Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Fremdbeherbergung – Boardinghouse

Aktenzeichen  M 9 K 19.2393

Datum:
12.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4054
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3, Art. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 2. Oktober 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die hier angefochtene Nutzungsuntersagung vom 2. Oktober 2018 ist die Behördenentscheidung. Die im Protokoll des Erörterungstermins vom 12. November 2014 getroffene Regelung hat keine Bindungswirkung mehr (1.). Die Nutzung als Boardinghouse verstößt gegen Zweckentfremdungsrecht (2.). Eine dauerhafte Änderung der Nutzung ist nicht erfolgt (3.). Die Klägerin ist richtiger Adressat der Maßnahme (4.). Erledigung ist nicht eingetreten (5.).
Rechtsgrundlage der für die Wohnung 3 angeordneten Untersagung der Nutzung zur Fremdenbeherbergung ist Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) in Verbindung mit § 13 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 11. Dezember 2017. Der zweckentfremdungsrechtliche Tatbestand der Fremdenbeherbergung ist erfüllt, Art. 1 S.7 Nr.3 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 1 S.2 Nr.3 ZeS.
Wohnraum im Sinne des § 3 ZeS liegt vor. Die Wohnung 3 ist ebenso wie die übrigen Wohnungen ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen genehmigten Bauvorlagen als Wohnraum genehmigt und bis zur Nutzungsänderung als Boardinghouse auch so genutzt worden.
1. Eine Nutzung der Wohnungen als Boardinghouse ist nicht nach der im Verfahren M 9 K 13.3185 im Protokoll der Niederschrift vom 12. November 2014 enthaltenen Regelung zulässig. Die Zusage in der Niederschrift bindet die Beklagte nicht mehr, da die tatsächliche Nutzung der Wohnung über Jahre hinweg nachprüfbar nicht der vereinbarten Nutzungsweise entsprach.
Grundlegend für die damalige Regelung war, dass die Nutzung als Boardinghouse durch Vermietung ohne Serviceleistungen dann nicht gegen die Zweckentfremdungssatzung der Beklagten (damals Stand 2009) verstößt, wenn regelmäßig der ununterbrochene Zeitraum der Einzelvermietung drei Monate nicht unterschreitet und dieser nur in 10% der Vermietungen, gemittelt auf einen Zeitraum von 36 Monaten, in medizinisch begründeten Fällen durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts unterschritten wird.
a) Die entsprechende Erklärung der Beklagten im damaligen Verfahren zu Protokoll des Gerichts ist eine schriftliche Zusage, mit der sich die zuständige Behörde einseitig zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen selbst verpflichtet (mit weiteren Nachweisen: Sachs in Stelkens/Bonk, Kommentar, § 38 VwVfG, Rn.2, 9. Aufl.2018). Anders als bei einer Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG, die einen Unterfall der allgemeinen Zusage darstellt, besteht das zugesagte Tun oder Unterlassen nicht im Erlass oder dem Unterlassen eines bestimmten Verwaltungsakts. Vielmehr wurde nur erklärt, dass die mit der Zusage geregelte bestimmte Nutzung nicht den Tatbestand einer Zweckentfremdung erfüllt.
Aus diesem Grund handelt es sich bei der Zusage nicht um ein Negativattest iS § 10 ZeS in der damals gültigen Fassung vom 2. Januar 2009 oder um die Zusicherung, ein Negativattest als Verwaltungsakt zu erlassen. Die Satzung sah 2009 kein Negativattest für ein bestimmtes Nutzungskonzept, hier als Boardinghouse vor, weshalb ein solches auch nicht zugesichert wurde.
