Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ermessen bei Bestellung der Hausverwaltung

Aktenzeichen  1 S 4408/19 WEG

Datum:
7.8.2019
Fundstelle:
ZWE – 2020, 100
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 26
BGB § 138

 

Leitsatz

1. Die Eigentümergemeinschaft ist bei der Bestellung der Hausverwaltung nicht an vergaberechtliche Kriterien gebunden. Die Wohnungseigentümer haben hinsichtlich der Höhe der Vergütung ein Ermessen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn die Vergütung des Verwalters deutlich über den Konkurrenzangeboten liegt oder sie erheblich höher ist als die übliche Vergütung, entspricht die Bestellung dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn dafür ein sachlicher Grund gegeben ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei dreier vorangegangener gerichtlicher Verwalterbestellungen spielt das Argument des günstigsten Preises bei der Ausübung des Ermessens über Bestellung der aktuellen Verwaltung keine herausragende Rolle mehr. Vielmehr ist die Ermessensentscheidung der Eigentümergemeinschaft nicht zu beanstanden, eine Verwaltung zu beauftragen, welcher sie nach der ihr zustehenden Einschätzung die Bewältigung dieser Aufgaben bei einer zerstrittenen Eigentümergemeinschaft zutraut, selbst wenn diese höhere als die ortsüblichen Vergütung verlangt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 C 1282/18 WEG 2019-03-01 Urt AGSTARNBERG AG Starnberg

