Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zweckentfremdung von Wohnraum, Medizintouristen, Zusicherung einer künftigen Verwaltungspraxis, Clausula rebus sic stantibus, Rechtsänderung

Aktenzeichen  12 BV 20.1144

Datum:
28.10.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33345
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZwEWG Art. 1
ZeS. (München) §§ 4, 13
BayVwVfG Art. 38, 43, 55
BayVwZVG Art. 18 ff.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 9 K 19.2401 2020-02-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,- € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Eigentümerin unter anderem der Wohneinheiten 1, 3, 9, 10 und 11 in der L.-Straße X in München. Sie verfolgt im Berufungsverfahren die Aufhebung des zweckentfremdungsrechtlichen Bescheids der Beklagten vom 9. Oktober 2018 weiter, mit dem ihr zwangsgeldbewehrt die Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 für Zwecke der Fremdenbeherbergung untersagt und die Wiederzuführung der Wohneinheit zu Wohnzwecken angeordnet wurde.
1. In einem vorangegangenen Verwaltungsrechtsstreit (Az.: M 9 K 13.3185) zwischen dem vormaligen Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung, Herrn R., und der Beklagten betreffend die zweckentfremdungsrechtliche Zulässigkeit einer Nutzung der Wohneinheit „in Gestalt eines Boardinghauses, sei es im Rahmen einer Einzelvermietung oder im Rahmen einer Globalvermietung über eine Agentur“ fand am 12. November 2014 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter statt. Ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift wies der Berichterstatter darauf hin,
„dass der Rechtsstreit erhebliche Unsicherheiten beinhaltet. Die Frage der Abgrenzung einer gewerblichen Vermietung zu Wohnnutzung im Sinne der Zweckentfremdung ist für den Fall des Boardinghauses nicht endgültig geklärt.“
Daraufhin erklärte nach Erörterung der Sach- und Rechtslage der seinerzeitige Vertreter der Beklagten „zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Nutzung der Einheiten Nr. 1, 2, 3, 9, 10 und 11 des Anwesens L.-Straße X in München:
Die Nutzung der vorgenannten Einheiten in Gestalt eines Boardinghauses im Rahmen der Einzelvermietung oder der Globalvermietung und/oder der Vermietung durch einen Dritten, verstößt dann nicht gegen die Zweckentfremdungssatzung der Beklagten, wenn die Wohnräume so ausgestattet sind, dass dem Mieter ein selbständiges Wohnen möglich ist. D.h. sie müssen auch ohne sonstige Serviceleistungen wie Rezeption, Lobby, täglichen Zimmerservice, Speisen-, Getränke- und sonstigen Raum- oder Hotelservice überlassen werden.
Dies gilt nur, wenn der ununterbrochene Zeitraum der Einzelvermietung drei Monate nicht unterschreitet. Eine Unterschreitung des Dreimonatszeitraums ist dann hinnehmbar, wenn dies durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts bei medizinisch begründeten Fällen erfolgt und die Ausübung des Sonderkündigungsrechts nicht mehr als 10% der Vermietungen, gemittelt auf einen Zeitraum von 36 Monaten, betrifft.“
In der Folge erklärten die Parteien des seinerzeitigen Verfahrens den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt (vgl. VG München B.v. 17.11.2014 – M 9 K 13.3185).
2. Nach dem Erwerb der streitgegenständlichen Wohneinheit schloss die Klägerin am 23. April 2014 mit der A.M. for consulting and management UG (haftungsbeschränkt) einen Gewerbemietvertrag u.a. über die verfahrensgegenständliche Wohneinheit 10 zur gewerblichen Weitervermietung als möblierter Wohnraum mit der Verpflichtung, nur kurzfristige Vermietungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes vorzunehmen und die Umsatzsteuer auszuweisen, damit der Vermieter zum Vorsteuerabzug berechtigt bleibt. Diesen Gewerbemietvertrag mit der A.M. UG kündigte die Klägerin am 16. Oktober 2014 fristlos und führte daraufhin über mehrere Instanzen einen zivilrechtlichen Räumungsrechtsstreit. Die streitgegenständliche Wohneinheit wurde schließlich am 21. Dezember 2017 zwangsgeräumt.
3. Auf Grundlage der im Erörterungstermin im Verfahren M 9 K 13.3185 getroffenen „Zusage“ forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juli 2016 von der Klägerin die Vorlage entsprechender Mietverträge ab dem 1. Januar 2015 zur Prüfung der Einhaltung von deren Tatbestandsvoraussetzungen. Am 23. Januar 2017 übersandte die A.M. UG der Beklagten per Email eine Aufstellung über die Nutzer der Wohneinheit 10 im Jahr 2015 sowie mehrere Mietverträge über die streitgegenständliche Wohneinheit. Danach war diese im Zeitraum vom 14. Januar bis 14. März 2016 von Herrn Al Hafouf, im Zeitraum vom 1. April 2016 bis 22. Mai 2016 von Herrn Al Mansouri und ab 1. November 2016 von Herrn Al Hosani bewohnt. Verschiedentlich durchgeführte Ortseinsichten von Bediensteten der Beklagten blieben ohne Ergebnis. Weitere Übersichten über Mietverhältnisse im Jahr 2017 wurden nicht vorgelegt.
