Medizinrecht

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Aktenzeichen  M 26a E 20.6256

Datum:
22.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40497
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
11. BayIfSMV
Art. 47 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin nimmt Sportwetten an und vermittelt diese an den maltesischen Wettveranstalter … … Ltd. Dazu betreibt sie drei Wettannahmestellen in M …, I … und G …
Am … November 2020 ließ die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung über die alsbald zu erhebende Klage festzustellen, dass die Regelungen des § 11 Abs. 6 der 9. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung dem Betrieb von Wettannahmestellen in der P …straße … in M …, in der M … Straße … in I … und in der S …straße … in G … vorläufig nicht entgegenstehen.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2020 beschränkte sie den Antrag auf den Betrieb der Wettannahmestelle in der S …straße … in G …, mit Schriftsätzen vom … und … Dezember 2020 passte sie den Antrag der jeweils neu in Kraft getretenen 10. und 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung an, so dass sie unter Geltung der letzteren zuletzt beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur Entscheidung über die alsbald zu erhebende Klage festzustellen, dass die Regelungen des § 11 Abs. 6 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) dem Betrieb von Wettannahmestellen in der S …straße … in G … vorläufig nicht entgegenstehen.
Am … Dezember 2020 wurde eine entsprechende Feststellungsklage in der Hauptsache erhoben (M 26a K 20.6444).
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Verbote nach § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV im Verhältnis zur Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig und damit nichtig seien. Jedenfalls seien sie bezüglich der Antragstellerin unanwendbar. Die angegriffene Regelung stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und in die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit der Antragstellerin dar.
Es sei unverhältnismäßig und gleichheitswidrig, dass die 400 in Bayern existierenden Wettannahmestellen geschlossen seien, gleichzeitig aber die Abgabe von Wetten und sonstigen Spielscheinen in den 3.500 bayerischen Lottoannahmestellen weiterhin erlaubt sei. Den privaten Anbietern wie der Antragstellerin sei wenigstens die Möglichkeit zu geben, ihren Betrieb dergestalt aufrechtzuerhalten, dass eine reine Abgabe von Wetten ohne darüberhinausgehendes Verweilen möglich sei.
Wettannahmestellen seien als Ladengeschäfte mit restriktiver Quadratmeterbeschränkung und kurzer Aufenthaltsdauer der Kunden mit den übrigen in § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV geschlossenen benannten Vergnügungsstätten und Freizeiteinrichtungen nicht vergleichbar. Wettannahmestellen seien insbesondere nicht mit Wettbüros vergleichbar. Die Aufnahme in den Katalog des § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV sei willkürlich.
Die verwaltungsgerichtliche (insbesondere baurechtliche) Rechtsprechung stufe Wettannahmestellen für Sportwetten weder als (auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichtete) Vergnügungsstätten noch als Freizeiteinrichtungen ein.
Sollte die Teilnahme an einem Glücksspiel eine Freizeitaktivität sein, müsse dies gleichermaßen und noch mehr für Lotto-Läden wie für Wettläden gelten und der Verordnungsgeber müsse beides verbieten. Von den Lotto-Annahmestellen gehe angesichts ihrer Vielzahl, der Vielfalt ihres Angebots (neben Wettannahmen Verkauf von Waren wie Tabak und Alkohol, Zeitschriften und Dienstleistungen) und der Vielzahl an Kunden eine höhere Infektionsgefahr aus als von den vergleichsweise wenigen, von wenigen Kunden besuchten Wettannahmestellen.
Wettannahmestellen würden der Baugenehmigung entsprechend in Abgrenzung zu Vergnügungsstätten und Freizeiteinrichtungen als Betrieb ähnlich einer Lotto-Annahmestelle, allerdings mit sehr viel geringerem Glücksspielangebot und ohne Begleitangebot von Spirituosen und Tabakwaren geführt. Die Wettannahmestellen der Antragstellerin hätten keinen Aufenthaltscharakter und animierten die Kunden nicht zum Aufenthalt. Sie seien auf kurze Aufenthaltsdauer der Kunden ausgelegt; in den Betrieben der Antragstellerin sei es zu keinen Ansteckungen gekommen. Sie verfüge über ein bewährtes Hygienekonzept.
