Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Störerauswahl bei zweckentfremdungsrechtlichem Grundbescheid

Aktenzeichen  M 9 K 16.5910

Datum:
28.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25551
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2 Alt. 5
LStVG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2
ZwEWG Art. 2 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Ein Verwaltungsakt erledigt sich nicht erledigt gem. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG, solange er noch als Grundlage für Vollstreckungshandlungen wie z.B. die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern dienen kann. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung für die Anwendungen einer sicherheitsrechtlichen Befugnisnorm ist nicht, dass der Adressat der Anordnung eine Ordnungswidrigkeit begeht. Maßgeblich ist, ob objektiv eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Ordnungswidrigkeit kann vorliegen, wenn bei Überlassung der Wohnung damit gerechnet wird, dass der Mieter eine unerlaubte Nutzung im Sinn hat. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers als Handlungsstörer kommt bei zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheiden in speziellen Konstellationen in Betracht. Eine solche kann darin begründet sein, dass Wohnräume an einen Mieter in Kenntnis davon überlassen werden, dass dieser eine Untervermietung an ausländische Kranke und Arztpraktikanten beabsichtigt. (Rn. 57 und 60) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage auch noch gegen die Ziffer 1 und 2 des Bescheides nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da keine Erledigung eingetreten ist.
Nach Art. 43 Abs. 2 Var. 5 BayVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
Durch den unbefristeten Mietvertrag zwischen der GmbH und Herrn M. O. hat sich der Bescheid nicht auf andere Weise erledigt.
Nach Art. 43 Abs. 2 Var. 5 BayVwVfG erledigt sich der Verwaltungsakt v.a. dann, wenn eine geänderte Sach- und Rechtslage zur Beendigung seiner Rechtswirkung führt; die Steuerungsfunktion, die dem Gebot oder Verbot ursprünglich innewohnte, muss nachträglich weggefallen sein (vgl. BayVGH, B. v. 24.4.2017 – 12 ZB 13.2094 – juris; BVerwG, U. v. 25.9.2008 – 7 C 5.08 – juris).
Vorliegend entfalten die Ziffern 1. und 2. weiter Rechtswirkungen. Die Vermietung durch die GmbH an Herrn M. O. ist zu undurchsichtig, um eine dauerhafte Beendigung der Zweckentfremdung und endgültige Wiederzuführung zu Wohnzwecken anzunehmen. Sinn einer Beendigungsverfügung ist es auch, undurchsichtige tatsächliche Verhältnisse, bei einem faktischen Weiterbetrieb mit zu erfassen und eine Neuaufnahme zu unterbinden (vgl. OVG NW, U.v. 19.12.1995 – 11 A 2734/93 – BeckRS 2015, 48681, beck-online).
Es ist unbekannt, ob die GmbH eine Berechtigung zum Besitz der Wohnräume hat. Ein Mietvertrag mit der GmbH als Mieterin ist nicht bekannt. Der Mietvertrag zwischen Herrn M. R. und der Klägerin ist jedenfalls durch die Insolvenzverwalterin mit Kündigungserklärung vom 22. Mai 2018 zum 31. August 2018 wirksam nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO gekündigt worden. Die GmbH kann somit kein Recht zum Besitz gegenüber der Klägerin durch Untermietvertrag mit Herrn M. R. erlangen. Die GmbH wurde bei Mietvertragsschluss durch Herrn M. R. vertreten. Aufgrund der undurchsichtigen Besitzlage und der Beteiligung des Herrn M. R. am Vertragsschluss kann somit nicht dauerhaft ein faktischer Weiterbetrieb des Nutzungskonzepts des Herrn M. R. ausgeschlossen werden.
Auch die Kündigung der Insolvenzverwalterin und die Aufgabe des Besitzes durch Erklärung von dieser hat Herrn M. R. nicht daran gehindert, den Besitz tatsächlich zu behalten und die Wohnung weiter an Medizintouristen zu vermieten. Nach der Ortsermittlung vom 11. April 2019 erfolgte die Anmietung zum Zwecke der medizinischen Behandlung immer noch über Herrn M. R.