4. Nach der Zwangsräumung u.a. der streitgegenständlichen Wohneinheit schloss die Klägerin am 21. Dezember 2017 wiederum einen Gewerbemietvertrag mit der A. GmbH u.a. über die Wohnungen 1, 3, 9, 10 und 11 des Anwesens L.-Straße X. Danach sollten die genannten Wohneinheiten als möblierter Wohnraum zur kurzzeitigen Vermietung genutzt werden. Die Beachtung und Einhaltung der Vorgaben der „Zusage“ der Beklagten im Verfahren M 9 K 13.3185 wurde dabei ausdrücklich in den Mietvertrag aufgenommen. Ferner verpflichtete sich die A. GmbH der Klägerin jährlich spätestens bis zum 15. Januar des Folgejahres eine Auflistung über die Vermietungen unaufgefordert vorzulegen, damit diese die Voraussetzungen der „Zusage“ selbst überprüfen konnte. Schließlich sicherte die A. GmbH der Klägerin als Vermieterin ausdrücklich zu, dass 95% des Mietgegenstands zur Generierung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze verwendet werde. Am 14. September 2018 kündigte die A. GmbH den Mietvertrag mit der Klägerin wegen anhaltender zweckentfremdungsrechtlicher Maßnahmen der Beklagten trotz Einhaltung der gerichtlichen „Vereinbarung“. Die Kündigung wurde in der Folgezeit jedoch nicht umgesetzt. Vielmehr wurde am 18. bzw. 24. Oktober 2018 vereinbart, dass vorübergehend bis zur Klärung der zweckentfremdungsrechtlichen Rechtsstreitigkeit keine Vermietung an Personen erfolgen dürfe, die sich zur medizinischen Behandlung in München aufhalten.
5. Mit Schreiben vom 13. August 2018 teilte die Klägerin der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohneinheit mit, dass in dieser nach der Zwangsräumung zunächst Entsorgungs- und Reparaturarbeiten stattgefunden hätten. Vom 11. Januar 2018 bis 13. Juni 2018 sei die Wohnung an Herrn M1. A1. und ab 17. Juni 2018 an Herrn M2. A2. vermietet worden. Die von der Beklagten eingeholte AZR-Auskunft ergab, dass Herrn A1. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zum Zwecke einer medizinischen Behandlung für den Zeitraum vom 27. Februar bis 20. Juli 2018 erteilt worden war.
6. Nachdem die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Untersagung der Zweckentfremdung von Wohnraum angehört und zwei weitere Ortseinsichten keine Ergebnisse gezeitigt hatten, verpflichtete die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 9. Oktober 2018 die Klägerin, die Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.) sowie den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung der Überlassung für Zwecke der Fremdenbeherbergung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2.). Für den Fall, dass der Anordnung unter Ziffer 1. nicht binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- € angedroht (Ziffer 3.). Ebenfalls ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- € wurde für den Fall angedroht, dass der Anordnung in Ziffer 2. nicht binnen drei Monaten ab Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde (Ziffer 4.). Die Wohneinheit Nr. 10 sei seit mindestens Januar 2015 wiederholt und regelmäßig zur Weitervermietung an Personen, die sich lediglich vorübergehend zum Zwecke einer medizinischen Behandlung in München aufhielten, überlassen worden. Hierin liege eine Zweckentfremdung im Sinne von Art. 1 Satz 1 Nr. 3 ZwEWG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS. Eine reguläre Wohnnutzung sei nicht gegeben. Die Nutzer verfügten ausschließlich über befristete Visa. Die Auffassung der Klägerin, die praktizierte Nutzung der Wohnung stehe in Einklang mit der gerichtlichen „Vereinbarung“ von 2014 werde durch die Feststellung einer kurzen Aufenthaltsdauer der jeweiligen Untermieter wiederlegt. Ausweislich der Auflistung der A.M. UG sei die „Vereinbarung“ bereits 2016 nicht eingehalten worden, da der Wohnraum jeweils nur kurzfristig überlassen worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin sowohl mit der A.M. UG wie auch mit der A. GmbH Gewerbemietverträge zum Zwecke der kurzzeitigen gewerblichen Weitervermietung als möblierter Wohnraum abgeschlossen.
7. Eine weitere Ortseinsicht nach Erlass des zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheids blieb am 20. November 2018 ergebnislos. Bei der nächsten Begehung am 26. November 2018 erwies sich die Wohneinheit Nr. 10 augenscheinlich als aktuell unbewohnt; in der Wohnung fanden sich Farbeimer und Materialien für Renovierungsarbeiten. Nach einer weiteren erfolglosen Ortsbesichtigung am 22. Februar 2019 war bei der Ortseinsicht am 8. März 2019 die Wohnungstür der Wohneinheit Nr. 10 mit dem Namen „Jendli“ beschriftet. In der Wohnung, die nach den Angaben der Mitarbeiter der Beklagten einen abgeschmuddelten Eindruck vermittelte und aus der es übel roch, wurde der tunesische Staatsangehörige Mourad Mestiri angetroffen, der seit 19. Dezember 2014 über eine Niederlassungserlaubnis verfügte und der angab, sich vor kurzem von seiner Frau getrennt zu haben. Die Wohnung habe er seit einem Monat angemietet; als Miete entrichte er einen Betrag von 1.400,- € in bar. Der Mietvertrag sei „noch nicht fertig“. Eine Abfrage im Melderegister durch die Beklagte ergab, dass der tunesische Staatsangehörige Noureddine Jendli seit 22. Oktober 2018 als in der Wohnung Nr. 10 wohnhaft gemeldet war; Herr M3. war noch unter seiner vorherigen Münchener Wohnanschrift erfasst. In der Akte der Beklagten findet sich ferner eine Wohnungsgeberbestätigung der A. GmbH für Herrn J1. vom 25. Oktober 2018.
