Medizinrecht

Zeitliche Begrenzung des Status als Genesener auf 6 Monate

Aktenzeichen  3 E 1002/21 Ge

Datum:
12.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 3. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 28 Abs 1 IfSG
§ 2 Abs 2 Nr 12 CoronaVInfSchV TH 1 vom 01.10.2021
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

nachgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat, 28. Dezember 2021, 3 EO 673/21, Beschluss

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass er nicht lediglich für sechs Monate, sondern bis auf weiteres als „genesene Person“ gilt.
Der Antragsteller erkrankte im Februar 2021 an dem Coronavirus SARS-CoV-2. Dies wurde mittels PCR-Test im Februar 2021 nachgewiesen. Ein Antikörpertest vom 20. April 2021 ergab eine Anzahl von Antikörpern des Typs SARS-CoV-2-Ak (IgG) (Euroimmun, QuantiVac ELISA) im Blut des Antragstellers i.H.v. 31.9+ RE/ml (Referenzbereich < 8.0) und 74,1 BAU/ml. In einem späteren Test vom 24. August 2021 wurde der Wert Anti-trim S (IgG, CLIA) von 101.0 BAU/ml (Referenzbereich < 33.8) ausgewiesen.
Am 16. September 2021 wandte sich der Antragsteller an das Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz.
Angesichts seines Antikörperstatus sei es nicht verständlich, weshalb geimpfte Personen auf unbestimmte Zeit als genesen gelten sollen und dies für genesene Personen trotz des Nachweises einer ausreichenden Antikörperzahl im Blut nicht gelte. Hierin liege eine Verletzung des Art. 3 GG. Zwar sei die Frage, wie lange eine Immunität nach einer Coronaerkrankung bestehe, nicht pauschal zu beantworten. Es gebe Studien, die eine Immunität bis zu 10 Monaten annähmen. Gleichzeitig zeigten Studien aber auch, dass die Schutzwirkung der Impfstoffe mit der Zeit abnehme. Es existiere eine besorgniserregende Anzahl an Impfdurchbrüchen mit Infektiosität bei Geimpften.
Deshalb sei eine Differenzierung zwischen Geimpften und Genesenen nicht gerechtfertigt, da hierfür Sachgründe fehlten. Die Regelung des § 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO, mit der ein konkretes streitiges Rechtsverhältnis begründet werde, sei deshalb rechtswidrig. In Österreich könne mit zugelassenen Antikörpertests für weitere 90 Tage ein Genesenenstatus erreicht werden.
Angesichts seines hohen Antikörperstatus wolle sich der Antragsteller nicht den Risiken einer Impfung aussetzen, da sie für ihn nicht vorteilhaft sei. Er komme trotz Genesung nicht in den Genuss der Ausnahmetatbestände der Corona-Verordnungen der Länder, sondern benötige nunmehr kostenpflichtige Tests.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller zu bescheinigen, dass er bis auf weiteres als „genesene Person“ gilt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller habe bisher beim Antragsgegner keinen entsprechenden Antrag gestellt. Ein solcher werde auch nicht zur Erstellung des gewünschten Nachweises führen. Es würde nur formlos mitgeteilt werden, dass ein solcher Nachweis nicht erteilt werde. Der „Genesenenausweis“ stelle eine freiwillige Serviceleistung dar. Es fehle die rechtliche Grundlage für das Begehren des Antragstellers. Es sei streitig, ab welcher Höhe der Antikörper die Wahrscheinlichkeit einer Nicht-Wiederansteckung angenommen werden könne. Soweit der Verordnungsgeber eine für alle Genesenen einheitliche zeitliche Befristung vorgenommen habe, sei dies von seiner gesetzgeberischen Kompetenz gedeckt. Eine Verwerfungskompetenz der Judikative bestehe nur im Rahmen einer Normenkontrolle.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf den streitgegenständlichen Anspruch ist statthaft. Da es sich bei der begehrten Bescheinigung mangels Rechtswirkung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, wäre in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu erheben.
Der Antragsteller ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Ein Anspruch auf die Ausstellung der begehrten Bescheinigung erscheint zumindest als möglich.
