Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatz, Kaufvertrag, Kaufpreis, Genehmigung, Beschwerde, Verfahrenspfleger, Mieter, Minderung, Grundschuld, Verletzung, Erinnerung, Festsetzung, Wohnung, Verkauf, Erinnerung gegen Kostenansatz, gesetzlicher Vertreter, Erteilung der Genehmigung

Aktenzeichen  13 T 13463/20

Datum:
11.5.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27912
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

713 XVII 1038/17 2020-09-28 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Betreuten wird der Kostenansatz vom 28.07.2020, Az. 713 XVII 1038/17, hinsichtlich der für die Verfahrenspfleger zu zahlenden Auslagen (KV-GNotKG 31015) aufgehoben.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 28.09.2020 (Bl. 361 ff.), durch welchen die Erinnerung der Betreuten gegen den Kostenansatz vom 28.07.2020 zurückgewiesen wurde. Die Erinnerung (Schriftsatz vom 19.08.2020, Bl. 356 ff.) ist beschränkt auf die für Verfahrenspfleger angesetzten Auslagen der Staatskasse (KV 31015) in Höhe von insgesamt 801,21 €.
Das Amtsgericht führte zur Begründung u.a. aus:
Die auf den Ansatz von Verfahrenspflegerkosten in Höhe von 801,21 € beschränkte Erinnerung erweist sich als unbegründet.
Der Betroffene ist gemäß § 23 Abs. 1 GNotKG zur Tragung der Gerichtsgebühren und Auslagen verpflichtet. Gemäß Kostenverzeichnis zum GNotKG Ziffer 31015 gehören hierzu auch die Verfahrenspflegerkosten in voller Höhe, da der Betroffene über ein Vermögen von über 5000 € verfügt. Die Kosten in Höhe von 801,21 € sind auch tatsächlich aufgrund der Bestellungsbeschlüsse vom 01.02.2019, 19.11.2019 und 30.04.2020 angefallen. Die Einwendungen der Betroffenen gegen die Berücksichtigung von Verfahrenspflegerkosten betreffen die Frage, ob gemäß auf § 21 GNotKG von der Erhebung dieser Kosten abzusehen ist, da sie bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären.
Diese Einwendungen greifen jedoch nicht durch. Gemäß Sachverständigengutachten des … W… vom 29.03.2017 kann die Betroffene ihren Willen in allen Bereichen nicht mehr frei bestimmen. Es liegt schon daher keine unrichtige Sachbehandlung vor, wenn zur Frage der Genehmigung von Rechtsgeschäften mit sehr erheblichen finanziellen Folgen gemäß § 276 FamFG Verfahrenspfleger bestellt werden. Nichts anderes kann gelten, wenn es sich um notariell beurkundete Verträge handelt; die Betroffene auf gegebenenfalls bestehende Haftungsansprüche gegen den Notar zu verweisen, läge nicht in deren Interesse, da diese nicht liquide sind, sondern in aller Regel erstritten werden müssten.
Der Höhe nach hat das Gericht keine Zweifel an der Höhe der geltend gemachten Zeithonorare, die plausibel dargelegt wurden.
Die Voraussetzungen des § 276 Abs. 4 FamFG waren zum Zeitpunkt der Bestellungsbeschlüsse nicht gegeben. Dem Gericht war zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung nicht bekannt, dass die vom Bevollmächtigten der Betroffenen benannten Rechtsanwälte zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit gewesen wären.
2. Der angefochtene Beschluss wurde am 30.09.2029 zugestellt.
3. Rechtsanwalt S. Verfahrensbevollmächtiger der Beschwerdeführerin (Bestellungsanzeige Bl. 356 ff.), legte mit Schriftsatz vom 07.10.2020 (Bl. 363), bei Gericht am 08.10.2020 eingegangen, Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:
„1. Es wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betreuten und der Betreuerin durch die Beschlüsse 19.11.2019 (Rechtsanwältin D…) und 30.04.2020 (Rechtsanwältin H…) gerügt. Es bestand keine Möglichkeit, zur Auswahl der Verfahrenspflegerinnen Stellung zu nehmen, zumal die Möglichkeit bestanden hätte, ehrenamtlich tätige Anwälte zu benennen und so unnötige Kosten zu vermeiden.
2. Auch waren die Anordnungen der Verfahrenspflegschaften überflüssig und nicht im Interesse der Betreuten und haben nur zu unnötigen Verzögerungen geführt, trotz der aufgrund der bekannten finanziellen Situation der Betreuten gegebenen Dringlichkeit der Abwicklung des notariellen Kaufvertrages.
3. Die Einwendungen zur Höhe der festgesetzten Vergütungen bleiben aufrechterhalten.“
Zur Begründung wird weiter auf den Schriftsatz vom 19.08.2020 (Bl. 356 ff.) Bezug genommen, indem u.a. Folgendes ausgeführt ist:
1. Die Anordnung der beiden Verfahrenspflegschaften war völlig überflüssig und nicht im Interesse der Betreuten. Im vorliegenden notariellen Kaufvertrag vom 09.03.2020, URNr. S 0876/2020 Notar Dr. S. München ist unter Ziffer IX die Mitwirkungspflicht des Veräußerers, also der Betreuten, zur Bestellung von Grundpfandrechten zur Finanzierung des Kaufpreises geregelt. Die betreuungsgerichtliche Genehmigung zu diesem Vertrag wurde ohne jede Einschränkung mit Beschluss vom 01.04.2020 erteilt. Sie umfasste also insbesondere auch Ziffer IX des Vertrages. Ohne jede Einschränkungen.
Weitergehende Genehmigungen waren also nicht erforderlich.
2. Vielmehr hatte sich herausgestellt, dass die Bestellung von Verfahrenspflegern nur zu unnötigen Verzögerungen geführt hatte, was angesichts der bekannten Dringlichkeit aufgrund der finanziellen Situation der Betreuten nicht in deren Interesse war. Es wurde insbesondere auch nicht berücksichtigt, dass der Kaufvertrag bei einem Notar abgeschlossen worden war und dass dieser also für etwaige Fehlberatungen gehaftet hätte, und dass es sich bei der Bestimmung Ziffer IX des Vertrages um eine völlig übliche Regelung in einem notariellen Kaufvertrag handelt.
