Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Rückwirkung einer Genehmigung als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in Bezug auf die Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 K 15.4314

Datum:
14.12.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 883 Abs. 2, § 888
ZeS § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1
ZwEWG Art. 3 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt entfaltet eine Genehmigung zur Zweckentfremdung ihre Wirkungen erst mit Wirksamwerden des zugrundeliegenden Verwaltungsakts und regelmäßig nicht rückwirkend für die Vergangenheit. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Genehmigung mit rechtsgestaltender Wirkung ist nicht rückwirkungsfähig auf einen Zeitpunkt, zu dem ihre Voraussetzungen noch nicht vorlagen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Verfahrensgegenstand ist nur noch die Rückwirkung der Genehmigung zur Nutzungsänderung mit Bescheid vom … August 2015 auf den Zeitpunkt der Antragstellung … Juni 2014 unter entsprechender Abänderung des Bescheids der Beklagten. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er ansonsten mit den Nebenbestimmungen einverstanden sei, die auch so besprochen wurden; die Ersatzwohnung sei gebaut und bezogen.
Die zulässige Klage ist unbegründet, da gegen die Regelungen des Bescheids vom … August 2015, insbesondere der Regelung über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Nutzungsänderung keine rechtlichen Bedenken bestehen.
Die Wohnung des Klägers im 4. OG unterliegt dem Zweckentfremdungsrecht. Die Nutzungsänderung von Wohnraum zu einer gewerblichen Nutzung zur Fremdenbeherbergung ist deshalb genehmigungspflichtig. Eine rückwirkende Genehmigung ist bei dem hier vorliegenden Verbot mit Erlaubnisvorbehalt rechtlich ausgeschlossen, wobei die Genehmigung nach wie vor nicht in Kraft ist, da der Genehmigungsbescheid nicht bestandskräftig ist.
Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom … Dezember 2007 (ZwEWG) kann die Genehmigung zu einer Zweckentfremdung im Sinne des Art. 2 ZwEWG für eine Nutzungsänderung von Wohnraum in gewerbliche Fremdenbeherbergung erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch Ausgleichsmaßnahmen in verlässlicher und angemessener Weise Rechnung getragen wird; dies kann durch Bereitstellung von Ersatzwohnraum oder durch eine Ausgleichszahlung geschehen. Nach § 5 der Satzung der … über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom … Dezember 2013 darf Wohnraum nur mit der Genehmigung der Vollzugsbehörde anderen als Wohnzwecken zugeführt werden, § 5 Abs. 1 ZeS. Nach § 5 Abs. 3 ZeS kann eine Genehmigung erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch die Schaffung von Ersatzwohnraum oder durch Entrichtung einer Ausgleichszahlung Rechnung getragen wird. § 7 ZeS bestimmt in Abs. 1, dass ein beachtliches und verlässliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums i. d. R. entfallen lässt, wenn die Wohnraumbilanz insgesamt wieder ausgeglichen wird. Voraussetzung für ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS u. a., dass der Ersatzwohnraum von der Inhaberin bzw. vom Inhaber der Zweckentfremdungsgenehmigung geschaffen wird. Ein verlässliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt nach § 7 Abs. 3 ZeS dann vor, wenn sich die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit aus prüfbaren Unterlagen ergibt und der Antragsteller glaubhaft macht, dass er das Vorhaben finanzieren kann.
Gemessen an diesen Maßstäben dienen die Nebenbestimmungen im Bescheid vom … August 2015 dazu, Genehmigungshindernisse auszuräumen und den Interessenausgleich rechtlich zu sichern, § 9 Abs. 1 Satz 2 ZeS, Art. 36 BayVwVfG. Wenn, wie hier, lediglich ein Bauträgervertrag über noch zu schaffenden Wohnraum abgeschlossen wird, liegt noch kein beachtliches Angebot i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS vor, da es an der Eigentümeridentität fehlt. Bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags gab es noch keine Wohnung, deren Eigentümer der Kläger sein konnte, da nach Aktenlage das Wohnhaus noch nicht errichtet war und Teilungserklärungen noch nicht vollzogen wurden. Der notarielle Kaufvertrag weist unter Ziffer 6.3 ausdrücklich darauf hin, dass das Kaufobjekt, d. h. die Ersatzwohnung, erst mit Vollzug der Teilungserklärung im Grundbuch nach Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung entsteht und erst danach die Vormerkung zur Sicherung des Übereignungsanspruchs eingetragen werden soll.