Dem Antragsteller ist nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Zwar fehlt grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Bürger vor der Antragsstellung keinen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt hat (BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 – 6 VR – 1/18 – juris Rn. 10; SaarlOVG, Beschluss vom 8. Oktober 2020 – 21 B 270/20 – juris; BayVGH, Beschuss vom 30. Juni 2016 – 6 C 16.678 – juris; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2001 – 13 B 566/01 – juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings zu machen, wenn die Behörde in dem anhängigen Verfahren den geltend gemachten Anspruch in der Sache verneint. Dann kann nicht mehr damit gerechnet werden, dass die Behörde dem Anliegen des Antragstellers entspricht und damit ein einfacherer Weg zur Rechtsverfolgung besteht (vgl. BayVGHM Beschluss vom 28. Mai 2018 – 22 CE 17.2260 – juris Rn. 74; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – 8 B 11243/09 – juris; Kuhla, in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 58. Aufl. 2021, § 123 Rn. 38; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 34). So liegt der Fall hier.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 123Absatz 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Hierzu sind gem. § 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO der durch die einstweilige Anordnung zu schützende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Dabei kommt es darauf an, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zusteht und ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist, weil schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile drohen. Eine reine Folgenabwägung – unabhängig von den Aussichten im Hauptsacheverfahren – ist lediglich im Einzelfall geboten, wenn eine hinreichend zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht möglich ist (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 15. Juni 2005 – 1 EO67805 – juris Rn. 61; vgl. auch Beschluss vom 28.07.2015 – 1 EO 366/15).
Bei dieser Bewertung ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren einer über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehenden zeitlich längeren Wirkung einer Genesenenbescheinigung die Vorwegnahme der Hauptsache anstrebt. In diesen Fällen bedarf es einer ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller einen solchen Anspruch hat und ihm bei Nichterfüllung dieses Anspruchs im Eilverfahren schwere, unzumutbare und anders nicht abwendbare Nachteile drohen (ThürOVG, Beschluss vom 10. Mai 1996 – 2 EO 326/96 – juris Rdn. 34; Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 3 EO 658/16 –, juris Rn. 16).
Vorliegend hat der Antragsteller bereits keinen Anordnungsanspruch in einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Weise glaubhaft gemacht.
Es besteht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die Erteilung einer solchen Bescheinigung.
Dabei definiert § 2 Abs. 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO in der Fassung vom 1. Oktober 2021, wer als genesene Person gilt. Dies ist für asymptomatische Personen der Fall,
die mittels
a) eines positiven PCR-Testergebnisses oder
b) einer ärztlichen oder behördlichen Bescheinigung, welche sich auf eine mittels PCR-Test bestätigte durchgemachte Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützt,
eine mindestens 28 Tage und nicht länger als sechs Monate zurückliegende Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisen können; die Bescheinigung nach Halbsatz 1 Buchst. b kann in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Spra-che in verkörperter oder digitaler Form ausgestellt sein.
Danach kann der Nachweis, Genesener zu sein, nicht nur mit einem positiven PCR-Testergebnis geführt werden, sondern auch anhand einer ärztlichen Bescheinigung (§ 22 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 IfSG) oder einer behördlichen Bescheinigung. Dem Verordnungstext lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, wer diese behördliche Bescheinigung ausstellt. Allerdings lässt sich § 9 Abs. 1a ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO entnehmen, dass die nach § 2 Abs. 3 ThürlfSGZustVO zuständigen Behörden, d.h. die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis als untere Gesundheitsbehörden bei Krankheitsverdächtigen einen PCR-Test durchführen, veranlassen oder anordnen. Auf der Grundlage dieser Testungen kann die dann zuständige Behörde eine entsprechende behördliche Bescheinigung ausstellen. Dies folgt aus dem Sachzusammenhang.
Allerdings beschränkt § 2 Abs. 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO die Geltungsdauer einer solchen Genesenenbescheinigung auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Infektion. Der Antragsgegner ist nicht befugt, ein abweichendes Gültigkeitsdatum zu bestimmen. § 2 Abs. 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO eröffnet keinen Spielraum für abweichende Bescheinigungen. Die Bescheinigung regelt nicht konstitutiv die Dauer der Genesenenstellung. Vielmehr wird lediglich deklaratorisch angegeben, dass die mittels PCR-Test bestätigte durchgemachte Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mindestens 28 Tage und nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig. Angesichts der bundesweiten Abstimmung der Verordnungsgeber entspricht die Regelung im Wesentlichen auch der Definition einer genesenen Person nach § 2 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV -) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 8. Mai 2021). Der Begründung dieses Verordnungsentwurfes lässt sich jedenfalls entnehmen, dass ausdrücklich als Nachweis nur auf einen positiven PCR-Test, der nicht älter als sechs Monate sein darf, als Voraussetzung abzustellen ist und die Durchführung späterer Antikörpertests nicht ausreicht (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 28. September 2021 – 8 L 237/21- juris Rn. 21; VG München, Beschluss vom 6. Juli 2021 – M 26a E 21.3242 – juris Rn. 25).
