Medizinrecht

Versicherungsschutz erlischt nicht bei begründetem Wechsel der Wegevariante

Aktenzeichen  L 3 U 365/17

Datum:
11.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23047
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VII § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Zu Fragen des Versicherungsschutzes bei Wegeunfällen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII): (Rn. 30 – 51)
2. – Versicherungsschutz besteht nicht nur auf dem schnellsten oder kürzesten Weg von oder zur Arbeit, sondern auch auf einem sinnvollen Weg. (Rn. 35 – 36)
3. – Kommen mehrere sinnvolle Wegevarianten in Betracht, erlischt der Versicherungsschutz nicht, wenn aus nachvollziehbaren Gründen ein Wechsel der Wegevarianten erfolgt (hier: Wechsel der Wegevarianten wegen fortgeschrittener Dunkelheit des Nachts). (Rn. 36)
4. – Der Versicherungsschutz erlischt jedoch, wenn der Versicherte den Weg vom Tätigkeitsort nach Hause um mehr als zwei Stunden durch private Verrichtungen unterbricht. (Rn. 37 – 38 und 51)
5. – Zur Berechnung der Fahrzeiten können Routenplaner herangezogen werden. Weichen gängige Routenplaner hierbei entscheidungserheblich voneinander ab, ist im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend darzulegen, welchem der Routenplaner bzw. der dort ausgewiesenen Fahrzeiten zu folgen ist. (Rn. 32)

Verfahrensgang

S 9 U 663/15 2017-10-25 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25. Oktober 2017 und der Bescheid vom 24. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 22. April 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren in vollem Umfang.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 8/11 R -, BSGE 111, 37 und juris Rdnr. 13 m. w. N.) und begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.10.2017 und der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2015 verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind zu aufzuheben. Denn das Ereignis vom 22.04.2015 stellt einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) dar.
Der Kläger gehörte zum Unfallzeitpunkt dem versicherten Personenkreis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII an. Denn er fertigte seine Masterarbeit an der L.-Universität A-Stadt und war somit als dort Studierender versichert.
Das Vorliegen eines Wegeunfalls im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist zur Überzeugung des Senats auch nachgewiesen. Nach dieser Rechtsnorm sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Das Zurücklegen des Weges ist das Sichfortbewegen auf einer Strecke, die durch einen Ausgangs- und Zielpunkt begrenzt ist, mit der objektivierten Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen (BSG, Urteil vom 31.08.2017 – B 2 U 2/16 R -). Ausgangspunkt ist vorliegend das Institut für Physik, Am C. 1 in C-Stadt; Endpunkt ist die damalige Wohnung des Klägers in der K-Straße 10, A-Stadt gewesen.
Gängige Routenplaner wie google-maps, aber auch weniger bekannte Routenplaner wie K., gehen übereinstimmend davon aus, dass für einen Radfahrer im Wesentlichen drei Wegevarianten in Betracht kommen, um von C-Stadt nach Hause in die K-Straße 10 in A-Stadt zu gelangen: Es handelt sich um eine westliche Variante von C-Stadt-Süd über die M.- und F. Landstraße sowie anschließend durch die U-Straße und die Stadtmitte, um eine mittlere Variante westlich der I. (= I.-Radweg) weitgehend durch den E. und eine Variante östlich der I. durch die dortigen I..
Ein Wechsel von der mittleren Variante zu westlichen Variante ist hierbei ohne relevanten Umweg insbesondere im Bereich der O-Straße auf Höhe der S-Straße möglich, wenn es zum Beispiel gilt, bei Dunkelheit von dem weitgehend unbeleuchteten I.-Radweg auf die auch des Nachts regelmäßig verkehrsreiche, aber beleuchtete Strecke durch die U-Straße zu wechseln. Dies hat auch der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 als naheliegend angesehen.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger zunächst den I.-Radweg befuhr und nach dem Abendessen über die U-Straße nach Hause fahren wollte. Dies stützte Senat zunächst auf den glaubhaften Vortrag der Bevollmächtigten, des Vaters des Klägers und wird auch durch den Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 20.06.2017 bestätigt. Dieser bestätigte dabei, der Kläger habe den Weg durch die I. bevorzugt. Im Übrigen ist dies nahe liegend, da die Strecke am I.-Radweg oder in den I. für Fahrradfahrer wesentlich angenehmer zu befahren ist, als die sehr verkehrsreiche westliche Route an der Straße.
