Medizinrecht

Zur Maskenpflicht und Testobliegenheit an Schulen

Aktenzeichen  20 NE 21.1230

Datum:
30.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10022
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
12. BayIfSMV § 18 Abs. 2, Abs. 4
IfSG § 28, § 28, § 28b

 

Leitsatz

1. Auf die Beschlüsse des Amtsgerichts Weimar (B.v. 8.4.2021 – 9 F 148/21 – juris) und Amtsgerichts Weilheim (B.v. 13.4.2021 – 2 F 192/21 – juris) können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg berufen, denn den beiden Entscheidungen misst der Senat schon im Hinblick auf die Rechtswegzuständigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (Fortführung BeckRS 2021, 3810). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller besucht die neunte Jahrgangsstufe einer Mittelschule in Bayern (Marktoberdorf) und beantragt, § 18 Abs. 2 und Abs. 4 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 27. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 290), die mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.
2. Mit seinem Eilantrag vom 26. April 2021 trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass der seit 19. April 2021 unter Quarantäne gestellte Antragsteller durch die angegriffenen Regelungen in seinen Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 GG), freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG), Bildung (Art. 14 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union) und Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) verletzt werde. Seitdem er mit Maske im Unterricht sitze und bei jeder Temperatur gelüftet werde, leide er an Kopfschmerzen und sei mehrfach erkältet gewesen. Die Schule gebe kostenlos FFP2-Masken an die Schüler aus. Aus dieser Übung erscheine es geradezu als Zwang, auch in der Schule FFP2-Masken zu tragen. Da es sich hierbei um Schutzausrüstungen im Arbeitsbereich handele, müsse der „Arbeitgeber“ eine medizinische Vorsorgeuntersuchung anbieten und eine Unterweisung zur richtigen Handhabung geben. Außerdem werde auf den Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 8. April 2021 (Az. 9 F 148/21) und die in dem dortigen Verfahren eingeholten Gutachten verwiesen. Damit werde den Ausführungen des Senats (u.a. B.v. 26.1.2021 – 20 NE 21.171 Rn. 23; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627) entgegengetreten. FFP2-Masken hätten keine höhere Schutzfunktion. Zudem seien Gesundheitsgefahren durch das Tragen von Masken zu befürchten. Angesichts der bei dem Antragsteller bereits eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen falle auch die Folgenabwägung zu dessen Gunsten aus. Gegenüber den Lehrkräften liege eine Ungleichbehandlung vor, da diesen nur eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen obläge. § 18 Abs. 2 Satz 3 12. BayIfSMV verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Insoweit werde auf die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein (CoVuR 2020, 600 f. Rn. 8) verwiesen. Auch die Testpflicht sei ein schwerer Eingriff in die Grundrechte (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG) des Antragstellers. Niemand dürfe staatlicherseits gezwungen werden, sich einem Verletzungsrisiko auszusetzen, um eine Schule zu besuchen. Der im Einzelnen geschilderte Distanzunterricht, der in der 15. Kalenderwoche nicht durchgeführt worden sei, stelle keine Alternative dar. Positiv getestete Kinder würden stigmatisiert. Der Antragsteller habe keinen Einfluss darauf, wann das Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests vorliege. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Lehrkräfte auch außerhalb der Schule einen Test vornehmen dürften. Durch die Übermittlung empfindlicher Gesundheitsdaten an das Gesundheitsamt werde gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Eine Testung in vertrauter Umgebung sei nicht möglich. Des Weiteren werde auf den Beschluss des Senats vom 2. März 2021 (Az. 20 NE 21.353) zur Testpflicht von Beschäftigten in Pflegeheimen Bezug genommen. Dieser und die gutachterlichen Feststellungen des Amtsgerichts Weimar seien der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV entgegenzuhalten. Auf die Wirksamkeit der Tests und der Problematik der falschen Ergebnisse werde in keiner Weise eingegangen.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag bleibt ohne Erfolg.
