Medizinrecht

Rechtmäßiger Sanktionsbescheid führt zur Minderung des Leistungsbezugs

Aktenzeichen  S 14 AS 720/16

Datum:
21.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129998
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 20, § 31b Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 59
SGB III § 309 Abs. 2 Nr. 2 u Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Kammer konnte den Rechtsstreit auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten waren ordnungsgemäß geladen und wurden in der Ladung jeweils auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Klage des Klägers ist bereits unzulässig. Klagebefugt ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sanktionsbescheid nur die Klägerin, da nur ihre Leistungen aufgrund der Sanktion gemindert werden und deshalb nur sie hiervon beschwert ist.
Die Klage der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Sanktionsbescheid vom 02.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
§ 32 Abs. 1 SGB II regelt, dass bei Leistungsberechtigten, die trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen, sich das Arbeitslosengeld II jeweils um 10% des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs mindert. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
Vorliegend wurde die Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2016 zu einem Termin am 19.04.2016 eingeladen. Nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat sich der Leistungsberechtigte – und das ist die Klägerin auch im Falle einer Beschäftigung im Betrieb ihres Ehemannes, des Klägers, weiterhin – ab Antragstellung persönlich beim SGB-II-Leistungsträger zu melden, wenn der Leistungsträger ihn dazu auffordert. Die Meldeaufforderung muss sich auf einen in § 309 Abs. 2 SGB III aufgezählten Grund beziehen. Dies ist hier der Fall; der Meldezweck der Besprechung der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes dient sowohl der Prüfung von Leistungsvoraussetzungen (§ 309 Abs. 2 Nr. 5 SGB II) als der Klärung der Frage, ob und inwieweit weiterhin Leistungen des Beklagten zur Vermittlung der Klägerin in Arbeit erforderlich sind (§ 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).
Ein Meldeversäumnis liegt dann vor, wenn der Leistungsberechtigte sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Insofern liegt ein Meldeversäumnis vor, da die Klägerin am 19.04.2016 nicht beim Beklagten vorgesprochen hat. Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist der Klägerin auch subjektiv vorwerfbar. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Klägerin die Aufforderung des Beklagten vom 05.04.2016, am 19.04.2016 bei ihm vorzusprechen, erhalten hat. Dennoch hat die Klägerin den Termin nicht wahrgenommen.
Voraussetzung für eine Sanktionierung ist die vorherige schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis. Hier hatte der Beklagte die Klägerin mit Einladungsschreiben vom 05.04.2016 konkret, richtig, vollständig und zeitnah darüber belehrt, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für sie ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt. Die Klägerin wurde explizit auf die weitere Minderung ihrer Leistungen nach dem SGB II um 10% des für sie maßgebenden Regelbedarfs für einen Zeitraum von drei Monaten hingewiesen.
Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen am 19.04.2016 liegt nicht vor. Als wichtige Gründe sind alle Umstände anzusehen, die eine Meldung unmöglich gemacht haben oder diese als unzumutbar erscheinen lassen, so dass ein anderes Verhalten billigerweise nicht zu erwarten war. Soweit die Kläger sich darauf berufen, das BSG habe „geurteilt, dass nicht mehrfach wegen der gleichen Begründung sanktioniert werden darf“, ist dies schon nicht zutreffend. Vielmehr hat das BSG mit Urteil vom 29.04.2015 (Az.: B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, dort Rn. 45ff.) lediglich entschieden, dass ein Jobcenter ab der vierten („nach der dritten“) gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins Ermessen ausüben muss, ob die weitere – also die vierte – gleichlautende Meldeaufforderung den Leistungsbezieher noch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen kann oder ob sie nur noch der Minderung seines Arbeitslosengeld II-Anspruchs dient. Der Meldezweck „Besprechung der Mitarbeit im Betrieb des Klägers“ wurde vor der streitgegenständlichen Einladung vom 05.04.2016 erst einmal verfolgt (Einladung vom 11.12.2015). Das vorgenannte BSG-Urteil betrifft erst die vierte gleichlautende Meldeaufforderung und steht dem streitgegenständlichen Vorgehen des Beklagten, das auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist, nicht entgegen.
Der Beklagte hat Dauer und Umfang der Leistungsminderung gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II i.V.m. § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II zutreffend bestimmt. Die Frist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II ist eingehalten.
Nach alledem ist die Klage mit der sich aus §§ 183, 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Angesichts der streitgegenständlichen Minderung von jeweils 36,40 € für drei Monate ist weder die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG erreicht, noch sind wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.


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