Außerdem kommt der streitgegenständliche Bescheid immer noch als Grundlage für Vollstreckungshandlungen gegen die Klägerin in Betracht. Da es sich nach der Rechtsprechung sowohl des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes als auch des Gerichts bei der durch einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründeten Pflicht in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich um eine Unterlassungsverpflichtung handelt – nämlich die Verpflichtung, das verfolgte Nutzungskonzept aufzugeben (vgl. beispielsweise VG München, B.v. 26.4 2016 – M 9 S 16.1449 – juris; BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 – n.V.) kommt nach Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG immer noch die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern in Betracht. Die Beklagte hat nicht erklärt, hierauf zu verzichten.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Anordnung der Beendigung der Fremdenbeherbergung und der Wiederzuführung zu Wohnzwecken konnten aufgrund von § 13 Abs. 1 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 12. Dezember 2013 (ZeS) i. V. m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LStVG i. V. m. Art. 5 Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 10.12.2017 i. d. F. zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2013, GVBl. S.77 (ZwEWG) erfolgen.
a) Voraussetzung für die Anwendungen einer sicherheitsrechtlichen Befugnisnorm ist nicht, dass der Adressat der Anordnung eine Ordnungswidrigkeit begeht. Maßgeblich ist, ob objektiv eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Zweck der effektiven Gefahrenabwehr (Holzner in: BeckOK PolR Bayern/Holzner, 10. Ed. 1.2.2019, LStVG Art. 7 Rn. 29), sowie aus der Möglichkeit nach Art. 9 Abs. 2 LStVG, Maßnahmen auch gegen Zustandsstörer zu richten. Eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 5 ZwEWG des Mieters M. R. liegt vor.
Damit kann offenbleiben, ob die Klägerin eine Ordnungswidrigkeit begangen hat oder eine Ordnungswidrigkeit an einer fehlenden Garantenpflicht bei Vorliegen eines Unterlassen scheitert (BayOblG, B.v. 7.10.1992 – 3 OBOWi 86/92 – BayOblGSt 1992, 109). Es sei aber darauf hingewiesen, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegen kann, wenn bei Überlassung der Wohnung damit gerechnet wird, dass der Mieter eine unerlaubte Nutzung im Sinn hat (KG Berlin, B.v. 03.02.1999 – 2 Ss 373/98 – 5 Ws (B) 691/98 – juris).
b) Dass eine Zweckentfremdung der streitgegenständlichen Wohneinheit gegeben ist, wurde gegenüber dem Mieter bereits entschieden (VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 16.5976 – juris) und steht außer Zweifel.
Eine Fremdenbeherbergung nach Art. 2 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG ist, nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, „die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer ‘auf Dauer’ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer ‘Heimstatt im Alltag’. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Letzteres ist regelmäßig der Fall, wenn eine Wohnung für die Dauer eines zum Zwecke der medizinischen Behandlung erfolgenden Aufenthalts zur Verfügung gestellt wird. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zugrunde liegende Nutzungskonzept“ (statt aller BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris).
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte den Lebensmittelpunkt der bei den Ortsermittlungen angetroffenen Personen ausreichend ermittelt und im Bescheid begründet. Angetroffene Personen wurden nach Dauer und Zweck ihres Aufenthalts befragt. Angegeben wurde dabei diverse male eine medizinische Behandlung. Damit ist entsprechend der Rechtsprechung des BayVGH von einer fehlenden Verlegung des Lebensmittelpunktes ausgehen. Für eine Ausnahme vom Regelfall ist nichts ersichtlich. Die Ergebnisse der Ortsermittlungen wurden im Bescheid wiedergegeben. Eine weitergehende Begründung war nicht erforderlich.
