Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Abtretung, Beschwerde, Ermessen, Erledigung, Frist, Schadensersatzforderung, Leistung, Notwendigkeit, Verzug, Klage, Zahlungsverweigerung, Zeitpunkt, Streitwert, Forderung, sofortige Beschwerde, billigem Ermessen, Kosten des Rechtsstreits

Aktenzeichen  2 T 5080/20

Datum:
16.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37383
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 C 580/20 2020-07-29 Bes AGERLANGEN AG Erlangen

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des AG Erlangen vom 29.07.2020 – Az. 5 C 580/20 – abgeändert:
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 682,60 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klägerin hat mit Klage vom 25.05.2020, der Beklagten am 05.06.2020 zugestellt, beantragt, die Beklagte aus abgetretenem Recht zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 20.10.2019 in Höhe von 738,01 € zu verurteilen. Die Beklagte erkannte mit Schriftsatz vom 10.06.2020 die Klageforderung an. Der Klägervertreter erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 01.07.2020 die Klage vollumfänglich für erledigt. Mit Schriftsatz vom 27.07.2020 stimmte der Beklagtenvertreter schließlich der Erledigung unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.
Mit Beschluss vom 29.07.2020 erlegte das Amtsgericht der Beklagten die Tragung sämtlicher Kosten des Rechtsstreits auf. Die Beklagte habe die Klageforderung reguliert und sei dieser nicht entgegengetreten. § 93 ZPO greife nicht, da die Beklagte sich vor dem Prozess bereits dem Zedenten gegenüber in Verzug befunden habe. Dieser bestehe auch nach Abtretung fort. Die Zahlungsverweigerung sei nicht in der Person des Gläubigers begründet gewesen.
Gegen diesen am 31.07.2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit sofortiger Beschwerde vom 03.08.2020, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag. Die Klägerin habe vor der Klage keinen Kontakt zur Beklagten aufgenommen, so dass diese keine Klageveranlassung gegeben habe.
Mit Beschluss vom 04.08.2020 hat das Amtsgericht ohne nähere Begründung der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 11.08.2020 wendet sich die Klägerin gegen die sofortige Beschwerde Die Beklagte habe sich bereits in Verzug befunden, der fortbestanden habe. Mit dem Amtsgericht sei davon auszugehen, dass eine neuerliche Zahlungsaufforderung durch die Klägerin bloße Förmelei gewesen sei. Die Beklagte hat mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.08.2020 abschließend Stellung genommen.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach §§ 91a Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 ZPO).
Gegen Kostenentscheidungen nach § 91a Abs. 1 ZPO ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach Abs. 2 der Vorschrift eröffnet. Der Hauptsachestreitwert überschreitet die Schwelle des § 91a Abs. 2 Satz 2 ZPO ebenso wie der Beschwerdewert die Grenze des § 567 Abs. 2 ZPO.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Kostenlast trifft die Klägerin.
1. Bei einer übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits ist über die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei entspricht es in der Regel billigem Ermessen, die Kosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die bei einem streitigen Fortgang des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre und die Kosten nach den §§ 91 ff. ZPO zu tragen gehabt hätte (OLG München, Beschluss vom 05. Juli 2016 – 10 W 890/16, SVR 2016, 470; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100).
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen, d.h. ob der Beklagte dem Kläger Veranlassung für die Klage gegeben hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05. Dezember 2016 – 4 W 19/16, NJW-RR 2017, 697; OLG Dresden, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 W 1310/14 -, juris). So ist anerkannt, dass für den Fall, dass sich der Beklagte nach Klageerhebung und vor dem ersten Termin durch vorbehaltlose und kommentarlose Ausgleichung der Klageforderung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, er nach Erledigungserklärung die volle Kostenbelastung zu tragen hat, auch wenn keine Erklärung, die Kosten des Rechtsstreits übernehmen zu wollen abgegeben wird (BGH, Beschluss vom 30.02.2011 – VI ZR 305/10; BGH, Beschluss vom 27.07.2010 – VI ZR 154/08, BeckRS 2010, 20021; OLG Frankfurt MDR 1996, 426). Im Streitfall hat der Beklagte sich allerdings gegen die Übernahme der Kostenlast ausgesprochen.
