in diesem Fall auch angemessen. Die Maßnahmen würden umgehend aufgehoben, sobald dies vertretbar sei. Es werde versichert, dass auch in der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht sehr daran gelegen sei, Einschränkungen für pflegebedürftige Menschen so gering wie möglich zu halten, ohne dabei jedoch den Infektionsschutz zu vernachlässigen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen, analog § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
a. Statthaft ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die „Aufhebung des pauschalen Besuchsverbotes“, vgl. § 122 Abs. 1, § 88 Abs. 1 VwGO. Dieses Begehren des anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers ist dahingehend auszulegen, dass er das ihm gegenüber verfügte Besuchsverbot suspendiert wissen möchte.
Nach § 123 Abs. 5 VwGO ist ein Antrag nach § 80 oder § 80a VwGO vorrangig, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft ist, weil – wie hier – die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird, vgl. § 42 Abs. 1 VwGO.
Das zunächst teilweise und dann absolut ausgesprochene pauschale Besuchsverbot stellt einen solchen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Ob eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, hängt davon ab, ob sie nach ihrem objektiven Sinngehalt dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten. Die Regelung muss darauf gerichtet sein, unmittelbar die Rechtsposition von natürlichen oder juristischen Personen (Außenbereich) verbindlich zu gestalten oder festzustellen. Entscheidend ist dabei, in welcher Eigenschaft der Adressat angesprochen wird, ob als Teil der Verwaltung oder als selbstständiges Rechtssubjekt. Ein wesentliches Indiz für die Intention der Außenwirkung ist deshalb die Rechtsvorschrift, die durch die Maßnahme konkretisiert werden soll (vgl. von Alemann/Scheffczyk in: BecKOK VwVfG, 45. Edition Stand 01.01.2022, § 35 Rn. 222 ff.).
Gemessen daran hat das Gesundheitsamt mit dem zuletzt ausgesprochenen absoluten und pauschalen Besuchsverbot eine Entscheidung im Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Diese Entscheidung hatte Außenwirkung. Denn auch der Antragsteller sollte von dem Besuchsverbot betroffen sein, da in erster Linie Besucher davon abgehalten werden sollen, das Demenzkompetenzzentrum zu betreten. Es sind auch keine weiteren Zwischenschritte erforderlich, um den Antragsteller von einem Besuch seiner Mutter im Demenzkompetenzzentrum abzuhalten, sodass die Unmittelbarkeit konstatiert werden kann.
Da der Sofortvollzug von Maßnahmen nach dem IfSG nach § 16 Abs. 8 für Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 bis 3 von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat und auch § 28 Abs. 3 auf diese Norm verweist, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage statthaft, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO.
b. Der Antragsteller ist analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.
Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist antragsbefugt, wenn die Möglichkeit besteht, dass er jedenfalls in seiner Handlungsfreiheit „durch den Verwaltungsakt“ verletzt sein könnte und der Antragsteller diese Rechtsverletzung geltend gemacht hat. Abzugrenzen ist die Rechtsverletzung „durch den Verwaltungsakt“ vor allem zu den bloß tatsächlichen, „faktischen“, reflexartigen (mitunter auch „mittelbar“ genannten) Wirkungen des Verwaltungsakts (sog. Rechtsreflex). Kann das subjektive Recht durch die getroffene Regelung adäquat kausal, also auch typischerweise verletzt sein, so ist der Tatbestand „durch den Verwaltungsakt“ erfüllt. Die adäquate Kausalität der Rechtsverletzung erfordert eine Zurechnung des verletzenden Verhaltens zu dem Verwaltungsakt, nicht aber notwendigerweise ein zielgerichtetes Verhalten der Behörde. Zuzurechnen ist grundsätzlich zunächst alles, was mit dem Verwaltungsakt bestimmungsgemäß verbunden oder sonst adäquat kausal auf den Verwaltungsakt zurückzuführen ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 120 m.w.N.).
Gemessen daran ist hier eine solche mögliche Rechtsverletzung „durch den Verwaltungsakt“ festzustellen. Die Verletzung der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder auch das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 6 Abs. 1 GG sind möglicherweise adäquat kausal durch das ausgesprochene pauschale und absolute Besuchsverbot verletzt. Das zunächst gegenüber dem Demenzkompetenzzentrum angeordnete Besuchsverbot wirkt sich dergestalt auf den Antragsteller aus, dass er dieses nicht mehr betreten darf – der Besuch durch den Antragsteller ist bestimmungsgemäß mit dem Verbot verbunden. Zu sehen ist auch, dass der Antragsteller mit dem Gesundheitsamt in regem Kontakt stand und sich mit diesem über das Besuchsverbot ausgetauscht hat. Dieses bestätigte bzw. stellte dieses Besuchsverbot gegenüber ihm klar. Auch entfaltet das Besuchsverbot eine gewisse rechtliche Bindungswirkung gegenüber dem Antragsteller, weil er nach dessen Maßgabe das Demenzkompetenzzentrum nicht betreten darf. Der Antragsteller befindet sich deshalb in der Zurechnungs- bzw. Wirkungssphäre des angeordneten absoluten und pauschalen Besuchsverbots.