Mit weiterem Bescheid vom 1. April 2019 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin das angedrohte Zwangsgeld von 10.000,- € fällig und drohte der Klägerin erneut ein Zwangsgeld in Höhe von nunmehr 20.000,- € für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung der zweckentfremdungsrechtlichen Grundverfügung an. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Berufungsverfahren 12 BV 20.1148.
Am 19. April 2019 traf die Klägerin mit der A. GmbH eine „Vereinbarung Nr. 2“, wonach die Vermietung u.a. der streitgegenständlichen Wohneinheit Nr. 10 nunmehr durch die Klägerin erfolge und die Wohneinheit aus dem bestehenden Gewerbemietvertrag „herausgenommen“ wurde. Mit Schreiben vom 12. Juli 2019 legte die A. GmbH dem Verwaltungsgericht München den Mietvertrag mit Herrn J1. vom 22. Oktober 2018 vor und trug vor, Herr J1. habe die Wohnung an Herrn M3. untervermietet. Der Mietvertrag sei aufgrund der Befunde bei der Ortseinsicht der Beklagten am 8. März 2019 fristlos gekündigt worden. Bei der letzten in der Verwaltungsakte dokumentierten Ortseinsicht am 17. Januar 2020 war die Wohnungstür der Wohneinheit Nr. 10 mit dem Namen N. J. beschriftet. Nach Angaben der Klägerin hat sie die Wohneinheit Nr. 10 seit 1. August 2019 an Herrn J2. vermietet.
8. Die gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2018 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Februar 2020 als unbegründet ab.
Rechtsgrundlage für die Untersagung der Nutzung der Wohnung Nr. 10 zum Zwecke der Fremdenbeherbergung bilde Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) in Verbindung mit § 13 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 11.12.2017 (ZeS). Bei der vorliegend streitgegenständlichen Wohnung Nr. 10 handele es sich um Wohnraum im Sinne von § 3 ZeS. Die Wohnung sei ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen Bauvorlagen als Wohnraum genehmigt und bis zur „Nutzungsänderung als Boardinghouse“ auch als solche genutzt worden. Der zweckentfremdungsrechtliche Tatbestand des Art. 1 Satz 2 Nr. 1 ZwEWG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS sei in Form der Fremdenbeherbergung erfüllt.
8.1 Die Nutzung der Wohnung Nr. 10 als „Boardinghouse“ sei nicht nach der in der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. November 2014 im Verfahren M 9 K 13.3185 enthaltenen Regelung zulässig, da die Beklagte nicht mehr an ihre getroffene Zusage gebunden sei, nachdem die tatsächliche Nutzung der Wohnung Nr. 10 über mehrere Jahre hinweg nicht der vereinbarten Nutzungsweise entsprochen habe.
Bei der Erklärung der Beklagten im Verfahren M 9 K 13.3185 handle es sich um eine schriftliche Zusage, mit der sich die zuständige Behörde einseitig zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen selbst verpflichtet habe. Anders als bei einer Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, die einen Unterfall der allgemeinen Zusage darstelle, beziehe sich die Zusage hier nicht auf den Erlass bzw. den Nichterlass eines Verwaltungsakts. Vielmehr habe die Beklagte lediglich erklärt, dass die in der Zusage beschriebene Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 keine Zweckentfremdung darstelle. Demzufolge liege auch kein sog. Negativattest im Sinne von § 10 ZeS in der seinerzeitigen Fassung vom 2. Januar 2009 vor bzw. beinhalte die „Vereinbarung“ auch keine Zusicherung der Erteilung eines Negativattests.
Allgemeine Zusagen wie die vorliegend streitgegenständliche würden regelmäßig aufgrund ihres verwaltungsaktähnlichen Regelungsgehalts unter der stillschweigenden Bedingung abgegeben, dass der jeweils andere Teil sich auch daran halte. Lege man die „Zusage“ vom 12. November 2014 entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem Empfängerhorizont aus, ergebe sich, dass die Beklagte ihre „Zusage“ nur unter der Bedingung getroffen habe, dass die tatsächliche Vermietung und Nutzung der jeweiligen Wohneinheiten nicht entgegen der Vereinbarung erfolge. Ziel der Beklagten sei es gewesen, mit der Festlegung eines Drei-Monats-Zeitraums in der „Zusage“ eine dauerhafte und wohnähnliche Nutzung der Wohneinheiten zu erreichen.