In der entsprechenden Corona-Verordnung des Landes Rheinland-Pfalz sei mustergültig geregelt, dass Wettvermittlungsstellen kurzzeitig zur Wettabgabe betreten werden dürften und der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen habe, dass ein darüberhinausgehendes Verweilen unterbleibe. Entsprechende Regelungen bzw. wenigstens eine entsprechende Praxis gebe es nunmehr auch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Die Antragstellerin erleide seit dem Frühjahr massive Umsatzeinbußen und ihre wirtschaftliche Existenz sei bedroht, so dass ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar sei. Die Antragstellerin sei von den staatlichen „Novemberhilfen“ nicht begünstigt.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 wird bezüglich der aktuellen 11. BayIfSMV ausgeführt, dass Wettvermittlung in einer Wettannahmestelle eine nicht körpernahe Dienstleistung sei, die ob ihrer gesundheitlichen Schutzfunktion Systemrelevanz habe. Die Begründung der Verordnung könne nicht rechtfertigen, dass und warum Wettannahmestellen wie Wettbüros und Spielhallen zu behandeln seien, Spirituosengeschäfte öffnen dürften, Weihnachtsbäume unverzichtbar seien und FFP2-Masken zwar bei Besuchen in Altenheimen zum Einsatz kämen, ansonsten aber als Maßnahme des Infektionsschutzes etwa im Betrieb der Antragstellerin nicht vorgesehen seien. In anderen Bundesländern sei die Öffnung von Wettannahmestellen unter Auflagen gestattet. Deshalb sei die Begründung des Verbots des Betriebs von Wettannahmestellen nicht kohärent und folgerichtig.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
§ 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV stehe eine Öffnung der Wettvermittlungsstelle der Antragstellerin auch bei Einhaltung der im Antrag geschilderten Vorgaben entgegen. Wettvermittlung im Hauptgeschäft in Wettvermittlungsstellen sei unzulässig. Dagegen sei eine glücksspielrechtlich nur ausnahmsweise zulässige Wettvermittlung im Nebengeschäft in sogenannten Annahmestellen, die sich überwiegend in den Örtlichkeiten anderer Betriebe wie beispielsweise in Tankstellen, Supermärkten oder Zeitschriftenläden befinden, als Dienstleistungsbetriebe nach § 12 der 9. BayIfSMV zulässig. Die Betriebe der Antragstellerin seien auch bei dem im Antrag beschriebenen eingeschränkten Betrieb Wettannahmestellen im Wortlautsinne des § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV und behielten auch dann ihren Charakter als Freizeiteinrichtungen, insofern sie nicht der Ermöglichung von Besorgung des täglichen Lebens dienten. Auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung des § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV wie der Verordnung insgesamt nach sei der Betrieb der Wettannahmestellen der Antragstellerin unzulässig. Ziel der 9. BayIfSMV sei eine merkliche Einschränkung sozialer Kontakte durch Einschränkungen der privaten Freizeitgestaltung. Dies sie auch die Zielsetzung des § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV, der Einrichtungen betreffe, die der privaten Freizeitgestaltung dienten. Dagegen sei nicht maßgeblich, ob die Betriebe der Antragstellerin dem engeren Begriff der Vergnügungsstätten unterfielen. § 11 Abs. 6 der 9. BayIfSMV sei auch nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Wettvermittlungsstellen mit beschränktem Betrieb zulässig sind. Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Grundgesetz. Sie sei verhältnismäßig. Die unterschiedliche Behandlung von Vermittlung von Wetten im Hauptgeschäft und im Nebengeschäft sei nicht gleichheitswidrig. Letztere seien dem Bereich des Einzelhandels zuzuordnen, für dessen Öffnung gewichtigere Gesichtspunkte stritten als für die Öffnung der nur dem Glücksspiel dienenden Stellen. Eine abweichende Regelungslage in anderen Bundesländern sei ohne Belang. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit sei nicht gegeben.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit den Schriftsätzen der Beteiligten samt umfangreichen Anlagen verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Mithin ist auf die Regelungslage abzustellen, wie sie von der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020, BayMBl. 2020 Nr. 737, in Kraft getreten am 16. Dezember 2020, abgebildet wird.
