Medizinrecht

Untersagung eines Tattoo-Studions wegen Corona

Aktenzeichen  AN 18 E 20.00821

Datum:
4.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10413
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
IfSG § 28 Abs. 1, § 32 S. 1
BaylfSMV § 4 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tattoo-Studios sind Einrichtung, die allein der Freizeitgestaltung und nicht den notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens dienen. Sie sind deshalb nach § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV untersagt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Kammer entscheidet in Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Sache, ohne die Stellungnahme der Antragsgegnerin abzuwarten, da das Verfahren auch nicht zu ihren Lasten ausgeht.
Der Antrag der Antragstellerin, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass § 2 Abs. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 10 Satz 2 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16. April 2020 dem Betrieb eines Tattoo-Studios durch die Antragstellerin im Erdgeschoss des Anwesens … in … zu den jeweils geltenden Ladenöffnungszeiten für den Publikumsverkehr nicht entgegensteht, sofern die jeweils geltenden Vorgaben zur Zutrittssteuerung, Vermeidung von Warteschlangen und zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden, hat keinen Erfolg.
Dabei geht das Gericht bei sachgerechter Auslegung des Antrags (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) davon aus, dass vorläufig festgestellt werden soll, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 dem Betrieb des Tattoo-Studios der Antragstellerin ab dem 4. Mai 2020 zu den jeweils geltenden Ladenöffnungszeiten für den Publikumsverkehr nicht entgegensteht, sofern die jeweils geltenden Vorgaben zur Zutrittssteuerung, Vermeidung von Warteschlangen und zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden. Diese Auslegung folgt zum einen aus der Begründung des Antrags vom 30. April 2020 sowie zum anderen aus der E-Mail der Antragstellerin vom 29. April 2020 an die Antragsgegnerin, in welcher es im Betreff heißt „Ladenöffnung … 04.05.2020“.
1. Der Antrag ist zulässig. Der von der Antragstellerin erhobene Antrag ist als Feststellungsantrag im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft, weil die Antragstellerin ihr Begehren in der Hauptsache im Wege der Feststellungsklage verfolgen kann, sich die Frage der Betriebsöffnung unmittelbar nach der 3. BayIfSMV richtet, ohne dass eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre, und ein unmittelbar drohendes ordnungsrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin bei einer Öffnung der Geschäftsräume ab 4. Mai 2020 verhindert werden soll (die Antragsgegnerin hat mit E-Mail vom 30. April 2020 kommuniziert, dass nach ihrer Ansicht eine Öffnung nicht möglich ist), so dass der Antragstellerin nicht zuzumuten ist, nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Bedenken bestehen zwar dahingehend, ob die Antragstellerin abstrakt die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtslage begehrt und deshalb der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens hätte geltend gemacht werden müssen. Dies kann letztlich dahinstehen, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
2. Der Antrag ist unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO; sog. Regelungsanordnung). Dabei hat der Antragsteller sowohl die Dringlichkeit (Anordnungsgrund) wie auch das Bestehen eines Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf das Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gilt dieses sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn dem Antragsteller ohne einstweilige Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können.
Da vorliegend eine stattgebende Entscheidung im Ergebnis auf eine Vorwegnahme der Hauptsache – die Feststellung, dass die Antragstellerin bei Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben ihre Geschäftsräume zum Betrieb eines Tattoo-Studios für den Publikumsverkehr im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV öffnen darf – hinauslaufen würde, beurteilt sich die Begründetheit des Antrags nach den vorgenannten strengen Voraussetzungen.
Überdies kann ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das nur vorläufigen summarischen Charakter hat, nicht Ersatz für das Verfahren der Hauptsache sein, welches in erster Linie den Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt. Mit Blick auf diese Zielsetzung können im Eilverfahren vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden, die von dem Rechtsschutzsuchenden selbst vorgebracht werden, es sei denn, dass sich andere Fehler bei summarischer Prüfung als offensichtlich aufdrängen (vgl. OVG NRW, B.v. 26.1.1999 – 3 B 2861/97 – juris Rn.4).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben fehlt es dem Antrag jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Es ist bei summarischer Prüfung nicht festzustellen, dass einer entsprechenden Feststellungsklage die erforderlichen hohen Erfolgsaussichten prognostiziert werden könnten.