Da die Bestellung von Verfahrenspflegern nicht im Interesse der Betreuten waren, vielmehr genau dagegen war, sind Kosten schon dem Grunde nach nicht zu erstatten.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mehrere Rechtsanwälte bereit gewesen wären, eine Überprüfung und entsprechende Genehmigung kostenlos vorzunehmen, namentlich Frau R. S. und Herr Rechtsanwalt G. J., beide München, die beide über jahrelange Berufserfahrung verfügen.
3. Auch können die vorgelegten Abrechnungen der Höhe nach nicht anerkannt werden:
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Ziffer IX des notariellen Vertrages um eine Regelung, die in nahezu sämtlichen notariellen Immobilien-Kaufverträgen aufgenommen wird, zumindest ist dem Unterzeichner in seiner jahrelangen Berufstätigkeit kein notarieller Immobilien-Kaufvertrag ohne die Vereinbarung einer Mitwirkungspflicht des Veräußerers bei der Bestellung von Grundpfandrechten zur Kaufpreisfinanzierung bekannt geworden.
Es muss deswegen bestritten werden, dass die von Frau R. D… angesetzten Arbeitszeiten angefallen sind und erforderlich waren. Dies gilt insbesondere zu den Positionen „Makler“, „Stellungnahme“, „Aktenstudium“ u.a.
Das Gleiche gilt sinngemäß zu den entsprechenden Positionen bei Frau R. …
Die Festsetzung der Kosten für die Verfahrenspfleger ist deswegen aufzuheben. Es sind insoweit keine Kosten festzusetzen.
4. Die Bezirksrevisorin VII bei dem Amtsgericht München nahm am 31.08.2020 zur Kostenerinnerung wie folgt Stellung (Blatt 358):
Namens der Staatskasse bitte ich der Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 28.07.2020 bezüglich der erhobenen Verfahrenspflegerkosten nicht abzuhelfen.
Die Verfahrenspflegerkosten sind aufgrund der Anordnungsbeschlüsse vom 01.02.2019, 19.11.2019 und 30.04.2020 angefallen. Die Bestellung erfolgte gemäß § 276 FamFG, die Bestellung war zur Wahrnehmung der Rechte der Betreuten erforderlich. Sie lag deshalb auch im Interesse der Betreuten. Die Auswahl des Verfahrenspflegers erfolgt durch das Gericht. Der erforderliche Zeitaufwand wurde aufgelistet, an dem tatsächlichen Anfall bestehen keine Zweifel.
Die Verfahrenspflegerkosten sind gemäß KV 31015 GNotKG zu erheben, wenn Vermögen über 5000 € vorhanden ist. Dies erfolgt durch eine Kostenrechnung, eine Festsetzung erfolgt nicht, da die Vergütung vorab von der Staatskasse bezahlt wurde.
5. Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 13.10.2020 (Bl. 364 ff.) nicht ab.
6. Durch Beschluss vom 07.12.2020 (Bl. 371 ff.) wurde das Verfahren der Kammer zur Entscheidung übertragen.
II.
1. Die Betreuerin, Frau … M… beantragte am 25.09.2018 (Blatt 62 ff.) u.a. den Verkauf der gemeinsamen Wohnung ihrer Eltern in Nürnberg, … zu genehmigen.
2. Ende Januar 2019 legte die Betreuerin einen entsprechenden Kaufvertragsentwurf vor (Blatt 112 ff.) sowie weitere Unterlagen (Blatt 128 ff.).
3. Das Amtsgericht bestellte mit Beschluss vom 01.02.2019 (Bl. 132 f.) Frau R. H… zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin. Es heißt weiter im Tenor: Der Aufgabenkreis umfasst: Vertretung im Verfahren der gerichtlichen Genehmigung zur Veräußerung der Eigentumswohnung … N..
4. Die Verfahrenspflegerin nahm am 12.02.2019 zur geplanten Veräußerung der Eigentumswohnung gemäß notariellem Entwurf dahingehend Stellung, dass diese grundsätzlich genehmigungsfähig sei, sofern der endgültige zu unterzeichnende Vertrag dem vorgelegten Entwurf entspreche und insbesondere keine Änderungen zum Nachteil der Betroffenen enthalte. Es werde angeregt, die Genehmigung insofern in Aussicht zu stellen.
Der Verkauf der Immobilie sei ausweislich der Schilderungen/Stellungnahme der Tochter erforderlich zur Heimkostenfinanzierung und erfolge damit im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen. Zumal vor einem etwaigen Sozialhilfebezug sämtliches Vermögen, das nicht zum Schonvermögen gehöre, verbraucht werden müsse. Es bestehe kein ausreichendes liquides Vermögen. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft dürfte wohl nicht zeitnah zu erwarten sein. Es läge eine Werteinschätzung sowie eine entsprechende Stellungnahme des Maklers zum Verlauf vor. … Es bestünden keine Einwände gegen eine Veräußerung zum Höchstgebot. Bezüglich des eingereichten Vertragsentwurfes bestünden grundsätzlich inhaltlich und rechtlich, soweit überprüfbar, keine Bedenken. Der endgültige Vertrag werde noch ergänzende Angaben enthalten. Der Abschnitt über die Belastungsmitwirkung/Vollmacht bezüglich einer etwaigen Grundschuldbestellung zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises des Käufers (…) entspreche der gängigen Praxis. Die Aufteilung des Verkaufserlöses sei entsprechend der Miteigentumsanteile vorzunehmen.
Die Verfahrenspflegerin wies in ihrer Stellungnahme abschließend darauf hin, dass ihr Folgendes aufgefallen sei: Bezüglich der Maklerprovision sei dem Vertrag eine sogenannte Innenprovision zu entnehmen zusätzlich zu einer ohnehin nicht unerheblichen Außenprovision; dies erscheine objektiv nicht im Interesse der Betroffenen zu sein. Da die Auswahl des Maklers und der Abschluss des Maklervertrages jedoch grundsätzlich im Ermessen der Betreuer liege und der Vertrag vorliegend bereits unterzeichnet worden sei, dürfte keine Möglichkeit einer Änderung bestehen.
