Medizinrecht

Zum Invaliditätsbeweis in der Unfallversicherung

Aktenzeichen  24 O 1454/18 Ver

Datum:
14.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33764
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 215

 

Leitsatz

In der Unfallversicherung ist der Eintritt der Invalidität innerhalb eines Jahres zur vollen Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO zu beweisen (im Anschluss an BGH BeckRS 2011, 11533). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 19.10.2018 auf 11.926,14 € und ab 20.10.2018 bis 05.12.2018 auf 11.422,37 € und ab 06.12.2018 auf 14.422,37 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Die Klage wurde vor dem in der Sache nach § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG zuständigen Gericht erhoben. Die örtliche Zuständigkeit folgt nach Maßgabe von § 215 VVG.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Auskehr der beanspruchten Versicherungsleistungen zu. Weder hat die Klägerin einen Anspruch auf die mit Klageantrag Ziffer 1 begehrte Invaliditätsleistung noch hat sie einen Anspruch auf Rückzahlung bereits geleisteter Beiträge sowie einen Anspruch auf Erstattung einer sog. Kurkostenhilfe nach Ziffer 3 ihrer Anträge. Weiterhin kann die Klägerin auch keinen Anspruch auf Beitragsbefreiung gemäß Ziffer 4 ihrer Anträge verlangen (I.). Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht ebenso nicht (II.).
I.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz der begehrten Versicherungsleistungen zu.
Der Klägerin gelang zur Überzeugung des Gerichts nicht der Nachweis für die anspruchsbegründende Voraussetzung, wonach es binnen Jahresfrist nach dem Unfall vom 25.12.2014 bei ihr zu einer Invalidität kam.
Nach Ziffer 2.1.1.1 ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der aus der bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung der Eintritt einer Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines fach-orthopädischen Sachverständigengutachtens gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass die Klägerin aufgrund des Sturzereignisses vom 25.12.2014 keine Rotatorenmanschettenruptur erlitt, die zu einer unfallbedingten anspruchsbegründenden Invalidität hätte führen können.
Der Eintritt der Invalidität innerhalb eines Jahres ist zur vollen Überzeugung des Gerichts nach § 286 ZPO zu beweisen ist (BGH VersR 2011, 1171; VersR 2009, 1213; Langheid/Rixecker/Rixecker, VVG § 180 Rn. 13). Unter einer Invalidität ist die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der versicherten Person aus unfallbedingten Gründen zu verstehen. Maßstab ist die Leistungsfähigkeit einer durchschnittlichen, gesunden Person gleichen Alters unter Berücksichtigung ausschließlich medizinischer Gesichtspunkten (Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 180 Rn. 1-4). Invalidität setzt voraus, dass die Leistungsfähigkeit des Versicherten dauerhaft beeinträchtigt ist. Nach der sich an der früheren Rechtsprechung orientierenden gesetzlichen sowie der heute in Ziff. 2.1.1.1 AUB enthaltenen Definition ist eine dauerhafte Beeinträchtigung anzunehmen, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre besteht und eine Änderung des Zustands nicht erwartet werden kann. Auch ohne objektiv feststellbare Beeinträchtigungen kann sich eine verbleibende Invalidität daraus ergeben, dass glaubhaft und nach den erlittenen Verletzungen nachvollziehbar weiterhin erhebliche Schmerzen mit bestimmten Bewegungen verbunden bleiben. Die Feststellung der Dauerhaftigkeit ist in der Regel mit Hilfe einer in einem medizinischen Gutachten getroffenen Prognose zu klären. Bei der Erstellung der Prognose reicht die Möglichkeit oder sogar Wahrscheinlichkeit einer Dauerhaftigkeit allein nicht aus. Andererseits ist bei einer heute zu prognostizierenden Dauerhaftigkeit ohne Bedeutung, dass sich nach Ablauf der Dreijahresfrist eine Änderung ergeben könnte (Langheid/Wandt/Dörner, 2. Aufl. 2017, VVG § 180 Rn. 2-4).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte gelang der Klägerin nicht der Nachweis einer aufgrund des Unfallereignisses vom 25.12.2014 erlittenen Invalidität.
Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund des Unfallereignisses vom 25.12.2014 an der rechten Schulter keine Rotatorenmanschettenruptur mit Beteiligung des SSP und ISP und Luxation der langen Bizepssehne erlitt. Der klägerseits dargestellte Unfallmechanismus ist nur gering geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur auszulösen. Zwar konnte im Rahmen einer zeitnah nach dem Unfall durchgeführten Untersuchung der Klägerin durch ihren behandelnden Arzt Dr. … eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung bei möglichem Nacken- und Schürzengriff im Bereich des rechten Schultergelenks beschrieben werden. Der bei der Klägerin durchgeführte Nacken- und Schürzengriff kann nach Angaben des Sachverständigen allerdings nur bei teilweiser intakter Rotatorenmanschette durchgeführt werden. Auch die Ultraschallbehandlung der rechten Schulter ergab eine intakte Rotatorenmanschette ohne Flüssigkeit als Hinweis auf eine Ruptur oder altes Hämatom mit deutlicher Flüssigkeitsumspülung der langen Bizepssehne. Der Sachverständige kam daher zu dem Ergebnis, dass aufgrund des fachärztlich erhobenen Befundes vom 12.01.2015 unter ausführlicher Analyse des Sturzes wie auch der klägerseits beschriebenen Einschränkungen und Beschwerden nach dem Unfallereignis eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur nicht nachzuweisen war.
Eine aufgrund des Unfallereignisses vom 25.12.2014 klägerseits behauptete Invalidität konnte sachverständigenseits nicht belegt werden.
Das Gericht schließt sich den überzeugenden und nachvollziehbaren schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. … an, der dem Gericht aus einer Vielzahl an Verfahren als kompetent und sachkundig bekannt ist. Der Sachverständige stützte seine Ausführungen auf die der Akte zugrunde liegenden Arztberichte sowie einer ambulant durchgeführten klinischen Untersuchung.
II.
Nachdem kein Anspruch in der Hauptsache auf Auskehr der beantragten Versicherungsleistungen besteht, vermag die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz der begehrten Zinsen sowie der mit Klageantrag Ziffer 5 begehrten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten zu haben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nach Maßgabe von § 709 S. 1, 2 ZPO.


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