Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Leistungen, Rentenversicherung, Rente, Bescheid, Unterkunft, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Heizung, Leistungsbewilligung, Mietminderung, Bewilligungszeitraum, Leistung, Vermieter, Antragsteller, Kosten der Unterkunft, Unterkunft und Heizung, einstweilige Anordnung

Aktenzeichen  S 22 SO 572/20 ER

Datum:
18.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22930
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe

I.
Der 1942 geborene Antragsteller bezieht Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII seit dem Jahr 2007. Zuletzt wurden die Leistungen mit Bescheid vom 5. November 2019 (diverse Änderungsbescheide) bis November 2020 und mit Bescheid vom17. Dezember 2020 bis Dezember 2021 bewilligt.
Der alleinstehende Antragsteller erhält eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von 420,18 € seit Juli 2020. Daneben hat er Einkünfte aus der Architektenversorgung in Höhe von zuletzt 107,70 € monatlich.
Für die 40,24 m² große Wohnung des Antragstellers fallen – ab Oktober 2020 – eine Grundmiete in Höhe von 367,79 € und Nebenkosten in Höhe von 158,14 € (Betriebskosten: 86,92 €; Heiz- und Warmwasserkosten: 71,22 €) an, so dass sich der Unterkunftsaufwand monatlich auf 525,93 € beziffert. Der Antragsteller erhält vom Amt für Wohnen und Migration für die Wohnung eine einkommensorientierte Zusatzförderung (EOFZ), die sich für die Zeit zwischen April 2020 und März 2023 auf 151 € monatlich beläuft. Die Antragsgegnerin berücksichtigt in der Leistungsberechnung somit 374,93 € als Unterkunftsbedarf.
Bis Oktober 2020 wurden die Leistungen auf das Konto des Antragstellers überwiesen und auch im Bescheid vom 10. November 2020, für den Bewilligungszeitraum Dezember 2020 bis Oktober 2021, wurde für die festgesetzten Leistungen (507,66 €), das Konto des Antragstellers festgelegt.
Am 16. November 2020 übermittelte der Antragsteller mit Telefax ein Anwaltsschreiben des Vermieters (4. November 2020) über die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. August 2021. Aus dem Kündigungsschreiben geht hervor, dass der Antragsteller seit August 2019 die Miete unvollständig bezahlt hat und ein Rückstand in Höhe von 617,98 € aufgelaufen ist.
Bereits am 17. November 2020 änderte die Antragsgegnerin die Leistungsbewilligung 10. November 2020 und verfügte die Zahlung der Leistung (507,66 €) ab Dezember 2020 direkt auf das Konto des Vermieters. Der Bescheid enthält den Hinweis, der Antragsteller müsse die Differenz zur geschuldeten Miete in Höhe von 3,27 € selbst an seinen Vermieter überweisen. Gleichzeitig hörte sie den Antragsteller gem. § 24 SGB X zu einer Rückforderung von Leistungen an.
Mit Schreiben vom 26. November 2020 stellte der Antragsteller den vorliegenden Antrag im Verfahren über den gerichtlichen Eilrechtsschutz, zunächst mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu uneingeschränkter Auskunftserteilung und Unterstützung zu verpflichten, um eine Kündigung der Wohnung abzuwenden. Der Antrag wurde mit diversen Schreiben und Vorgängen aus den Jahren ab 2016 begründet.
Aus anderen übersandten Unterlagen geht hervor, dass der Antragsteller der Kündigung widersprochen hat (Schreiben des Antragstellers vom 27. November 2020 an den Prozessbevollmächtigten des Vermieters) und den Mietrückbehalt mit Mietminderung begründet.
Im Schreiben an das Gericht vom 3. November 2020 vertritt der Antragsteller den Standpunkt, die Antragsgegnerin müsse jedenfalls für die Rückstände in Vorleistung gehen, weil sie es in der Vergangenheit schuldhaft versäumt habe, den Antragsteller zu beraten und zu unterstützen. Zugleich beantragte der Antragsteller Prozesskostenhilfe für das vorliegende Eilverfahren.
Am 10. Dezember 2020 übermittelte der Antragsteller ein Schreiben des Vermieteranwalts (4. Dezember 2020), welches wiederum eine außerordentliche und hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses enthält. Der Gesamtrückstand belaufe sich nunmehr auf 1143,91 €, so dass das Mietverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt und die Rückgabe der Wohnung bis 14. Dezember 2020 verlangt werde. Der Antragsteller hat auch dieser Kündigung gegenüber dem Vermieter widersprochen (Schreiben vom 11. Dezember 2020 an den Prozessbevollmächtigten des Vermieters). Das Schreiben enthält auch den Hinweis, dass bei Amtsgericht M eine einstweilige Verfügung zur Abwendung der Räumung beantragt wurde.
Das Gericht hat Prozesskostenhilfe bewilligt und den jetzigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet (Beschlüsse vom 20. Dezember 2020 und 24. Januar 2021)
Der Prozessbevollmächtigte beantragt zuletzt namens des Antragstellers,
die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten,
1.einstweilen die ausstehenden Kosten der Unterkunft und Heizung sowie sonstige aus dem Mietverhältnis zu einer Kündigung berechtigenden Beträge zur Abwendung einer Räumung auf Darlehensbasis zu gewähren und
2.die Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2020 einstweilen zu bezahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Der Mietrückstand für den Monat Dezember 2020 sei nur deshalb entstanden, weil die Vermieterin die für diesen Monat überwiesene Leistung nicht dem Mietkonto gutgeschrieben, sondern mit den Anwaltskosten verrechnet habe. Dies sei rechtlich zumindest bedenklich. Im Übrigen habe die Vermieterin keinen Titel, so dass eine Räumung des Antragstellers nicht möglich sei. Eilbedürftigkeit sei daher nicht gegeben.
Das Amtsgericht M hat mit Schreiben vom 17. März mitgeteilt, dass die Klage des Vermieters vom 2. Dezember 2020 auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zurückgenommen wurde. Nach telefonischer Auskunft der Registratur des Amtsgerichts (18. März 2021), ist dieses Verfahren aus der Klageliste noch nicht ausgetragen. Ebenfalls telefonisch wurde mitgeteilt, dass daneben nur noch ein Verfahren wegen (Beschwere beim LG) erfasst ist. Nach Auskunft des Antragstellers im Telefonat vom 18. März 2021 handelt es sich um ein Verfahren wegen ordentlicher Kündigung der Wohnung.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird hierauf, sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz ist jedenfalls unbegründet.
Streitgegenstand sind die Ansprüche, die der beigeordnete Prozessbevollmächtigte im Schreiben vom 2. März 2021 zuletzt geltend gemacht hat.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich (vgl. u.a. BVerfG vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Nachdem die Räumungsklagen wegen Zahlungsverzug vor dem Amtsgericht zurückgenommen wurden, besteht jedenfalls kein Anordnungsgrund mehr. Ein kurzfristiger Verlust der Wohnung ist derzeit nicht zu befürchten.
Außerhalb des Streitgegenstandes ist die Antragsgegnerin darauf hinzuweisen, dass sie im Falle einer Direktzahlung an den Vermieter, dies mit entsprechenden Vorbehalten tun muss, damit ein vom Leistungsempfänger ggf. plausibel behauptetes Minderungsrecht nicht konterkariert wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (entsprechend) und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht nach Maßgabe der unten angeführten Rechtsbehelfsbelehrung:.


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