Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verkehrsunfall, Regulierung, Schadensfall, Mietwagenkosten, Mahnung

Aktenzeichen  2 T 3755/19

Datum:
5.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52112
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 286 Abs. 4, § 425, § 164 Abs. 3
VVG § 14 Abs. 1, § 28

 

Leitsatz

Verfahrensgang

330 C 820/19 2019-06-04 Bes AGFUERTH AG Fürth

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 04.06.2019, Az. 330 C 820/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.288,45 € festgesetzt.

Gründe

A.
Der Kläger hat mit den Beklagten am 23.05.2019 zugestellter Klage vom 15.05.2019 beantragt, die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 11.03.2019 in Höhe von 4.752,54 € zu verurteilen. Der Klägervertreter erklärte nach Regulierung der Beklagten zu 2 mit Telefax vom 24.05.2019 den Rechtsstreit für erledigt. Mit Schriftsatz vom 26.05.2019 stimmte der Beklagtenvertreter der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu.
Mit Beschluss vom 04.06.2019 erlegte das Amtsgericht den Beklagten die Tragung sämtlicher Kosten des Rechtsstreits auf. Die Beklagte zu 2 habe vorgerichtlich nur einmal reagiert und um Geduld gebeten. Die Klage sei deshalb nicht verfrüht gewesen.
Gegen diesen, ihnen am 06.06.2019 zugestellten Beschluss wenden sich die Beklagten mit sofortiger Beschwerde vom 07.06.2019, eingegangen beim Amtsgericht per bEA am selben Tag.
Mit näher begründetem Beschluss vom 14.06.2019 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.
B.
I. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach §§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 ZPO).
Da der angefochtene Beschluss vom Einzelrichter erlassen wurde, entscheidet nach § 568 S. 1 ZPO das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
II. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass den Beklagten vollständig die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind.
1. Bei einer übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits ist über die Kosten des erledigten Teils gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei entspricht es in der Regel billigem Ermessen, die Kosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die bei einem streitigen Fortgang des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre und die Kosten nach den §§ 91 ff. ZPO zu tragen gehabt hätte (OLG München, Beschluss vom 05. Juli 2016 – 10 W 890/16, SVR 2016, 470; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100).
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ist auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen, d.h. ob der Beklagte dem Kläger Veranlassung für die Klage gegeben hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 – I-1 U 97/16, VersR 2017, 1100; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05. Dezember 2016 – 4 W 19/16, NJW-RR 2017, 697; OLG Dresden, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 W 1310/14, juris). So ist anerkannt, dass für den Fall, dass sich der Beklagte nach Klageerhebung und vor dem ersten Termin durch vorbehaltlose und kommentarlose Ausgleichung der Klageforderung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, er nach Erledigungserklärung die volle Kostenbelastung zu tragen hat, auch wenn keine Erklärung, die Kosten des Rechtsstreits übernehmen zu wollen abgegeben wird (BGH, Beschluss vom 30.02.2011 – VI ZR 305/10; BGH, Beschluss vom 27.07.2010 – VI ZR 154/08, BeckRS 2010, 20021; OLG Frankfurt MDR 1996, 426). Im Streitfall haben sich die Beklagten allerdings gegen die Übernahme der Kostenlast ausgesprochen.
Klageveranlassung wiederum wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH ZIP 2007, 95). Der Kläger hat also anzunehmen, ohne Anrufung des Gerichts sein Klageziel nicht erreichen zu können (BGH NJW-RR 2006, 773, 775; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 74). Für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, kommt es demnach auf sein Verhalten vor dem Prozess an (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696). Anlass zur Klage wird regelmäßig dann gegeben, wenn zur Erfüllung innerhalb einer angemessenen Frist aufgefordert worden ist und keine Leistung erfolgt, obwohl dies der materiell-rechtlichen Pflicht entsprochen hätte (OLG Naumburg NJOZ 2011, 1937; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 06716); dies setzt bei Geldschulden Verzug voraus (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG München BeckRS 2003, 04240). Die objektiven Voraussetzungen des Verzuges implizieren also die Klageveranlassung (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 93 Rn. 28). Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die Grundlage des Verzugs bildende Fälligkeit der Schadensersatzforderung nicht erst durch eine (erste) Zahlungsaufforderung bewirkt wird (so aber falsch OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.02.2018 – 22 W 2/18, juris Rn. 12), sondern die Fälligkeit bereits im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung, d.h. des Unfalls eintritt (im Einzelnen dazu BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – VI ZB 22/08, BGHZ 178, 338).
In diesem Zusammenhang ist allerdings anerkannt, dass einem Haftpflichtversicherer auch in einfach gelagerten Fällen eine angemessene Überprüfungszeit zur Klärung des Haftungsgrundes sowie der Schadenshöhe zuzugestehen ist. Diese Prüfungszeit wird zum Teil aus der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 VVG hergeleitet (OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386; KG VersR 2009, 1262; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 14 Rn. 4), zum Teil aus § 286 Abs. 4 BGB, wonach es während der Prüfungsfrist an einem schuldhaften Verzugseintritt fehlt (so z.B. OLG Stuttgart VersR 2010, 1074; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928). Die Länge der Prüffrist ist dabei von der Lage des Einzelfalls abhängig (h.M. z.B. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232). Im Einzelnen werden in der Rechtsprechung Regulierungsfristen im Bereich von 2 Wochen bis 2 Monaten als angemessen betrachtet (vgl. z.B. die Nachweise bei OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18, VersR 2018, 928; OLG München, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 10 W 1789/10, NJW-RR 2011, 386). Die Kammer ist der Ansicht, dass in der Regel bei einem durchschnittlichen Schadensfall ohne besondere Schwierigkeiten und Besonderheiten einem Haftpflichtversicherer eine Regulierung jedenfalls spätestens binnen 4 Wochen (bei 20 Arbeitstagen) möglich sein muss (Kammerbeschl. v. 13.05.2019 – 2 T 7/19).
Maßgeblich für den Fristbeginn ist dabei der Zugang eines ersten spezifizierten Anspruchsschreibens (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25. September 2017 – 4 W 18/17, VersR 2018, 696; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2015 – I-11 W 47/15, Schaden-Praxis 2016, 232; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 2012 – I-24 W 69/11, NZV 2013, 42; OLG Rostock MDR 2001, 935). Eine unbezifferte Aufforderung kann den Beginn der Prüffrist nicht auslösen ((Kammerbeschl. v. 13.05.2019 – 2 T 7/19).
2. Gemessen am Vorstehenden ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die Beklagten Anlass zur Klageerhebung gegeben haben.
a) Die zeitlichen Abläufe stellen sich dabei im Streitfall wie folgt dar:
– 11.03.2019: Verkehrsunfall
– 27.03.2019: Schreiben der Klägervertreterin an die Beklagte zu 2 (Anlage K 4a) – Bezifferte Schadensaufstellung mit Zahlungsaufforderung zum 09.04.2019
– 02.04.2019: Schreiben der Klägervertreterin an die Beklagte zu 2 (Anlage K 5) – Erweiterung bzw. Korrektur von Schadenspositionen unter Wiederholung der Zahlungsfrist 09.04.2019
– 03.04.2019: Schreiben der Beklagten zu 2 mit der Bitte um Geduld (liegt der Akte nicht bei)
– 17.04.2019: Schreiben der Klägervertreterin an die Beklagte zu 2 (liegt der Akte nicht bei) – Mahnung und Nachfristsetzung bis 24.04.2019
– 15.05.2019: Klageeingang bei Gericht
17.05.2019: Abrechnung/Regulierung der Beklagten zu 2 (Anlage B 2)
b) Bei dieser Ausgangslage befanden sich die Beklagten mit der Regulierung vorgerichtlich in Verzug, so dass Klageveranlassung gegeben war.
(1) Der Beginn der Prüffrist ist jedenfalls auf den 03.04.2019 zu datieren. Mit auf den 02.04.2019 datiertem Schreiben der Klägervertreterin wurde der Schaden abschließend spezifiziert beziffert; die Positionen Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale waren bereits mit Schreiben vom 27.04.2019 verbindlich mitgeteilt worden. Die in beiden Schreiben bis zum 09.04.2019 gesetzte Zahlungsfrist war auf der Grundlage von neun bzw. fünf Arbeitstagen allerdings ersichtlich zu kurz bemessen. Im Streitfall besteht keine Veranlassung, von der Regelprüffrist von 4 Wochen bzw. 20 Arbeitstagen abzuweichen: Es handelte sich um einen einfachen Unfallhergang bei wenig komplexer Haftungslage. Auch zur Schadenshöhe ergaben sich keine relevanten Probleme. Insbesondere wurde unter Vorlage einer Werkstattrechnung nach den tatsächlichen Reparaturkosten abgerechnet, so dass nach st. Rspr. des BGH (BGH VersR 1975, 184) und auch der Kammer der tatsächliche Rechnungsbetrag im Grundsatz den Maßstab für die objektiv erforderlichen Reparaturkosten setzt. Die „Unklarheiten“ wegen ggf. doppelter Abrechnung von Nutzungsausfall und Mietwagenkosten hätten sich ohne Weiteres zügig durch Nachfrage beim Kläger und/oder der Mietwagenfirma klären lassen.