5. Am 15.02.2019 übersandte der Notar Dr. … R… beglaubigte Abschriften des Kaufvertrages vom 06.02.2019 hinsichtlich der oben genannten Immobilie sowie der Bestellung einer Grundschuld zur Finanzierung des Kaufpreises (Blatt 138 ff.) mit der Bitte um Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung.
6. Das Amtsgericht übersandte die vorgelegten Abschriften an die Verfahrenspflegerin mit der Bitte um Stellungnahme.
7. Diese nahm am 25.02.2019 dahingehend Stellung (Bl. 157), dass der vorliegende Vertrag samt Grundschuldurkunde von Herrn N. Dr. R… vom 06.02.2019 (Blatt 138 ff.) verfahrenspflegerseits genehmigungsfähig sei. Beide Urkunden seien nicht zu beanstanden. Der Kaufvertrag entspreche im Wesentlichen dem Entwurf. Die Grundschuldbestellung entspreche der gängigen Praxis und sei ebenfalls genehmigungsfähig. Die Urkunde diesbezüglich enthalte ferner alle notwendigen Sicherungsmittel/Klauseln zur Gunsten der Betroffenen. Die Betroffene übernehme keinerlei persönliche Haftung und sei von den anfallenden Kosten nicht betroffen, die Immobilie haftet wie bei der Finanzierungsgrundschuld üblich dinglich in Bezug auf den Kaufpreis.
8. Mit Beschluss vom 27.02.2019 (Blatt 158 ff.) erteilte das Amtsgericht der Betreuerin die beantragte Genehmigung der vorgelegten Urkunden (Kaufvertrag, Grundschuldbestellung).
III.
1. Mit Schreiben vom 13.07.2019 (Blatt 165) teilte die Betreuerin dem Amtsgericht u.a. mit, dass sie einen Kaufinteressenten für die Wohnung in der …straße 10 in München habe.
2. Mit Schreiben vom 16.11.2019 (Blatt 158) beantragte die Betreuerin, die gerichtliche Genehmigung zum Verkauf der Wohnung zu einem Kaufpreis von 582.000 €.
3. Das Amtsgericht bestellte mit Beschluss vom 19.11.2019 (Blatt 221 ff) Frau R. D… zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin. Es heißt weiter im Tenor: Der Aufgabenkreis umfasst: Vertretung im Verfahren der gerichtlichen Genehmigung.
4. Die Verfahrenspflegerin nahm am 27.11.2019 (Blatt 224 ff.) dahingehend Stellung, dass sie Kontakt zum Ehemann der Betreuerin habe, welcher am 26.11.2019 telefonisch den Sachverhalt mitgeteilt habe.
Gegen die Veräußerung der Immobilie …aße 10, 8… M. bestünden grundsätzlich keine Bedenken. Eine Eigennutzung durch die Betroffene scheide aus, dass sie mittlerweile Pflegegrad 5 habe und im Senioren-/Pflegeheim auf Dauer verbleiben werde. Die sukzessive Liquidierung der vorhandenen Immobilien sei notwendig, um die Heim- und Versorgungskosten für die Betroffene aufbringen zu können. Zum Verkehrs/Marktwert der verfahrensgegenständlichen Immobilie sei eine Einwerbung der Firma P… sowie ein Gutachten durch die Fa. V… erfolgt. … Die gutachterlich monierte Wohn- und Nutzflächenberechnung sei angabegemäß durch einen Architekten nachgeholt worden, was den ermittelten Wert offenbar auf Euro 582.000 erhöhe. Inwieweit die Vermietung im Gutachten berücksichtigt worden sei, sei nicht erkennbar. Die Immobilie sei vermietet, der Mieter angabegemäß zwar ausgezogen, habe jedoch weiter Miete bezahlt. Das Mietverhältnis bestehe, da keine Kündigung vorliege. Die Betreuerin versuche angabegemäß den erhöhten Kaufpreis wie vor zu erzielen, so auch Schreiben vom 16.11.2019 (Blatt 185 ff.). Zusätzlich zur Firma P… sei offenbar kürzlich die Maklerfirma A… München beauftragt, hier seien aber noch keine Aktivitäten entfaltet worden. Eine Anzeige sei durch die Betreuerin in der SZ geschaltet worden.
Die Vermarktung sei mit dem Ehemann der Betreuerin, Herrn S. (…) besprochen worden. Hier sei der Hinweis auf den erforderlichen Nachweis der Bewerbung der Immobilie in den gängigen Medien erfolgt, hier auch in…. Herr St… werde sich im Verlauf melden, sowie Aktivitäten der Firma A… besprochen und getätigt seien und werde zudem die eigenen Bemühungen belegen. Sie werde im Verlauf berichten.
5. Die Verfahrenspflegerin teilte am 17.01.2020 (Blatt 226) mit, dass die Situation nach Mitteilung des Ehemannes der Betreuerin unverändert sei. Sie – die Verfahrenspflegerin – habe die beauftragte Maklerin … nach dem Stand gefragt; diese habe mitgeteilt, dass man das Objekt 1000 Bestandskunden angeboten und bereits verschiedene ernsthafte Interessenten zu dem Angebotspreis in Höhe von Euro 640 TSD habe. … dass keine Bewerbung über die Internet Medien stattfinde, könnte bemängelt werden; da allerdings die Resonanz aus dem umfangreichen Kundenstamm so gut sei und die Angebote weit über dem ermittelten Verkehrswert liegen würden, bestünden aus Sicht der Verfahrenspflegerin diesbezüglich keine Bedenken. Der Verlauf bleibe abzuwarten.
6. Die Verfahrenspflegerin teilte der Rechtspflegerin beim Amtsgericht am 24.01.2020 (Telefonvermerk Blatt 227) zum Sachstand mit, dass es laut Maklerin 7 Interessenten aus dem Kreis der Bestandskunden von A… Immobilien gebe, welche alle den gleichen Preis bieten würden (deutlich über Verkehrswert). Merkwürdig sei, dass anscheinend keiner der 7 Interessenten bereit sei, mehr zu bieten. Sie – die Verfahrenspflegerin – werde nochmals die Maklerin kontaktieren.
