Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kaufvertrag, Berufung, Verkehrssicherungspflicht, Revision, Unterhaltspflicht, Verletzung, Erstattung, Grunddienstbarkeit, Sondereigentumseinheit, Betriebskosten, Vollstreckbarkeit, Zinsen, Feuerversicherung, Anspruch, entsprechende Anwendung, Eintritt des Versicherungsfalls

Aktenzeichen  043 s 1293/19

Datum:
10.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50692
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

16 C 25/18 2019-02-25 Urt AGAUGSBURG AG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei wird das Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 25.02.2019, Az. 16 C 25/18, wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 29,53 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.01.2018 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 82 % und die Beklagte 18 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin als Eigentümerin einer Tiefgaragenanlage verlangt von der Beklagten anteilige Erstattung von Betriebskosten aufgrund einer zugunsten der Beklagten bestehenden Grunddienstbarkeit an Tiefgaragen-Abstellplätzen.
Die Beklagte hat mit notariellem Kaufvertrag vom 20.01.2010 einen 1/18 Anteil an der Sondereigentumseinheit Keller Nr. 19 erworben, welche auf dem nach WEG geteilten Nachbargrundstück … gelegen ist und zu deren Gunsten eine Grunddienstbarkeit an den 18 TG-Stellplätzen der Klägerin besteht.
Die notarielle Bestellungsurkunde vom 06.10.1982 (Anlage K11) für diese Grunddienstbarkeit enthält keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Kostentragung für laufenden Unterhalt und Betriebskosten.
Die Klägerin machte für die Jahre 2014 bis 2016 Betriebskosten für die Tiefgaragen-Anlage in Höhe von insgesamt 13.394,62 € geltend und verlangt entsprechend dem Anteil der Klägerin von dieser 744,15 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Des Weiteren erhob die Klägerin Feststellungsklage; insoweit wird auf den Schriftsatz vom 24.08.2018, Seite 2, Bl. 33 d.A., Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klageforderung in Höhe von 225,01 € zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen hat das Erstgericht die Rechnungsposten TG Versicherung und TG Rücklagen-Zuführung, da diese nicht auf gegenwärtige Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen gerichtet sind und Vorschriften des WEG zur Regelung der Rücklagenbildung und Versicherungspflicht nicht auf das Verhältnis zwischen Eigentümer und Grunddienstbarkeitsberechtigtem anzuwenden seien. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Tragung derartiger Kosten bestehe nicht, dies könne nur aufgrund entsprechender Vereinbarung erfolgen.
Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Posten TG Sonstige Unkosten und der Rechnungsposition TG Verwaltung verneinte das Amtsgericht, da eine transparente und nachvollziehbare Aufteilung zwischen TG-Anlage und sonstigen Arbeiten bzw. Kosten nicht vorgenommen wurde.
Der Feststellungsantrag wurde als unzulässig angesehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die beantragt:
I. Das Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 25.02.2019 zum Az. 16 C 25/18 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen worden ist.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 519,14 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin pro Kalenderjahr anteilig, namentlich in Höhe von 1/16, folgende Kosten
a)TG Rücklagen-Zuführung
b)TG Verwalter-Vergütung
c)TG Hausmeister-Vergütung
d)TG Reinigung
e)TG Versicherungen
f)TG Strom
g)TG Abluftanlagen-Wartung
h)TG Tor-Prüfung
sowie neu entstehende Kosten im Sinne der §§ 1018 ff BGB, die aufgrund der zugunsten der Sondereigentumseinheit „K19“ der WEG … an den TG-Stellplätzen Nr. 1, 2, 4, 13 bis 27 der WEG … lastenden Grunddienstbarkeit (Recht auf achtzehn TG-Stellplätze) ggf. künftig anfallen werden, ebenfalls anteilig, in Höhe von 1/16, zu erstatten.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, das Amtsgericht habe den Anwendungsbereich der §§ 1020, 683 BGB zu eng gefasst; insbesondere im Mietrecht und in den WEG-Vorschriften sei anerkannt, dass auch Maßnahmen zur künftigen Schadensvermeidung und Ansammlung von Rücklagen zur Absicherung künftig notwendiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen umlagefähig seien. Dies müsse entsprechend der Interessenlage auch im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter gelten.