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 01.03.2019, Az. 3 C 1282/18 WEG wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage hinsichtlich der Beschlussanfechtung zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 30.10.2018 als unbegründet zurückgewiesen wird. Im Übrigen bleibt es bei der Klageabweisung als unzulässig.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Starnberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Starnberg abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz und, in Abänderung der Festsetzung im Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 01.03.2019 für die erste Instanz, wird auf € 4.191,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien bilden die Eigentümergemeinschaft … in …. Die Parteien standen sich in der Vergangenheit bereits in einer Vielzahl von Verfahren auch in der Berufungsinstanz gegenüber. Alleine in den letzten 10 Jahren wurden beim Landgericht München I 47 Berufungs- und Beschwerdeverfahren über Streitigkeiten aus der Wohnungseigentümergemeinschaft anhängig. Bereits dreimal worden durch gerichtliche Beschlussersetzung Verwalter für die Eigentümergemeinschaft bestellt. Vor der Eigentümerversammlung vom 27.02.2018 war die Gemeinschaft verwalterlos. Der vorherige Verwalter hatte sein Mandat fristlos niedergelegt.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Vorbringens der Parteien wird weiter Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Starnberg, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Mit Endurteil des Amtsgerichts Starnberg vom 01.03.2019, dem Klägervertreter zugestellt am 12.03.2019, wurde die Klage als unzulässig abgewiesen.
Die Kläger wandten sich gegen dieses Urteil mit der am 29.03.2019 eingelegten Berufung, welche sich ausweislich des Rubrums des Berufungsschriftsatzes gegen die übrigen Mitglieder der WEG … richtete, welche namentlich bezeichnet worden als und …. Mit Verfügung vom 30.04.2019, zugestellt am 07.05.2019, wurden die Berufungskläger auf das vom Urteil abweichende Rubrum ihrer Berufungseinlegung hingewiesen.
Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 06.05.2019, eingegangen am selben Tag, begründet.
Mit der Ladungsverfügung vom 10.05.2019 wurden Hinweise erteilt, auf welche Bezug genommen wird.
Die Kläger beantragten:
1. Das Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 01.03.2019, Az. 3 C 1282/18 WEG wird aufgehoben.
2. Die Beschlussfassungen der Eigentümergemeinschaft …in der Versammlung vom 30.10.2018 werden wie folgt für ungültig erklärt:
TOP 3 (Bestellung der Hausverwaltung)
Beschluss:
… wird ab sofort bis 31.12.2020 gemäß vorliegendem Angebot vom 01.10.2018 zum Verwalter bestellt.
Beschluss:
Herr … wird beauftragt und bevollmächtigt, den mit der Einladung versandten Verwaltervertrag sowie die Verwaltervollmacht zu unterzeichnen.
TOP 22 (Vertagung)
Beschluss:
Die Tagesordnungspunkte 6, 11, 12, 16, 17 und 20 bis 22 werden vertagt.
Die Beklagten beantragten:
Die Zurückweisung der Berufung.
Bezug genommen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die weiteren gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2019 und den gesamten sonstigen Akteninhalt.
II.
1. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Die gebotene Auslegung des Schriftsatzes vom 29.03.2019 ergibt in noch ausreichender Klarheit, dass die Berufung gegen die übrigen Eigentümer gemäß dem erstinstanzlichen Rubrum gerichtet sein soll. Hieran können zwar Bedenken bestehen, weil trotz des Bestimmtheitserfordernisses der Berufungseinlegung als Prozesshandlung der erstinstanzliche Beklagte …, der Beklagte zu 4), im Schriftsatz vom 29.03.2019 nicht genannt ist. Als übrige Eigentümer sind ausdrücklich die im folgenden einzeln bezeichneten Personen genannt. Es besteht auch insofern ein Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffend die Vorlage von Eigentümerlisten, als dort die Auslegung der Prozesserklärung eindeutig ist Beklagt sollen in diesen Fällen jeweils die Personen sein, welche nach aktueller Eigentümerliste eingetragene Eigentümer der Gemeinschaft sind. Die Eigentümerliste wird hier als Hilfsmittel zur Identifizierung verwendet. Vorliegend ist es anders, hier wird neben der Sammelbezeichnung „übrige Eigentümer“ explizit eine Aufzählung vorgenommen. Auch geht aus dem übrigen Inhalt des Schriftsatzes nicht hervor, dass der Beklagte zu 4), …, weiter Partei des Verfahrens sein soll. Da es sich bei den übrigen Eigentümern aber um