Die Vereinbarung vom 12. November 2014 stellt entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keinen gerichtlichen Vergleich dar. Gibt eine Partei in der Regel die Beklagtenpartei eine bestimmte Absichtserklärung zu Protokoll, wie hier, und wird die andere Partei damit zufriedengestellt, liegt kein gerichtlicher Vergleich i. S. d. § 106 VwGO vor, weil es an einer Gegenleistung fehlt. Es liegt kein gegenseitiges Nachgeben vor. Der Rechtsstreit erledigt sich nicht durch die Absichtserklärung, weshalb zur prozessualen Beendigung auch noch gesonderte prozessbeendende Erklärungen notwendig sind; wie sie auch im Verfahren M 9 K 13.3185 erfolgt sind.
b) Die Eigentümerin hat ihre Verpflichtung aus der durch die Zusage getroffenen Regelung über mehrere Jahre nicht erfüllt. Allgemeine Zusagen der hier vorliegenden Art werden regelmäßig aufgrund ihres verwaltungsaktähnlichen Regelungsgehalts unter der stillschweigenden Bedingung abgegeben, dass der andere Teil sich auch daran hält (VGH Mannheim, B.v.9.7.2002 – 8 S 1340/02; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9.Aufl.2018, § 38 Rn.26).
Eine Auslegung der Zusage vom 12. November 2014 nach dem Empfängerhorizont entsprechend §§ 133,157 BGB ergibt, dass diese unter der Bedingung erfolgte, dass die tatsächliche Vermietung nicht entgegen der Vereinbarung erfolgt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut „dies gilt nur“, der den erkennbaren Willen der Beklagten zeigt, nur unter dieser Bedingung eine Zusage abzugeben, die bezweckt, durch die Festlegung eines Dreimonatszeitraums eine dauerhafte und wohnähnliche Nutzung der Wohneinheiten zu erreichen.
Im Jahr 2015/2016 blieben alle Mietverhältnisse, für die die damalige Mieterin Nachweise vorgelegt hat, regelmäßig unter drei Monaten, so dass jedenfalls mehr als 10% der Vermietungen betroffen sind. Die Vermietung erfolgte durchgehend an Personen, die sich mit einem zweckgebundenen Kurzeitvisum zur medizinischen Behandlung im Bundesgebiet aufhielten und im Ausland ihren Lebensmittelpunkt haben.
Für das Jahr 2017 wurden trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte keinerlei Nachweise über die Nutzung und die Mieter der Wohnung vorgelegt.
Für das Jahr 2018 haben zunächst weder die Klägerin noch die Eigentümerin die von der Beklagten zunächst erbetenen, dann mit Bescheid verlangten lückenlosen und nachprüfbaren Nachweise über die Mietverhältnisse und ihre Dauer vorgelegt. Die Eigentümerin hat lediglich eine Reihe von Wohnungsgeberbestätigungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die hier verfahrensgegenständliche Wohnung wiederholt kurzfristig vermietet wurde. Die durch den Bevollmächtigten vorgelegten Mietverträge und Mietaufhebungsverträge bestätigen, dass im Jahr 2018 nur eine kurzzeitige Vermietung an Personen erfolgte, die die Wohnung zu einem vorübergehenden Zweck nutzten. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die hier verfahrensgegenständliche Wohnung durch unbefristete Mietverträge immer länger als drei Monate vermietet wurde und jeweils erst durch Mietaufhebungsvereinbarung das Mietverhältnis vorzeitig beendet worden sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass Mieter unbefristet Mietverträge abschließen und nach vier oder fünf Monaten das Mietverhältnis einvernehmlich aufgehoben wird, wenn die Betreffenden tatsächlich auf Dauer in München wohnen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Konstruktion gewählt wurde, um das Geschäftsmodel der Fremdenbeherbergung durch ein flexibles und zeitlich hotelähnliches Konzept fortzuführen. Anhaltspunkte für eine entsprechende Verschleierung ist auch der Umstand, dass Mietvertrag und Mietaufhebungsvertrag jeweils von unterschiedlichen Personen geschlossen