7. Die Betreuerin wandte sich mit Schreiben vom 25.01.2020 (Blatt 228/229) an das Amtsgericht mit der dringenden Bitte, die Anwältin … D…, sofort abzuziehen. Sie sei nicht sehr hilfreich in dem hochsensiblen Verkauf der Wohnung. Im Gegenteil: Sie blockiere den Verkauf mit absurden Ideen wie einem Bieterverfahren beim Notar. … Sie – die Betreuerin – habe nach einigen Vorgesprächen die renommierte Makleragentur … gewählt, die jetzt ihre Interessen vertrete und sie laufend informiere. Sie würden inzwischen mit über 100.000 € deutlich über dem Gutachten aus dem Herbst 2019 liegen. … Die Anwältin Frau D… habe sich weder die Wohnung angeschaut, obwohl ihr ausdrücklich eine Besichtigung angeboten worden sei. Noch habe sie die Immobilienpreise für dieses spezielle Objekt in der Ludwigvorstadt im Griff. Das Amtsgericht könne versichert sein, dass auch sie – die Betreuerin – ein Interesse an einem guten Preis für die Wohnung ihrer Eltern in der …aße habe. Sie habe sich gewissenhaft mit diesem besonderen Objekt auseinandergesetzt. …
8. Die Betreuerin legte mit Schreiben vom 31.01.2020 (Bl. 230/233) eine Mitteilung der Maklerin von A… Immobilien zu den Kaufvertragsverhandlungen vor. Die Betreuerin führte weiter aus, dass ihr Vater und sie mit dem in der Mitteilung genannten Kaufpreis einverstanden seien und sie gerne die Wohnung verkaufen würden.
9. Mit Schreiben vom 05.02.2020 (Blatt 234 ff.) legte die Betreuerin einen notariellen Kaufvertragsentwurf vor. Die Betreuerin führte zudem aus, dass der Interessent, der 710.000 € angeboten habe, leider inzwischen abgesagt habe. Die Immobilie werde dem Interessenten mit dem nächsthöheren Angebot von 706.000 € angeboten.
10. Der Verfahrenspflegerin wurde der Kaufvertragsentwurf zur Stellungnahme vorgelegt.
11. Die Verfahrenspflegerin nahm mit Schreiben vom 10.02.2020 (Blatt 251 ff.) u.a. dahingehend Stellung, dass sie im gesamten Verlauf den Richtlinien einer ordnungsgemäßen Verwaltung fremder Vermögensinteressen und des Gerichts folgend darauf hingewirkt habe, dass der bestmögliche Kaufpreis für die Betroffene erzielt werden könne. Hier werde lediglich darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche Preis mit Euro 585 TSD bei Anbietung an den Mieter vorgelegen habe, im Verlauf nach Hinweis und Tätigwerden der Maklerfirma angabegemäß 7 Interessenten gleichzeitig jeweils Euro 640 TSD geboten hätten und nunmehr nach Hinweis zur Nachverhandlung zur Ermittlung eines Höchstgebots ein Angebot über Euro 706 TSD zur Beurkundung vorliege. … habe ich nach Rücksprache mit dem Gericht der Maklerin mitgeteilt, dass sie nachverhandeln müsse, um ein Höchstgebot zu erhalten. Das viel zitierte Bieterverfahren sei lediglich exemplarisch für den Fall erklärt worden … Sie – die Verfahrenspflegerin – habe am 07.01.2020 mit der Maklerin gesprochen, welche den Kaufinteressenten in Höhe von Euro 706 TSD bestätigt und die Inaussichtstellung der Finanzierungsbestätigung der Bank übermittelt habe. …
12. Mit weiterem Schreiben vom 10.02.2020 (Blatt 253 ff.) teilte die Verfahrenspflegerin mit, dass die Inaussichtsstellung der Erteilung der Genehmigung zur Veräußerung der Immobilie …raße 10, München, Entwurf Kaufvertrag des Notariats S. zu einem Kaufpreis von Euro 706 TSD angeraten werde.
Inhaltlich werde auf die vorhergehenden Zwischenberichte insbesondere betreffend die generelle Veräußerung sowie ausreichend nachgewiesene Bewerbung des Objektes am Markt verwiesen. … von hier bestünden dazu keine Bedenken.
Weiters in der Anlage der E-Mail Verkehr des Kaufinteressenten … an die Maklerin und die Mitteilung seiner Hausbank zu seiner Bonität. Der Kaufpreis liege weit über dem ermittelten Gutachtensverkehrswert, sodass auch hier keine Bedenken bestünden.
Der Kaufvertragsentwurf, Anlage, entspreche den üblichen Standards, insbesondere sei für die Betroffene relevant, dass die Sachmängelgewährleistung im zulässigen Umfang ausgeschlossen worden sei bzw. der Besitz erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung übergehe. Im Besonderen sei aufgenommen worden, Seite 7, dass das Objekt ungekündigt vermietet sei und so veräußert werde sowie dass keine Kenntnis über die separate Wohnraumgenehmigung für das vom Mieter als Schlafzimmer genutzte Speicherabteil bestehe und eine Haftung zur Nutzbarkeit ausgeschlossen werde. Im Rahmen der Kaufpreisfinanzierung bestehe weitestgehende Absicherung für die Betroffene dadurch, dass sie nicht persönlich für Darlehensverbindlichkeiten des Käufers hafte und das Objekt dinglich nur für tatsächlich bezahlte Tilgungsleistungen hafte.
Sie rege daher auf der Basis der vorliegenden Informationen und Unterlagen an, die Genehmigung zum Kaufvertrag in Aussicht zu stellen.
13. Mit Schreiben vom 13.03.2020 (Blatt 279 ff.) legte der Notar Dr. S. die Kaufvertragsurkunde vom 09.03.2020 zur Erteilung der Genehmigung durch das Betreuungsgericht vor.
14. Die Betreuerin legte dem Amtsgericht am 24.03.2020 (Blatt 297 f.) ihr Schreiben an die Verfahrenspflegerin vom 22.03.2020 vor, verbunden mit der dringenden Bitte, schnellstmöglich den notariellen Kaufvertrag zu genehmigen. Die Einwendungen von Frau D… seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen würde der Notar bei Fehlern selbst haften.