A.
Der Antrag ist bereits teilweise unzulässig.
Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV (Testobliegenheit) ist nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht statthaft und damit unzulässig, da er im Kern auf die vorläufige Außervollzugsetzung des § 28b Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG gerichtet ist. Die in § 28b IfSG geregelten Schutzmaßnahmen bedürfen keines Umsetzungsaktes durch eine Vollzugsbehörde, sondern gelten „automatisch“ unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. BT-Drs. 19/28732 S. 19 [Vorabfassung]). Als förmliches nachkonstitutionelles Gesetz unterliegt § 28b Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 IfSG aber dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG).
B.
Ob dem Antragsteller wegen seiner seit 19. April 2021 womöglich noch andauernden Quarantäne die Antragsbefugnis hinsichtlich seines Antrags auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV (Maskenpflicht) fehlt, kann offenbleiben, da der Antrag jedenfalls in der Sache abzulehnen ist.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 18 Abs. 2 (Maskenpflicht) 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Maskenpflicht nach § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG (Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 24 ff.). Eine weitergehende Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
b) Die angegriffene Regelung ist voraussichtlich materiell rechtmäßig, weil sie mit den Ermächtigungsgrundlagen im Einklang stehen und sich bei summarischer Prüfung nicht als unverhältnismäßig erweisen.
aa) Zur Begründung kann zunächst auf die Senatsrechtsprechung verwiesen werden. Anträge auf vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht hat der Senat zuletzt mit Beschlüssen vom 16. März 2021 (Az. 20 NE 21.627 – BeckRS 2021, 4746), 2. März 2021 (Az. 20 NE 21.469 – BeckRS 2021, 3794), 15. Februar 2021 (Az. 20 NE 21.411 – juris), 29. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.201 – BeckRS 2021, 791), 28. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.136 – BeckRS 2021, 970), 7. September 2020 (Az. 20 NE 20.1981 – BeckRS 2020, 21962), 8. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2875 – BeckRS 2020, 34824) und 3. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2809 – BeckRS 2020, 34848) abgelehnt.
Auf die Beschlüsse des Amtsgerichts Weimar (B.v. 8.4.2021 – 9 F 148/21 – juris) und Amtsgerichts Weilheim (B.v. 13.4.2021 – 2 F 192/21 – juris) können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Den beiden Entscheidungen misst der Senat schon im Hinblick auf die Rechtswegzuständigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei (BayVGH, B.v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113, Urteilsabdruck S. 11; veröffentlicht: https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/10_cs_21.1113_anonym; vgl. auch VGH BW, B.v. 22.4.2021 – 1 S 1007/21, 1 S 1047/21, 1 S 1049/21, 1 S 1121/21, 1 S 1137/21 – juris; VG Weimar, B.v. 20.4.2021 – 8 E 416/21 We – juris Rn. 7; VG Würzburg B.v. 23.4.2021 – W 8 E 21.548 – BeckRS 2021, 8448; B.v. 23.4.2021 – W 8 E 21.546 – BeckRS 2021, 8444).
bb) Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose ist auch für die angegriffene Regelung gegenwärtig nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 12. BayIfSMV bis zum 9. Mai 2021 zu verlängern (§ 1 Nr. 4 der Verordnung zur Änderung der 12. BayIfSMV vom 16.4.2021, BayMBl. 2021 Nr. 280) wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor.
Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) betrug am 29. April 2021 bundesweit 155 und in Bayern 161. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung der Norm (BGBl. 2021 I S. 370) sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz IfSG). Bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 9 bis 11 sind insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG).