1. Der Antrag ist zulässig.
1.1. Der Antrag ist statthaft. § 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex specialis ist (Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn.40 f., Beck OK VwGO, § 123 Rn.16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn.22), ist hier nicht anwendbar, insoweit die Feststellung begehrt wird, dass die Regelungen des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV dem Betrieb der Wettannahmestelle in der S …straße … in G … vorläufig nicht entgegenstehen. Die Antragstellerin erstrebt damit, die Frage der Anwendbarkeit der Norm auf ihre – im Betriebskonzept geänderte – Wettannahmestelle mit einer gegen den Antragsgegner gerichteten Feststellungsklage nach § 43 VwGO klären zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2020 – 20 CE 20.1806 – juris Rn. 14). Dies ist zulässig, weil und insoweit sie nicht die Wirksamkeit der streitentscheidenden Normen bestreitet, sondern im Wege der (verfassungskonformen) Auslegung deren Nichtanwendbarkeit auf ihre konkrete Wettannahmestelle erreichen will.
1.2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den auf (vorläufige) Feststellung gerichteten Antrag ist gegeben. Im konkreten Fall war der Antragsgegner als Normgeber bereits in einem Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit dem streitgegenständlichen Vorbringen befasst, so dass die Antragstellerin bereits vor Antragstellung bei Gericht mit diesem auch ein streitiges Rechtsverhältnis verbunden hat.
2. Der Antrag ist aber unbegründet. Bei dem Betrieb der Antragstellerin handelt es sich nach der im Rahmen des Eilverfahrens möglichen summarischen Prüfung und auf der Grundlage der von der Antragstellerin glaubhaft gemachten Tatsachen um eine „Wettannahmestelle“ i.S.d. § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV. Daran ändert auch das gegenüber dem normalen Betrieb geänderte Betriebskonzept, wie es in dem vorgelegten Infektionsschutzkonzept der Antragstellerin zum Ausdruck kommt, nichts, so dass die beantragte vorläufige Feststellung nicht getroffen werden kann
Nach § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV sind Bordellbetriebe, Prostitutionsstätten, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen.
2.1 Der vom Verordnungsgeber verwendete Begriff der „Wettannahmestelle“ ist weder in der 11. BayIfSMV noch anderweitig, etwa im Zusammenhang mit dem Glücksspielrecht, legaldefiniert und damit auslegungsbedürftig. Wettannahmestellen sind landläufig zusammen mit den Wettbüros dem Oberbegriff Wettvermittlungsstellen zuzuordnen. Unter diesem Ausdruck sind Räumlichkeiten zu verstehen, in denen zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettvermittler und dem Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris). Dabei sind Wettbüros typischer Weise großflächiger und besitzen typischerweise Aufenthaltsqualität, etwa durch Angebot an Stühlen, WLAN, Zigarettenautomaten und Bildschirmen zur Verfolgung der Sportereignisse, gegebenenfalls auch durch ein gastronomisches Angebot. Wettannahmestellen sind typischerweise kleiner und dienen nur der Abgabe der Wetten. Aus bauplanungsrechtlicher Sicht sind deshalb Wettannahmestellen, worauf die Antragstellerin hinweist, als „normale Gewerbebetriebe“, Wettbüros dagegen als Vergnügungsstätten zu qualifizieren. Da unterstellt werden kann, dass dem Verordnungsgeber die begriffliche Unterscheidung zwischen Wettbüro und Wettannahmestelle aus dem Bauplanungsrecht bekannt gewesen ist, muss es sich bei der Wahl des Begriffes „Wettannahmestelle“ um eine bewusste Entscheidung gehandelt haben. Dass er irrtümlich mit dem Begriff „Wettannahmestelle“ Betriebe bezeichnen wollte, die in Wahrheit Wettbüros darstellen, kann angesichts der, soweit ersichtlich, seit der 2. BayIfSMV immer wieder vorgekommenen Verwendung des Begriffs bei Aufzählungen von verbotenen Freizeiteinrichtungen bzw. verbotenen Betrieben, soweit überhaupt ein Verbot derselben vorgesehen war, nicht unterstellt werden. Danach ist nach dem Wortlaut der Vorschrift davon auszugehen, dass damit jedenfalls auch Wettannahmestellen im Sinne des Bauplanungsrechts mitumfasst werden sollten.
