Medizinrecht

Pflicht zur Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen

Aktenzeichen  L 19 R 405/14

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VI SGB VI § 179
SGB IX SGB IX § 41, § 42
SGB XII SGB XII § 97 Abs. 3
SGB X SGB X § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BVG BVG § 27 d

 

Leitsatz

Entscheidend für die funktionelle Zuweisung eines Klageverfahrens ist nicht die Frage, ob eine Vorschrift aus dem Bereich des SGB VI, SGB V oder SGB XI zu prüfen ist, sondern aus welchem Rechtsverhältnis die streitige Rechtsfrage herrührt. Hierfür ist auf das streitige Leistungsverhältnis abzustellen. (redaktioneller Leitsatz)
Eine zivilrechtliche Schadensersatzverpflichtung eines privaten Haftpflichtversicherers lässt das sozialrechtliche Leistungsverhältnis zwischen dem behinderten Menschen und dem Träger der sozialrechtlichen Leistung unberührt.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 3 R 5/13 2014-04-02 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 S 1 Nr. 2 SGG erreicht wird. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Erstattungsrechtsstreit im rechtlichen Sinne. Ein solcher wäre nur dann gegeben, wenn zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Erstattung von Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I streitig wäre (Breitkreuz/Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl., 2014, § 144 Rdnr. 26; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl., 2014, § 144 Rdnr. 11 ff. m. w. N.). Vorliegend geht es jedoch um die Frage der Verpflichtung zur Erstattung von Beitragsanteilen zur gesetzlichen Sozialversicherung durch den Beklagten in seiner Eigenschaft als Sozialhilfeträger gegenüber einer WfbM unter zivilrechtlicher (vereinsrechtlicher) Trägerschaft. In einer solchen Konstellation ist die vom Gesetzgeber mit der in § 144 Abs. 1 S 1 Nr. 2 SGG vorgesehenen hohen Streitwertgrenze gewünschte Einschränkung der Rechtsmittel zwischen Sozialleistungsträgern gerade nicht gerechtfertigt.
Die Berufung des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das SG begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 02.03.2014 mit dem Aktenzeichen S 3 R 5/13 hätte nicht erlassen werden dürfen. Es liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter und damit ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der einer Sachentscheidung durch den Senat entgegensteht.
Der Senat ist der Auffassung, dass die vorliegende Streitigkeit sehr wohl – wie vom SG anfangs auch angenommen – eine Streitigkeit aus dem Bereich des SGB XII ist. Entscheidend für die funktionelle Zuweisung eines Klageverfahrens ist nicht die Frage, ob eine Vorschrift aus dem Bereich des SGB VI, SGB V oder SGB XI zu prüfen ist, sondern aus welchem Rechtsverhältnis die streitige Rechtsfrage herrührt. Hierfür ist auf das streitige Leistungsverhältnis abzustellen. Maßgebend ist vorliegend, dass der bei der Klägerin tätige … aufgrund der durch den Unfall im Jahr 1997 erlittenen Verletzungen dauerhaft behindert ist und nur im Arbeitsbereich einer WfbM tätig sein kann. Hieraus folgt ein Anspruch des … auf Eingliederungsleistungen gegen den Beklagten. Aus dieser Stellung als Kostenträger resultieren für den Beklagten gesetzliche Verpflichtungen bei der Abwicklung, u. a. die hier streitige Erstattung von Beiträgen, u. a. auf der Grundlage des §179 SGB VI.
Der Beklagte ist Kostenträger im Sinne des § 179 SGB VI: Gemäß § 41 Abs. 1 SGB IX erhalten behinderte Menschen Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM, bei denen eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Nr. 1) oder Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (Nr. 2) wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Leistungen sind nach § 41 Abs. 2 SGB IX gerichtet auf Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des Behinderten entsprechenden Beschäftigung (Nr. 1), Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit (Nr. 2) sowie Förderung des Übergangs geeigneter behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen (Nr. 3). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der behinderte Mensch … in den Arbeitsbereich der WfbM der Klägerin eingegliedert ist und dort auch in geeigneter Weise unter Berücksichtigung seiner Behinderung tätig sein kann. Hierfür erhält … auch ein seinem Arbeitsergebnis entsprechendes Arbeitsentgelt.