Unter Berücksichtigung von Osterfeiertagen und dem arbeitsfreien „1. Mai“ liefen die 20 Tage am 03.05.2019 ab. Damit war zwar auch die mit Schreiben der Klägervertreterin an die Beklagte zu 2 vom 17.04.2019 erneute Mahnung und Nachfristsetzung bis 24.04.2019 nicht ausreichend bemessen. Klage wurde jedoch erst am 15.05.2019 erhoben, also eineinhalb Wochen nach Ablauf der angemessenen Prüffrist. Das Schreiben der Beklagten zu 2 vom 03.04.2019 mit der Bitte um Geduld vermochte den Verzugseintritt zum 04.05.2019 nicht zu beeinflussen.
(2) Der Hinweis der Beklagten, der Kläger habe keine „Belege zur Verursachung“ eingereicht verfängt nicht. Das Amtsgericht weist zutreffend darauf hin, dass nichts dazu vorgetragen ist, dass seitens der Beklagten insoweit überhaupt eine Aufforderung an den Kläger gestellt worden wäre. Auch dass möglicherweise der Beklagte zu 1 als Versicherungsnehmer der Beklagten zu 2 diese nicht zeitnah informiert hat, könnte eine verspätete Regulierung nicht rechtfertigen. Während dem Geschädigten jeglicher Einfluss auf diesen Informationsweg versagt ist, hat es der Haftpflichtversicherer in der Hand, seinem Auskunftsverlangen, das seinem Versicherungsnehmer gegenüber als Obliegenheit mit entsprechenden Möglichkeiten zur Leistungskürzung ausgestaltet ist (AKB E.1.1.1, E..1.1.3 i.V.m. § 28 VVG bzw. AKB E.2.1), entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Diese Ausgestaltung der Informationswege zeigt, dass das Risiko einer verspäteten, unzureichenden oder gar völlig ausfallenden Information des Versicherers durch seinen eigenen Versicherungsnehmer nicht dem Geschädigten, sondern eben dem Versicherer zugewiesen ist (Kammerbeschl. v. 13.05.2019 – 2 T 7/19).
Auch soweit die Beklagten sich darauf zu berufen scheinen, dass erstmals am 01.04.2019 eine Vollmacht der Klägervertreterin vorgelegt worden sei, geht dies ins Leere: Zum hier zugrunde gelegten Fristbeginn am 03.04.2019 war eine ausreichende Bevollmächtigung jedenfalls nachgewiesen.
(3) Soweit schließlich angedeutet wird, dass nur gegenüber der Beklagten zu 2, nicht aber gegenüber dem Beklagten zu 1 der Schaden geltend gemacht worden sei, ist dies rechtlich irrelevant:
Liegen – wie anzunehmen – dem Haftpflichtversicherungsvertrag des Geschädigten die AKB zugrunde, gerät über A.1.1.4 AKB 2015 (§ 10 Abs. 5 AKB a. F.), wonach der Haftpflichtversicherer bevollmächtigt ist, alle zur Erfüllung oder Abwehr gegen den Versicherten (Schädiger) geltend gemachten Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben, auch der Schädiger selbst in Verzug (§ 164 Abs. 3 BGB; Stiefel/Maier/Rogler, 19. Aufl. 2017, BGB § 288 Rn. 4). Ihrer Aufgabe entsprechend ist die Vollmacht über ihren Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass der Haftpflichtversicherer in Bezug auf die Schadensregulierung nicht nur für die Abgabe, sondern auch zur Entgegennahme rechtsverbindlicher Erklärungen (so BGH VersR 1973, 711) und rechtsgeschäftsähnlicher Erklärungen wie Mahnungen und Fristsetzungen bevollmächtigt ist. Die Bestimmung des § 425 BGB steht dem nicht entgegen, da sich aufgrund A.1.1.4 AKB 2015 insofern ein anderes ergibt (OLG Saarbrücken BeckRS 2015, 08438; OLG Nürnberg NJW 1974, 1950).
III. Nach alledem befanden sich beide Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits in Verzug, so dass Anlass zur Klageerhebung bestand. Auf das Kostenprivileg des § 93 ZPO können sich die Beklagten deshalb nicht berufen. Die sofortige Beschwerde der Beklagten war somit zurückzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens war entsprechend der beim konkreten Prozessausgang zu erwartenden Kostenlast festzusetzen. Ausgehend von drei Gerichtsgebühren (eine Reduzierung nach Nr. 1211 Ziff. 4 KV-GKG findet nicht statt) zuzüglich jeweils 2,5 Anwaltsgebühren (inklusive Auslagen und Steuer) für beide Parteivertreter aus einem Wert von 4.752,54 € ergibt sich ein Kostenbetrag von 2.288,45 €, den die sofortige Beschwerde zu beseitigen versucht(e).


Ähnliche Artikel


Nach oben