Klageveranlassung wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH ZIP 2007, 95). Der Kläger hat also anzunehmen, ohne Anrufung des Gerichts sein Klageziel nicht erreichen zu können (BGH NJW-RR 2006, 773, 775; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 74). Für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, kommt es demnach auf sein Verhalten vor dem Prozess an (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696). Anlass zur Klage wird regelmäßig dann gegeben, wenn zur Erfüllung innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert worden ist und keine Leistung erfolgt, obwohl dies der materiell-rechtlichen Pflicht entsprochen hätte (OLG Naumburg NJOZ 2011, 1937; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 06716); dies setzt bei Geldschulden Verzug voraus (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG München BeckRS 2003, 04240). Die objektiven Voraussetzungen des Verzuges implizieren also i.d.R. die Klageveranlassung (BeckOK-ZPO/Jaspersen/Wache ZPO § 93 Rn. 28). Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die Grundlage des Verzugs bildende Fälligkeit der Schadensersatzforderung nicht erst durch eine (erste) Zahlungsaufforderung bewirkt wird (so aber falsch OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2018 – 22 W 2/18, juris Rn. 12), sondern die Fälligkeit bereits im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung, d.h. des Unfalls eintritt (im Einzelnen dazu BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – VI ZB 22/08 -, BGHZ 178, 338).
2. Gemessen am Vorstehenden ist davon auszugehen, dass die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Keiner näheren Ausführungen bedarf, dass die Beklagte gegenüber dem ursprünglich Geschädigten Anlass zur Klage gegeben hatte bzw. hätte. Dieser hatte (u.a.) die streitgegenständliche Restforderung gegenüber der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 19.02.2020 unter Fristsetzung zum 04.03.2020 angemahnt (Anlage K4).
Die Besonderheit im Streitfall besteht darin, dass die Klage dann nicht vom Geschädigten selbst, sondern nach anschließender Abtretung der Klageforderung am 16.05.2020 (Anlage K1) von der Klägerin als Zedentin gerichtlich geltend gemacht wurde, ohne sich zuvor an die Beklagte zu wenden. Verzugseintritt ist zwar i.d.R. ein Indiz für die sog. Klageveranlassung, doch kann beides nicht gleichgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2006 – VI ZB 64/05, BGHZ 168, 57). Unabhängig davon kann dahinstehen, ob der Verzug auch zugunsten der klagenden Zedentin wirkt.
Durch die Abtretung wird jedenfalls insoweit eine neue Sachlage geschaffen, als dem Schuldner – der Beklagten – ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 410 BGB zugestanden wird. Demnach ist der Schuldner dem neuen Gläubiger gegenüber zur Leistung nur gegen Aushändigung einer von dem bisherigen Gläubiger über die Abtretung ausgestellten Urkunde verpflichtet, es sei denn der bisherige Gläubiger hat dem Schuldner die Abtretung schriftlich angezeigt. Für letzteres – also eine Anzeige der Abtretung durch den Geschädigten gegenüber der Beklagten – ist weder vorgetragen, noch sonst etwas ersichtlich. Vorstellbar ist z.B. auch eine Aufrechnungsmöglichkeit für den Schuldner mit einer eigenen Forderung gegen den Zedenten. Auch deshalb erscheint es sachgerecht, dass der Zedent seine durch Abtretung erworben Forderung vor der unmittelbaren gerichtlichen Durchsetzung nochmals beim Schuldner geltend macht (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 22. Oktober 2018 – 7 W 1592/18, juris wo allerdings der Schuldner es vorprozessual unterlassen hatte, sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht nach § 410 BGB zu berufen).
Da die Klägerin dies nicht getan hat, hat umgekehrt die Beklagte keinen Klageanlass gegeben. Ein sofortiges Anerkenntnis liegt mit dem ersten verfahrensgegenständlichen Schriftsatz unzweifelhaft vor. Damit hat die Klägerin entspr. § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
C.
Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert war entsprechend der beim konkreten Prozessausgang zu erwartenden Kostenlast festzusetzen. Ausgehend von 3 Gerichtsgebühren (eine Reduzierung nach Nr. 1211 Ziff. 4 KV-GKG findet nicht statt) zuzüglich jeweils 2,5 Anwaltsgebühren (inklusive Auslagen und Steuer) für beide Parteivertreter aus einem Wert von 738,01 € ergibt sich ein Kostenbetrag von 682,60 €, dem die sofortige Beschwerde entgegentritt.


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