Nach dem Situationsbericht des RKI vom 28. April 2021 (abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-28-de.pdf? blob=publicationFile) steigt die 7-Tages-Inzidenz für ganz Deutschland seit Mitte Februar 2021 stark an und liegt deutlich über 100/100.000 Einwohner. Nach einem vorrübergehenden Rückgang der Fallzahlen über Ostern hat sich der starke Anstieg der Fallzahlen zunächst fortgesetzt, seit Mitte April hat sich die Zunahme etwas abgeschwächt. Das Geschehen ist nicht regional begrenzt, die Anzahl der Landkreise mit einer 7-Tages-Inzidenz über 100/100.000 Einwohner ist sehr hoch. Der 7-Tage-R-Wert liegt unter 1. Die COVID-19-Fallzahlen stiegen in den letzten Wochen in allen Altersgruppen wieder an, besonders stark jedoch in jüngeren Altersgruppen. Auch bei den über 80-Jährigen hat sich der wochenlang abnehmende Trend nicht fortgesetzt. Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt. COVID-19-bedingte Ausbrüche betreffen insbesondere private Haushalte, aber auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld, während die Anzahl der Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen abgenommen hat.
Insgesamt ist die VOC B.1.1.7 inzwischen in Deutschland der vorherrschende COVID-19-Erreger (vgl. nun auch § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 IfSG i.d.F.v. 29.3.2021, BGBl. I S. 370). Das ist besorgniserregend, weil die VOC B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen deutlich ansteckender ist. Zudem vermindert die zunehmende Verbreitung und Dominanz der VOC B.1.1.7 die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich. Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die VOC B.1.1.7. führt aktuell zu einer ansteigenden Anzahl von Hospitalisierungen und intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten.Bundesweit ist seit Mitte März wieder ein deutlicher Anstieg der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen (ITS) zu verzeichnen.
Das Vorbringen des Antragstellers, PCR-Tests könnten keine Infektiosität nachweisen, greift nicht durch. PCR-Tests sind grundsätzlich nicht ungeeignet, um die Infektionsgefahr von SARS-CoV-2 abzubilden. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 25.2.2021 – 20 NE 21.475 – juris Rn. 28; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20 f.). Der Normgeber darf im Übrigen nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine beabsichtigte Regelung in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wird.
cc) Die angegriffene Maßnahme (Maskenpflicht) ist bei summarischer Prüfung gegenwärtig verhältnismäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die oben (unter Buchst. aa.) genannten Beschlüsse des Senats verwiesen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Antragstellers rechtfertigen keine andere Einschätzung.
(1) Soweit der Antragsteller belastbare Daten zum Infektionsgeschehen an Schulen vermisst, stellt der Senat zunächst fest, dass Maskenpflicht nach § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV grundsätzlich zur Bekämpfung von COVID-19 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Die ausgesprochene Verpflichtung zum Tragen einer Maske auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung, in allen Angeboten der Notbetreuung sowie unbeschadet der Anforderungen des § 17 12. BayIfSMV während schulischer Abschlussprüfungen gehört zu den Katalogmaßnahmen des § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG. Sie kann nach § 28a Abs. 6 Satz 1 IfSG kumulativ neben weiteren Maßnahmen zur Infektionsbekämpfung angewendet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderlich ist. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und auf die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist, § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG. Mit der Aufnahme in den Katalog der Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Entscheidung, dass es sich dabei grundsätzlich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handeln kann, vorweggenommen. Die angegriffene Maßnahme dient der Vermeidung der Virusübertragung auf dem Schulgelände, auf dem das Abstandsgebot zu anderen Schülern nach § 1 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV (§ 28a Abs. 1 Nr. 1 IfSG) nicht immer verlässlich eingehalten werden kann.