Der Kläger hat sich folglich immer noch auf einem sinnvollen Nachhauseweg befunden, wenn er durch die S-Straße gefahren ist, um von der mittleren Wegevariante auf die westliche Streckenvariante zu wechseln. Der Wohnort der Zeugen W. und L. in der S-Straße 6 liegt somit auf einem der möglichen und sinnvollen Nachhausewege des Klägers.
In der Konsequenz liegt auch der Unfallort an der Kreuzung D-Straße auf dem versicherten Nachhauseweg des Klägers (westliche Variante). Dies gilt sowohl unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger (entgegen seinen Gepflogenheiten) von Anfang an die westliche Wegevariante hätte wählen können, als auch unter dem Gesichtspunkt, dass er unabhängig von der Unterbrechung bei den Zeugen W. und L. in diesem Bereich die Wegevarianten von der mittleren zur westlichen Variante gewechselt hat. In Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen Dunkelheit im April ist der Wechsel von der mittleren zur westlichen Variante, welche beleuchtet ist, auch aus diesem Grund sinnvoll.
Auch in zeitlicher Hinsicht hat der Kläger noch unter dem Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gestanden. Denn eine Lösung von der versicherten Tätigkeit tritt ein, wenn der Versicherte den Weg vom Tätigkeitsort um mehr als zwei Stunden durch private Verrichtungen (einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Wege) unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R, Rz. 28, BSGE 102, S. 111 ff.; BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 2 U 23/08 R -, UV-Recht aktuell 2010, S. 114 ff.).
Ausnahmen von der strikten Zeitgrenze von zwei Stunden kommen aus Gründen der Rechtssicherheit weder zu Lasten noch zugunsten des Versicherten in Betracht (Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, K § 8 Rz. 265 m. w. N.). Beweispflichtig für das Einhalten der 2-Stunden-Grenze ist der Kläger (Kasseler Kommentar § 8 Rz. 273 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.10.2009 – B 2 U 23/08 R -). Ihm obliegt die Beweislast, dass er den Nachhauseweg nicht länger als zwei Stunden unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R -; BSGE 102, 111-121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29).
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen im Verwaltungsverfahren und vor dem Sozialgericht München lässt sich zur Überzeugung des Senats gesichert der Beweis führen, dass der Kläger den Unfallort an der Kreuzung D-Straße nach einer Unterbrechung von weniger als zwei Stunden erreicht hat. Danach hat sich der Kläger kurz vor 20.30 Uhr von Herrn C. getrennt, da dieser die U-Bahn um 20.33 Uhr erreichen wollte und der Weg zur U-Bahn etwa fünf bis acht Minuten dauert.
Dies korrespondiert mit dem Telefonanruf des Klägers um 20.28 Uhr der Zeugin L. von etwa fünf Minuten. Für diese hörte es sich so an, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt (etwa 20.33 Uhr) in C-Stadt mit dem Fahrrad losfahren wollte. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger anschließend die übliche mittlere Wegvariante über den I.-Radweg gewählt hat, um abseits der verkehrsreichen Straßen bei hereinbrechender Dunkelheit seinen Nachhauseweg anzutreten. Der Weg von Am C. 1 in C-Stadt nach S-Straße 6 in A-Stadt beträgt hierbei etwa 15,8 km.
Hierfür benötigt der Kläger nach dem gängigen Routenplaner Google-Maps etwa 48 Minuten, worauf auch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.06.2018 hingewiesen hat. Der Vergleich mit der in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 eingehend erläuterten Wander- und Fahrrad-App K. ergibt jedoch, dass hierbei eine Durchschnittsgeschwindigkeit vom 20 km/h zugrunde gelegt worden ist, die K. dem „Profi-Niveau“ zuordnet.