Aufgrund dessen war der Antragsteller antragsbefugt, weil die Möglichkeit besteht, dass er in seinen Rechten „durch den Verwaltungsakt“ verletzt ist.
c. Der Antragsteller hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig, vgl. § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner auch gegenüber dem Demenzkompetenzzentrum … das Besuchsverbot ausgesprochen hat, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers nicht. Denn im Falle eines erfolgreichen Eilantrags ist zu erwarten, dass der Antragsgegner gegenüber der Einrichtung klarstellt, dass das pauschale Besuchsverbot gegenüber dem Antragsteller nicht gilt. Einen einfacheren Weg, an sein Antragsziel zu kommen, hat der Antragsteller nicht.
2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Gericht vorzunehmende Interessensabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung – hier § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG – zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines noch einzulegenden Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des – hier fiktiven – Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die noch zu erhebende Anfechtungsklage in der Hauptsache Erfolg haben wird. Denn hinsichtlich des pauschalen Besuchsverbots kann die Ausübung des Ermessens durch den Antragsgegner nicht als rechtmäßig bestätigt werden.
a) Zwar erscheint zweifelhaft, ob § 16 Abs. 1 IfSG vorliegend die zutreffende Rechtsgrundlage für das angeordnete Besuchsverbot ist. Bei summarischer Prüfung steht jedoch grundsätzlich eine einschlägige spezielle Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Besuchsverbots zur Verfügung.
§ 28a Abs. 1 Nr. 15 IfSG bestimmt, dass notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen des Gesundheits- oder Sozialwesens sein kann.
§ 28a Abs. 8 IfSG regelt, dass nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Absätze 1 bis 6 auch angewendet werden können, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in einem Land besteht und das Parlament in dem betroffenen Land die Anwendbarkeit der Absätze 1 bis 6 feststellt. Da die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag nicht mehr verlängert wurde, ist der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 8 IfSG eröffnet. Der Landtag des Freistaats Bayern hat mit Beschluss vom 24.11.2021 festgestellt, dass für das Gebiet des Freistaates die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) besteht und daher § 28a Abs. 1 bis 6 IfSG mit Wirkung vom 24.11.2021 für den Freistaat anwendbar sind (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 826 vom 24.11.2021). Aus diesem Grund findet § 28a Abs. 1 bis 6 IfSG in diesem Fall Anwendung. Die spezielle Rechtsgrundlage für das Besuchsverbot liegt infolgedessen in § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 28a Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 Nr. 15 IfSG.
b) Der Antragsgegner hat allerdings bei der Anwendung dieser Norm sein Ermessen nicht in rechtmäßiger Art und Weise ausgeübt, weshalb ein zu beanstandender Rechtsfehler vorliegt. Die o.g. Rechtsgrundlage eröffnet dem Antragsgegner ein Auswahlermessen hinsichtlich der notwendigen Schutzmaßnahme.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Unterschieden wird zwischen der Ermessensüberschreitung, der Ermessensunterschreitung und dem Ermessensnichtgebrauch (vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 16 ff.).
Nach § 28a Abs. 3 IfSG sind Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit
§ 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 IfSG regelt weiter einengend, dass die Anordnung der Untersagung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen im Sinne von § 28a Abs. 1 Nr. 15 nach § 28a Abs. 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Absatz 1 IfSG nur zulässig ist, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre. Nach § 28a Abs. 1 Satz 2 IfSG dürfen Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 Nr. 15 IfSG nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben.
Gemessen daran hat der Antragsgegner sein eingeräumtes Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt. Die wesentlichen Erwägungen des Antragsgegners, warum er ein Besuchsverbot ausgesprochen hat, waren der Infektionsschutz, räumliche und personelle Probleme des Demenzkompetenzzentrums, die Gesundheit, persönliche Fortbewegungsfreiheit und Selbstbestimmung der Heimbewohner und das Interesse der Besucher hinsichtlich ihres Gesundheitsschutzes, Selbstbestimmung und das Interesse, ihre Angehörigen besuchen zu können. Auch bezieht sich der Antragsgegner auf eine Empfehlung des RKI vom 14.02.2022 zur Prävention von COVID-19 in Alten- und Pflegeeinrichtungen.
