Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Fehlende Gutgläubigkeit des Käufers beim Erwerb eines Pkw vom Nichtberechtigten

Aktenzeichen  24 O 2558/17

Datum:
19.4.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36794
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 33, § 91, § 709, § 894
BGB § 935 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Der Käufer eines Fahrzeugs ist nicht gutgläubig hinsichtlich der Verfügungsbefugnis eines fremden Verkäufers, wenn der Pkw durch einen an einem anderen Wohnort als der Verkäufer lebenden Dritten abseits einer Straße mit nur einem Fahrzeugschlüssel übergeben wird, der Erstzulassungsort von der ausstellenden Behörde abweicht und die Zulassungsbescheinigungen I und II von unterschiedlichen Behörden ausgestellt sind.   (Rn. 22 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin zum Aktenzeichen 271 UJs 411/17 der Herausgabe des Fahrzeugs vom Typ Mercedes-Benz ML 350 CDI, Fahrzeugident-Nr. -, nebst den dazugehörigen Fahrzeugschlüsseln an die Klägerin zuzustimmen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist in Ziff. 3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 27.200,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
II.
Die Klage ist begründet. Der Beklagte schuldet die Abgabe der Willenserklärung gem. § 894 ZPO, da ihm keine Rechte an dem streitgegenständlichen Fahrzeug zustehen.
1.) Die Klägerin ist Eigentümerin des Fahrzeuges, der Beklagte als zumindest kurzzeitiger Besitzer hat ihr gegenüber kein Recht zum Besitz.
Die Klägerin als ursprüngliche Eigentümerin hat ihr Eigentum nicht an den Beklagten verloren.
a.) Ob das streitgegenständliche Fahrzeug der Klägerin abhanden gekommen ist, kann vorliegend offen bleiben.
Der Verlust des mittelbaren Besitzes ist nur in den Fällen des § 935 Abs. 1 S. 2 erheblich (MüKoBGB/Oechsler, 7. Auflage 2017, § 935 Rn. 3). Ist der Eigentümer mittelbarer Besitzer der Sache, kommt es nach Abs. 1 S. 2 darauf an, ob der unmittelbare Besitzer den Besitz ohne seine Willen verloren hat. Eine vom Besitzmittler freiwillig weggegebene Sache ist dem mittelbar besitzenden Eigentümer nicht abhandengekommen (RGZ 54, 68 [72]; vgl. auch OLG Brandenburg BeckRS 2014, 13060 Rn. 58). Ferner ist die Sache dem Eigentümer nicht abhandengekommen, wenn sie dem unmittelbaren Besitzer vom Eigentümer selbst oder von einem Dritten mit Einverständnis des Eigentümers weggenommen worden ist (allgM, vgl. etwa Jauernig/Berger Rn. 5; Staudinger/Wiegand, 2017, Rn. 13; Baur/Stürner SachenR § 52 Rn. 45; Müller SachenR Rn. 2415) (BeckOK BGB/Kindl, Stand 01.11.2017, § 935 Rn. 5).
Der angebotene Zeugen T. war trotz Ladung nicht erschienen, so dass keine genauere Klärung des vom Beklagten bestrittenen Verhältnisses zwischen der B. GmbH und dem Zeugen T. möglich war.
Aus den unten aufgeführten Gründen kommt es jedoch auf eine Einvernahme des Zeugen nicht mehr entscheidungserheblich an.
b.) Der Beklagte war jedenfalls nicht in gutgläubig hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des ihm unbekannten Veräußerers. Dies steht schon auf Grund der vorgelegten Unterlagen und auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn „die erforderliche Sorgfalt … in ungewöhnlich großem Maße verletzt“ ist. Nach der Rspr. des BGH müssen dem Erwerber „beim Erwerb der Sache Umstände bekannt gewesen sein, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprachen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer bzw. nicht Verfügungsberechtigter war. Der Erwerber muss sich also in einer Lage befunden haben, in der es für ihn auch bei nur durchschnittlichem Merkvermögen und Erkenntnisvermögen nicht schwer war, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die veräußerte Sache dem Veräußerer nicht gehörte. Die ihm bekannten Umstände müssen somit derart gewesen sein, dass er zu dieser Erkenntnis auch ohne ein besonders sorgfältiges und pflichtbewußtes Verhalten, insbesondere auch ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung hätte gelangen können.“ Nach einer Faustformel handelt grob fahrlässig, wer nicht beachtet, „was … jedermann hätte einleuchten müssen“. Von der Sache her geht es also um Evidenz der Eigentumslage, und zwar häufig in einer Konstellation, bei der auf Erwerberseite nach aller Lebenserfahrung positive Kenntnis des fehlenden Eigentums des Veräußerers nahe liegt, diese aber nicht beweisbar ist (MüKoBGB/Oechsler, aaO, § 932 Rn. 47 m.w.N.).