2.2. Der systematische Regelungszusammenhang stützt diesen Befund insofern, als Wettbüros nach der oben gegebenen Typisierung unproblematisch unter das Tatbestandsmerkmal der sonstigen Vergnügungsstätten fallen dürften, Wettannahmestellen hingegen aufgrund ihres nicht notwendigerweise gegebenen Charakters als Vergnügungsstätten nicht ohne weiteres, sodass eine namentliche Nennung der Wettannahmestelle aus Gründen der Rechtsklarheit dem Verordnungsgeber sinnvoll erscheinen musste. Das verbindende Element aller in § 11 Abs. 6 der BayIfSMV genannten Einrichtungen ist bei systematischer Betrachtung nicht die Tatsache, dass dort eine Vielzahl von Personen auf beschränktem Raum zum gemeinsamen Aufenthalt zusammenkommen (das ist bei Wettannahmestellen, aber auch bei Prostitutionsstätten gerade nicht immer der Fall), sondern dass es sich, wie schon die Überschrift von Teil 3 der Verordnung „Sport und Freizeit“ zeigt, um Einrichtungen handelt, die aus Sicht des Kunden dem Freizeitbereich der Menschen zuzuordnen ist.
2.3 Der Wille des Verordnungsgebers, wie er in der Verordnungsbegründung zum Ausdruck kommt, und der der Regelung zugrundeliegende Zwecke des Gesetzes weist in dieselbe Richtung. Schon die Begründung vom 30. November 2020 zur 9. BayIfSMV führt insoweit aus:
„Hintergrund der getroffenen Beschränkungen im Kultur-, Gastronomie- und Freizeitbereich ist Folgender:
Um ein noch weiterreichendes Herunterfahren des öffentlichen Lebens zu vermeiden und Schulen und Kindertagesstätten so lange wie möglich offen zu halten, sind Kontakte vor allem im Kultur- und Freizeitbereich und in der Gastronomie deutlich zu reduzieren. Die Maßnahmen betreffen Gastronomiebetriebe, Dienstleistungsbetriebe für körpernahe Dienstleistungen, die kulturellen Einrichtungen, die außerschulische Bildung, die Freizeiteinrichtungen und auch den Amateursport besonders, weil es sich hierbei um kontaktintensive Bereiche handelt. Hier kann das Infektionsgeschehen nach den bisherigen Erkenntnissen durch eine Verminderung der persönlichen Kontakte effektiv begrenzt werden. Eine Erstreckung auf andere Bereiche wäre mit noch schwereren Folgen verbunden, auch in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht. Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Anteil der betroffenen Bereiche am Infektionsgeschehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt genau und im Einzelnen sicher feststellen lässt. Wie bereits dargestellt, ist die Ermittlung der Umstände einer Infektion ohnehin nur schwer möglich. Da nur durch eine generelle Reduzierung von persönlichen Kontakten das Infektionsgeschehen beherrscht werden kann, ist entscheidend, dass in der Gesamtschau der beschlossenen Einschränkungen diese angestrebte Wirkung erreicht werden kann und diese im Hinblick auf die Belastung nicht außer Verhältnis steht.