notwendige Streitgenossen handelt, wäre die Einlegung der Berufung gegen einzelne der Streitgenossen unzulässig, da dieser die Rechtskraft hinsichtlich des ausgelassenen Streitgenossen entgegenstünde. Die Berufung wäre damit insgesamt als unzulässig zu verwerfen. Andererseits ist allerdings die Auslassung des Beklagten … hier insofern nicht eindeutig, als neben den einzelnen Eigentümern auch noch die Sammelbezeichnung „die übrigen Eigentümer“ im Rubrum verwendet wird. Eine Verwechslungsgefahr wurde auch von den Beklagten, welche sich zu dem Rubrumsfehler überhaupt nicht äußerten, nicht behauptet. Die Auslegung am Rechtsschutzziel der Kläger kann daher noch ergeben, dass es sich auch bei dem Beklagten zu 4) um jenen aus dem erstinstanzlichen Rubrum, …, handeln soll.
2. Allerdings erweist sich die Berufung als unbegründet. Zusammenfassend und ergänzend zu den Gründen der Erstentscheidung ist in der gebotenen Kürze folgendes auszuführen, § 540 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO:
a) Zutreffend geht die Berufung davon aus, dass die Klageabweisung zu TOP 3 der Eigentümerversammlung nicht wegen Unzulässigkeit hätte erfolgen dürfen. Zwar wäre mit Aufhebung des Beschlusses aus der Versammlung vom 30.10.2018 dieselbe Hausverwaltung ohnehin auf Grundlage des Beschlusses vom 27.02.2018, hinsichtlich dessen Anfechtung im Verfahren 3 C 350/18, AG Starnberg (36 T 5762/18, LG München I) die Kläger zuvor die Erledigung erklärt hatten, bestellt gewesen. Dies betrifft aber nur den Zeitraum bis Ende Februar 2020, nachdem im Beschluss vom 27.02.2018 eine Bestellung für den Zeitraum von 2 Jahren geregelt worden war. In dem Folgebeschluss allerdings sollte die Bestellung bis Ende Dezember 2020 erfolgen. Hinsichtlich des Zeitraumes von März bis Dezember 2020 konnte also ein Interesse der Kläger bestehen, den Beschluss zu TOP 3 aufheben zu lassen, da hier der vorangegangene Beschluss keine Wirkung hatte.
b) Die Kammer hält allerdings an ihrer mit Hinweis vom 10.05.2019 mitgeteilten Rechtsauffassung fest, wonach die Bestellung der Hausverwaltung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, da das der Eigentümergemeinschaft zustehende Ermessen nicht überschritten war. Die Berufung geht nach Auffassung der Kammer im Ansatz fehl, wenn sie meint, bei der Überprüfung von Preisangeboten seien vergaberechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und nur solche Angebote könnten ausgeschlossen werden, welche unter Einstandspreis abgegeben würden. Diese Auffassung widerspricht dem weiten Ermessen, welches Gesetz und Rechtsprechung der Eigentümergemeinschaft zur Regelung ihrer eigenen Belange einräumen. Keinesfalls ist die Eigentümergemeinschaft an vergaberechtliche Kriterien gebunden, noch lässt sich für eine einzelne Eigentümergemeinschaft ein annähernd objektiver Einstandspreis für die Grundvergütung der Hausverwaltung bestimmen. Fehl geht die Berufung auch, wenn sie meint, ihr alleiniger Vortrag dazu, die Vergleichsangebote seien ortüblich und angemessen, würde dazu führen, dass ein knapp doppelt so hohes Angebot einer Hausverwaltung zwingend dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspricht. Die Wohnungseigentümer haben, was Klage und Berufung nicht in Abrede stellen, hinsichtlich der Höhe der Vergütung ein Ermessen, so dass nicht das niedrigste Angebot angenommen werden muss. Auch wenn die Vergütung des Verwalters deutlich über den Konkurrenzangeboten liegt oder sie erheblich höher ist als die übliche Vergütung, entspricht die Bestellung dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn dafür ein sachlicher Grund gegeben ist (Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 26 Rn. 62 m.w.N.).
Zunächst ist für den Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot die Klageseite darlegungs- und beweisbelastet. Dafür müsste sie aber darlegen, dass die weiteren vorgelegten Angebote im Leistungsumfang jenem der nunmehr bestellten Hausverwaltung entsprechen. Die vorgetragene Behauptung der Kläger – auf welche sich ihre Auffassung, die erfolgte Bestellung sei unwirtschaftlich, alleine zu stützen vermag – lautet, dass die marktübliche Verwaltergebühr je Wohnungseinheit zwischen EUR 25,00 und EUR 30,00 monatlich betrage. Dies kann aber für die Entscheidung dahinstehen. Die Klage legt schon nicht dar, dass mit der ortsüblichen Vergütung für eine Hausverwaltung der für die vorlegende Wohnungseigentümergemeinschaft erforderliche Aufwand abgegolten