Die Zuständigkeit für die Leistungsgewährung bestimmt sich dabei nach § 42 SGB IX, für den Arbeitsbereich einer WfbM nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB IX: die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten Betroffene (Nr. 1), die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den Voraussetzungen des § 27 d Abs. 1 Nr. 3 Bundesversorgungsgesetz – BVG – (Nr. 2), die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter den Voraussetzungen des § 35 a Achtes buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII – (Nr. 3), im Übrigen jedoch – die Träger der Sozialhilfe unter den Voraussetzungen des SGB XII (Nr. 4). Da eine Zuständigkeit nach den Ziff. 1 -3 des § 42 SGB IX nicht gegeben ist, ist der Träger der Sozialhilfe zuständiger Leistungsträger, sofern das SGB XII entsprechende Leistungen vorsieht. Derartige Leistungen sind in den §§ 53 ff. SGB XII als Leistungen der Sozialhilfe vorgesehen. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich dabei aus § 97 Abs. 3 SGB XII. Der Beklagte ist überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Sinne des § 97 Abs. 3 SGB XII i. V. m. Art. 81 ff. BayAGSGB (Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuch, Bayern).
Als zuständiger Leistungsträger für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Unterbringung im Arbeitsbereich einer WfbM ist der Beklagte auch Rehaträger im Sinne des § 6 SGB IX. Dort sind – ausdrücklich – nur Sozialleistungsträger, also Körperschaften des öffentlichen Rechts genannt, die die im Sozialgesetzbuch genannten – und im SGB I ausdrücklich aufgeführten – Sozialleistungen gewähren müssen. Bereits aus diesem Grund kann Kostenträger einer Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuches keine private Haftpflichtversicherung sein. Die Klägerin hat insoweit auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Regelungen über die Leistungsgewährung der Betreuung eines behinderten Menschen in einer Werkstatt so ausgestaltet ist, dass in jedem Fall durch die öffentlich-rechtlichen Träger die Leistungsgewährung unmittelbar sichergestellt werden soll und Fragen der konkreten Kostenabwicklung dann im Wege der Geltendmachung von Erstattungs- oder Regressansprüchen zwischen dem Leistungsträger und einem eventuell vorhandenen Drittschädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer erfolgt, ohne den Behinderten zusätzlich belasten zu müssen. Diese Zielsetzung wäre nicht gewährleistet, wenn über die Frage des Umfangs und der Kostentragung dem Grunde und der Höhe nach erst gestritten werden müsste.
Deshalb ist von der Frage, wer zuständiger Leistungsträger ist – vorliegend der Beklagte – ganz klar die Frage zu unterscheiden, ob es ggf. eine rechtliche Möglichkeit gibt, den Drittschädiger in Verantwortung zu nehmen und gegebenenfalls hier Erstattungs- oder Regressansprüche durchzusetzen. Eine zivilrechtliche Schadensersatzverpflichtung – wie hier die der Allianz Versicherung als Haftpflichtversicherer des Schädigers nach § 115 WG – lässt das sozialrechtliche Leistungsverhältnis zwischen dem behinderten Menschen und dem Träger der Leistung – vorliegend dem Beklagten – unberührt.
Sofern es um die Kosten der Unterbringung in der … dem Grunde und der Höhe nach ginge, wäre § 116 SGB X anzuwenden: Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 823 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch -) beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind (Arbeitnehmeranteil; § 116 Abs. 1 S 2 Nr. 1 SGB X) und die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 SGB V zu zahlen wären (§ 116 Abs. 1 S 2 Nr. 2 SGB X). Die Übernahme der Kosten für die Unterbringung von … in der durch die Allianz ist letztlich nur eine Verkürzung des Zahlungsweges, da der Beklagte zunächst die Kosten zu tragen hätte und dann bei der Allianz eine Erstattung der Kosten auf der Grundlage des durch Legalzession übergegangenen Schadensersatzanspruchs des … gegen seinen Schädiger nach § 116 SGB X verlangen könnte. § 116 SGB X ist allerdings nach seinem klaren Wortlaut nur auf Sachverhalte anwendbar, bei denen es um die Erstattung der Aufwendungen für erbrachte Sozialleistungen geht. Nach einhelliger Meinung sind aber abgeführte Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 179 SGB VI keine Sozialleistungen.
Der Klägerin als Trägerin der … kommt im Hinblick auf die Tätigkeit des … im Arbeitsbereich die Funktion eines Arbeitgebers zu. Als Arbeitgeber ist die Klägerin grundsätzlich auch verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für den behinderten Menschen abzuführen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind in allen Zweigen der Sozialversicherung, also in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, behinderte Menschen versichert, die in geschützten Einrichtungen (WfbM) beschäftigt werden. Die Versicherungspflicht ist für die gesetzliche Rentenversicherung speziell in § 1 S 1 Nr. 2 SGB VI angeordnet. Die Beiträge werden nach § 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI von den Trägern der Einrichtung, wenn ein Arbeitsentgelt nicht bezogen wird oder das monatliche Arbeitsentgelt 20% der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, sowie für den Betrag zwischen dem monatlichen Arbeitsentgelt und 80% der monatlichen Bezugsgröße, wenn das monatliche Arbeitsentgelt 80% der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, im Übrigen von den Versicherten und den Trägern der Einrichtung je zur Hälfte. Gemäß § 162 Nr. 2 SGB VI sind bei behinderten Menschen als Arbeitsentgelt die der Beitragserhebung zugrunde liegenden Einnahmen anzusehen, mindestens jedoch 80% der Bezugsgröße.