Der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23944 S. 32 vom 3. November 2020), lässt sich dazu entnehmen:
„Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) nach Nummer 3 ist ein zentraler Baustein zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2. Sie stellt eine notwendige und einfache Schutzmaßnahme dar. Wissenschaftlichen Studien belegen den signifikanten Nutzen zur Verringerung der Infektionszahlen (vgl. etwa https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html; siehe auch https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-adetail/q-a-on-covid-19-and-masks). Der mit der Maskenpflicht verbundene grundsätzlich sehr geringe Eingriff in die Handlungsfreiheit der Betroffenen ist angesichts des überragend wichtigen Ziels des Infektionsschutzes bei steigenden Infektionszahlen hinzunehmen.“
Dieser Begründung lässt sich entnehmen, dass der parlamentarische Gesetzgeber Mund-Nasen-Bedeckungen als grundsätzlich geeignetes Mittel zur Infektionsbekämpfung ansieht. Es bestehen bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Gesetzgeber, der die Verpflichtung zum Tragen einer MNB als notwendige Schutzmaßnahme ansieht, soweit sie angesichts des Infektionsgeschehens sich im Übrigen als verhältnismäßig darstellt, den Verordnungsgeber auch dazu legitimiert hat, qualitative Anforderungen an die MNB verbindlich festzulegen.
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 161 am 29. April 2021 besteht hiernach Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
Da die Übertragung des Virus hauptsächlich durch Aerosole stattfindet, erscheint die zeitlich stark begrenzte Maskenpflicht auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung, in allen Angeboten der Notbetreuung sowie unbeschadet der Anforderungen des § 17 12. BayIfSMV während schulischer Abschlussprüfungen und der Ausnahmemöglichkeiten nach § 18 Abs. 2 Satz 2 12. BayIfSMV sowohl geeignet als auch in einer Lage anhaltend hoher Infektionszahlen jedenfalls aus ex ante – Sicht als erforderlich, um Infektionen in Situationen zu vermeiden, in welchen das Abstandsgebot möglicherweise nicht hinreichend beachtet werden kann oder aus anderen Gründen eine erhöhte Infektionsgefahr anzunehmen ist.
(2) Mildere Maßnahmen, die eine vergleichbare infektiologische Wirkung haben, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Maskenpflicht leistet aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts. (Nur) dadurch, verbunden mit der Zugangsbeschränkung durch Tests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und die damit verbundene Möglichkeit, einen Schulbesuch infektiöser Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, hält es der Verordnungsgeber auch angesichts des äußerst dynamischen und durch besorgniserregende Virusvarianten (VOC) geprägten Infektionsgeschehens für vertretbar, flächendeckende Schulschließungen abzuwenden und weiter Unterrichtsangebote in Präsenzform anzubieten (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9.4.2021, BayMBl Nr. 262, S. 5). Diese Einschätzung zum Infektionsgeschehen ist nachvollziehbar.
(3) Die Ausführungen des Antragstellers zu einer FFP2-Maskenpflicht gehen fehl, da eine solche in § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV gerade nicht angeordnet wird.
Inwieweit die Pflicht der Lehrkräfte zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen eine Ungleichbehandlung für den Antragsteller darstellen sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Zudem verstößt § 18 Abs. 2 Satz 3 12. BayIfSMV nicht gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. In dem vom Antragsteller zitierten Beschluss vom 28. August 2020 (Az. 3 MR 37/20 – CoVuR 2020, 600 f. Rn. 8) lehnte das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein den Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung einer entsprechenden schleswig-holsteinischen Regelung, zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände ab.
(4) An der Angemessenheit der auf §§ 28a Abs. 1 Nr. 2, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützten Maßnahme bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Die negativen Folgen für den Antragsteller stehen nicht außer Verhältnis zu dem mit den Maßnahmen verfolgten Zweck. Gefahren für die Gesundheit durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen dürften angesichts der jeweils kurzen Tragedauer nicht zu befürchten sein. Soweit eine Person aus gesundheitlichen Gründen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht in der Lage sein sollte, besteht die Befreiungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV (vgl. BayVGH, B.v. 26.01.2021 – 20 NE 21.171 – BeckRS 2021, 796 Rn. 24; B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.1999 – COVuR 2020, 718). Einen belastbaren Ursachenzusammenhang zwischen den Kopfschmerzen bzw. Erkältungen und der Maskenpflicht hat der Antragsteller nicht mittels ärztlicher Bescheinigungen dargelegt.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht erscheint.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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