Die Beschränkung der Gültigkeit des Genesenennachweises auf sechs Monate in § 2 Abs. 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Es lässt sich derzeit nicht feststellen, dass die Regelung der Dauer der Genesenenstellung gegen den in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungssatz verstößt. Angesichts des Verordnungscharakters der Vorschrift ist das Verwaltungsgericht nicht gehindert, die Rechtmäßigkeit zu prüfen. Vorliegend begehrt der Antragsteller erkennbar nicht unmittelbar die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm als abstrakte Rechtsfrage. In diesem Fall wäre § 47 VwGO als speziellere Vorschrift einschlägig (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1967 – IV C 74.66 – juris Rn. 16). Der Antragsteller begehrt vielmehr für sich unter Berücksichtigung seiner Antikörperwerte die Stellung als Genesener abweichend von der Definition des § 2 Abs. 2 Nr. 12 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO. Den Verwaltungsgerichten obliegt es im Rahmen einer Anfechtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage sowie in entsprechenden Eilverfahren die zugrunde liegende unterparlamentarische gesetzliche Regelung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Soweit der Antragssteller vorträgt, dass es derzeit keine zeitliche Grenze für die Gültigkeit von Impfnachweisen gebe, obwohl Impfungen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Impfung, dem Alter sowie gesundheitlichen Besonderheiten unterschiedlich lang und intensiv schützten sowie zwischenzeitlich bereits erste Studien feststellten, dass die Immunität von Genesenen nicht nur für 6 Monate, sondern deutlich länger bestehe, so dass in Österreich § 1 Abs. 2 Nr. 4 der Covid-19-Maßnahmeverordnung vom 16. September 2021 erlassen worden und bei Nachweis von neutralisierenden Antikörpern durch einen entsprechenden Test eine Verlängerung des Genesenennachweises um drei Monate möglich sei, lässt sich hieraus im Rahmen einer summarischen Prüfung im Eilverfahren derzeit indes noch nicht herleiten, dass die verordnungsrechtliche Beschränkung der Gültigkeit des Genesenennachweises auf sechs Monate gegen den in Art. 3 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz verstößt und der Verordnungsgeber wesentlich Gleiches ungleich behandelt.
Dem Verordnungsgeber kommt beim Erlass der Verordnungen eine Einschätzungsprärogative zu. Dies gilt, solange die vorliegende epidemische Lage durch erhebliche Ungewissheiten und sich ständig weiterentwickelnde fachliche Erkenntnisse geprägt ist und sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 12. November 2020 – 3 EN 747/20 – juris Rn. 75, BVerfG, Beschlüsse vom 12. Mai 2020 – 1 BvR 1027/20 – juris und vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 – juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. April 2020 – 13 B 398/20.NE – juris; BayVGH, Beschlüsse vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 – juris Rn. 60 und – 20 CS 20.611 – juris Rn. 22; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2020 – OVG 11 S 12/20 – juris Rn. 10). Den tatsächlichen Ungewissheiten und den darauf aufbauenden Gefahrprognosen wohnen notwendigerweise Pauschalierungen, Verallgemeinerungen und Generalisierungen inne.