wurden und dass dieses Konzept nicht nur bei der hier verfahrensgegenständlichen Wohnung, sondern auch bei anderen Wohnungen angewandt wurde. Die Mieter haben dabei auch regelmäßig die Miethöhe als Tagesmiete angegeben. Die in den Verträgen festgelegte monatliche Zahlung erfolgt zur Überzeugung des Gerichts nur zum Schein. Der Vermutung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass die Mieter eventuell aufgrund der Zahlungsmodalitäten in ihren Herkunftsländern die Monatsmiete in eine Tagesmiete umgerechnet haben könnten, ist nicht zu folgen. Für das Gericht steht aufgrund der Tatsachen fest, dass die dauerhaften Mietverträge nicht ernstlich gewollt waren, sondern täglich flexibel beendet werden konnten. Aufgrund dieser Tatsachen ist davon auszugehen, dass auch noch in 2018 die Mietverhältnisse nur auf dem Papier länger als drei Monate liefen. Fest steht nach Aktenlage auch, dass bei Ermittlungen durch Ortseinsichten keine Dauermieter, sondern entweder niemand oder Touristen angetroffen wurden.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Eigentümerin als Grund für die fehlenden Nachweise das Verhalten der früheren Mieterin Al M… genannt hat. Es ist unbeachtlich, ob die Eigentümerin tatsächlich Einfluss auf die Vermietung 2015 und 2016 hatte, da die Weitervermietung an Dritte ausdrücklich von der Vereinbarung erfasst war und eine Zurechnung iS eines Verschuldens nicht erforderlich ist. Die Eigentümerin muss sich das Verhalten der Al M… nach dem Rechtsgedanken des Erfüllungsgehilfen (§ 278 S.1 BGB) verschuldensunabhängig zurechnen lassen. Die Zusage hat die Vermietung an und durch Dritte ausdrücklich mit einbezogen. Das Risiko, dass Dritte die Bedingung der Zusage nicht einhalten, trägt nicht die Beklagte, sondern die Eigentümerin und der jeweilige Nutzer der Wohnung. Auch nach Abschluss des neuen Gewerbemietvertrags mit der Klägerin im Dezember 2017 wurde keine aktuelle Aufstellung für 2017 vorgelegt. Die Ortseinsichten vom 13. September 2018 und vom 20. September 2018 haben zweifelsfrei ergeben, dass die Vermietung auch 2018 an Medizintouristen zur vorübergehenden kurzzeitigen Nutzung erfolgte.
d) Da die Bedingung der Zusage nicht erfüllt wurde, ist diese hinfällig bzw. bindet die Beklagte nicht mehr. Dies hat zur Folge, dass mangels einer wirksamen Zusage eine Zweckentfremdung in Form eines Boardinghouse vorliegt. Offenbleiben kann damit, ob die Beklagte entsprechend Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG aufgrund einer geänderten Sachlage nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr an die Zustimmung gebunden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aber nicht aufgrund einer geänderten Rechtslage die Bindungswirkung entfallen sein. Eine Änderung der Rechtslage kann durch eine spätere Rechtsprechung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden. Notwendig ist eine Änderung der Norm selbst, nicht aber ihrer Auslegung (st. Rspr. z.B. BVerwG, U.v. 11.9.2013 – 8 C 4/12 – juris Rn. 21 m.w.N.).
e) Da die Eigentümerin ihre Verpflichtung aus der gerichtlichen Vereinbarung nicht erfüllt hat, gilt mangels einer gültigen anderen Regelung das Zweckentfremdungsrecht. Die Beklagte ist nicht an die Vereinbarung gebunden, da Bedingung der Zusage die Einhaltung der Vereinbarung war. Dies hat zur Folge, dass die Vereinbarung auch nicht für die Klägerin Geltung hat, da eine für die Beklagte nicht bindende Regelung nicht für diese verpflichtend von der Eigentümerin weitergegeben werden kann.
2. Die Nutzung als Boardinghouse ist eine rechtswidrige Nutzung zu Fremdenverkehrszwecken und wurde zu Recht durch die Beklagte untersagt. Die Nutzungsänderung in ein Boardinghouse ist eine ungenehmigte Zweckentfremdung von Wohnraum.