Er geht aber nicht darauf ein, warum und inwiefern vorliegend ein pauschales Besuchsverbot mit dem Gebot des § 28a Abs. 2 Satz 2 IfSG vereinbar ist und sein soll. Er führt nichts dazu aus, inwieweit er der Isolation von einzelnen Personen, die z.B. keiner Quarantäneanordnung unterliegen, aber in diesem Heim wohnen, entgegenwirken will. Auch wird nicht ausgeführt, inwiefern ein Mindestmaß an sozialen Kontakten gewährleistet wird. Dabei ist der Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, dass gerade die Einschränkung des Kontakts zwischen den Bewohnern von Alten- oder Pflegeheimen für enge Angehörige von Pflege- oder Betreuungsbedürftigen aufgrund der erheblichen Eingriffsintensität in Individualgrundrechte nur nach den qualifizierten Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 möglich ist (vgl. BT-Drs. 19/24334, Seite 73 unten). Das Gericht geht dabei davon aus, dass es nicht ausreicht, dass die Bewohner von Pflegeheimen einen Kontakt untereinander oder zu ihren Pflegerinnen und Pflegern haben, da die Regelung des IfSG im Zusammenhang mit der Gesetzesbegründung in erster Linie auf den Kontakt zwischen Heimbewohnern und Angehörigen abstellt. Zudem betrifft die Ausnahme in Abs. 2 Satz 2 das Betreten oder Besuchen von Einrichtungen und somit nicht den (sozialen) Kontakt innerhalb der Einrichtung des Gesundheits- oder Sozialwesens. Eine absolute Untersagung des Zugangs wird in der Literatur für nicht zulässig erachtet (vgl. Johann/Gabriel in: BeckOK Infektionsschutzrecht, § 28a IfSG, Rn. 39).
Nur ergänzend wird auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit von Besuchsverboten in Altenheimen hingewiesen (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 20 NE 20.1065 – juris: betraf die Prüfung einer Verordnung). Nicht zuletzt daraus lässt sich ableiten, dass es in sensiblen Situationen erforderlich ist, Ausnahmen vom Besuchsverbot zuzulassen, um besondere Härten aus dem Weg zu räumen. Zwar zieht der Antragsgegner in Erwägung, in Einzelfällen Besuche zu ermöglichen, jedoch nur unter der Bedingung, dass der Leidensdruck des konkreten Bewohners sehr groß und eine erhebliche psychische Problematik zu befürchten ist. Dies sei nicht generell möglich. Die besondere Härte des pauschalen Besuchsverbots ist bereits darin zu sehen, dass es vage und unbestimmt bleibt, wie in den genannten Fällen der Besuch ausgestaltet werden würde und an welchen Kriterien der Leidensdruck und die erhebliche psychische Problematik festgemacht wird – insbesondere, wenn ein solches Problem aufgrund des Krankheitsbildes des Bewohners für den Antragsgegner nicht oder nicht ohne weiteres feststellbar ist.
Auch verfängt das Argument nicht, dass auf den Gesundheitsschutz der Besucher abgestellt wird. Denn diesen obliegt selbst die Entscheidung, eigenverantwortlich ein „Risiko“ einzugehen, wobei sie sich freilich selbst schützen, z.B. durch das Tragen einer FFP-2-Schutzmaske oder durch Einhaltung eines entsprechenden Abstandes zu ihren Angehörigen. Denn der Zweck des Besuchsverbots ist es, in erster Linie den Schutz vulnerabler Gruppen zu gewährleisten, nicht der Infektionsschutz der Besucher. Auch ist Ziffer 3.8.2 der o.g. Empfehlung des RKI (dort Seite 16) in diesem Zusammenhang zu lesen, der Empfehlungen zu Besuchsrestriktionen gibt und eine Beschränkung auf die gesamte Einrichtung als letztes Mittel anführt. Es verweist darin auf eine Broschüre des Bundesministeriums für Gesundheit zur Erstellung eines einrichtungsspezifischen Besuchskonzepts.
Es ist daher festzuhalten, dass der Antragsgegner in Bezug auf ein Mindestmaß an sozialem Kontakt des Antragstellers mit seiner Mutter keine hinreichenden Erwägungen angestellt hat. Für das weitere Vorgehen bedeutet dies, dass es dem Antragsgegner freisteht, ggf. eine den Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 2 IfSG genügende Besuchsregelung zu verfügen, wobei sich durchaus ergeben kann, dass ein Besuch aus gewichtigen Gründen nur selten und zeitlich eng begrenzt stattfinden kann. Dem Landratsamt steht insoweit ein Ermessen zu, die Häufigkeit, Dauer und weitere Zugangserfordernisse unter Beteiligung bzw. Anhörung des Demenzkompetenzzentrums zu regeln.
3. Dem Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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