Alle anderen Voraussetzungen für eine Zweckentfremdung liegen vor und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
c) Die Anordnungen konnten gegenüber der Klägerin erfolgen. Die Störerauswahl ist rechtmäßig. Sie ist ausreichend begründet und unterliegt keinen Ermessensfehlern.
aa) Die Anordnungen konnten gegenüber der Klägerin als Handlungsstörerin erfolgen. Macht das Verhalten oder der Zustand einer Person Maßnahmen nach dem LStVG notwendig, so sind diese gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht hat (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG).
Die Klägerin hat die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mitverursacht.
Die Frage, wer Handlungsstörer im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG ist, ist durch rechtlich wertende Betrachtung zu bestimmen; erforderlich ist insofern ein unmittelbar gefahrbegründendes Verhalten, das die Gefahrenschwelle überschreitet und eine Nähe zum späteren Schadenseintritt besitzt (z.B. BayVGH, B.v. 13.10.2004 – 22 CS 04.2489 – juris).
Eine Inanspruchnahme des Eigentümers als Handlungsstörer kommt bei zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheiden in speziellen Konstellationen in Betracht (VG München, U.v. 22.02.2017 – M 9 K 16.4276 – juris Rn. 19). In speziellen Konstellationen ist in erster Linie der Eigentümer in der Lage, die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft zu beseitigen (VG München, B.v. 19.01.2017 – M 9 S 16.4695 – juris Rn. 28).
Die Anerkennung solcher speziellen Konstellationen ist bei wertender Betrachtung aufgrund des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. So wurde durch die Rechtsprechung in Fällen baurechtlicher Nutzungsuntersagungen bereits herausgearbeitet, dass dann, wenn häufig wechselnde oder unklare Nutzungsverhältnisse im Raum stehen, selbst eine alleinige Verpflichtung des Eigentümers vor dem (allein) nutzungsberechtigten Mieter rechtsfehlerfrei erfolgen kann (BayVGH, B.v. 26.02.2007 – 1 ZB 06.2296 – juris).
Eine spezielle Konstellation ist vorliegend gegeben.
Das unmittelbar gefahrbegründende Verhalten der Klägerin ist vorliegend die Überlassung der Wohnräume an den Mieter M. R. in Kenntnis, dass dieser eine Untervermietung an ausländische Kranke und Arztpraktikanten beabsichtigt. Der Klägerin war bereits bei Unterzeichnung des Mietvertrages bewusst, dass ihr Mieter M. R. die streitgegenständliche Wohnung an Kranke und ausländische Arztpraktikanten für einen Aufenthaltsdauer von bis zu zwei Jahren vermieten wollte. Aufgrund dessen erfolgte die Gestattung der Untervermietung im Mietvertrag. Dies gab der Ehemann der Klägerin der Beklagten gegenüber in einem Telefonat am 18. Februar 2014 an.
Hinzu kommt die lange Dauer der positiven Kenntnis der Zweckentfremdung seit dem 20. Mai 2014, in welcher die Klägerin bis zum Bescheiderlass nur vollkommen unzureichende Maßnahmen zur Beendigung der Zweckentfremdung unternommen hat. Die mehr als zwei Jahre andauernde Passivität der Klägerin sprechen dafür, dass die Klägerin entgegen ihren Aussagen die Zweckentfremdung durch ihren Mieter M. R. doch billigte. Indiz für den Willen der Klägerin, als innere Tatsache, bei Bescheiderlass ist auch das Verhalten der Klägerin danach. So unternahm sie selbst nach der Kündigung der Wohnung durch die Insolvenzverwalterin vom 22. Mai 2018 zum 31. August 2018 nichts, um eine Rückgabe der Wohnung an sie zu erreichen.
Der Störereigenschaft steht die Aufforderung der Klägerin an den Mieter M. R. vom 24. Mai 2014 die Zweckentfremdung bis zum 16. Juni 2014 zu unterlassen, und die Kündigung vom 11. März 2016 nicht entgegen.