15. Die Betreuerin teilte dem Amtsgericht am 25.03.2020 (Bl. 299 ff.) u.a. mit, dass das Mietverhältnis durch den Mieter gekündigt sei. Dieser sei ausgezogen und werde auch nicht mehr einziehen. … Die Einwendungen von Frau R. D… gegen den Kaufvertrag seien deswegen nicht nachvollziehbar. Sie berücksichtige offensichtlich nicht, dass der Vater 94 Jahre alt sei und die Heimkosten der Mutter nicht ohne Mieteinnahmen bezahlen könne. Die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin berücksichtige nicht, dass die Eltern seit fast 60 Jahren verheiratet seien und dass es zu keinem Streit kommen solle. Ein Darlehen von der Bank würden beide Eltern nicht mitbekommen.
16. Die Verfahrenspflegerin teilte dem Amtsgericht mit Schreiben vom 30.03.2020 (Blatt 302 ff.) u.a. mit, dass verfahrenspflegerseits die Erteilung der Genehmigung zur Veräußerung der Immobilie …aße 10, München, Kaufvertrag, Urkunde des Notariats Schw… URNr. … vom 09.03.2020 zu einem Kaufpreis von Euro 706 TSD angeraten werde. Bei Vorlage der Urkunde wie vor sei festgestellt worden, dass diese in einem relevanten Passus vom bereits geprüften Entwurf abweiche. Im Wesentlichen seien ansonsten Ergänzungen bei Leerstellen wie Daten des Käufers ua vorgenommen worden.
Geändert sei jedoch ohne Absprache Punkt V Seite 7 der Urkunde und des Entwurfs betreffend das bestehende Mietverhältnis. Im Entwurf sei der Übergang des ungekündigten Mietverhältnisses auf den Käufer vereinbart worden. Zwischenzeitlich liege nunmehr eine Kündigung des Mieters vor, Anlage, datierend zum 31.05.2020. …
Problematisch sei jedoch inhaltlich der geänderte Punkt V dahingehend, dass bei nicht fristgerechter Räumung des Objekts durch den Mieter, der Veräußerer nach den gesetzlichen Bestimmungen hafte, d.h. der Käufer zurücktreten bzw. Minderung und Schadensersatz verlangen könne. Da der Vollzug der vorliegenden Kündigung außerhalb der Sphäre des Veräußerers liege, werde die Schadensersatzverpflichtung der Betroffenen hier kritisch gesehen. Zumindest bis zur Wirksamkeit der Kündigung liege zudem die Verfügungsbefugnis bei dem derzeitigen Mieter, insofern auch die mögliche Verschlechterung des Objektes, Seite 9 Punkt VI Nr. 2 oben, für die der Veräußerer hafte.
Die Betreuerin habe telefonisch und schriftlich mitgeteilt, dass sie hier keinerlei Probleme sehe und ihre Eltern, die Betroffene, das Geld dringend benötigen würden. … Der Hinweis, dass ein Aufhebungsvertrag mit dem Mieter die aufgeworfenen Problemstellungen geklärt hätte, werde abgelehnt damit, dass die Betroffene die Mietzinsen für April und Mai ebenfalls dringend benötige. Dies sei von hier aus nicht nachvollziehbar, da ohne diese Vereinbarungen der Kaufpreis erheblich früher geschlossen werde. … Der Vorschlag einer Haftungsübernahme durch die Betreuerin aus dem Passus wie vor sei nicht kommentiert worden. …
In der Sache sei die Unterzeichnende allerdings nicht berechtigt, die Betreuerin zu beraten, es sei auch keinerlei rechtliche Beratung erfolgt, es seien lediglich exemplarische potentielle Möglichkeiten zur Diskussion gestellt worden. Die Betreuerin sei zudem nach eigenem Bekunden anwaltlich vertreten durch Frau R. S. Leider sei auf Nachfrage in der Kanzlei keine Rückmeldung erfolgt.
… sei Zwischenkontakt mit Frau S.… von der Firma A… gehalten worden. …
Sie – die Verfahrenspflegerin – habe darauf hingewiesen, dass seitens der Unterzeichnenden lediglich potentielle Schadensersatzansprüche und finanzielle Einbußen für die Betroffene vermieden werden sollen, was sich durchaus kooperativ regeln lassen würde. … Bei Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden Erklärung des Mieters sowie der Tatsache, dass Verschlechterungen mangels weiterer Nutzung unwahrscheinlich erscheinen würden, Schadensersatzansprüche sich hälftig auf die beiden Veräußerer verteilen würden und der Abschluss des Vertrages durchaus im eiligen Interesse zu stehen scheine, lege sie – die Verfahrenspflegerin – daher auf der Basis der vorliegenden Informationen und Unterlagen an, die Genehmigung zu dem Kaufvertrag zerteilen.
17. Das Amtsgericht erteilte mit Beschluss vom 01.04.2020 (Blatt 309 ff.) die Genehmigung des Kaufvertrages.
IV.
1. Der Notar Dr. S. legte am 23.04.2020 die am 22.04.2020 errichtete Urkunde URNr. S 1279/2020 („Bestellung einer Buchgrundschuld mit Übernahme der persönlichen Haftung sowie dinglicher und persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung“) vor mit dem Antrag, die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Urkunde zu erteilen.
2. Das Amtsgericht bestellte durch Beschluss vom 30.04.2020 (Blatt 322 ff.) Frau R. H… zur berufsmäßigen Verfahrenspflegerin. Es heißt weiter im Tenor: Der Aufgabenkreis umfasst: Vertretung im Verfahren der gerichtlichen Genehmigung. Gegenstand des Verfahrens sei die Genehmigung der notariellen Urkunde URNr. S 1279/2020 vom 22.04.2020.
3. Die Verfahrenspflegerin nahm am 06.05.2020 (Blatt 326) dahingehend Stellung, dass die vorliegende Grundschuldurkunde … verfahrenspflegerseits genehmigungsfähig sei. Die Grundschuldbestellung entspreche der gängigen Praxis und sei ihres Erachtens genehmigungsfähig. Die Urkunde diesbezüglich enthalte ferner alle notwendigen Sicherungsmittel/Klauseln zugunsten der Betroffenen. Die Betroffene übernehme keinerlei persönliche Haftung und sei von den anfallenden Kosten nicht betroffen, die Immobilie hafte wie bei der Finanzierungsgrundschuld üblich dinglich in Bezug auf den Kaufpreis.