2.1 Die Antragstellerin fällt nach summarischer Prüfung des Gerichts unter § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV, so dass eine Öffnung des Tattoo-Studios nach der 3. BayIfSMV nicht möglich ist. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV ist der Betrieb sämtlicher Einrichtungen, die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens, sondern der Freizeitgestaltung dienen, untersagt. In § 4 Abs. 1 Satz 2 3. BayIfSMV sind Betriebe aufgeführt, die der Freizeitgestaltung dienen, wobei diese „insbesondere“-Aufzählung nicht abschließend ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV gliedert die Betriebe also in zwei Arten, solche, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens dienen, und solche, die der Freizeitgestaltung dienen. Sinn und Zweck dieser Regelung und der darin enthaltenen Unterteilung ist es, soziale Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren und dadurch das Infektionsgeschehen zu verlangsamen bzw. Neu-Infektionen mit dem Covid-19-Virus zu vermeiden. Die Gefahr von Infektionen besteht bei der vorliegenden hoch infektiösen Krankheit gerade bei (engen) sozialen Kontakten.
Das Tattoo-Studio der Antragstellerin stellt eine Einrichtung dar, welche auch unter Berücksichtigung oben genannten Sinn und Zwecks rein der Freizeitgestaltung und nicht den notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens dient. Aus der Aufzählung in § 4 Abs. 1 Satz 2 3. BayIfSMV ist ersichtlich, welche Betriebe insbesondere der Freizeitgestaltung dienen. Aus dieser Aufzählung kann geschlossen werden, dass gerade auch Betriebe, deren angebotenes Leistungsspektrum eine körperliche Nähe (so insbesondere Wellnesszentren) bzw. körperlichen Kontakt erfordert (so z.B. Bordellbetriebe), aber eben für das tägliche Leben als nicht „notwendig“ im oben genannten Sinn einzustufen sind, aus infektionsschutzrechtlichen Gründen nicht öffnen sollen. Gerade diese Umstände sind bei einem Tattoo-Studio gegeben, da das Stechen eines Tattoos ohne unmittelbare körperliche Nähe des Tätowierers zu seinem Kunden nicht denkbar ist und damit eine erhöhte Gefahr von Infektionen mit dem Covid-19-Virus besteht, die keiner Notwendigkeit des täglichen Lebens gegenübersteht. Der Betrieb dient insbesondere nicht der Versorgung mit Dingen des täglichen Lebens, der Hygiene, dem körperlichen Wohlbefinden oder ähnlich notwendigen Begehren. Aber auch die ausdrückliche Nennung von Fußpflege- und Friseurbetrieben sowie Physiotherapeuten in § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 3 3. BayIfSMV, deren Öffnung unter bestimmten Hygienebedingungen zulässig ist, lässt im Umkehrschluss darauf schließen, dass ein Tattoo-Studio weiterhin der Betriebsuntersagung unterworfen ist, da dieses sonst ebenfalls in der Verordnung explizit genannt worden wäre.
2.2 Zudem dürfte die Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, die sie durch das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 587 ff.; BT-Drucks 19/18111) erhalten hat, nicht zu beanstanden sein (vgl. dazu BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – juris Rn. 38 ff.).
2.3 Auch ist für das Gericht insbesondere bei Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV mit der Verordnungsermächtigung nicht in Einklang steht oder sonst rechtswidrig sein könnte. Die Antragstellerin hat keine durchgreifenden Argumente gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV vorgetragen, die für hohe Erfolgsaussichten sprechen würden.
Die gesetzliche Verordnungsermächtigung ermöglicht es, unter den Voraussetzungen des § 28 IfSG auch durch Rechtsverordnung dem § 28 IfSG „entsprechende“ Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG – d.h. die Feststellung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern – ist derzeit im ganzen Bundesgebiet und damit auch im Freistaat Bayern nach der Einschätzung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020 (vgl. https://www.r…de/DE/C../InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) erfüllt.
Damit sind die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Die BayIfSMV vom 27. März 2020 war bereits Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen (vgl. beispielsweise BVerfG, B.v. 7.4.2020 – 1 BvR 755/20; BVerfG, B.v. 9.4.2020 – 1 BvR 802/20; BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 20 NE 20.751; BayVGH, B.v. 16.4.2020 – 20 NE 20.782), wonach die entsprechenden Anträge abgelehnt wurden. Ebenso war die Rechtmäßigkeit von Betriebsschließungen bzw. Öffnung bestimmter Geschäfte anlässlich der Corona-Pandemie bereits Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611; BayVGH, B.v. 16.4.2020 – 20 NE 20.782; BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 20 NE 20.735), wobei auch hier die entsprechenden Anträge keinen Erfolg hatten.