Zwar gibt es mittlerweile erste Studien, die eine über sechs Monate hinausgehende Schutzwirkung bei Genesenen ausweisen. Ob die Ergebnisse dieser Studien bestätigt werden, ist indes noch im Fluss. Es finden wissenschaftliche Diskussionen statt. Allerdings wird selbst in diesem Zusammenhang durchaus darauf hingewiesen, dass hier keine pauschalen Feststellungen möglich sind, sondern es einen Zusammenhang mit dem Antikörperstatus gibt, wie sich auch aus der vom Antragsteller im Juni 2021vorgelegten Studie des Priv.-Doz. Dr. Alexander Mischnik, Neue Daten zur Langzeit-Immunität von Covid-19-Patienten (S. 57 GA), ergibt. Allerdings handelt es sich bei der in Bezug genommenen Veröffentlichung (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.06.24.21259218v1) noch lediglich um ein sog. Preprint, das noch nicht von anderen Experten begutachtet worden ist. Darüber hinaus ist im Rahmen einer summarischen Prüfung im Eilverfahren bisher auch nicht nachvollziehbar, ab welchem Wert von einer sicheren Immunität für welchen Zeitraum ausgegangen werden kann. Ob und in welchem Ausmaß ein positiver Antikörpertest mit einem immunologischen Schutz vor transmissionsrelevanter SARS-CoV-2 Infektionen bzw. vor leichten oder schweren COVID-19 Erkrankungen einhergeht, ist noch nicht etabliert (RKI Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand 22.09.2021), Unterpunkt Antikörpernachweis, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html; vgl. auch Antworten der Bundesregierung vom 10. Juni 2021 auf Frage 140, BT-Drs. 19/30613, Seite 121 f. und vom 22. Juni 2021 auf Frage 86, BT-Drs. 19/31171, Seite 75, wonach Personen trotz positivem Antikörper-Test nicht zwingend einen Schutz vor COVID-19 aufgebaut haben müssen). Hinzu kommt, dass die Qualität der Tests sehr unterschiedlich ist (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 28. September 2021 – 8 L 237/21 – juris Rn. 23; BayVGH, Beschluss vom 23. Juli 2021 – 25 CE 21.1883 – juris Rn. 13). Dementsprechend wird in dem vorgelegten Befund des Antragstellers vom 24. August 2021, in dem ein Wert von 101 Anti-trim S (IgG, CLIA) und BAU/ml < 33,8 angegeben wird, ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden kann, inwieweit der IgG-Antikörpernachweis mit einer längerfristig belastbaren Immunität verbunden ist (Bl. 20 GA).
Zwar sinkt nach einer Impfung mit zunehmenden Zeitablauf die Wirksamkeit des Impfschutzes. Jedoch wurde keine vergleichende wissenschaftliche Betrachtung der Studienergebnisse für Geimpfte und Genesene vorgelegt, aus der sich eine Vergleichbarkeit von Geimpften und Genesenen ergibt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Eilverfahren keine umfassende Auswertung erster wissenschaftlicher Studien durch das Gericht erfolgt. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber die Pflicht hat, die erlassenen Regelungen anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse laufend zu überprüfen und neu zu bewerten. Hierzu ist ihm auch hinreichend Zeit einzuräumen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch auf der Ebene der Europäischen Union mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und –Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie (vom 14. Juni 2021, ABl. L 211/13) die Ausstellung derartiger Zertifikate von einem positiven NAAT-Test abhängig gemacht wird, die ausweislich des Erwägungsgrundes 43 lediglich 180 Tage gültig sind. Allerdings wurde in Art. 16 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) 2021/953 die Kommission verpflichtet, einen Bericht zu den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Grad der Standardisierung in Bezug auf die mögliche Ausstellung von Genesungszertifikaten auf der Grundlage von Antikörpertests, einschließlich serologischer Tests auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit solcher Tests vorzulegen. Hierfür wurde aber eine Frist bis zum 31. Oktober 2021 gesetzt.
Des Weiteren lässt sich im Rahmen einer summarischen Prüfung im Eilverfahren auch nicht beurteilen, ob bei einem Abstellen auf den Antikörperstatus durch den Landes- bzw. Bundesverordnungsgeber ausreichend Testkapazitäten für sämtliche Genesene vorhanden sind. Auch dieses Kriterium darf der Verordnungsgeber bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Hierauf soll jedenfalls der bis zum 31. Oktober 2021 zu erstellende Bericht der EU-Kommission eingehen (s.o.).
Angesichts des Fehlens eines Anordnungsanspruchs kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf 3G-Regelungen (Zugang zu bestimmten Bereichen nur für Geimpfte, Genesene und Getestete) und die damit verbundenen Belastungen durch nunmehr selbst zu zahlende Testungen einen Anordnungsgrund, d.h. schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, hinreichend dargelegt hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, ist eine Reduzierung des Streitwertes für das Eilverfahren in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angezeigt.


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