Auch wenn es sich bei dem Kläger zum Unfallzeitpunkt um einen kräftigen jungen Mann gehandelt hat (so der Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2018 von dem Kläger, auch wenn dieser nunmehr auf einen Rollstuhl angewiesen ist), ist zu berücksichtigen, dass dieser ein älteres „Berg- oder Bahnhofsradl“ gefahren hat, das nicht so hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten zulässt wie ein Rennsportrad. Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die gesamte Strecke entsprechend dem Verlauf der I. stetig leicht bergauf führt, und deswegen eine niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeit anzusetzen ist.
Legt man auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger ein älteres Fahrrad gefahren hat und der Weg stets leicht bergauf gegangen ist, die zweithöchste (von insgesamt 5 Leistungsstufen) „sehr sportliche“ Durchschnittsgeschwindigkeit zugrunde, die K. mit 15,3 km/h vorsieht, ergibt sich bei einer Wegstrecke von 15,8 km/h eine Fahrzeit von 1 Std. 01 Min. von Am C. 1 in C-Stadt nach S-Straße 6 in A-Stadt. Bei niedrigerem Leistungsniveau von 12 km/h oder 10 km/h verlängert sich die Fahrtzeit laut K. entsprechend. Dies bedingt, dass der Kläger von einer gesicherten Abfahrtszeit in C-Stadt um 20.33 Uhr und einer Fahrzeit von 1 Std. 01 Min., die der Senat zugrunde legt, frühestens um 21.34 Uhr in der S-Straße 6 in A-Stadt angekommen ist.
Dies entspricht den korrigierten Angaben des Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2017. Dort hat der Zeuge W. in sich schlüssig dargelegt, warum er entgegen seinen Erstangaben mit Schreiben vom 16.06.2015 nicht mehr an der Ankunftszeit 21.15 Uhr festhält, sondern nach reiflicher Überlegung von einer Ankunftszeit des Klägers um 21.40 Uhr ausgeht.
Seine vor dem Sozialgericht München korrigierte Aussage ist für den Senat schlüssig und überzeugend, weil der Zeuge W. nunmehr anhand von konkreten Anknüpfungspunkten versucht hat, den genauen Zeitpunkt der Ankunft des Klägers bei ihm zu Hause zu rekonstruieren und die Anknüpfungspunkte (zwei E-Mails vom Büro bzw. von Unterwegs aus, übliche Fahrzeiten mit dem Bus Nr. 53 von der A-Straße in A-Stadt zur M., nachgewiesen durch den konkreten Busfahrplan, häusliche Gepflogenheiten wie Duschen, anschließendes Herrichten des Abendessens und Richten des Salats mit der Zeugin L.) ausreichend objektivierbar einen Rückschluss auf die tatsächliche Ankunftszeit des Klägers in der S-Straße 6 in A-Stadt ergeben.
Die zeitliche Differenz von 6 Minuten (vom Senat errechnete und zugrunde gelegte Ankunftszeit 21.34 Uhr – von dem Zeugen W. genannte Ankunftszeit 21.40 Uhr) erklärt sich durch die Notwendigkeit, das Fahrrad ordnungsgemäß abzustellen und zu verschließen bzw. sich nach dem Fahrradfahren etwas zu richten.
Ausgehend von der Ankunftszeit 21.34 Uhr in der S-Straße 6 in A-Stadt hätte der Kläger sich maximal zwei Stunden bei den Zeugen W. und L. aufhalten dürfen, um den Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 SGB VII durch die dortige Unterbrechung nicht zu verlieren.
Der Kläger hat sich jedoch wenige Minuten vor dem fiktiven Ablauf des Versicherungsschutzes um 23.34 Uhr wieder auf dem versicherten Nachhauseweg befunden.
Denn der Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr bis 23.32 Uhr ist für den Senat aufgrund der Aussage des Notarztes Dr. G. gesichert. Der Alarm ist bei ihm um 23.36 Uhr im Notarztwagen eingegangen. Der Notruf bei der Polizei ist wenige Minuten zuvor um 23.33 Uhr dort eingegangen. Unter Berücksichtigung, dass auch das Absetzen des Notrufes durch einen Ersthelfer ein oder zwei Minuten umfasst, ist der Unfallzeitpunkt zwischen 23.30 Uhr und 23.32 Uhr gesichert. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger von der S-Straße 6 auch noch einige Minuten bis zum Unfallort benötigte. Wie bereits oben ausgeführt wurde, handelte es sich bei der Fahrt über die S.straße 6 auch nicht um einen unversicherten Abweg.