Im Jahr 2016 hätten alle Mietverhältnisse, für die die damalige Mieterin Nachweise vorgelegt hätte, weniger als drei Monate angedauert. Für die Jahre 2015 und 2017 seien keinerlei Nachweise über die jeweiligen Mietverhältnisse vorgelegt worden. Die Ausübung von Sonderkündigungsrechten sei für keines der Mietverhältnisse belegt worden. Für das Jahr 2018 hätten zunächst weder die Klägerin noch die A. GmbH lückenlose und nachprüfbare Nachweise über die Mietverhältnisse und ihre Dauer vorgelegt. Die im weiteren Verlauf durch den Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Mietverträge bestätigten, dass im Jahr 2018 nur eine kurzzeitige Vermietung an Personen erfolgt sei, die die Wohnung zu einem vorübergehenden Zweck genutzt hätten. Dem Vortrag der Klägerin, es seien zunächst stets unbefristete und erst nach einem Zeitraum von mehr als drei Monaten durch Mietaufhebungsvereinbarungen wieder beendete Mietverträge abgeschlossen worden, sei entgegenzuhalten, dass es nicht der Lebenswirklichkeit entspreche, dass Mieter zunächst unbefristete Mietverträge abschlössen und dies nach drei oder vier Monaten wieder aufhöben, wenn sie tatsächlich auf Dauer in München wohnen wollten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass diese Konstruktion gewählt worden sei, um das Geschäftsmodell der Fremdenbeherbergung durch ein flexibles und zeitlich hotelähnliches Konzept fortzuführen. Weitere Anhaltspunkte für eine entsprechende „Verschleierung“ lägen darin, dass der Mietvertrag und der Mietaufhebungsvertrag regelmäßig von unterschiedlichen Personen unterschrieben würden und dass die Mieter die Miethöhe regelmäßig als Tagesmiete beziffern würden. Nach Überzeugung des Gerichts erfolge die Vereinbarung einer Monatsmiete in den vorliegenden Mietverträgen daher nur zum Schein. Dauerhafte Mietverträge seien nicht ernstlich gewollt; vielmehr sollten die vertraglichen Mietverhältnisse täglich flexibel beendet werden können. Aufgrund der vorgenannten Tatsachen sei daher davon auszugehen, dass auch im Jahr 2018 die Mietverhältnisse betreffend die Wohnung Nr. 10 nur auf dem Papier länger als drei Monate angedauert hätten.
Weiter erweise es sich als unbeachtlich, wenn die Klägerin vortrage, keinen Einfluss auf die (Unter-)Vermietungen durch die A.M. UG in den Jahren von 2015 bis 2017 besessen zu haben, da die Weitervermietung an Dritte ausdrücklich von der „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 erfasst gewesen sei und es insoweit keiner Zurechnung im Sinne eines Verschuldens bedürfe. Zwar liege der Abschluss des Gewerbemietvertrags mit der A.M. UG vor der gerichtlichen „Vereinbarung“ vom 12. November 2014. Es liege jedoch weder nach Aktenlage noch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ein Nachweis dafür vor, dass die Klägerin im Anschluss an den Erörterungstermin im November 2014 ihre Mieterin, die A.M. UG, über die getroffene „Vereinbarung“ informiert und sie zu deren Einhaltung verpflichtet habe.
Da die Bedingungen der „Zusage“ vom 12. November 2014 von Seiten der Klägerin nicht erfüllt worden seien, erweise sich diese als hinfällig bzw. binde die Beklagte nicht mehr. Offenbleiben könne daher, ob die Beklagte auch entsprechend Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG aufgrund einer geänderten Sachlage nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht mehr an ihre „Zusage“ gebunden sei. Die Bindungswirkung der Zusage sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aufgrund einer Änderung der Rechtslage entfallen, da eine bloße Änderung der Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage bewirke.
8.2 Da die Klägerin ihre Verpflichtung aus der gerichtlichen „Vereinbarung“ vom November 2014 nicht erfüllt habe und die Beklagte demzufolge nicht mehr an die „Vereinbarung“ gebunden gewesen sei, gelte das normale Zweckentfremdungsrecht. Vorliegend stelle die von der Klägerin praktizierte Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung als „Boardinghouse“ eine gewerbliche Nutzung zur Fremdenbeherbergung dar, sodass eine ungenehmigte Zweckentfremdung von Wohnraum vorliege. Fremdenbeherbergung liege immer dann vor, wenn ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes gegeben sei. Dies sei dann anzunehmen, wenn eine Wohnung für die Dauer eines bestimmten Zwecks zu einem vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werde. Maßgeblich sei grundsätzlich nicht die Länge des Aufenthalts, sondern, dass es sich um ein übergangsweises, nicht alltägliches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen für Personen handle, die ihre eigentliche Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Schwierig gestalte sich die Abgrenzung zu einer Wohnnutzung, wenn keine fremdenverkehrstypischen Serviceleistungen angeboten würden und die vollständig eingerichtete Unterkunft über einen längeren Zeitraum genutzt werde, ohne dass der Bewohner seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlagere. Sei, wie im vorliegenden Fall, eine Wohneinheit nach ihrer Ausstattung mit Möbeln, Kochecke, etc. dafür geeignet, dass die Benutzer in den jeweiligen Räumen ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können, komme es für die Abgrenzung maßgeblich auf das zugrundeliegende Nutzungskonzept des Vermieters und sein konkretes Geschäftsmodell im Einzelfall an. Ist das Nutzungskonzept einer bestimmten Wohneinheit erkennbar und nachprüfbar auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt, könne dies indiziell für eine beabsichtigte Wohnnutzung sprechen. Im vorliegenden Fall bilde jedoch bereits der zwischen der Klägerin und der A. GmbH abgeschlossene Gewerbemietvertrag ein starkes Indiz dafür, dass eine kurzfristige Fremdenbeherbergung beabsichtigt sei. Nach dem Vertrag verpflichte sich die A. GmbH den Mietgegenstand zu 95% zu umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen zu verwenden. Demgegenüber erwiesen sich langfristige Vermietungen zu Wohnzwecken nach § 4 Nr. 12 lit. a UStG als umsatzsteuerfrei, während die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden der Umsatzsteuerpflicht unterfällt. Die Grenze zwischen lang- und kurzfristiger Vermietung setze die steuerrechtliche Rechtsprechung bei einer Mietdauer von sechs Monaten an. Daraus lasse sich ableiten, dass aufgrund des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der A. GmbH nur Mietverhältnisse von weniger als sechs Monaten Dauer angestrebt worden seien. Bei einer derartigen Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen einer Wohneinheit als „Boardinghouse“ liege zweckentfremdungsrechtlich keine Wohnnutzung mehr vor. Die Klägerin biete vielmehr nach ihrer eigenen Einlassung, nach Aktenlage und nach dem Ergebnis der verschiedenen Ortseinsichten eine flexible Unterkunft zum vorübergehenden Aufenthalt an und keine Wohnung im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit.
