Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Klagebefugnis gegen Kündigung eines Mietverhältnisses

Aktenzeichen  M 9 K 15.1459

Datum:
20.1.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2
ZwEWG Art. 3
BGB BGB § 564b, § 573 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Der Mieter kann eine erteilte Zweckentfremdungsgenehmigung mangels Klagebefugnis nicht anfechten , weil die mit dem Genehmigungsvorbehalt beabsichtigte behördliche Kontrolle ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Wohnungsversorgung der Bevölkerung dient und deshalb keinen verwaltungsrechtlichen Drittschutz gewährt (Anschluss an BVerwG BeckRS 9998, 166807). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Die Klägerin ist im vorliegenden Verfahren als Mieterin der Wohnung, für die eine Zweckentfremdungsgenehmigung erteilt wurde, nicht klagebefugt. § 42 Abs. 2 VwGO bestimmt, dass eine Anfechtungsklage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Voraussetzung dafür ist die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts. Unter einem subjektiven Recht wird die durch eine Rechtsnorm, einen Vertrag, eine Zusicherung oder durch einen früheren Verwaltungsakt zuerkannte Rechtsposition verstanden, von einem anderen ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern (Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Auflage, § 42 Rn. 83 m. w. N.). Ein solches subjektives öffentliches Recht des Mieters besteht im Zweckentfremdungsrecht nicht. Die Kammer folgt der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach der Mieter eine erteilte Zweckentfremdungsgenehmigung mangels Klagebefugnis nicht anfechten kann, weil die mit dem Genehmigungsvorbehalt beabsichtigte behördliche Kontrolle ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Wohnungsversorgung der Bevölkerung dient und deshalb keinen verwaltungsrechtlichen Drittschutz gewährt (BVerwG, U. v. 22.4.1994 – 8 C 29/92 – und B. v. 21.6.1996 – 8 B 50/96; BayVGH, B. v. 9.6.1999 – 25 ZB 99.511 -) . An der Rechtslage, dass die Erteilung oder Ablehnung einer Zweckentfremdungsgenehmigung allein und ausschließlich im öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum für den jeweiligen Nutzer bzw. Mieter erfolgt und nicht im Interesse an der Nutzung durch den aktuellen Bewohner, hat sich bis heute nichts geändert. Der dort wohnende Mieter wird zwar faktisch begünstigt, wenn seine Wohnung unter das Zweckentfremdungsrecht fällt. Ein subjektives Recht auf Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots besteht nicht.
Unerheblich ist, ob nach aktuellem Mietrecht eine Kündigung wegen Eigenbedarf sowohl zu Wohnzwecken als auch zu gewerblichen Zwecken nach § 573 Abs. 1 BGB möglich ist, da sich an der zugrundeliegenden Rechtslage im Zweckentfremdungsrecht seit den grundlegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 1994 und 1996 nichts geändert hat. Der bis zum 31. August 2001 geltende § 564b BGB setzte in Absatz 1 ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses voraus, um ein Mietverhältnis über Wohnraum zu kündigen. Der heute geltende § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, nennt jedoch nicht mehr explizit das Mietverhältnis über Wohnraum. Der § 564b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 bis 3 BGB a. F. entspricht dem § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F. Damals wie heute sind nach Absatz 3 die Gründe für das berechtigte Interesse im Kündigungsschreiben anzugeben. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Zivilgerichte in ständiger Rechtsprechung im Kündigungsschutzprozess von der Tatbestandswirkung der Zweckentfremdungsgenehmigung ausgehen und diese materiell-rechtlich nicht überprüfen, kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter einen Eigenbedarf für eine gewerbliche oder für eine Wohnnutzung geltend macht, wenn er eine entsprechende Zweckentfremdungsgenehmigung im Kündigungsschreiben angibt. Da die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts nur bedeutet, dass dieser und die durch ihn getroffene Regel als Fakt hingenommen werden muss, haben die Zivilgerichte im Kündigungsschutzprozess nach wie vor ohne Bindung an die Zweckentfremdungsgenehmigung auf der Grundlage des Mietrechts und den darin normierten Voraussetzungen zu entscheiden.
Soweit geltend gemacht wird, dass Art. 19 Abs. 4 GG es gebiete, dass der Mieter sich zum Schutz seines Mietverhältnisses auch gegen die Zweckentfremdungsgenehmigung in einem verwaltungsgerichtlichen Prozess wehren müsse, verkennt diese Auffassung den Umfang der Rechtsschutzgarantie. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt das Vorhandensein eines subjektiven Rechts voraus und begründet es nicht. Wenn die Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen keine Rechtsposition gewährt, sondern den Betroffenen nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit mitbegünstigt, liegt allenfalls die Verletzung bloßer rechtlich nicht geschützter Interessen vor, die zur Begründung eines subjektiven Rechts nicht ausreicht (Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 12. Auflage, Art. 19 Rn. 36 f. m. w. N.). Danach können Drittbetroffene in ihren subjektiven Rechten nur verletzt sein, wenn eine Norm auch ihrem Schutze dient. Die aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete Garantie eines effektiven Rechtsschutzes als Gewährleistung eines Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten besteht deshalb nur unter dieser Voraussetzung. Ungeachtet dessen wird die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nur beeinträchtigt, wenn der Zugang zu den Gerichten ausgeschlossen oder unzumutbar erschwert wird, nicht jedoch bereits dann, wenn nicht mehrere Rechtswege parallel eröffnet werden. Die Rechte des Mieters zur Nutzung und zum Besitz der Mietsache werden durch den Zugang zu den Zivilgerichten gewährleistet. Eine Rechtsschutzlücke aufgrund des Umstands, dass im Kündigungsschutzprozess lediglich das Vorhandensein einer Zweckentfremdungsgenehmigung geprüft wird, ist deshalb nicht erkennbar.
Nach alledem sieht das Gericht keine Veranlassung, wegen einer Veränderung der Rechtslage von dem höchstrichterlich bestätigten Grundsatz abzuweichen, dass die Zweckentfremdungsgenehmigung keine Drittwirkung hat, die den Mieter als jeweiligen Nutzungsberechtigten der Wohnung in seinen subjektiven Rechten verletzen kann. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass im öffentlichen Recht nur in Ausnahmefällen davon auszugehen ist, dass eine Norm oder Reglung drittschützend ist, wird daran festgehalten, dass eine Verletzung subjektiver Rechte ausgeschlossen und die Anfechtungsklage damit wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig ist.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 f. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 18.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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