Auch gegen die in der 3. BayIfSMV geregelte Betriebsschließung bestehen bei summarischer Prüfung keine mit hohen Erfolgsaussichten durchgreifende Bedenken des Gerichts. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass nun teilweise einzelne Dienstleistungsbetriebe ihren Betrieb im Rahmen der 3. BayIfSMV wieder öffnen können, namentlich Fußpflege- und Friseurbetriebe sowie Physiotherapeuten. Sinn und Zweck auch der 3. BayIfSMV ist der Schutz der Bevölkerung (Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit) vor der hoch infektiösen Covid-19 Erkrankung (vgl. oben). Aufgrund des aktuell bestehenden moderaten Infektionsgeschehens soll das öffentliche Leben sukzessive wieder aufgenommen werden, wobei das Entstehen neuer Infektionsketten verhindert werden soll. Ein zeitgleiches Öffnen aller Geschäfte und Betriebe wäre mit dem Risiko verbunden, dass die Infektionsdynamik (wieder) unbeherrschbar wird und damit die Belastung für das Gesundheitssystem unkontrollierbar zunimmt. Die Öffnung nur einzelner statt aller Betriebe ist ein geeignetes Mittel, diesem Risiko entgegenzuwirken. Nach summarischer Prüfung scheint nach Auffassung des Gerichts auch die Öffnung von oben genannten Dienstleistungsbetrieben – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar zu sein. Zwar dürfen gleiche Sachverhalte nicht sachgrundlos unterschiedlich behandelt werden, Art. 3 Abs. 1 GG; eine Ungleichbehandlung wäre aber nach Auffassung des Gerichts hier jedenfalls gerechtfertigt. Zweifelhaft ist bereits, ob vorliegend überhaupt eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte gegeben ist. Tattoo-Studios und Fußpflege- und Friseurbetriebe sowie Physiotherapeuten bieten jeweils gänzlich unterschiedliche Leistungen an. Eine Ungleichbehandlung könnte man lediglich darin sehen, dass überhaupt ein bestimmter Dienstleistungsbetrieb bei Einhaltung der sonstigen infektionsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach der 3. BayIfSMV öffnen darf und ein anderer nicht, auch wenn die angebotenen Dienstleistungen unterschiedlich sind. Diese Ungleichbehandlung wäre nach Ansicht des Gerichts allerdings gerechtfertigt, da der unterschiedlichen Behandlung der genannten Dienstleitungsbetriebe ein zulässiger Differenzierungsgrund zugrunde liegt, der mit Blick auf den Zweck der Differenzierung auch nicht unangemessen ist. Wie bereits dargelegt, bergen soziale Kontakte die Gefahr der Verbreitung der Infektion mit dem Covid-19-Virus. Gerade die rückläufigen Zahlen während der Ausgangsbeschränkung und Geschäftsschließungen haben gezeigt, dass die Einschränkung von Kontaktmöglichkeiten der Bevölkerung äußerst effektiv ist. Wille des Verordnungsgebers der 3. BayIfSMV ist es, das öffentliche Leben nach und nach wieder aufzunehmen, ohne neue Infektionsketten zu schaffen. Diesem Ziel entsprechend sollen zunächst notwendige Betriebe wieder öffnen, Betriebe, die aber rein der Freizeitgestaltung dienen, weiterhin geschlossen bleiben. Aufgrund dieser sachgerechten Ziele scheint es zulässig, dass nun auch Fußpflege- und Friseurbetriebe sowie Physiotherapeuten ihren Betrieb bei Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben wieder aufnehmen dürfen. Fußpflege- und Friseurbetriebe dienen – anders als ein Tattoo-Studio – nicht rein der Freizeit, sondern der Körperpflege und der Hygiene, sowie darüber hinaus dem körperlichen Wohlbefinden. Die Dienstleistung von Physiotherapeuten dient unmittelbar der Gesundheit der zu behandelnden Patienten. Bzgl. des Betriebs durch Physiotherapeuten sei zudem angemerkt, dass diese wohl bereits im Rahmen der 2. BayIfSMV vom 16. April 2020 nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 öffnen durften, soweit dies medizinisch dringend erforderlich war. Insoweit dürfte in der 3. BayIfSMV lediglich diese Beschränkung weggefallen sein, was angesichts der Tatsache, dass es sich um einen Gesundheitsberuf handelt und unter