Maßgeblich für die Feststellung einer Zweckentfremdung ist das jeweils zu Grunde liegende Nutzungskonzept (vgl. nur BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris Rn. 5 m.w.N.), dementsprechend ist die Zweckentfremdung erst beendet, wenn das Nutzungskonzept, das hier in der Überlassung an den professionell vorgehenden M. R. besteht, aufgegeben ist. Zur Aufgabe des Nutzungskonzepts gibt es verschiedene Optionen (BayVGH, B.v. 10.7.2018 – 12 ZB 18.211- n.V. Rn. 14), insoweit ist beispielsweise nicht automatisch und unabhängig vom Einzelfall die Abgabe einer Kündigungserklärung oder die Erhebung einer Räumungsklage ausreichend.
Es ist die Vornahme unselbständiger Teilhandlungen erforderlich, die ausreichend ernsthafte Anstrengungen (BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – n.V. Rn. 8) zur Beendigung der Zweckentfremdung darstellen. Letztlich ist es so, dass im Falle des Mieters M. R. erst die tatsächliche Rückgabe der Wohnung die Zweckentfremdung beendet (VG München, U.v. 01.08.2018 – M 9 K 18.1651 – juris Rn. 32).
Keinesfalls ausreichend waren deswegen die Unterlassungsaufforderung und die Kündigung durch die Klägerin. Die Kündigung enthielt noch dazu keinerlei Kündigungsgrund und dürfte deswegen unwirksam sein.
Die Klägerin als Vermieterin hat im Rahmen der effektiven Gefahrenabwehr eine Schlüsselrolle, da nur sie nach erfolgter wirksamer Kündigung des Mietvertrages eine zwangsweise Räumung der Wohnung nach § 885 Abs. 1 ZPO hätte herbeiführen können.
Zuletzt ist eine spezielle Fallkonstellation anzunehmen, welche die Verpflichtung des Eigentümers erlaubt, da Hauptmieter Herr M. R. ist. Schon bei Erlass des Bescheides war das Geschäftskonzept des M. R. der Beklagten bekannt (BayVGH, B.v. 20.09.16 – 12 CS 16.1401 – n. V.). Teil des Geschäftskonzepts des M. R. ist es, einen Zugriff zu verzögern bzw. zu erschweren. Insoweit ist die Fallkonstellation vergleichbar mit wechselnden oder unklaren Nutzungsverhältnissen die eine Verpflichtung des Eigentümers ermöglichen. Auch in diesem Verfahren trat kurz vor der mündlichen Verhandlung die GmbH, handelnd durch M. R., noch als Untermieterin oder Mieterin auf, obwohl ein Wechsel der Nutzungsverhältnisse nicht bekannt ist. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch Nachweise dafür vorgelegt, dass sie einen Mietvertrag mit der GmbH geschlossen hat.
bb) Zumindest ist die Klägerin auch Zustandsstörerin nach Art. 9 Abs. 2 LStVG.
Macht das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder der Zustand einer anderen Sache Maßnahmen nach dem LStVG notwendig, so sind diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Diese Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer gerichtet werden; das gilt nicht, wenn der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese gegen den Willen des Eigentümers oder sonst dinglich Verfügungsberechtigten ausübt (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 LStVG).
Die Klägerin ist vorliegend Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohneinheit. Der Mieter M. R. ist Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Dieser übt die Zweckentfremdung nicht gegen den Willen der Klägerin aus, da die Klägerin trotz Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung und einer Räumungsklage keine ausreichenden Maßnahmen zur Beendigung der Zweckentfremdung unternommen hat. Das Unterlassen einer wirksamen Kündigung kann die Zustandsstörereigenschaft des Eigentümers begründen (vgl. BayVGH, B.v. 05.07.2017 – 12 CS 17.1100 -, n. V. Rn.3).