8.3 Die Klägerin habe weiterhin ihr Nutzungskonzept bis heute nicht auf Dauer geändert und wolle auch in Zukunft laut Aussage ihrer Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich daran festhalten, die streitgegenständlichen Wohneinheiten an Medizintouristen zu vermieten. Die derzeitige Vermietung an Studenten und sonstige Mieter erfolge nur vorübergehend bis zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sowie zur Vermeidung weiterer Zwangsgelder. Weiter erweise sich eine Nutzungsänderung nach Bescheiderlass für die Beurteilung des zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheids als unbeachtlich, da maßgeblicher Bezugspunkt das Nutzungskonzept zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bilde und der Eintritt der Erledigung bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil der Bescheid immer noch als Rechtsgrundlage für Vollstreckungshandlungen gegen die Klägerin in Betracht komme. Die im zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid begründete Pflicht sei vollstreckungsrechtlich grundsätzlich als Unterlassungsverpflichtung anzusehen – nämlich als Verpflichtung, das verfolgte Nutzungskonzept aufzugeben -, sodass auf der Grundlage des Bescheids nach Art. 37 Abs. 4 Satz 2 BayVwZVG weiterhin die Fälligstellung und Einziehung von Zwangsgeldern in Betracht komme. Die vertraglichen Änderungen zwischen der Klägerin und der A. GmbH vom 18. und 24. Oktober 2018 und 19. April 2019 seien deswegen für die Anfechtungsklage gegen den Grundbescheid vom 9. Oktober 2018 unbeachtlich.
8.4 Die Klägerin sei auch nach Art. 9 Abs. 1 LStVG die richtige Adressatin der Nutzungsuntersagung. Die Beklagte habe der A. GmbH als Mieterin der Wohnung Nr. 10 ebenfalls zweckentfremdungsrechtlich die Nutzung der Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung untersagt und damit sowohl die Klägerin wie auch deren Mieterin als (Mit) Störer in Anspruch genommen. Angesichts dessen, dass ausweislich des Schriftverkehrs die Klägerin und die A. GmbH als Mieterin gemeinsam gehandelt und sich in mehreren Vereinbarungen abgesprochen hätten, bestünde gegen die Inanspruchnahme der A. GmbH und der Klägerin als gemeinsame Störer keine rechtlichen Bedenken. Die Störerauswahl der Beklagten erweise sich mithin als nachvollziehbar, erforderlich, geeignet und ermessensgerecht.
8.5 Auch gegen die Zwangsgeldandrohung, die sich auf Art. 29, 31 und 36 BayVwZVG stütze, bestünden keine rechtlichen Bedenken, sodass die Klage insgesamt abzuweisen gewesen sei.
9. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht ohne nähere Konkretisierung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO „wegen grundsätzlicher Bedeutung“ zugelassene und von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. April 2020 eingelegte Berufung.
9.1 Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Nutzung der Wohnung Nr. 10 nicht nach den Vorgaben der Niederschrift des Erörterungstermins vom 12. November 2014 im Verfahren M 9 K 13.3185 getroffenen Regelung geprüft habe. Bei der „Regelung“ handle es sich nach Auffassung der Klägerin um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, der im Wege einer Vereinbarung zustande gekommen sei. Zwar liege mangels prozessrechtlicher Auswirkungen kein Prozessvergleich vor. Vorliegend seien sich die Parteien jedoch darüber einig gewesen, dass die Auslegung, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen die Nutzung einer Wohnung als Boardinghouse eine Zweckentfremdung darstelle, ungeklärt sei und es für beide Parteien in den streitigen Verfahren offene Erfolgsaussichten gebe. Ferner seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass mit der Regelung eine verbindliche Einigung über die Auslegung der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten geschaffen werden sollte, die zukünftige Streitigkeiten vermeidet und beiden Parteien Rechtssicherheit bietet. Beide Parteien hätten gleichberechtigt auf den Inhalt der Regelung Einfluss genommen und die darin niedergelegten Kriterien ausführlich erörtert. Inhaltlich habe die getroffene Regelung dazu gedient, anstelle des angefochtenen Verwaltungsakts die bestehende Ungewissheit über die Auslegung der Zweckentfremdungsverordnung im Falle der Nutzung einer Wohnung als „Boardinghouse“ durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden. Damit handle es sich bei der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. November 2014 enthaltene Regelung um einen subordinationsrechtlichen Vergleichsvertrag im Sinne von § 55 VwVfG, dessen Schriftform durch die Aufnahme in die Niederschrift eingehalten sei, §§ 57, 62 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit § 127a BGB.