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber beabsichtigt, bei behinderten Menschen durch eine Mindestbeitragsabführung für eine entsprechende Alterssicherung im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu sorgen. Dies stellt eine sozialpolitisch sicherlich wünschenswerte gesetzgeberische Entscheidung dar, die gerichtlich nicht zu überprüfen ist. Der Träger der WfbM – vorliegend die Klägerin – muss diese Beiträge zunächst an die gesetzliche Rentenversicherung abführen, unabhängig davon, wer Schädiger des behinderten Menschen gewesen ist und wer Träger der Leistung ist. Konsequenterweise sieht § 179 SGB VI entsprechende Erstattungsregelungen vor, damit der Träger einer WfbM nicht mit Aufwendungen belastet wird, die von ihm auf Dauer nicht getragen werden können. Ausgehend von dieser Zielsetzung ist die WfbM von den Beitragslasten durch entsprechende Erstattungen zu befreien. Kostenträger im sozialrechtlichen Sinne bleibt aber vorliegend der Beklagte als zuständiger Leistungsträger.
Zur Frage der Abwicklung des Leistungsanspruchs des … gehört auch die Frage, ob der Beklagte zur Erstattung von anteiligen Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber der WfbM verpflichtet ist. Dass im Rahmen dieses Leistungsverhältnisses Vorschriften geprüft werden müssen, die sich in anderen Büchern des Sozialgesetzbuches, also im SGB V, SGB VI und SGB XI befinden, vermag an der Natur des Rechtsverhältnisses nichts zu ändern. Entsprechend dem sog. Fachkammernprinzip nach § 12 SGG war die Erfassung der Klage als SO-Streitigkeit mit der Zuweisung an eine funktionell zuständige Kammer, hier die 15. Kammer des SG, zutreffend. Die 3. Kammer des Sozialgerichts Würzburg ist nach dem damals gültigen richterlichen Geschäftsverteilungsplan für SO-Streitigkeiten nicht funktionell zuständig gewesen.
Eine funktionelle Zuständigkeit der 3. Kammer ist auch nicht durch die Aufteilung der Klage in drei Verfahren eingetreten. Eine Abtrennung der Verfahren hätte bereits aufgrund der oben ausgeführten Gründe nicht erfolgen dürfen. Die Trennung des Verfahrens in drei verschiedene, den Fachkammern für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zugewiesenen Streitigkeiten war aber auch deshalb rechtswidrig, weil diese ohne entsprechenden Gerichtsbeschluss erfolgt ist. Gemäß § 202 SGG i. V. m. § 145 Abs. 1 S 2 Zivilprozessordnung (ZPO) muss eine Trennung – so die Voraussetzungen für diese Trennung überhaupt gegeben wären, was vorliegend nicht der Fall war – durch gerichtlichen Beschluss erfolgen, der auch zu begründen ist. Ein solcher Beschluss ist nicht erfolgt. Das Verfahren S 15 SO 151/12 ist laut Auskunft des SG Würzburg nur aktenordnungstechnisch erledigt worden, d. h. durch Eintragung neuer Aktenzeichen durch die Registratur. Eine gerichtliche Anordnung im Sinne des § 145 Abs. 1 S 1 ZPO ist aber nur die Maßnahme eines Spruchkörpers des Gerichts, nicht die der Registratur oder der Geschäftsstelle (vgl. BFH, Beschluss vom 24.10.1973 – VII B 47/72 – BFHE 110, 465; BayLSG, Beschluss vom 22.08.2013, Az L 20 R 653/13 NZB; Reichold, in: Thomas-Putzo, ZPO, 36. Auf. 2016, § 145 Rdnr. 2; Leitherer/Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 113 Rdnr5 m. w. N.).
Mangels wirksamer Trennung des Verfahrens ist davon auszugehen, dass die mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.12.2012 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage nach wie vor in der 15. Kammer des Sozialgerichts anhängig ist. Eine Entscheidung durch die 3. Kammer hätte deshalb nicht ergehen dürfen.
Es liegt auch nicht nur ein unbeachtlicher Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit vor, da nach dem Fachkammernprinzip bei sozialhilferechtlichen Streitigkeiten nach § 12 Abs. 5 SGG die ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und kreisfreien Gemeinden auszuwählen und an der Entscheidung zu beteiligen sind. Beim Urteil des SG vom 02.04.2014 haben solche ehrenamtlichen Richter nicht mitgewirkt, sondern Personen aus den Listen nach § 12 Abs. 2 SGG. Das Gericht war somit bei der Entscheidung am 02.04.2014 nicht ordnungsgemäß besetzt. Damit wurde das grundrechtlich aus Art. 103 Grundgesetz (GG) geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Dies führt zu einem wesentlichen Verfahrensfehler, der nach § 159 Abs. 1 SGG zur Aufhebung und Zurückverweisung an das SG führt. Eine entsprechende Rüge durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin war mit Schriftsatz vom 14.01.2013 erfolgt.