Der Kläger hat sich somit aus zeitlicher Sicht eben noch im Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII befunden. Denn er hat nach den vorstehenden Ausführungen seinen Nachhauseweg um weniger als 2 Stunden unterbrochen.
In diesem Zusammenhang kann der Senat offenlassen, dass der genaue Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung S-Straße 6 in A-Stadt nicht gesichert ist. Die reine Fahrtzeit von der S-Straße 6 in A-Stadt bis zum Unfallort Kreuzung D-Straße kann bei etwa 550 m auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vor dem erneuten Antritt der Weiterfahrt das Rad gerichtet werden muss, in wenigen Minuten zurückgelegt werden. Ausgehend von dem Unfallzeitpunkt 23.30 Uhr bis 23.32 Uhr muss der Kläger somit spätestens gegen 23.20 Uhr bis 23.25 Uhr die Zeugen W. und L. verlassen haben. Wenn die Zeugen in ihrem Schreiben vom 16.06.2015 von einem früheren Verlassen der Wohnung zwischen 22.45 Uhr und 23.00 Uhr ausgegangen sind und dies nachfolgend in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München am 20.06.2017 nicht mehr haben bestätigen können, ist dies unschädlich. Denn selbst wenn man von einer weiteren zeitlichen Unterbrechung des Klägers durch nicht mehr aufklärbare Umstände (z.B. längeres Richten des Fahrrads) ausgeht, lässt dies den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht entfallen, da die Gesamtzeit der Unterbrechung unter 2 Stunden betragen hat, wie vorstehend bereits dargelegt.
Im Übrigen ist der Rechtsauffassung des Sozialgerichts München nicht zu folgen, der Kläger sei einer selbst geschaffenen Gefahr aufgrund seines verkehrswidrigen Verhaltens erlegen. Denn der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 SGB VII normiert, dass selbst ein verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt. Auch wenn der Kläger sich möglicherweise in mehrfacher Hinsicht selbst gefährdet hat (Fahren ohne Helm, Rotlichtverstoß und Tragen von Kopfhörern bzw. Hören von Musik), schließt dies einen Versicherungsschutz nicht aus (Keller in Hauck/Noftz, Gesetzliche Unfallversicherung, K § 2 Rz. 7 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 04.06.2002 – B 2 U 11/01 R -, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10).
Die Problematik eines Alkoholeinflusses stellt sich hier nicht (vergl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R -; juris, BSGE 97, 54-63, SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Denn der Kläger hat ausweislich des aktenkundigen Laborberichts des Notfallzentrums am Klinikum B. vom 23.04.2015 diesbezüglich ein unauffälliges Blutbild gehabt. Dies gilt auch hinsichtlich anderer möglicherweise die Sinne beeinträchtigende Substanzen wie Opiate, Cocain, starke Schmerzmittel usw.
Vielmehr hat das BSG (Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 11/04 R -; juris, SGb 2006, 166-172) bestätigt, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsverrichtung (hier: Wegeunfall) und dem Unfallereignis nur dann ausnahmsweise entfallen kann, wenn die betrieblichen Umstände durch eine selbst geschaffene Gefahr so weit in den Hintergrund gedrängt werden, dass letztere als die rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen sind.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, weil ausweislich der Verkehrsunfallanzeige der Verkehrspolizeiinspektion A-Stadt / T. Landstraße vom 24.07.2015 sich ausschließlich Gefahren realisiert haben, die aus der Teilnahme am Straßenverkehr resultieren, nämlich das vorstehend erwähnte selbstgefährdende Verhalten des Klägers im Straßenverkehr und das zeitlich unglückliche Kreuzen des vorfahrtberechtigten VW-Busses, in den der Kläger seitlich rechts hinten mit so hoher Geschwindigkeit hineingefahren ist, dass sogar das Fenster des VW-Busses rechts hinten gesplittert ist.
Nach alledem ist der Berufung des Klägers stattzugeben gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


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