9.2 Selbst, wenn man entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Regelung in der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. November 2014 lediglich als verwaltungsrechtliche Zusicherung auffassen würde, sei die Bindung der Beklagten hieran nicht weggefallen. Die Zusicherung sei in § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG legal definiert. Es handle sich danach um die Zusage einer zuständigen Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder zu unterlassen. Im vorliegenden Fall habe die Zusicherung der Beklagten dazu gedient, „künftige Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Nutzung der Einheiten 1, 2, 3, 9, 10, 11 des Anwesens L.-Straße X“ zu vermeiden, indem eine Nutzung der Wohneinheiten dann nicht als Zweckentfremdung von Wohnraum angesehen worden sei, wenn die Wohnräume so ausgestattet seien, dass ein selbständiges Wohnen möglich sei, die Überlassung ohne bei Beherbergungsbetrieben typische Serviceleistungen erfolge und die Einzelvermietung regelmäßig drei Monate nicht unterschreite. Lägen die genannten Voraussetzungen nicht vor, führe dies nicht dazu, dass die gesamte Zusicherung ipso jure entfalle. Andernfalls würden die Tatbestandsvoraussetzungen der Zusicherung unzulässig zu deren existentieller Bedingung gemacht. Nach der Regelung in § 38 VwVfG entfalle die Bindung einer Behörde an eine abgegebene Zusicherung nur dann, wenn sich die Sach- und Rechtslage ändere. Diese sei indes bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverändert; geändert hätte sich lediglich die rechtliche Auslegung, von der sich die Parteien mit der Regelung vom 12. November 2014 gerade entkoppeln wollten.
9.3 Unter Berücksichtigung der Regelung in der Niederschrift vom 12. November 2014 erweise sich der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2018 als rechtswidrig. Für das Jahr 2018 habe keine Zweckentfremdung der Wohneinheit Nr. 10 vorgelegen, da beide Mieter die Wohnung für mindestens drei Monate bewohnt hätten. Bei den jeweiligen Ortseinsichten seien keine „Kurzzeitnutzer“ angetroffen worden. Sogenannte „Medizintouristen“ seien von der Vereinbarung vom 12. November 2014 nicht ausgenommen worden, wenn sie zumindest für drei Monate die jeweilige Wohneinheit bewohnen würden. Unbegründet sei in diesem Zusammenhang ferner der Vorwurf des Verwaltungsgerichts, die Klägerin bzw. die A. GmbH hätten keinen Abschluss dauerhafter Mietverträge angestrebt. Auch für den Fall, dass die Vermietung nach dem Mietzins tageweise erfolgt sei, liege kein Verstoß gegen die Vereinbarung vom 12. November 2014 vor, die diese Verfahrensweise nicht verbiete. Tatsächlich sei die Miete jedoch monatsweise bzw. bei einem abweichenden Mietbeginn zeitanteilig geleistet worden. Was die Auskunftserteilung für das Jahr 2017 betreffe, sei der Klägerin eine Auskunft über die Nutzung der Wohneinheit Nr. 1 unmöglich, da die Wohnung ab 1. Juli 2017 durch die G. AG illegal in Besitz genommen worden sei und die rämungspflichtige A.M. UG zuvor keine Auskunft über die Nutzung erteilt habe. Auch für die Jahre 2015 und 2016 könne die Klägerin keine Auskünfte über die Nutzung der Wohnung erteilen, da ihr selbst die A.M. UG keine derartige Auskunft erteilt habe. Insoweit gehe die Beklagte im angegriffenen Bescheid selbst davon aus, dass die A.M. UG für die Jahre 2015 und 2016 eine konkrete Nutzeraufstellung übersandt habe. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe die Klägerin die A.M. UG auch über den Inhalt der Vereinbarung vom 12. November 2014 informiert. Die Möglichkeit einer Überprüfung der Regelung hätte allein die Beklagte besessen, die indes zu keinem Zeitpunkt während des illegalen Besitzes durch die A. M. UG bzw. die G. AG hiergegen etwas unternommen hätte.
Auch aus dem von der Klägerin abgeschlossenen Gewerbemietvertrag lasse sich kein Verstoß gegen die Vereinbarung vom 12. November 2014 herleiten. Zwar treffe es zu, dass steuerlich eine kurzfristige, umsatzsteuerbelegte Vermietung in der Regel dann angenommen werde, wenn die Vermietung den Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreite. Vermietungen zwischen drei und sechs Monaten seien der Klägerin nach der Vereinbarung vom 12. November 2014 jedoch explizit erlaubt gewesen. Weiter erweise sich das Vorgehen des Verwaltungsgerichts als unzulässig, soweit dieses aus nach dem Zugang des streitgegenständlichen Bescheids behaupteten Sachverhalten eine Rechtfertigung für den Erlass des Bescheids herleiten möchte. Insoweit werde die einseitige Position des Verwaltungsgerichts, dass um jeden Preiss die Vereinbarung vom 12. November 2014 für unwirksam erklären wolle, sichtbar.
Weiter erweise es sich als unzulässig, der Klägerin vorzuhalten, sie habe ihr Nutzungskonzept nicht dauerhaft geändert, sondern die Änderung nur zum Zwecke der Vermeidung weiterer Zwangsgelder und nur bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vorgenommen. Es müsse dem Betroffenen einer Zwangsgeldandrohung möglich sein, den sofort vollziehbaren Handlungen nachzukommen, um im Fall der rechtskräftigen Aufhebung des Bescheids zum zulässigen Verhalten zurückzukehren.
Die Klägerin beantragt daher,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12.2.2020, Az. M 9 K 19.2401, wird der Bescheid der Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, Wohnraumerhalt, Bestandssicherung, vom 09.10.2018, Betreff: Wohnraum L.-Straße X – Whg. 10, M. Az: S-III-W/BS 116-Med, aufgehoben.
10. Demgegenüber beantragt die Beklagte,
die Berufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts München sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und daher aufrechtzuerhalten.