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er das unbeachtet lässt, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr. vgl. BGH WM 1966, 678; BGH NJW 1980, 2245; BGH NJW 2005, 1365, 1366). Beim Erwerb vom Nichtberechtigten ist dies regelmäßig anzunehmen, wenn der Erwerber trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußerers wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt. Wann eine solche Nachforschungspflicht besteht, ist eine Frage des Einzelfalles. Für den Gebrauchtwagenhandel ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457 m. w. N.) (OLG München Urt. v. 5.5.2011 – 23 U 434/11, BeckRS 2011, 14507).
Auch unter der Berücksichtigung der aufgeführten obergerichtlichen Rechtsprechung und der Wertung, dass es nach der Auffassung des Obergerichts darauf ankommt, ob der Beklagte gewerbsmäßiger Autohändler ist, was er vorliegend nicht ist oder der Aussteller in nicht übereinzubringender Weise von der ausstellenden Behörde abweicht, war hier eine grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, da der gesamte Erwerbsvorgang von Seltsamkeiten und Heimlichkeiten geprägt gewesen ist.
Ausweislich der Aussage der Zeugin B. sowie der informatorischen Anhörung des Beklagten wurde das Fahrzeug nicht am inserierten Standort zur Übergabe bereitgestellt. Dies kann jedoch isoliert betrachtet noch nicht zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis führen. Die Tatsache, dass das Fahrzeug von einem weiteren, dem Beklagten bis dato nicht einmal namentlich Bekannten „Bruder“ des angeblichen Veräußerers überbracht werden sollte, ist auch für sich isoliert betracht noch nicht ausreichend, da das Gericht hier sehr wohl erkennt, dass sich der Überbringer der Fahrzeuges gegenüber dem Beklagten mit einem, wenn auch offensichtlich falschen Ausweispapier ausgewiesen hat. Jedenfalls seltsam anmuten hätte dem Beklagten müssen, dass das Fahrzeug gerade nicht auf einem an der Straße gelegenen Abstellplatz, sondern auf einem weniger frequentierten, zum Teil wohl durch eine geschlossene Schranke gesicherten Parkplatz übergeben werden sollte. Jedenfalls der redliche Eigentümer würde sich nicht scheuen, auch an einer Straße sein Fahrzeug zu übergeben. Absolut seltsam muss es auch für den durchschnittlichen Erwerber anmuten, dass im Rahmen einer solchen Übergabesituation lediglich ein Fahrzeugschlüssel übergeben wird und der Zweitsowie der Reserveschlüssel nachgesandt werden sollen. Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt muss der durchschnittliche Erwerber davon ausgehen, dass er das Fahrzeug nicht vom Verfügungsberechtigten übergeben bekommt. Weiterhin ergibt sich auf Grund der jeweiligen Vollmachten jeweils ein Ortsunterschied zwischen dem Wohnort des Bruders und des angeblichen Verkäufers, wo jedenfalls eine weitere Nachforschung angezeigt gewesen wäre. Darüber hinaus stimmt der angebliche Erstzulassungsort auch nicht mit der ausstellenden Behörde überein, auch dies hätte dem durchschnittlichen Käufer auffallen müssen.
Dem Beklagten kann es dabei auch nicht zu Gute kommen, dass er die Fälschung der Zulassungsbescheinigungen nicht erkannt hat, was er grundsätzlich auch nicht erkennen muss. Im Übrigen muss der durchschnittliche Käufer auch nicht wissen, dass keine AG-GmbH existiert. Jedenfalls auffallen muss dem Beklagten aber, dass Zulassungsbescheinigung I und II von unterschiedlichen Behörden ausgestellt worden sind (beigezogene Akte StA Berlin, Band I, Bl. 193 ff. Auch dieser Punkt hätte zu einer weiteren Nachforschung durch den Beklagten führen müssen.
Auch eine Gesamtwürdigung der obig aufgeführten Umstände kommt zum Ergebnis, dass dem Beklagten auf Grund offensichtlicher grober Fahrlässigkeit die fehlende Verfügungsbefugnis des angeblichen Veräußerers nicht bekannt gewesen ist.
Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten scheidet daher sicher aus.
c.) Der Beklagte hat auch kein Recht zum Besitz. Weiterhin betrifft dies auch lediglich das hier vorliegende Prozessrechtsverhältnis, es ergibt sich keine Bindungswirkung für die Entscheidung hinsichtlich der weiter im Ermittlungsverfahren beteiligten Personen. Die Anlage K7 spielte in vorliegendem Verfahren keine Rolle. Über ein anderes Recht zum Besitz oder Herausgabeansprüche gegenüber anderen Personen war vorliegend nicht zu entscheiden.
Der Klage war daher vollumfänglich stattzugeben.
III.
Die Widerklage ist zulässig, § 33 ZPO.
IV.
Die Widerklage ist unbegründet.
Hinsichtlich der Ausführungen ist nach oben zu verweisen. Es hat kein Eigentumserwerb durch den Beklagten stattgefunden.
Die Widerklage war daher vollumfänglich abzuweisen.
V.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
VII.
Auf Grund der wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage erfolgt keine Addition der Werte bei der Streitwertfestsetzung.


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