4. Mit Beschluss vom 12.05.2020 (Blatt 327 ff.) erteilte das Amtsgericht die Genehmigung der Grundschuldbestellung gemäß Urkunde URNr. S 1279/2020.
V.
Die Beschwerde nach § 81 Abs. 2 GNotKG gegen die Zurückweisung der Erinnerung gegen den Kostenansatz (Geltendmachung der an die Verfahrenspflegerinnen von der Staatskasse gezahlten Vergütungen, Auslagen nach KV Nr. 31015) ist zulässig und in der Sache begründet.
Die von der Staatskasse an die Verfahrenspflegerinnen gezahlten Vergütungen sind nicht von der Beschwerdeführerin zu erstatten, da es sich bei der Bestellung der Verfahrenspflegerinnen in allen Fällen um eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG handelt. Die dadurch entstandenen Kosten sind nicht von der Beschwerdeführerin zu erstatten. Im Einzelnen:
1. Aufgaben und Befugnisse des Verfahrenspflegers in Betreuungsverfahren
BeckOK FamFG/Günter, 38. Ed. 1.4.2021 Rn. 2, FamFG § 276 Rn. 2:
Aufgaben und Befugnisse des Verfahrenspflegers lassen sich unabhängig davon anhand der gesetzlichen Regelungen bestimmen. Aus § 274 Abs. 2 folgt, dass der Verfahrenspfleger mit seiner Bestellung zu einem eigenständigen Verfahrensbeteiligten wird mit all den hieraus sich ergebenden Rechten und Pflichten (vgl. § 274 Abs. 2; Ausnahme: § 276 Abs. 7). Daraus lässt sich auch ableiten, dass er nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen ist (BGH NJW 2012, 3509 = FamRZ 2012, 1798 Rn. 13; Keidel/Giers. 26; MüKoFamFG/Schmidt-Recla Rn. 3). Seine Rechtsstellung kann auch nicht mit der eines Verfahrensbevollmächtigten verglichen werden, weil er weder vom Betroffenen beauftragt noch von dessen Weisungen abhängig ist. Der Verfahrenspfleger nimmt vielmehr eine eigenständige Verfahrensrolle ein, die auf die Wahrnehmung der objektiven Interessen des Betroffenen beschränkt ist (Keidel/Giers Rn. 26). Der Verfahrenspfleger ist an Weisungen und Wünsche des Betroffenen nicht gebunden. Die Handlungsfreiheit des Betroffenen (§ 275) wird durch die Bestellung des Verfahrenspflegers nicht einschränkt. Der Verfahrenspfleger unterliegt nicht der gerichtlichen Aufsicht, die §§ 1915, 1837 BGB finden keine Anwendung (Keidel/Giers Rn. 27). BeckOK FamFG/Günter, 38. Ed. 1.4.2021 Rn. 2, FamFG § 276 Rn. 2).
1.2. Die gesetzlichen Aufgaben des Verfahrenspflegers in Betreuungsverfahren (§ 276 FamFG) werden von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG Beschl. v. 7.6.2000, 1 BvR 23/00, 1 BvR 111/00) und Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.7.2009, XII ZR 77/06) näher präzisiert. Beide Entscheidungen sind zwar zur früheren Rechtslage ergangen, sind aber weiterhin einschlägig, da sich die Aufgaben und die Rechtsstellung des Verfahrenspflegers durch die Rechtsänderung nicht geändert haben.
BVerfG Beschl. v. 7.6.2000, 1 BvR 23/00, 1 BvR 111/00

Dieses Konzept entspricht demjenigen, das für die Berufsbetreuer gilt. Bei beruflicher Ausübung der Verfahrenspflegschaft handelt es sich wie bei der Berufsbetreuung letztlich um die Übernahme eines Zweitberufs. Das ergibt sich aus den Aufgaben des Verfahrenspflegers in Betreuungssachen (§ 67 Abs. 1 FGG), bei Unterbringungsmaßnahmen (§ 70 b FGG) und als so genannter Anwalt des Kindes (§ 50 Abs. 1 FGG). Es geht dem Gesetzgeber in erster Linie nicht darum, dem Betroffenen einen Rechtsberater für das konkrete Verfahren zu verschaffen, sondern ihm – mit der Hilfe einer geschäftsfähigen und in der Organisation der alltäglichen Geschäfte erfahrenen Person – einen gesetzlichen Vertreter zur Durchsetzung von tatsächlich formulierten oder auch nur zu ermittelnden Interessen und Wünschen im Verfahren zur Seite zu stellen. Die dem Verfahrenspfleger obliegenden Pflichten gegenüber dem Betroffenen sind andere als die Aufgaben des Rechtsanwalts nach § 3 Abs. 1 BRAO.
BGH, Urteil vom 22.7.2009, XII ZR 77/06
Bei dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine zivilrechtliche Schadensersatzklage des Testamentsvollstreckers über das Vermögen des verstorbenen Betreuten gegen den früheren Betreuer (im Verfahren: Beklagter zu 1) und den im Betreuungsverfahren bestellten Verfahrenspfleger (im Verfahren: Beklagter zu 2), weil beide beim Verkauf von Grundstücken des Betreuten pflichtwidrig gehandelt hätten.
BGH, Urteil vom 22.7.2009, XII ZR 77/06:
Zwar kommt im Ausgangspunkt eine Haftung des Bekl. zu 2 nach § 1833 BGB in Betracht. Diese Vorschrift ist auf den Verfahrenspfleger entsprechend anwendbar (…). Die ratio des § 1833 BGB, die der Übernahme des Amtes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des Betreuten Rechnung trägt (…), trifft auch auf den Verfahrenspfleger zu (…). Der Bekl. zu 2 hat jedoch keine Pflichtverletzung i.S. des § 1833 BGB begangen; denn er war nicht verpflichtet, das zu genehmigende Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien zu überprüfen.
Allerdings hat der Senat – in anderem Zusammenhang und nicht tragend – die Auffassung vertreten, der nach § 67 FGG bestellte Verfahrenspfleger habe die Interessen des Betreuten nach objektiven Maßstäben wahrzunehmen. Er werde dem Betreuten zur Seite gestellt, damit dessen objektive Interessen auch dann geltend gemacht werden könnten, wenn dieser sie nicht selbst wahrnehme (…). Diese Aufgabenbeschreibung kann indes – jedenfalls – nicht für Verfahren gelten, in denen wie vorliegend bereits ein Betreuer bestellt ist, dessen Aufgabenkreis den jeweiligen Verfahrensgegenstand umfasst.