In den Bereichen der Gastronomie, der Dienstleistungsbetriebe für körpernahe Dienstleistungen, der kulturellen Veranstaltungen, der außerschulischen Bildung, der Freizeiteinrichtungen und des Amateursports können die notwendigen Hygienemaßnahmen wie Mindestabstand und Maskentragen nur begrenzt eingehalten werden. So müssen in gastronomischen Betrieben zum Verzehr von Speisen und Getränken die Masken am Tisch abgenommen werden. Auch dort, wo Gäste oder Zuschauer grundsätzlich an festen Plätzen platziert und insoweit Mindestabstände eingehalten werden können, ist es unvermeidlich, dass die Gäste oder Zuschauer vor dem Einnehmen und nach Verlassen dieser Plätze in Begegnungsbereichen wie Gängen, Eingangsbereichen, Garderoben, Toiletten usw. aufeinandertreffen, ohne dass Abstände konsequent eingehalten werden können. Körperliche Aktivität wie beim Sport ist mit einer erhöhten Produktion von Aerosolen verbunden. Somit besteht in den Innenräumen ein erhöhtes Risiko der Anreicherung von Aerosolen. Dies wiederum kann eine mögliche Infektionsübertragung begünstigen auch bei Einhalten von Mindestabständen. Aus diesen Gründen kann die in den genannten Bereichen bestehende Infektionsgefahr auch bei Beachtung von Schutz- und Hygienekonzepten nicht vollständig vermieden werden. Konnten diese Bereiche bei günstigeren Infektionsgeschehen noch unter entsprechenden Hygieneauflagen und insbesondere im Sommer, als ein großer Teil der Betätigungen im Freien erfolgte, stattfinden, so ist unter den gegebenen Bedingungen die Schließung der entsprechenden Bereiche unumgänglich.
Das Verbot von Veranstaltungen flankiert die Kontaktbeschränkungen, indem Anlässe für ein gezieltes Aufeinandertreffen eines größeren, nicht gleichbleibenden Personenkreises und auch der entsprechende An- und Abreiseverkehr verhindert werden. Dies ist erforderlich, um das Ziel der Maßnahmen zu erreichen.“
Durch die 10. BayIfSMV wurde, da sich zeigte, dass auch die verschärften Kontaktbeschränkungen und weiterführenden Maßnahmen in der 9. BayIfSMV das oben formulierte Ziel nicht erreichen konnten, zusätzlich eine Ausgangsbeschränkung eingeführt, wie sie nach § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vorgesehen ist, und im Übrigen die den Freizeitbereich beschränkenden Maßnahmen fortgeführt.
Die Begründung zur 11. BayIfSMV vom 15. Dezember 2020 führt aus:
„Anlass für die erneute Verschärfung in Gestalt der 11. BayIfSMV ist die Zuspitzung des sich bereits auf sehr hohem Niveau befindlichen Infektionsgeschehens. Hier sind regionale Sieben-Tage-Inzidenzwerte von teilweise über 600 zu verzeichnen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen (u. a. der „Lockdown Light“ und seine Verschärfung in der 10. BayIfSMV sowie die „Hotspotstrategie“) haben keinen Rückgang der Fallzahlen herbeigeführt. Im Gegenteil ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten und ein erneuter, deutlicher Anstieg der Fallzahlen zeichnet sich ab. Seit dem 21. Oktober 2020 überschreitet die Zahl der neuen Fälle nach Meldedatum beinahe jeden Tag (mit Ausnahme von vier Wochenendtagen) den Höchstwert vom 1. April 2020 (damals 1988 Fälle nach Meldedatum). Die Höchstwerte im Dezember (wie zuletzt am 9. Dezember 2020 mit 4986 Fällen nach Meldedatum) sind mehr als doppelt so hoch und übersteigen das Niveau von November (https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/#meldedatum).
Aufgrund des erheblichen Infektionsgeschehens muss zudem eine Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und zugehöriger Abholdienste mit Ausnahme des Lebensmittelhandels einschließlich der Direktvermarktung, von Lieferdiensten, Getränkemärkten, Reformhäusern, Babyfachmärkten, Apotheken, Sanitätshäusern, Drogerien, Optikern, Hörgeräteakustikern, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, des Verkaufs von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel, des Verkaufs von Weihnachtsbäumen und sonstigen für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie des Großhandels erfolgen, die in § 12 Abs. 1 umgesetzt wird. Soweit Geschäfte geöffnet bleiben dürfen, sind die Hygienemaßnahmen und Beschränkungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 und 5 verbindlich. Die Untersagung des Verkaufs von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 im Sinne von § 3a SprengG dient der Sicherstellung der oben hierzu bereits ausgeführten Zwecke.