Auch im Rahmen der Zustandsstörerhaftung müssen die Überlegungen zur vorliegenden speziellen Konstellation im Rahmen einer wertenden Betrachtung mit dem Ziel einer effektiven Gefahrenabwehr Berücksichtigung finden.
cc) Die Inanspruchnahme der Klägerin als Störerin steht nicht entgegen, dass ihr erforderliche Maßnahmen zur Beendigung des Nutzungskonzepts ihres Mieters M. R. nicht zumutbar sind. Der Klägerin war bei Bescheiderlass die wirksame außerordentliche Kündigung des Mietvertrages und prozessuale Durchsetzung mittels Räumungsklage zumutbar und ihre Inanspruchnahme nicht ermessensfehlerhaft. Bei Bescheiderlass bestand wegen der unbefugten gewerblichen Untervermietung an Medizintouristen ein Kündigungsgrund der Wohnraummiete nach §§ 543 Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB, welche zur sofortigen Kündigung berechtigt. Eine nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB ggf. erforderlich erfolglose Abmahnung war durch die Klägerin am 24. Mai 2014 (Bl. 56 d. BA) noch erfolgt. Danach blieb sie untätig und duldete später auch die Nutzung durch die GmbH, für die der vormalige Mieter M. R. auftrat, obwohl die Insolvenzverwalterin dessen Mietvertrag gekündigt hatte.
Eine Untervermietung der Wohnung an Touristen ist regelmäßig selbst dann unzulässig, wenn dem Mieter eine Untervermietung grundsätzlich erlaubt ist. Denn die Überlassung der Wohnung an Touristen (oder einen vergleichbaren Personenkreis) unterscheidet sich von einer gewöhnlichen – auf gewisse Dauer angelegten – Untervermietung, weshalb die Untervermietung an Touristen grundsätzlich nicht von einer gewöhnlichen Erlaubnis zur Untervermietung umfasst ist. Erst recht gilt dies, wenn die Wohnung nicht nur zum Teil sondern vollständig überlassen wird. Eine solche Überlassung der Mieträume an Dritte stellt einen derart schwerwiegenden Pflichtverstoß dar, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist (vgl. BGH, U. v. 08.01.2014 – VIII ZR 210/13 – juris; LG Berlin, B. v. 18.11.2014, 67 S 316/14, juris; LG Berlin, B. v. 03.02 2015, 67 T 29/15, juris; AG München, U. v. 19.11.2015 – 432 C 8687/15 -, juris).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus dem Urteil des Landgericht Münchens vom 08. Februar 2016 (LG München I, U.v. 08.02.2016 – 1 S 21019/14 -, juris) nicht, dass die Zivilgerichte die Zweckentfremdung nach der Zweckentfremdungssatzung anders auslegen. Das Landgericht legte im dortigen Verfahren die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft aus. Im Rahmen dieser Auslegung kam das Landgericht zum Ergebnis, dass die Regelungen der Zweckentfremdungssatzung nicht Teil der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung waren (LG München I, U.v. 08.02.2016 – 1 S 21019/14 -, juris, Rn. 75). Eine Auslegung der Zweckentfremdungssatzung erfolgte nicht. Im BGH, U.v.. 15.01.2010 – V ZR72/09 -, juris, wurde der Begriff der Wohnung nach § 1 Abs. 2 WEG ausgelegt, sodass auch hier keine Auslegung der Zweckentfremdung nach ZwEWG und ZES erfolgte.
Im Hinblick auf die guten Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Klage, war es nicht ermessenfehlerhaft der Klägerin ein verbleibendes Prozessrisiko bei einem Streitwert in Höhe der Jahresmiete zuzumuten.
dd) Die Beklagte hat im Bescheid die maßgeblichen Gründe zur Störerauswahl dargelegt und die Inanspruchnahme der Klägerin neben dem Mieter M. R. entscheidend und zutreffend damit begründet, dass es dieser am schnellsten möglich ist die zweckfremde Überlassung zu beenden.