Ein Betreuer ist, wie dargelegt, dem Wohl des Betreuten verpflichtet, das von dessen Wünschen mitbestimmt wird (§ 1901 II, III BGB). Dabei gehört es zu seinen Aufgaben, zu prüfen, ob die Erfüllung etwaiger Wünsche des Betreuten höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährdet oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Demgegenüber ist es die Pflicht des Gerichts, die Interessen des Betreuten – auch gegenüber dem Betreuer – fürsorglich zu wahren. Soweit es eine effektive Interessenwahrung gebietet, kann das Gericht für den Betreuten – und zur besseren Kontrolle des Betreuers – einen Gegenbetreuer bestellen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erfährt der Pflichtenkreis des Verfahrenspflegers Inhalt und Grenzen. Der Verfahrenspfleger soll nicht – neben dem Gericht und an Stelle eines Gegenbetreuers – die Interessen des Betreuten gegenüber dem Betreuer schützen und über dessen Amtsführung wachen. Seine Aufgabe ist vielmehr darauf beschränkt, die verfahrensmäßigen Rechte des Betreuten zur Geltung zu bringen. Dazu gehört insbesondere der Anspruch des Betreuten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (…).
Vorrangig hat der Verfahrenspfleger deshalb darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht nicht zu Unrecht von einer offensichtlichen Unfähigkeit des Betreuten ausgeht, seinen Willen kundzutun (vgl. § 68 II FGG). Hat der Verfahrenspfleger nach persönlicher Rücksprache mit dem Betreuten den Eindruck gewonnen, dieser sei entgegen der Einschätzung des Gerichts doch in der Lage, zumindest in beschränktem Umfang seinen Willen zu äußern oder wichtige Informationen zu erteilen, hat er auf eine persönliche Anhörung durch das Gericht hinzuwirken (…).
Sodann gehört es zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erforschen und in das Verfahren einzubringen. Ist der Betreute in der Lage, seine Wünsche zu äußern, hat der Verfahrenspfleger den Betreuten im Gespräch über seine Wünsche und Interessen zu befragen. Dabei hat der Verfahrenspfleger auch ihm bekannte Umstände, die für die Willensbildung des Betreuten von Bedeutung sein könnten (etwa steuerliche Risiken eines beabsichtigten Rechtsgeschäfts), anzusprechen. Über Ablauf und Ergebnis des Gesprächs mit dem Betreuten hat der Verfahrenspfleger das Gericht – in wesentlichen Zügen – zu informieren und gegebenenfalls auch darüber zu berichten, wie der Betreute auf etwaige Hinweise zu Risiken des beabsichtigten Geschäfts reagiert hat. Kann der Betreute dagegen keinen Willen mehr bilden oder seine Wünsche nicht mehr artikulieren, hat der Verfahrenspfleger – in angemessenem Rahmen – Möglichkeiten zu nutzen, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten anderweit zu erkunden. Dabei ist etwa an eine Kontaktaufnahme mit Bezugspersonen des Betreuten zu denken, wenn deren Befragung – etwa im Hinblick auf zurückliegende Äußerungen des Betreuten – Aufschlüsse über dessen tatsächlichen oder hypothetischen Willen erwarten lässt (…). Auch in diesem Fall hat der Betreuer (richtig: der Verfahrenspfleger) dem Gericht – hier über die Möglichkeiten sowie über Art, Umfang und Ergebnis etwaiger Erkundigungen – zu berichten.
Schließlich hat der Verfahrenspfleger auf der Grundlage dieser Gespräche und Erkundigungen für den Betreuten dessen Verfahrensrechte wahrzunehmen, indem er gegebenenfalls zu einzelnen Verfahrensergebnissen Stellung nimmt oder Rechtsmittel einlegt (…). Hinzu kommt die Aufgabe des Verfahrenspflegers, dem Betreuten – soweit möglich – den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens und das Verfahrensgeschehen zu erläutern (…).
Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Aufklärung von Umständen, die für die Würdigung des Betreuerhandelns, insbesondere für die Wirtschaftlichkeit des von ihm beabsichtigten Rechtsgeschäfts, von Bedeutung sein könnten, trifft den Verfahrenspfleger hingegen nicht. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, über den dargestellten Rahmen hinaus weitere Umstände zu erforschen, die sich als für die Willensbildung des Betreuten erheblich erweisen könnten; auch hat er nicht zu prüfen, ob sämtliche für das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft relevanten Umstände in die Willensbildung des Betreuers eingeflossen sind.
2. Die beiden Verfahrenspflegerinnen haben in den verfahrengegenständlichen Genehmigungsverfahren keine der in den genannten Entscheidungen beschriebenen Aufgaben des Verfahrenspflegers wahrgenommen (insbesondere den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör zur Geltung zu bringen). Die Verfahrenspflegerinnnen haben sich vielmehr darum gekümmert, dass ein möglichst hoher Verkaufspreis erzielt wird und die Interessen der Beschwerdeführerin bei der rechtlichen Gestaltung der Verträge gewahrt werden. Damit haben sie nicht die ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahrgenommen, sondern die Aufgaben der Betreuerin in dem ihr zugewiesenen Aufgabenkreis der Vermögenssorge und „Haus- und Grundstücksangelegenheiten“ (vgl. Anordnung der Betreuung durch Beschluss des Amtsgerichts vom 04.05.2017, Bl. 32 ff.).
3. Der entscheidende Gesichtspunkt für die Annahme einer unrichtigen Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG liegt aber in Folgendem:
Es besteht angesichts des Akteninhalts (in der Akte dokumentierte Kommunikation zwischen den Verfahrenspflegerinnen und dem zuständigen Rechtspfleger bzw. der zuständigen Rechtspflegerin) für die Kammer kein Zweifel, dass die Verfahrenspflegerinnen mit ihrer Tätigkeit genau den Erwartungen entsprochen haben, die ihren Bestellungen durch das Amtsgericht zugrunde lagen.