Ebenso ist die Untersagung von Dienstleistungen erforderlich, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist. Das schließt neben Massagepraxen, Kosmetikstudios, Tattoo-Studios und ähnlichen Betrieben auch Friseure mit ein. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo und Logotherapien oder Podologie bleiben weiter möglich.“
Danach ist es seit der 8. BayIfSMV das Ziel des Verordnungsgebers, in einem Gesamtkonzept und im Sinne gebündelter Maßnahmen durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in eine nachverfolgbare Größenordnung von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche zu senken. Während es zunächst nicht um eine Verhinderung aller bzw. aller nicht schlechthin (lebens-) notwendigen Kontakte, sondern um eine nur auf bestimmte Lebensbereiche und Wirtschaftszweige begrenzte Kontaktreduzierung unter ausdrücklicher Tolerierung von Kontakten in anderen Situationen ging, so dass anfangs zwar insbesondere der Freizeitgestaltung, Kultur und Unterhaltung dienende sowie touristische und gastronomische Einrichtungen geschlossen wurden, Kontakte aber etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen, Kindergärten und Kirchen hingenommen wurden (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 20 NE 20.2514 – juris Rn. 19), hat die 10. BayIfSMV und insbesondere die 11. BayIfSMV die Rechtslage weiter verschärft. Durch die 10. BayIfSMV wurde insbesondere eine Ausgangsbeschränkung eingeführt, wie sie nach § 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG vorgesehen ist (vgl. hierzu die Begründung der Zehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (10. BayIfSMV) vom 8. Dezember 2020, BayMBl. 2020, Nr. 712, S. 3). Als vorläufigen Höhepunkt der Restriktionen hinsichtlich der gewerblichen Betätigung untersagt § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV grundsätzlich die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und lässt hiervon nur Ausnahmen für für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie den Großhandel zu.
Es ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber in dieser Phase des Pandemiegeschehens Wettannahmestellen, auch wenn sie keinen Aufenthaltscharakter haben, nur einzelnen Personen nur für die Abgabe ihrer Wette zugänglich sind und mit den bestmöglichen Hygienekonzepten ausgestattet sind, den Betrieb erlauben wollte. Wettannahmestellen sind vielmehr nach dem Sinn und Zweck der Verordnung dem Freizeitbereich der Kunden zuzuordnen und sollen deshalb geschlossen bleiben. Sie können deshalb grundsätzlich auch nicht als nicht „körpernahe“ Dienstleistungsbetriebe im Sinne des § 12 Abs. 2 der 11. BayIfSMV eingeordnet werden, da insoweit § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV die speziellere Regelung ist. Darauf, ob in den Wettannahmestellen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, kommt es nicht an, da insbesondere auch der entsprechende Anund Abreiseverkehr, der sich der infektionsschutzrechtlichen Kontrolle entzieht, verhindert werden soll.
Für eine verfassungskonforme Auslegung dergestalt, dass Wettannahmestellen nicht unter § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV zu subsumieren sind, besteht angesichts des klaren Wortlauts und der klaren Regelungsabsicht des Verordnungsgebers kein Raum.
2.4 Vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses fällt der Betrieb der Antragstellerin unter den Begriff der „Wettannahmstelle “ nach § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr konkreter Betrieb in G … aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles keine „Wettannahmestelle“ im Sinne der Verordnung ist. Sie bestreitet auch gar nicht, dass es sich bei dem Betrieb um eine solche handelt, sondern sie wendet sich im Schwerpunkt ihrer Begründung gegen die Verbotsvorschrift als solche.
2.5 Soweit deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Antragstellerin die Frage aufwirft, ob die vorliegend einschlägigen Vorschriften der 11. BayIfSMV rechtmäßig sind oder ob sie insbesondere einen gleichheitswidrigen ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und in die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit der Antragstellerin bedeuten, ist dies nicht Gegenstand des zu entscheidenden Rechtsstreits. Dieser ist, soweit er überhaupt vor dem Verwaltungsgericht zulässig ist, darauf gerichtet, festzustellen, dass der Betrieb der Antragstellerin trotz der geltenden Regelungen erlaubt ist. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Regelungen der 11. BayIfSMV müssten (erneut) im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO überprüft werden, soweit dies überhaupt noch aufgrund der bereits zwischen den Beteiligten ergangenen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Normenkontrolle zulässig ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von
Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei im
Hinblick auf die tatsächliche Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des
Auffangstreitwerts nicht angebracht erscheint.


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