Die Beklagte hält das Urteil des Amtsgerichts Augsburg für zutreffend. Zur Ergänzung des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Schriftsatz vom 25.03.2020, Bl. 109 d.A. sowie Schriftsatz vom 15.04.2020, Bl. 111 d.A.).
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 zulässige Berufung erweist sich nur zum Teil als begründet.
1. Das Amtsgericht hat eine Kostenbeteiligung der Beklagten an den Positionen TG-Verwaltung und TG Sonstige Unkosten zu Recht abgelehnt.
a) Eine anteilige Tragung der Vergütung für Verwaltungstätigkeit ist zwar dem Grunde nach möglich; dies setzt allerdings voraus, dass Kosten umgelegt werden, die im Zusammenhang mit der Unterhaltspflicht der Tiefgarage stehen; die Verwaltung von Grundstücken, die nicht mit Grunddienstbarkeiten belastet sind, fällt nicht darunter (BGH, Urteil vom 27.09.2019 – V ZR 1/18).
Vor diesem Hintergrund scheitert eine Umlagefähigkeit, nachdem eine unterscheidbare Aufteilung weder vorgetragen, noch der Zeugenaussage … (Protokoll vom 28.01.2019, Seite 3, Bl. 53 d.A.) zu entnehmen ist. Auch eine Schätzung verbietet sich insoweit, als verlässliche Angaben zum Umfang bzw. zum Verhältnis der Arbeiten nicht gemacht werden konnten.
b) Die Position TG Sonstige Unkosten wurde vom Amtsgericht ebenfalls zu Recht nicht als umlagefähig bewertet, nachdem völlig unklar ist, welche Kosten unter dieser Bezeichnung eingestellt worden sind. Eine Prüfung der Berechtigung ist somit nicht möglich.
2. Soweit die Klägerin Versicherungskosten TG geltend macht, sind diese zu erstatten. Es handelt sich um Haftpflichtversicherungsbeiträge, die vor den Risiken einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht schützen sollen, diese ist Bestandteil der Unterhaltspflicht (BGH, Urteil vom 08.03.2019 – V ZR 343/17). Ausweislich des Vortrags der Klägerin handelt es sich um Prämienzahlungen, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Übernahme bzw. Erstattung von Instandhaltungskosten (im Sinne von § 21 Abs. 5 Ziffer 3 WEG) sichern sollen; die Kammer subsumiert hierunter auch einen ggf. anteiligen Beitrag gegen Feuerversicherung.
3. Die Position TG Rücklagen-Zuführung in Höhe von insgesamt 5.940,00 € ist demgegenüber auch nach Ansicht der Berufungkammer nicht umlagefähig.
Auf § 1020 Satz 2 BGB kann ein derartiger Anspruch nicht gestützt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2010 – V ZR 125/10)
Eine Rücklagenbildung sichert nicht gegenwärtige Kosten der Erhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 1020 Satz 2 BGB, eine solche wird vielmehr abstrakt als Vorsorge für zukünftige Maßnahmen bereitgestellt. Es würde eine Verlagerung der Interessen und eine Ausweitung der Pflichten der Grunddienstbarkeitsberechtigten mit sich bringen, bereits ein abstraktes Kostenrisiko auf die Beklagte umzulegen, ohne dass ein Erfordernis im Sinne des § 1020 Satz 2 BGB sich abzeichnet. Zudem ist nicht ersichtlich, wie die Rücklagen zukünftig verwendet werden und ob insoweit von einer Umlagefähigkeit auszugehen ist.
Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des WEG entspricht in diesem Zusammenhang nicht der Intension des § 1020 Satz 2 BGB. Ein Vorsorgeinteresse des Eigentümers kann nicht mit dem in § 1020 Satz 2 BGB enthaltenen Erhaltungsinteresses gleichgesetzt werden.
4. Den gestellten Feststellungsantrag hat das Erstgericht zu Recht abgewiesen.
Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts unter Ziffer B der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.
Bezüglich der jeweils entstandenen umlagefähigen Kosten ist eine Leistungsklage möglich. Für neu entstehende Kosten fehlt es bereits an einem Feststellungsinteresse, da diese nicht einmal abstrakt umschrieben werden können. Zudem erscheint es fraglich, ob bei Feststellung einer Leistungspflicht dem Grunde nach die Beklagtenseite in Zukunft zur Leistung bereit ist und weitere Verfahren verhindert werden können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die Vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 Nr. 2 ZPO vorliegen. Soweit ersichtlich liegt bislang eine höchstrichterliche Entscheidung in der hier streitgegenständlichen Konstellation zur Tragung von Instandhaltungsrücklagen einer Anlage durch den Grunddienstbarkeitsberechtigten nicht vor. In der TG Anlage sind eine Vielzahl von Grunddienstbarkeitsberechtigten betroffen.


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