Die vorliegenden Fälle sind keine „Ausreißer“. Es ist der Kammer aus einer Vielzahl von Fällen bekannt, dass es der gängigen Praxis beim Amtsgericht entspricht, gerade in Genehmigungsverfahren bzgl. Immobiliengeschäften, Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen als Verfahrenspfleger zu bestellen und diese – entgegen der gesetzlichen Regelung – zur Prüfung von Rechtsfragen bzw. zur rechtlichen Prüfung der Vertragsgestaltung und Angemessenheit des Kaufpreises zu veranlassen, was sich letztlich als anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 BRAO (“Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.“) darstellt bzw. in den Tätigkeitsbereich eines mit der Veräußerung einer Immobilie beauftragten Maklers oder Immobiliensachverständigen (Verkehrswert) fällt.
Darin liegt eine unrichtige Sachbehandlung. Der Verfahrenspfleger soll nicht – neben dem Gericht und anstelle eines Gegenbetreuers – die Interessen des Betreuten gegenüber dem Betreuer schützen und dessen Amtsführung überwachen (siehe oben BGH). Der Verfahrenspfleger soll vielmehr die verfahrensmäßigen Rechte des Betreuten zur Geltung bringen (siehe oben BGH). Durch den Verfahrenspfleger soll dem Betreuten kein Rechtsberater für das konkrete Verfahren zur Seite gestellt werden (siehe oben BVerfG). Es soll ihm „lediglich“ eine geschäftsfähige und in der Organisation der alltäglichen Geschäfte erfahrene Person zur Seite gestellt werden zur Durchsetzung von tatsächlich formulierten oder auch nur zu ermittelnden Interessen und Wünschen des Betreuten (siehe oben BVerfG). Diese Beschränkung der gesetzlichen Aufgabe des Verfahrenspflegers wird von der gängigen Praxis des Amtsgerichts und auch im vorliegenden Fall ignoriert.
Der Verfahrenspfleger ist entgegen der Tenorierung in den jeweiligen Bestellungsbeschlüssen kein Vertreter des Betreuten, dem ein Aufgabenkreis zugewiesen wird.
Der vom Amtsgericht geübten Praxis liegt die Fehl-Vorstellung zugrunde (vgl. Begründung im Nichtabhilfebeschluss), dass der (anwaltliche) Verfahrenspfleger bei fehlerhafter Einschätzung der Rechtslage oder Einschätzung des Verkehrswertes im Genehmigungsverfahren haftbar gemacht werden könnte.
Das ist aber nicht der Fall. Wie der vom Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung entschiedene Fall zeigt, kann der Verfahrenspfleger, der außerhalb seiner gesetzlichen Aufgaben agiert, nicht wegen einer Pflichtverletzung nach § 1833 BGB haftbar gemacht werden. Dies gilt auch für einen anwaltlichen Verfahrenspfleger und auch dann, wenn diesem eine RVG-Vergütung bewilligt wird. Denn durch die Bestellung zum Verfahrenspfleger entsteht zwischen dem anwaltlichen Verfahrenspfleger und dem Betreuten kein Anwaltsvertrag mit den daraus resultierenden Vertragspflichten, die im Falle einer schuldhaften Verletzung eine Verpflichtung zum Schadensersatz begründen können.
Die vom Amtsgericht geübte Praxis kann im Ergebnis zu einer erheblichen Gefährdung der Interessen des Betreuten führen. Denn im Falle einer fehlerhaften Beratung bzw. Beurteilung der Rechtslage durch den anwaltlichen Verfahrenspfleger bleibt der Betreute ohne Möglichkeit der Kompensation durch Schadensersatz.
Die Kammer verkennt nicht, dass es in Genehmigungsverfahren in Einzelfällen geboten sein kann, Rechtsfragen bzw. Vertragsgestaltungen einer anwaltlichen Prüfung zuzuführen bzw. die Angemessenheit eines Kaufpreises durch Sachkundige (z.B. Immobiliensachverständige oder Makler) prüfen zu lassen. Dies zu beurteilen, obliegt grundsätzlich dem mit dem Aufgabenkreis bestellten Betreuer.
Sofern der Betreuer die Notwendigkeit im Einzelfall nicht von sich aus erkennt und entsprechend handelt (d.h. einen Anwalt beauftragt), kann bzw. muss das Amtsgericht im Rahmen der Aufsicht (§§ 1835, 1908i BGB) eine entsprechende Weisung an den Betreuer erteilen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass rechtlich oder tatsächlich schwierig zu beurteilende Fragen von entsprechend qualifizierten Berufsträgern beurteilt werden. Nach entsprechender Auftragserteilung durch den Betreuer sind die Haftungsverhältnisse klar.
Bei „Standardverträgen“ (wie den unter II und IV aufgeführten Kaufverträgen bzw. Bestellung von Grundpfandrechten) dürfte eine solche Weisung in aller Regel nicht notwendig sein. Insoweit reichen – was die Vertragsgestaltung betrifft – die dem beurkundenden Notar obliegenden Amtspflichten, um die rechtlichen Interessen des Betreuten zu wahren.
VI.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§§ 81 Abs. 8 GNotKG).
2. Die weitere Beschwerde nach § 81 Abs. 4 GNotKG war zuzulassen, weil die zur Entscheidung anstehende Rechtsfrage sich in einer Vielzahl von Fällen stellt und grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Kammer verkennt nicht, dass sich der Bundesgerichtshof in einer Vielzahl von Fällen (vgl. BGH Beschluss vom 16.12.2020 – XII ZB 410/20, BGH Beschluss vom 25.02.2015 – XII ZB 608/13, BGH Beschluss vom 24.09.2014 – XII ZB 444/13, BGH Beschluss vom 27.06.2012 – XII ZB 685/11) mit Fallkonstellationen wie der vorliegenden (Bestellung von Verfahrenspflegern in Genehmigungsverfahren bzgl. Immobiliengeschäfte) beschäftigt hat. In diesen Fällen ging es um die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der anwaltliche Verfahrenspfleger für seine Tätigkeit im Genehmigungsverfahren eine RVG-Vergütung beanspruchen kann. Der Bundesgerichtshof hat in keinem der entschiedenen Fälle die hier aufgeworfene Problematik thematisiert. Die Kammer geht davon aus, dass diese Problematik übersehen wurde.


Ähnliche Artikel


Nach oben