Medizinrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen § 4 Abs. 1 S. 1 und § 25 Abs. 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

Aktenzeichen  20 NE 21.129

Datum:
19.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1834
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
IfSG § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. § 4 Abs. 1 S. 1 und § 25 Abs. 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737) geändert durch Verordnungen vom 8. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 5) und vom 15. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 34) dürften auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sie dürften auch materiell rechtmäßig sein. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach den Feststellungen des zur Beurteilung der pandemischen Situation nach § 4 Abs. 1 IfSG berufenen Robert-Koch-Instituts kommt es besonders im familiären Umfeld zur Übertragung der Infektion. Deshalb dienen die mit der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 8. Januar 2021 aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen verschärften Kontaktbeschränkungen auch der Reduzierung der Anzahl der Kontakte im häuslichen, d.h. familiären Umfeld, da (langandauernde) Treffen mit mehreren Personen aus verschiedenen Haushalten unterbunden werden. Darauf, ob durch aufeinanderfolgende private Treffen es ebenso zur Übertragung von Infektionen kommen könnte, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf die Frage, ob das Übertragungsrisiko bei Kindern unter drei Jahren niedriger sei als bei Kindern höheren Alters. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der in Bayern lebt, wendet sich gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 25 Abs. 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737) geändert durch Verordnungen vom 8. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 5) und vom 15. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 34) und beantragt deren vorläufige Außervollzugsetzung.
Er ist der Auffassung, für die Regelung in § 25 fehle es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Außerdem sei die Norm unbestimmt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei verletzt und es komme zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen. Durch die Kontaktbeschränkung komme es zu massiven Grundrechtseingriffen. Die psychischen Auswirkungen seien sehr schwer.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der nur zum Teil zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits unzulässig, soweit er das Verbot touristischer Tagesausflüge bei einem Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen betrifft, weil der Antragsteller im Landkreis Aschaffenburg seinen Wohnsitz hat und dieser im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung einen Inzidenzwert von 163,0 aufweist. Weil auch nicht geltend gemacht wurde, dass der Landkreis Aschaffenburg eine entsprechende Überschreitung ortsüblich bekannt gemacht hat, ist der Antragsteller durch diese Regelung nicht beschwert und damit insoweit nicht antragsbefugt.
2. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (a.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (b.). Unabhängig davon ginge auch eine Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus (c.).
a. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
b. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
aa) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die angegriffene Norm in § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG (Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum) i.V.m. der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 IfSG eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage findet. Auf die Ausführungen im Beschluss vom 8. Dezember 2020 (Az. 20 NE 20.2461, BeckRS 2020, 34549, Rn. 22 ff.) wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen.
bb) § 4 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV dürfte auch materiell rechtmäßig sein, denn er beachtet bei summarischer Prüfung die gesetzlichen Vorgaben des § 28a IfSG.
(1) Die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG liegen vor. Das Infektionsgeschehen ist weiter auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 18. Januar 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-18-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Alten- und Pflegeheimen. Die Inzidenz in Bayern betrug am 17. Januar 2021 130 Fälle von Neuinfektionen innerhalb der letzten sieben Tage.
Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen sind nach §§ 28a Abs. 3 Satz 4 und 5, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
(2) Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV ausgesprochene Beschränkung privater Kontakte auf eine weitere Person neben den Angehörigen des eigenen Haushalts gehört als Kontaktbeschränkung zu den Katalogmaßnahmen des § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG. Sie kann nach § 28a Abs. 6 Satz 1 IfSG kumulativ neben weiteren Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung angewendet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich ist. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und auf die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist, § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG.
Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen. Die angegriffene Maßnahme dient hauptsächlich der Vermeidung von Sozialkontakten, da das Aufeinandertreffen von Menschen zur Virusübertragung führt.
Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23944 S. 31) lässt sich dazu entnehmen:
„Als notwendige Schutzmaßnahmen können Ausgangsund Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum erforderlich sein, um eine Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen und um die notwendige Nachverfolgung von Infektionen wieder zu ermöglichen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders groß. Dies gilt im privaten wie auch im öffentlichen Raum.
Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann.
Daher müssen Kontakte, die potentiell zu einer Infektion führen, zeitweise systematisch reduziert werden. Nur so werden eine Unterbrechung der Infektionsketten und ein Einhegen der Situation wieder möglich (vgl. auch Gemeinsame Erklärung der Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina – Coronavirus-Pandemie: Es ist ernst). Eine zeitlich befristete, erhebliche und zugleich zielgerichtete Einschränkung persönlicher Kontakte ist nach den Erfahrungen aus der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020 geeignet, die bei weiter steigenden Infektionszahlen bestehende konkrete Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. Dies ist von wissenschaftlicher Seite überzeugend bestätigt worden.“
(3) Diese Maßnahmen sind voraussichtlich verhältnismäßig.
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 177 bei Verordnungserlass, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bei 130 liegt, bestand und besteht hiernach Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
Da die Übertragung des Virus hauptsächlich durch Aerosole stattfindet, erscheint die Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte auch in der seit dem 11. Januar 2021 geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 11. BayIfSMV, der die zulässigen privaten Kontakte weiter einschränkt, sowohl geeignet, als auch in einer Lage anhaltend hoher Infektionszahlen jedenfalls aus ex ante – Sicht als erforderlich, um weitere Infektionsketten insbesondere im kontaktintensiven Privatbereich zu unterbinden oder jedenfalls zu unterbrechen.
Nach den Feststellungen des zur Beurteilung der pandemischen Situation nach § 4 Abs. 1 IfSG berufenen Robert-Koch-Instituts kommt es besonders im familiären Umfeld zur Übertragung der Infektion. Deshalb dienen die mit der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 8. Januar 2021 aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen verschärften Kontaktbeschränkungen auch der Reduzierung der Anzahl der Kontakte im häuslichen, d.h. familiären Umfeld, da (langandauernde) Treffen mit mehreren Personen aus verschiedenen Haushalten unterbunden werden. Auf den Einwand des Antragstellers, durch aufeinanderfolgende private Treffen könne es ebenso zur Übertragung von Infektionen kommen, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf die Frage, ob das Übertragungsrisiko bei Kindern unter drei Jahren niedriger sei als bei Kindern höheren Alters. Zwar handelt es sich um einen intensiven Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger; auf der anderen Seite dürften Kontaktbeschränkungen – jedenfalls nach der Einschätzung des Gesetzgebers (§ 28a Abs. 2 IfSG) – eine für die Infektionsbekämpfung besonders wirkkräftige Maßnahme sein.
An der Angemessenheit der auf §§ 28a Abs. 1 Nr. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Maßnahme der weitgehenden Beschränkung privater Kontakte, die über die Angehörigen des eigenen Haushalts hinausgehen, bestehen auch angesichts des Vortrags des Antragstellers, der sich auf die Notwendigkeit sozialer Kontakte zur Erhaltung der psychischen Gesundheit beruft und eine Einschränkung in seiner persönlichen Entfaltung moniert, wegen der Zielrichtung der Maßnahmen, die Ausbreitung der Infektion so einzudämmen, dass eine Kontaktnachverfolgung wieder möglich sein soll (BT-Drs. 19/23944 S. 34) und so langfristig eine Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden kann, keine durchgreifenden Zweifel. Die negativen Folgen für den Antragsteller stehen nicht außer Verhältnis zu dem mit den Maßnahmen verfolgten Zweck. Insbesondere ist ihm die Kontaktaufnahme zu anderen Haushalten weiterhin möglich. Die Mindestpflege von Sozialkontakten ist daher auch unter Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 1 11. BayIfSMV gewährleistet.
c. Aber selbst wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausginge, würde die im Rahmen des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Folgenabwägung ergeben, dass angesichts der weiterbestehenden pandemischen Lage die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen des Antragstellers an der Wahrnehmung von Sozialkontakten (Art. 2 Abs. 1 GG) überwiegen.
In der derzeitigen pandemischen Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Handlungsfreiheit des Antragstellers. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der von den Kontaktbeschränkungen Betroffenen derzeit zurücktreten (vgl. auch BVerfG, B.v. 15.7.2020 – 1 BvR 1630/20 – juris Rn. 25; BayVerfGH, E.v. 12.8.2020 – Vf.-34-VII-20 – juris Rn. 24 m.w.N.; BVerfG, B.v. 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 12 ff.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 31. Januar 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht ist.


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