Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schadensersatzanspruch, Rechtsanwaltskosten, Schadensersatz, Feststellung, Kaufpreis, betrug, Revision, Laufleistung, Kilometerstand, Zinsen, Zeitpunkt, Schriftsatz, Zulassung, Fahrgestellnummer, Zug um Zug, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Zulassung der Revision

Aktenzeichen  3 U 2220/19

Datum:
13.9.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47465
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 U 2220/19 2019-12-04 Endurteil OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 01.04.2019, Az.: 23 O 228/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst: 1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.978,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.04.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Passat mit der Fahrgestellnummer …407.
1) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes M.H. in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2018 freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens tragen der Kläger 53%, die Beklagte 47%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs im Rahmen des VW Abgasskandals. Die Klagepartei hatte im März 2015 bei einem Autohändler einen Pkw VW Passat 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 29.880,00 € erworben; das Fahrzeug war am 28.03.2013 erstmals zugelassen worden und wies zum Übergabezeitpunkt einen Kilometerstand von 14.585 km auf.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand im Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 01.04.2019 und dem vorangegangenen Senatsurteil vom 04.12.2019 (unter Gründe Ziffer I.) Bezug genommen.
Der Kläger hat im Hinblick auf das seine Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 01.04.2019 zurückweisende Urteil des Senats vom 04.12.2019 Revision eingelegt, der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Az.: VI ZR 81/20) hat mit am 04.05.2021 verkündeten Beschluss auf die Revision des Klägers das Urteil des Senats im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Anträge,
– die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Passat mit der Fahrgestellnummer: …407 an den Kläger 29.880,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
– die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts M. H. in Höhe von 1.872,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen, zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Kilometerstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz betrug 139.889 km. Abgesehen von dem zwischenzeitlichen Fallenlassen des weitergehenden Zinsantrags (gem. Schriftsatz vom 18.10.2019, Seite 1, Blatt 301 d. A.) und des Antrags Ziffer III. auf Feststellung des Annahmeverzugs (Schriftsatz vom 05.06.2019, Seite 2, Blatt 217 d. A.) haben sich Änderungen in der Berufungsinstanz nicht ergeben.
Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei,
1.unter Abänderung des am 01.04.2019 verkündeten Urteils des LG Deggendorf, Az.: 23 O 228/18, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Passat mit der Fahrgestellnummer: …407 an den Kläger 29.880,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.04.2018 zu zahlen.
2.Unter Abänderung des am 01.04.2019 verkündeten Urteils des LG Deggendorf, Az.: 23 O 228/18, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes M. H. in Höhe von 1.872,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.
Die mündliche Verhandlung fand am 26.07.2021 statt. Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses wird auf das Protokoll (Blatt 253/255 d. A.) Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet; von der Klageforderung Z. 1 war in Höhe des Nutzungsersatzes ein erheblicher Abzug vorzunehmen, desgleichen war der aus Z. 2 geforderte Betrag der außergerichtlichen Kosten zu reduzieren.
1. a) Der Klagepartei steht ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung zu (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19).
Das Verhalten der Beklagten ist im Verhältnis zur Klagepartei objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Sie hat durch die strategische Unternehmensentscheidung der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Gewinnstreben die Arglosigkeit ihrer Kunden systematisch und über Jahre ausgenutzt. Ein solches Verhalten verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint, unabhängig davon, ob sich der einzelne Käufer konkrete Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte gemacht hat (BGH, a. a. O., Rz. 23). Die unzweifelhaft vorhandene Kenntnis des verantwortlichen vormaligen Vorstandsvorsitzenden und weiterer Vorstandsmitglieder von der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung muss sich die Beklagte gem. § 31 BGB zurechnen lassen (BGH a. a. O., Rz. 29 f.).
b) Die Klagepartei hat das streitgegenständliche Dieselfahrzeug im Jahr 2015 gekauft und dies noch vor dem öffentlichen Bekanntwerden des „Dieselskandals“ am 22.09.2015 (zur Maßgeblichkeit dieses Stichtags vgl. BGH, Urteil v. 30.07.2020, Az.: VI ZR 5/20).
2. Die Höhe des Schadensersatzes, der Zug um Zug gegen Weggabe des Fahrzeugs zu zahlen ist, errechnet sich aus dem Kaufpreis abzüglich Nutzungsersatz. Der Senat schätzt in diesem Zusammenhang die Laufleistung eines Diesel-Pkws mit dem Motor EA 189 nach § 287 ZPO auf 250.000 km. Eine darüber hinausgehende Laufleistung resultiert bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise regelmäßig nicht aus dem ursprünglichen Kauf, sondern aus späteren Investitionen in das Fahrzeug, insbesondere in Form von Reparaturen und Instandhaltungen. Da das Fahrzeug im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen geringeren Kilometerstand als 250.000 km aufweist, wird der vom Kaufpreis abzuziehende Nutzungsersatz nach folgender Formel berechnet:
Kaufpreis multipliziert mit von der Klagepartei genutzten km (bedeutet bei dem hier vorliegenden Gebrauchtfahrzeug: Differenz zwischen diesem Kilometerstand und dem km-Stand beim Erwerb), dividiert durch die Laufleistung (bei Gebrauchtfahrzeugen Differenz zwischen 250.000 und dem Kilometerstand bei Erwerb).
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wies der von der Klagepartei als Gebrauchtwagen gekaufte VW Passat einen Kilometerstand von 139.889 km auf, wovon 125.304 km auf den Zeitraum nach Fahrzeugerwerb entfallen. Dies ergibt nach obiger Formel eine Nutzungsentschädigung von Euro 15.901,08, die im Rahmen der Schadensberechnung als Vorteilsausgleich vom Kaufpreis abzuziehen ist.
Im Ergebnis steht der Klagepartei damit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 13.978,92 € Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Fahrzeugs aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte zu.
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
4. Der Klagepartei stehen im Rahmen des Schadensersatzes nach §§ 826, 31 BGB vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur in Höhe einer 1,3 Gebühr aus der vor Klageerhebung bestehenden Forderung zu. Eine eventuell bestehende besonders schwierige Sach- und Rechtslage wird durch die Vielzahl von Parallelverfahren zumindest ausgeglichen, so dass es sich insgesamt höchstens um eine Angelegenheit von durchschnittlicher Schwierigkeit handelt und eine 1,3-Gebühr angemessen erscheint. Im konkreten Fall ist die Fahrleistung des Klägers und dem VW Passat bis zum Anspruchsschreiben vom 09.04.2018 nicht bekannt. Sie dürfte jedoch noch innerhalb des Gebührenrahmens von 25.001 – 30.000,00 € gelegen haben. Dies führt zu erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wie tenoriert.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, wobei hinsichtlich des Teilunterliegens der Klagepartei zu berücksichtigen war, dass der Kaufpreis ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung eingeklagt wurde.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Zulassung der Revision kam vorliegend nicht in Betracht. Die im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatz seitens Kunden des VW-Konzerns sich stellenden Rechtsfragen sind vom BGH (nach der hiesigen Entscheidung vom 04.12.2019) mit Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 und den in der Folge darauf ergangenen Entscheidungen geklärt.


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