10.1 Zur Begründung wird vorgetragen, dass die in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2014 von der Beklagten abgegebene allgemeine Zusage diese deshalb nicht mehr binde, weil die tatsächliche Nutzung der betreffenden Wohnungen über Jahre hinweg nicht den in der Zusage aufgeführten Voraussetzungen entsprochen habe. Die Zusage sei unter der stillschweigenden Bedingung abgegeben worden, dass die Gegenpartei sich an deren Voraussetzungen halte. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege weder ein Vergleichsvertrag im Sinne von § 55 VwVfG noch eine Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vor.
10.2 Der streitgegenständliche Bescheid vom 9. Oktober 2018 erweise sich gemessen an den Vorgaben des Zweckentfremdungsrechts auch als rechtmäßig. Das von der Klägerin im Zusammenwirken mit ihrer Mieterin, der A. GmbH, verfolgte Nutzungskonzept sei bezogen auf die streitgegenständliche Wohneinheit Nr. 10 als Zweckentfremdung im Sinne von Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS anzusehen. Es ziele auf eine Kurzzeitvermietung an Personen, meist aus dem arabisch-sprachigen Raum ab, die sich lediglich vorübergehend zum Zwecke einer medizinischen Behandlung im Bundesgebiet aufhielten, ohne ihren Lebensmittelpunkt nach München zu verlagern. Mithin liege eine Nutzung zur Fremdenbeherbergung vor. Der von der Klägerin behauptete jeweils unbefristete Abschluss von Untermietverträgen sie offensichtlich nur zum Schein erfolgt. Hierfür spräche, dass die Mieterunterschriften auf den Untermietverträgen und den Mietaufhebungsverträgen regelmäßig nicht übereinstimmten und auf den Mietaufhebungsverträgen regelmäßig nur „i. A.“ unterschrieben worden sei. Es erscheine fernliegend, dass ein Mieter, der ein auf Dauer angelegtes Mietverhältnis eingehen wolle, dieses innerhalb kurzer Zeit wieder beende. Dafür, dass nur ein kurzzeitiger Aufenthalt beabsichtigt gewesen sei, spreche ferner der Umstand, dass die in der Wohnung angetroffenen Personen regelmäßig nur über Visa für kurzzeitige Aufenthalte im Bundesgebiet verfügt hätten, in der Regel zum Zwecke einer medizinischen Behandlung oder als Begleitperson. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Fremdenbeherbergung liege in der Aussage der angetroffenen Personen, wonach die Miete nach Tagessätzen bezahlt werde. Die vertragliche Vereinbarung eines monatlich zu entrichtenden Mietzinses sei nach Überzeugung der Beklagten nur zum Schein erfolgt. Zudem ergebe sich die Zweckrichtung einer kurzzeitigen Vermietung bereits aus dem zwischen der Klägerin und den jeweiligen Hauptmietern der Wohnung geschlossenen Gewerbemietverträgen. Aus der Verpflichtung zur Generierung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze folge, dass auch von Seiten der Klägerin stets Vermietungen für eine Dauer von weniger als sechs Monaten angestrebt waren, nicht hingegen eine Vermietung zu dauerhaften Wohnzwecken.
10.3 Weiterhin habe die Klägerin ihr Nutzungskonzept nach Überzeugung der Beklagten bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufgegeben. Soweit die Klägerin mit der A. GmbH am 18. Oktober 2018 vereinbart habe, die Wohnung nicht mehr an sog. Medizintouristen zu vermieten, solle dies lediglich bis zum Abschluss der das streitgegenständliche Anwesen betreffenden Rechtsstreitigkeiten und zur Vermeidung der Festsetzung von Zwangsgeldern dienen. Ebenso verhielte es sich mit der „Herausnahme“ der streitgegenständlichen Wohneinheiten aus dem Gewerbemietvertrag mit der A. GmbH durch die Vereinbarung vom 19. April 2019. Daraus gehe eindeutig hervor, dass die Klägerin beabsichtige, ihr ursprüngliches Nutzungskonzept auch in Zukunft beizubehalten.
11. Mit Schreiben vom 6. September 2021 hat der Senat die Beteiligten zu seiner Absicht, über die Berufung der Klägerin nach § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, angehört. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 7. September 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO erklärt. Demgegenüber erachtet der Bevollmächtigte der Klägerin im Rahmen seiner Äußerung vom 25. Oktober 2021 binnen verlängerter Äußerungsfrist eine Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO für nicht nachvollziehbar.
Der Sache nach übersehe der Verwaltungsgerichtshof, dass die gerichtliche „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 eine wirksame „Nutzungsvereinbarung“ für die entsprechenden Wohneinheiten darstelle und als solche verstanden und behandelt worden sei. Durch das langjährige Verständnis als „gerichtlich bindende Vereinbarung“ habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den sie bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht einfach habe außer Acht lassen dürfen. In jedem Fall hätte die Beklagte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass sie sich an die gerichtliche „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 nicht mehr gebunden fühle. Unterstellt, die „Vereinbarung“ ließe sich nicht als Vereinbarung qualifizieren, sei die Aufhebung des Bescheids schon unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung angesichts des damit verbundenen Gehörsverstoßes geboten.