Der Senat war zur Entscheidung selbst funktionell zuständig, weil er nach der richterlichen Geschäftsverteilung des Bayer. Landessozialgerichts für Berufungen gegen Urteile erster Instanz in R-Sachen zuständig ist. Wegen des wesentlichen Verfahrensfehlers des SG ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 179 Abs. 1 SGB VI lösen lässt. Für den Beitrag, der sich aufgrund der Differenz zwischen dem tatsächlichen Entgelt des behinderten Menschen und dem fiktiven Entgelt auf der Grundlage von 80% der monatlichen Bezugsgröße ergibt, ordnet § 179 Abs. 1 S 1 SGB VI eine Erstattungspflicht des Bundes an, weil es sich – wie oben bereits ausgeführt – bei der Anknüpfung an ein fiktives Mindestentgelt um eine sozialpolitisch gewünschte Absicherung des behinderten Menschen in der gesetzlichen Rentenversicherung mit daraus resultierenden Ansprüchen im Alter, bei Tod und ggf. bei Erwerbsminderung handelt. Diese Kosten können und sollen von der WfbM nicht getragen werden, ohne ihre Funktionsfähigkeit zu gefährden. Für die übrigen Beiträge ist eine Erstattung ausdrücklich in § 179 Abs. 1 S 2 SGB VI vorgesehen, und zwar durch den Kostenträger. Die übrigen Beiträge können nur auf den bei der Erstattung nach § 179 Abs. 1 S 1 SGB VI nicht umfassten, tatsächlichen Lohn des behinderten Menschen bezogen sein. Kostenträger ist – wie oben ausgeführt – der Beklagte. Die Zahlung der Allianz Versicherung an die Klägerin stellt keine Änderung der Leistungszuständigkeit dar, sondern lediglich eine Verkürzung des Zahlungsweges. Kostenträger im sozialrechtlichen Sinne, und darauf kommt es bei § 179 SGB VI an, ist und bleibt der Beklagte als überörtlicher Sozialhilfeträger. Dieses Ergebnis wird auch aus der im Jahr 2001 eingefügten Regelung des § 179 Abs. 1a SGB VI deutlich. Ein Regress gegen einen Drittschädiger, vorliegend die Allianz Versicherung als Haftpflichtversicherung des Schädigers, ist in dieser Regelung in S. 1 für den Bund vorgesehen, soweit dieser Erstattungen nach § 179 Abs. 1 S 1 SGB VI erbracht hat, und in § 179 Abs. 1a S 4 SGB VI ist ein solcher Regress für den Kostenträger vorgesehen (vgl. auch Wehrhahn, in: Kasseler Kommentar, § 179 SGB VI, Rdnr4 und 9 m. w. N.). Wäre die Allianz Versicherung Kostenträger in diesem Sinne, müsste sie bei sich selbst Regress nehmen, was offensichtlich keinen Sinn macht. Auch die Argumentation des Beklagten, die Klägerin habe einen Erstattungsanspruch, nur niemanden an den sie sich wenden könnte, ist sicherlich nicht haltbar, weil dies der gesetzlichen Regelung eindeutig widerspricht. Eine auslegungsbedürftige Gesetzeslücke liegt sicherlich insoweit nicht vor (zur Frage der Durchsetzbarkeit eines Regressanspruchs bei Abfindungsvereinbarungen zwischen Geschädigtem und Schädiger vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014, Az VI ZR 546/13, veröffentlicht bei juris; Lang, Anmerkung zu OLG Hamm 25. Zivilsenat, Urteil vom 15.11.2013 – IU 2/13, veröffentlicht bei juris).
Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.2014 aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I.
Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Die Beschwerde in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte).
Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der „Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht“ an die elektronische Gerichtspoststelle des Bundessozialgerichts zu übermitteln ist. Weitere Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen
1. Rechtsanwälte,
2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,
3. selbstständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für Ihre Mitglieder,
5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich Im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu den Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von Ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
– die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
– die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
– ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II.
Erläuterungen
III.
zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundessozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs ist der Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen, einzuscannen, qualifiziert zu signieren und dann an die elektronische Gerichtspoststelle des Bundessozialgerichts zu übermitteln.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen Innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
IV.
Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.


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