Die Beklagte durfte zurecht verlangen, dass Voraussetzung für das Vorliegen eines beachtlichen Angebots zur Errichtung von Ersatzwohnraum unter Sicherstellung der Eigentümeridentität die bindende Auflassung und Eintragung einer entsprechenden Vormerkung im Grundbuch ist, da erst die Auflassungsvormerkung zur (relativen) Unwirksamkeit sonstiger dinglicher Verfügungen führt, §§ 883 Abs. 2, 888 BGB (Grün in BeckOK BGB, Bamberger/Roth, § 925 Rn. 43). Erst die eingetragene Auflassungsvormerkung stellt sicher, dass der Kläger als Eigentümer in Vollzug des notariellen Kaufvertrags tatsächlich als Eigentümer eingetragen wird. Die dadurch entstehende Anwartschaft sichert die grundbuchrechtliche Eigentümerstellung und damit die Eigentümeridentität bei der Schaffung von Ersatzwohnraum. Die entsprechende Auflage war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen und durfte nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnet werden.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten sind diese Wirkungen der Eigentümeridentität nicht bereits ausreichend durch den Antrag des Auflassungsempfängers auf die Grundbucheintragung gesichert, da der Eintragungsantrag nicht die vergleichbare Sicherheit bietet, tatsächlich als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden. Der Eintragungsantrag kann z. B. vom jeweiligen Antragsteller zurückgenommen werden oder er kann wegen eines Hindernisses zurückgewiesen werden, § 18 Abs. 1 Satz 1 Vor. 1 GBO. Der Antrag allein genügt deshalb nicht, um die relative Unwirksamkeit anderweitiger Verfügungen zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS wird die Erfüllung der Voraussetzung der Eigentümeridentität durch einen solchen Antrag auf Grundbucheintragung deshalb nicht genauso ausreichend gesichert wie durch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch. Da die Beklagte in Vollzug des Zweckentfremdungsrechts ausschließlich daran interessiert ist, dass tatsächlich neuer Wohnraum als Ersatz für den Bestandswohnraum durch den Eigentümer geschaffen wird, muss sie sich nicht auf Konstruktionen verweisen lassen, die diesbezüglich eine geringere Sicherheit bieten.
Als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt entfaltet eine Genehmigung zur Zweckentfremdung ihre Wirkungen erst mit Wirksamwerden des zugrundeliegenden Verwaltungsakts und regelmäßig nicht rückwirkend für die Vergangenheit. Dies folgt bereits daraus, dass vor der Genehmigung kraft Gesetzes das Verbot der Zweckentfremdung durch Nutzungsänderung von Wohnräumen zu anderen Zwecken gilt. Die Regelung unter Ziffer 1.3 des Bescheids, dass die Genehmigung zur Nutzungsänderung erst wirksam wird, wenn auch der Bescheid bestandskräftig ist, entspricht dieser Rechtslage mit der Folge, dass wegen fehlender Bestandskraft des Bescheids die Nutzungsänderung nach wie vor nicht wirksam genehmigt ist. Da die Genehmigung rechtsgestaltende Wirkung hat, ist sie nicht rückwirkungsfähig auf einen Zeitpunkt, zu dem ihre Voraussetzungen noch nicht vorlagen. Der Antrag auf Genehmigung zielt insoweit auf die Beseitigung der Schranke eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Diese Wirkung tritt mit Wirksamwerden der Genehmigung erstmals ein, da erst mit der Genehmigung zur Nutzungsänderung das zunächst bestehende präventive Verbot aufgehoben und die Vermietung zu Fremdenverkehrszwecken rechtlich zulässig wird. Die Erlangung der Genehmigung macht das Zweckentfremdungsrecht von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig, zu denen nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 ZwEWG, § 5 Abs. 3 BVM, § 7 Abs. 2 Nr. 2 ZeS gehört, dass als verlässliche und angemessene Ausgleichsmaßnahme ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum nur bei Eigentümeridentität vorliegt. Bis dahin fehlen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Verbots der Nutzungsänderung nach dem Zweckentfremdungsrecht. Erst die vollzogene Teilungsgenehmigung und die Sicherung des Eigentumserwerbs durch den Kläger schaffen ein solches beachtliches Angebot.
Eine rückwirkende Erteilung ab Antragstellung sieht das Zweckentfremdungsrecht nicht vor. Das Risiko, dass sich die Herstellung des Ersatzwohnraums und der Eigentumserwerb durch die Dauer des Vollzugs der Teilungsgenehmigung und der Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch verzögern, liegt in der Risikosphäre des Klägers und nicht ansatzweise im Verantwortungsbereich der Beklagten. Der Kläger hat entsprechend der Konstruktion eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt nicht nur die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zu schaffen und zu beweisen, sondern trägt auch das Risiko von Verzögerungen bei der Entstehung des Wohnungseigentums und seines Eigentumserwerbs, wenn, wie hier, der Genehmigungsbehörde keine Verzögerungen angelastet werden können.
Soweit der Klägerbevollmächtigte auf eine frühere Entscheidung des Verwaltungsgerichts … (U. v. 14.10.2013 M 8 K 12.3933) verweist, folgt aus den dortigen Ausführungen zur Anwartschaft unter Berufung auf eine Kommentarstelle nicht, dass die Beklagte verpflichtet ist, bereits den Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch in Verbindung mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags als ausreichende Sicherung der Verfügungsbefugnis des Klägers genügen zu lassen. Zum einen betraf das damalige Verfahren Ausgleichszahlungen bis zur Eintragung des Wohnungseigentums im Grundbuch. Zum anderen ist es im Rahmen der nach § 114 VwGO eingeräumten gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte sich unter mehreren Möglichkeiten für ein in Rechtsprechung und Literatur gängiges und als sicher betrachtetes Anwartschaftsrecht an der Wohnung ab Eintragung der Auflassungsvormerkung entscheidet. Zum dritten differenziert die Entscheidung aus 2013 nicht zwischen den unterschiedlichen grundbuchrechtlichen Konsequenzen der verschiedenen Anwartschaftsrechte, da dies für die Entscheidung auch nicht erheblich war.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 28.800 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. 56.6.3 Streitwertkatalog).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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