Miet- und Wohnungseigentumsrecht

bayerische Eigenheimzulage, begehrte Förderung, Erwerb einer bereits gemieteten Wohnung, Antragsfrist, Verwaltungspraxis, kein Ermessensfehler

Aktenzeichen  W 10 K 20.611

Datum:
29.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40128
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
GG Art. 3
Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien – EHZR
EHZR Nr. 9.2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig, aber unbegründet.
Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 30. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Eigenheimzulage.
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung in Form der Eigenheimzulage in Höhe von 10.000,00 EUR aufgrund ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor, der eine von der Verwaltungspraxis abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
1. Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BayVBl 2020, 365 – juris Rn. 26; vgl. auch ausführlich VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris sowie B.v. 18.6.2020 – W 8 E 20.736 – juris).
Dabei muss Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.). So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Dabei dürfen solche Richtlinien nicht – wie Gesetze oder Verordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dienen nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen der gesetzlichen Zweckbestimmung nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45).
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die wie hier nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf verwaltungsinternen ermessenslenkenden Vergaberichtlinien beruhen, kommt es damit nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern grundsätzlich nur darauf, wie die ministeriellen Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2015 – 4 BV 15.1830 – juris Rn. 42 m.w.N.). Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts für die Bewertung der Fördervoraussetzungen und der Förderfähigkeit einer Maßnahme ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris m.w.N.).
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben steht dem Kläger mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage kein Anspruch auf Bewilligung der Eigenheimzulage zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 30. März 2020 nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den für die Beurteilung relevanten Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
2.1 Der Antrag wurde zu Recht abgelehnt, da der Antrag nicht fristgerecht (Nr. 9 EHZR) gestellt wurde.
Der Kläger ist schon seit 1. Januar 2017 unter der Adresse der erworbenen Wohnung gemeldet. Die Auflassung (d.h. die dingliche Einigung im notariellen Kaufvertrag) wurde am 18. Dezember 2018 erklärt. Der Mietvertag für die erworbene Wohnung endete mit Ablauf des 28. Februar 2019. Danach hat der Kläger nach eigenen Angaben die Wohnung saniert und ist im Juni 2019 dort eingezogen.
Entscheidungserheblich ist im vorliegenden Fall die Festlegung des Beginns der Antragsfrist (Nr. 9.2 EHZR).
Nach dem Wortlaut von Nr. 9.2 EHZR ist die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig. Diese ausdrückliche Regelung stellt damit auf den „Bezug“ der Wohnung ab, was grundsätzlich mit erweiterter Meldebescheinigung nachgewiesen werden muss. Für jedermann erkennbar werden damit nicht die Fälle erfasst, in denen – wie im vorliegenden Fall – eine bereits gemietete Wohnung erworben wird. Der Fristbeginn für diese Fälle wird nicht in der Richtlinie geregelt.
Nach dem nicht widerlegten Vortrag des Beklagten wird in diesen Fällen in der Verwaltungspraxis stets auf das Datum des Kaufvertrages abgestellt. Diese Verwaltungspraxis wurde in der Email der BayernLabo vom 20. Februar 2020 (Bl. 26 GA) schriftlich festgehalten. Aus dieser Email lässt sich erkennen, dass sich die BayernLabo ihre schon bisher ausgeübte Verwaltungspraxis, dass die Antragsfrist beim Kauf einer Wohnung durch den bisherigen Mieter mit Datum des Kaufvertrages beginnt, vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hat bestätigen lassen. Die Tatsache, dass die Email vom 20. Februar 2020 erst nach Stellung des Zuwendungsantrags durch den Kläger erfolgte, ist nicht entscheidungserheblich, da – wie oben gezeigt – die entsprechende Verwaltungspraxis des Beklagten schon vor dem 22. Februar 2020 dahingehend ausgeübt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in vergleichbaren Zuwendungsfällen anders verfahren wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch im Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Dezember 2020 – W 8 K 20.862 (juris) wird ausgeführt, dass nicht immer der tatsächliche Bezug der Wohnung entscheidend sein kann.
Damit begann die Antragsfrist am 19. Dezember 2018 und endete am 18. Juni 2019. Der Antrag, gestellt am 23. Dezember 2019, kam damit zu spät und durfte nicht berücksichtigt werden.
2.2 Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, wird ergänzend ausgeführt, dass selbst bei Unterbrechung der Antragsfristfrist um die Dauer der Wohnungssanierung kein anderes Ergebnis gefunden werden könnte. Nach Angaben des Klägers haben die Sanierungsarbeiten vier Monate gedauert, so dass die Antragsfrist in diesem Fall am 18. Oktober 2020 abgelaufen wäre.
2.3 Ausgehend von dieser – im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstandenden – Förderpraxis sind des Weiteren auch Ermessensfehler oder gar eine willkürliche Anwendung nicht ersichtlich. Denn eine staatliche Förderung des Wohneigentums ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Vielmehr besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl. Erhard in Blümich, EigZulG, Werkstand: 152. EL Mai 2020, Einleitung Rn. 4 zur früheren Rechtslage).
Vorliegend liegt keine atypische Fallgestaltung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vor. Ausgangspunkt ist – wie ausgeführt – vielmehr die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
Indes ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, der von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst wird und von solchem Gewicht ist, dass eine vom Regelfall vorgesehene Rechtsfolge eine abweichende Behandlung gebietet. Denn der Förderfall, dass eine bereits gemietete Wohnung erworben wird und so der Bezug als Beginn der Antragsfrist ausscheidet, wird kein Einzelfall sein. Der Beklagte hat ein sachgerechtes Kriterium finden müssen, nach dem der Beginn der Antragsfrist zu bestimmen ist. Diesbezüglich auf das Datum des Kaufvertrages abzustellen ist sachgerecht, da dies ein objektives und nachweisbares Datum ist und der Kaufvertrag für die Finanzierung – je nach Fallgestaltung – ausschlaggebend ist. Dies sind zulässige Aspekte für eine Differenzierung bei der Gewährung öffentlicher Zuschüsse, so dass eine derartige Festlegung des Beginns der Antragsfrist auch nicht willkürlich ist, weil sachgerechte und vertretbare Gründe dafürsprechen. Die Willkürgrenze würde selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris). Für den Schluss auf eine willkürliche Handhabung der Förderrichtlinien bestehen keine triftigen Anhaltspunkte.
Nach alledem war die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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