wäre. Noch in der Berufungsverhandlung trugt die Klageseite vor, eine Hausverwaltung, welche etwas über EUR 38,00 monatlich verlangt habe, habe nach 4 Wochen ihr Verwalteramt niedergelegt. Es ist für jeden objektiven Betrachter offenkundig, dass eine Hausverwaltung, welche für ihre Tätigkeit alleine die ortsübliche Durchschnittsgebühr erhält, angesichts des Konfliktpotentials dieser Wohnungseigentümergemeinschaft keine Gewähr bietet, bis zum Ende des Bestellungszeitraums tätig zu bleiben. Die Annahme der Kläger, Hausverwaltungen, welche noch weniger Vergütung erhalten als jene Verwaltung, welche nach 4 Wochen angesichts der Zustände in der Eigentümergemeinschaft niederlegte, könnten dauerhaft die gesetzlich geforderten Aufgaben wahrnehmen, ist objektiv nicht nachvollziehbar. Angesichts dreier vorangegangener gerichtlicher Verwalterbestellungen und des Schicksals der früheren Hausverwaltungen vermag die Kammer nachzuvollziehen, dass das Argument des günstigsten Preises bei der Ausübung des Ermessens über Bestellung der aktuellen Verwaltung keine herausragende Rolle mehr spielen konnte. Vielmehr ist die Ermessensentscheidung der Eigentümergemeinschaft, eine Verwaltung zu beauftragen, welcher sie nach der ihr zustehenden Einschätzung die Bewältigung dieser Aufgaben zutraut, aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Der Verwalter hat für die Eigentümergemeinschaft gesetzliche Aufgaben zu erfüllen, deren Wahrnehmung sichergestellt werden musste.
Eine, im Schriftsatz vom 22.07.2019 behauptete, Äquivalenzstörung i.S.d. § 138 BGB liegt nicht vor. Äquivalent für die vereinbarte Vergütung ist nicht die Höhe der konkurrierenden Angebote, sondern die Verwalterleistung.
Dabei kann weiterhin auf die erteilten Hinweise zur Vervollständigung Bezug genommen werden.
c) Hinsichtlich TOP 22 erfolgte die Klageabweisung als unzulässig richtigerweise. Dabei kann erneut auf den erteilten Hinweis ebenso Bezug genommen werden wie auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung. Zwar kann ein Vertagungsbeschluss ausnahmsweise an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung zu messen sein. Dies etwa dann, wenn durch die Vertagung des Antragsrechts eines einzelnen Miteigentümers umgegangen werden soll und ihm zusätzlich die gesetzlich gewährten Rechtsschutzmöglichkeiten entzogen würden (vgl. LG Dortmund, ZWE 2015, 371). Hier handelt es sich aber gerade um einen Antrag des Beklagten, dessen Beratung und Beschlussfassung vertagt werden sollte. Einen Regelungsgehalt besitzt der Beschluss nicht. Tatsächlich stellt er auch nur dar, was unabwendbare Folge der Tatsache war, dass der Mehrheitseigentümer angekündigt hatte, er würde die Versammlung verlassen. Hiermit wurde die Versammlung beschlussunfähig und es musste ein neuer Versammlungstermin bestimmt werden. Auf die Bestimmtheit des Beschlusses kann es dabei deswegen nicht ankommen, weil er ohnehin keine Regelungsinhalt hat. Ein Beschluss, der nichts regelt, bedarf auch nicht der Bestimmtheit. Selbst wenn man den Beschluss an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung messen wollte, würde er dieser Prüfung standhalten. Alleine festzustellen, was unabwendbar ist, kann nicht fehlerhaft sein.
III.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, jene über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde in Anwendung von § 47 GKG, § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG festgesetzt, wobei gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auch eine Änderung der Festsetzung erster Instanz zu erfolgen hatte. Im Verfahren 3 C 63/18 WEG des Amtsgerichts Starnberg war mit Schriftsatz vom 21.11.2018 die Erledigung erklärt worden, weswegen der Beschluss vom 27.02.2018 über die Bestellung der … bis Ende Februar 2020 bestandskräftig wurde. Das objektive Interesse der Kläger bei Klageerhebung am 30.11.2018 gegen den Beschluss vom 30.10.2018 konnte daher von Anfang an nur darin liegen, die Bestellung der Hausverwaltung vom März bis Dezember 2020 zu verhindern. Die hierfür anfallenden Verwalterkosten sind insgesamt EUR 7.787,-, die Hälfte hiervon sind EUR 3893,50. Zu addieren war noch der Streitwert hinsichtlich der Anfechtung zu TOP 22, wobei hierbei als Gesamtinteresse die von den Klägern behaupteten Kosten von EUR 595,00 für die zweite Versammlung angesetzt werden konnten. Insgesamt ergab sich damit der festzusetzende Streitwert von EUR 4.191,00.


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