Berücksichtigung der nach und nach beabsichtigten Lockerungen der Beschränkungen jedenfalls sachgerecht ist. Zu beachten ist darüber hinaus auch, dass die genannten Betriebe unter anderem gem. § 4 Abs. 5 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 3. BayIfSMV ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten haben. So hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) einen Branchenstandard für Friseurbetriebe entwickelt, welcher für alle Friseurbetriebe verbindlich ist. Demnach dürfen gesichtsnahe Dienstleistungen wie Augenbrauen- und Wimpernfärben, Rasieren und Bartpflege derzeit nicht ausgeführt werden (vgl. BGW info vom 30. April 2020 Punkt 5, https://www.b..-online.de/SharedDocs/Downloads/DE/Branchenartikel/SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard-Friseurhandwerk_Download.pdf? blob=publicationFile). Folglich werden auch bei diesen Betrieben keine Behandlungen ganz nah am Kunden vorgenommen, die aufgrund der dabei erforderlichen Nähe zum Kunden ein erhöhtes Infektionsrisiko in sich tragen. Derartige Beschränkungen sind bei einem Tattoo-Studio schon nicht denkbar, da dort typischerweise nur ein Arbeiten äußerst nah am Kunden (an dessen Haut) denkbar ist, also ein Arbeiten unter Verzicht auf diese Nähe zum Kunden praktisch nicht möglich ist. Gerade diese Dienstleistungen, die einen äußerst nahen Kontakt typischerweise vorsehen, bergen ein immens hohes Infektionsrisiko und sollen nach dem Sinn und Zweck der Verordnung gerade (noch) nicht möglich sein, außer es handelt es sich um einen Betrieb mit für das tägliche Leben erforderlichen Leistungen (vgl. oben). Ein Konzept vergleichbar wie von der BGW ist bei einem Tattoo-Studio weder praktisch umsetzbar noch von der Antragstellerin vorgetragen oder sonst ersichtlich. Hinzu kommt der bereits dargestellte Unterschied, dass ein Tattoo-Studio rein der Freizeitgestaltung dient und eben nicht den oben vorgetragenen notwendigen Belangen eines Fußpflege- und Friseurbetriebs sowie einer Physiotherapiepraxis. Eine Beeinträchtigung des Art. 3 GG dürfte aufgrund all dieser Umstände nicht vorliegen bzw. müsste jedenfalls gerechtfertigt sein.
Auch der Vortrag der Antragstellerin, dass im Freistaat Sachsen Tattoo-Studios ab dem 4. Mai 2020 wieder öffnen dürfen, ändert an obiger Wertung nichts, da der Gleichheitsgrundsatz nur ein- und denselben Verordnungsgeber bindet, mit der Regierung des Freistaats Sachsen aber ein anderer Verordnungsgeber vorliegt, der auf Grundlage eines ggf. gänzlich anderen Infektionsgeschehens innerhalb von Sachsen konsequent auch anders darauf reagieren kann und muss.
Im Ergebnis führt die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 3. BayIfSMV zwar zu einer enormen Einschränkung für Dienstleistungsbetriebe, die der Freizeitgestaltung dienen; dennoch erscheint diese Regelung nach summarischer Prüfung im Hinblick auf die hohen Schutzgüter des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit verhältnismäßig. Bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass die 3. BayIfSMV zunächst nur für den Zeitraum vom 4. Mai 2020 bis 10. Mai 2020 gilt (vgl. § 12 3. BayIfSMV), womit der Verordnungsgeber gezeigt hat, dass er nach Ablauf dieser Zeit eine neue Risikoeinschätzung vornehmen und die dynamische Entwicklung der Erkrankung fortlaufend im Blick behalten wird. Damit wird dem Gebot der kontinuierlichen Kontrolle von Grundrechtseingriffen und der Abschätzung der hieraus erwachsenden Folgen Genüge getan. Zudem hat der Verordnungsgeber nach Ablauf dieser Zeit unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsverlaufs neu über die Öffnung von Dienstleistungsbetrieben, auch solche der Freizeitgestaltung, zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vor-läufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorweg-nehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.


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