Zwar ist umstritten und im Zweckentfremdungsrecht noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wann ein Nutzungskonzept wie hier eine zeitlich begrenzte Wohnnutzung darstellt und wann ein gewerblicher Beherbergungsbetrieb in Gestalt eines Boardinghouses und damit Fremdenbeherbergung vorliegt. Nach Ansicht der Kammer ist bei der verfahrensgegenständlichen Wohnung die Grenze zur Fremdenbeherbergung überschritten.
a) Eine Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts liegt immer dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes vorliegt. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines bestimmten Zwecks, aber einen vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird (BayVGH, B.v. 01.08.2016 – 12 CS 16.969; VG München U.v. 15.11.2017 – M 9 K 17.557). Maßgeblich ist grundsätzlich nicht die Länge des Aufenthalts, sondern der Umstand, dass es sich um ein übergangsweises, nicht alltägliches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen für Personen handelt, die ihre eigentliche Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Schwierig ist die Abgrenzung, wenn keine fremdenverkehrstypischen Serviceleistungen angeboten werden und die vollständig eingerichtete Unterkunft länger genutzt wird, ohne dass der Lebensmittelpunkt des Bewohners dorthin verlagert wird. Ausschlaggebend ist für die Abgrenzung einer Wohnnutzung von einem Boardinghouse als gewerblichen Fremdenverkehrsbetrieb ist deshalb nicht die Möglichkeit einer uneingeschränkten eigenen Haushaltsführung in Abgrenzung zu einer Unterkunft mit fremdenverkehrstypischen Dienstleistungen, wie sie in Hotels oder Pensionen angeboten werden. Die dazu vorliegende baurechtliche Rechtsprechung zur Einstufung eines Boardinghouse je nach Schwerpunkt der Nutzung und Einrichtung als Wohnen oder als Beherbergungsbetrieb/Ferienhaus (z.B. VGH Mannheim, B.v.17.01.2017 – 8 S 16.41/16) kann für das Zweckentfremdungsrecht nicht übernommen werden (VG München, U. v. 15.11.2017 – M 9 K 17.557). Wenn wie hier eine Wohneinheit nach ihrer Ausstattung mit Möbeln, Kochecke etc. dafür geeignet ist, dass die Benutzer in den jeweiligen Räumen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, kommt es deshalb maßgeblich auf das zugrundeliegende Nutzungskonzept des Vermieters und sein konkretes Geschäftsmodell im Einzelfall dafür an, ob eine Fremdenverkehrsnutzung vorliegt.
Die Länge des Aufenthalts kann dafür als Indiz berücksichtigt werden (OVG Berlin-Bbg B.v. 26.4.2019 – OVG 5 S 24.18 – juris Rn. 12). Dabei muss aber nach Ansicht der Kammer bereits das Nutzungskonzept erkennbar und nachprüfbar auf eine längere Aufenthaltsdauer ausgelegt sein und diese auch sicherstellen. Vorliegend ist schon aufgrund des Gewerbemietvertrages zwischen der Klägerin und der Eigentümerin ein starkes Indiz dafür vorhanden, dass eine kurzfristige Fremdenbeherbergung beabsichtigt ist. Denn nach dem Vertrag verpflichtet sich die Klägerin, den Mietgegenstand zu 95% zu umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen zu verwenden. Langfristige Vermietungen zu Wohnzwecken sind allerdings umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst a) UStG. Nicht befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Die zeitliche Grenze zwischen kurzfristiger und langfristiger Vermietung wird nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung bei sechs Monaten gezogen (BFH, U.v. 27.10.1993 – XI R 69/90 – juris Rn. 13). Dabei ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung entscheidend, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (BFH, B.v. 23.9 2014 – V B 37/14 – juris Rn. 7). Nach dem Gewerbemietvertrag zwischen der Klägerin und der Eigentümerin liegt es damit nahe, dass auch bezüglich der verfahrensgegenständlichen Wohnung nur Mietverhältnisse unter sechs Monaten angestrebt wurden. Bei einer derartigen vertraglichen Gestaltung eines Boardinghouses und bei Übernahme der zeitlichen Grenze von sechs Monaten für die Zweckentfremdung (VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 14.5596 – juris), kann ein Boardinghouse keine Wohnnutzung darstellen.
b) Die Klägerin bietet nach ihrer eigenen Einlassung, nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der Ortseinsichten durch die Beklagte eine flexible, vorübergehende Unterkunft zum vorübergehenden Aufenthalt an und keine Wohnung im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Die Anmietung durch die Klägerin erfolgte ausweislich des vorgelegten Mietvertrags als Gewerbemiete mit dem Nutzungszweck, die Einheiten als möblierten Wohnraum unter Einhaltung der gerichtlichen Vereinbarung unter zu vermieten. Die Untervermietung selbst erfolgte ausweislich der bei den Ortseinsichten gegebenen Auskünfte der Untermieter regelmäßig tage- und wochenweise an Personen, die sich alle befristet zu einem bestimmten Zweck, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlass zur medizinischen Behandlung, vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten und die die jeweilige Wohneinheit dementsprechend kurzzeitig und flexibel nutzten.