Einen generellen Grundsatz, dass ein Handlungsstörer vor einem Zustandsstörer in Anspruch genommen werden muss gibt es nicht. Maßgeblich ist immer der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr. Dass die Beklagte im Bescheid die Klägerin nur als Zustandsstörerin angesehen hat, kann ihre Auswahl deswegen nicht ermessensfehlerhaft machen. Das Argument der Schnelligkeit der Beendigung rechtfertigt beide als Störer in Anspruch zu nehmen.
d) Die Anordnungen unter Ziffer 1. und 2. sind insgesamt ermessenfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO) und verhältnismäßig.
Auch Ziffer 2. ist verhältnismäßig. An der Erforderlichkeit der Anordnung unter Ziffer 2. des Bescheides, die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, bestehen entgegen der Ansicht der Klägerin keine Bedenken. Es handelt sich um eine zu Ziffer 1. hinzu notwendige Anordnung, da nur so die Wohnung wieder dem Wohnungsmarkt zu Verfügung steht. Die Beendigung der Fremdenbeherbergung alleine ist hierfür noch nicht ausreichend. Die Anordnung ist nicht nur wiederholend.
2. Die Zwangsgeldandrohungen unter Ziffer 3. und 4. des Bescheides sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage ist Art. 18 f., 31, 36 VwZVG. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Sie ist ermessenfehlerfrei und verhältnismäßig. Die angedrohte Höhe von jeweils EUR 1.000 bewegt sich im eher niedrigen Beriech und berücksichtigt damit angemessen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben von der Zweckentfremdung wirtschaftlich nicht zusätzlich zum Mietvertrag mit M. R. profitiert hat. Die EUR 150 für jede zusätzliche Person hat sich nach eigener Angabe nie erhalten.
Ein Vollstreckungshindernis, das daraus resultieren könnte, dass die Klägerin infolge privatrechtlicher Bindungen aus dem Mietvertrag rechtlich nicht in der Lage ist, die zweckfremde Nutzung unverzüglich einzustellen, ist durch eine entsprechende öffentlich-rechtliche Anordnung gegenüber den Mieter M. R. beseitigt (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2016 – 9 CS 15.1973 – juris). Des Weiteren ist es der Klägerin gerade möglich den Mietvertrag durch außerordentliche Kündigung sofort zu beenden.
Die Frist von drei Monaten zur Beendigung der Zweckentfremdung und von vier Monaten zur Zuführung zur Wohnzwecken ist angemessen, da die Klägerin seit der erstmaligen Kenntnis von der Zweckentfremdung bereits ausreichend Zeit hatte für ernsthafte Bemühungen zur Beendigung des Nutzungskonzepts des M. R. Darüber hinaus hätte nach Beginn ernsthafter Bemühungen der Klägerin die Beklagte die Frist nach Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG verlängern können. Hätte eine ernsthaft betriebene Räumungsklage nicht innerhalb der drei Monate zum Erfolg geführt, hätte dies somit im Rahmen der Fristverlängerung berücksichtigt werden können. Die Frist der Zwangsgeldandrohung muss eher kurz bemessen werden um ihre Funktion zur Anhaltung zur Rechtstreue gerecht zu werden (Deusch/ Burr in BeckOK VwVfG, 44. Ed. 1.7.2019, VwVG § 13 Rn. 1).
Die Zwangsgeldandrohung ist nicht zu unbestimmt, dadurch dass sie keine Vorgaben zu Art der Beendigung der Zweckentfremdung macht. Selbst die Anordnung der Beendigung ist hinreichend bestimmt nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, wenn die Art der Beendigung nicht näher vorgeschrieben wird (BayVGH, B.v. 08.05.2017 – 12 ZB 17.751 – n.V. Rn. 12). Erst recht muss deswegen die Zwangsgeldandrohung keine Vorgaben zur Art der Beendigung enthalten, da diese nur der Durchsetzung der Beendigungsanordnung dient.
3. Die Kostenfestsetzung in Ziffer 6. im Bescheid ist rechtmäßig. Sie beruht auf Art. 20 Abs. 1 KG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG i. V. m. der Kostensatzung und dem Kostenverzeichnis der Beklagten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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