3. Die Klägerin hat ihr Nutzungskonzept bis heute nicht auf Dauer geändert und will auch zukünftig grundsätzlich daran festhalten. Ihre Bevollmächtigten haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Klägerin grundsätzlich an ihrem Konzept eines Boardinghouse-Betriebs, bevorzugt für Medizintouristen festhalten will und dass die Vermietung an Studenten und sonstige Mieter vorerst nur vorübergehend bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgt sowie um weitere Zwangsgelder zu vermeiden.
Eine Nutzungsänderung nach Bescheiderlass ist im Übrigen für die Klage gegen den zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid unbeachtlich, da maßgeblich das Nutzungskonzept zum Zeitpunkt des Bescheiderlass ist und eine Erledigung auch schon deswegen ausgeschlossen ist, da der Bescheid immer noch als Grundlage für Vollstreckungshandlungen gegen die Klägerin in Betracht kommt. Da es sich nach der Rechtsprechung sowohl des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes als auch des Gerichts bei der durch einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründeten Pflicht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich um eine Unterlassungsverpflichtung handelt – nämlich die Verpflichtung, das verfolgte Nutzungskonzept aufzugeben (vgl. beispielsweise VG München, B.v. 26.4 2016 – M 9 S 16.1449; BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 nicht veröffentlicht) – kommt nach Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG immer noch die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern in Betracht. Die vertraglichen Änderungen zwischen der Klägerin und der Eigentümerin vom 18./24. Oktober 2018 und vom 19. April 2019 sind schon deswegen für die vorliegende Anfechtungsklage gegen den Grundbescheid vom 2. Oktober 2018 unbeachtlich.
4. Bedenken dagegen, dass die Klägerin die richtige Adressatin der Nutzungsuntersagung ist, bestehen keine, Art. 9 Abs. 1 LStVG. Die Beklagte hat der SSK als Eigentümerin ebenfalls mit Bescheid die Nutzung untersagt und damit die Klägerin als Mieterin und die Eigentümerin als (Mit) Störer in Anspruch genommen. Unter Berücksichtigung dessen, dass ausweislich des Schriftverkehrs sowohl die Klägerin als auch ihre Mieterin gemeinsam gehandelt und sich in mehreren Vereinbarungen abgesprochen haben, bestehen gegen die Inanspruchnahme der Mieterin und der Eigentümerin als gemeinsame Störer keine rechtlichen Bedenken (BayVGH B.v.20.11.2019 – 12). Die diesbezügliche Einschätzung der Beklagten ist nach Aktenlage nachvollziehbar und hat sich in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Störerauswahl ist damit nachvollziehbar, erforderlich, geeignet und ermessensgerecht. Sonstige Ermessensfehler sind nicht erkennbar und wurden nicht vorgetragen, § 114 VwGO.
5. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keine Erledigung hinsichtlich der Nutzungsuntersagung mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 eingetreten ist. Zwar ist die Klägerin aktuell nicht mehr Vermieterin der verfahrensgegenständlichen Wohnung, da diese mit Vereinbarung 2 vom 19. April 2019 aus dem Gewerbemietvertag herausgenommen wurde. Diese Vereinbarung wurde jedoch erst nach Bescheiderlass abgeschlossen und soll nach Aussage der Klägerseite nur bis zum Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, d.h. vorübergehend gelten. Ungeachtet dessen ist der Bescheid vom 2. Oktober 2018 weiterhin die Rechtsgrundlage für die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen und damit nicht gegenstandslos.
Gegen die Zwangsgeldandrohung, die sich richtigerweise auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG stützt, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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