Des Weiteren würde es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an der Klägerin zurechenbaren Verstößen sowohl der A.M. UG wie auch der A. GmbH gegen die „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 fehlen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten, einschließlich der Gerichts- und Behördenakten betreffend die Verfahren bezüglich der Wohneinheiten Nr. 1, 3, 9 und 11, sowie die Gerichtsakte im Verfahren M 9 K 13.3185 verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg, da sich der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 9.Oktober 2018 als rechtmäßig und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2020 – jedenfalls im Ergebnis -als zutreffend erweist.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss, da er diese einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Rechtssache weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 -, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 – 10 C 13.09 -, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Im Verfahren sind weder eine Vielzahl ungewöhnlich schwieriger, umstrittener oder gänzlich neue Materien betreffende Fragen noch ein besonders umfangreicher Streitstoff zu bewältigen (vgl. BVerwG, B.v. 10.6.2008 – 3 B 107/07 – juris, Rn. 5; B.v. 9.12.2010 – 10 C 13/09 – juris, Rn. 24). Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Fragen zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gründet (vgl. hierzu U.v. 29.10.1991 – Nr. 22/1990/213/275 -, NJW 1992, 1813 f.), muss in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets und unabhängig von der Art der zu entscheidenden Fragen in der folgenden zweiten Instanz eine weitere mündliche Verhandlung stattfinden (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nur über Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 -, NVwZ 2004, 108 [110]; B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 -, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6; siehe auch Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2021, § 130a Rn. 3). Tatsachenfragen, die eine Beweiserhebung erfordert hätten, stellen sich im vorliegenden Fall entscheidungserheblich nicht. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich bereits aufgrund der Aktenlage angemessen beurteilen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18; siehe auch Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2021, § 130a Rn. 3).
Angesichts der Äußerungen der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Oktober 2021 zum Vorgehen nach § 130a VwGO bedurfte es ferner auch keiner erneuten, weiteren Anhörung der Verfahrensbeteiligten hierzu. Denn eine derartige, weitere Anhörung ist dann entbehrlich, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen förmlichen Beweisantrag stellt, der sich jedoch nicht auf neues, entscheidungserhebliches Vorbringen bezieht, oder wenn neues Vorbringen im Rahmen der Anhörung sich als nicht entscheidungserheblich erweist bzw. der Betreffende lediglich bisheriges Vorbringen wiederholt (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130a Rn. 10a; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 130a Rn. 11 f.; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 26 ff.). So verhält es sich vorliegend beim Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 25. Oktober 2021, der weder einen förmlichen Beweisantrag ankündigt noch neues, entscheidungserhebliches Vorbringen enthält und so die prozessuale Situation nicht verändert hat. Mithin konnte der Senat nach § 130a VwGO ohne erneute Anhörung der Verfahrensbeteiligten entscheiden.
2. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2018 erweist sich als rechtmäßig, da die Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin in Ansehung der Wohnung Nr. 10, L.-Straße X, in München getroffene Anordnungen, die Nutzung der Wohnung für Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden und die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, nach § 13 Abs. 2 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS vom 11.12.2017, MüABl. S. 494) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG vom 10.12.2007, zuletzt geändert durch G. v. 19.6.2017, GVBl. S. 182) vorliegen. Die Wohneinheit Nr. 10 in der L.-Straße X wurde von der Klägerin im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS zweckentfremdet, indem sie jedenfalls im Jahr 2018 länger als insgesamt acht Wochen pro Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wurde (2.1). Dem kann die Klägerin nicht die im Erörterungstermin vom 12. November 2014 im Verfahren M 9 K 13.3185 von der Beklagten getroffene „Zusage“ entgegenhalten, da diese „Zusage“ jedenfalls analog Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG durch die Änderung des Zweckentfremdungsgesetzes und der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten, mithin durch eine Rechtsänderung, ihre Bindungswirkung verloren hat (2.2). Die streitgegenständliche Verfügung hat sich auch nicht durch die zwischenzeitlich von der Klägerin selbst übernommene Vermietung der Wohnung Nr. 10 nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG in dem Sinne erledigt, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Anordnungen nachgekommen wäre (2.3). Schließlich begegnen auch die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3. und 4. des streitgegenständlichen Bescheids keinen Bedenken (2.4).
2.1 Die Klägerin hat zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Grundverfügungen nach § 13 Abs. 2 ZeS maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses die streitgegenständliche Wohneinheit Nr. 10 in der L.-Straße X zweckentfremdet.
2.1.1 Nach Art. 1 Satz 1 ZwEWG können Gemeinden im Falle des Vorliegens von Wohnraummangel durch Satzung bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, wenn sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen können. Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt nach Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird. Dementsprechend legt § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS fest, dass eine Zweckentfremdung von Wohnraum insbesondere dann gegeben ist, wenn der Wohnraum mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird.
Wie der Senat wiederholt entschieden hat (zuletzt BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – BeckRS 2021, 12817, LS. 1; zuvor z.B. B.v. 7.1.2015 – 12 ZB 15.2287 – BeckRS 2016, 40297, Rn. 4 ff.) bezeichnet Fremdenbeherbergung im zweckentfremdungsrechtlichen Sinn „die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunkts prägend. Es fehlt an einer ‚auf Dauer‘ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer ‚Heimstatt im Alltag‘. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zugrundeliegende Nutzungskonzept; eine bestimmte Mindest- oder Höchstaufenthaltsdauer kann insoweit nicht festgelegt werden“ (BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – BeckRS 2021, 12817 Leitsatz 1).
Besteht das Nutzungskonzept einer Wohnung darin, einem (Unter-)Mieter diese für die Dauer eines zum Zwecke einer medizinischen Behandlung erfolgenden Aufenthalts zur Verfügung zu stellen, ihm mithin eine flexible, vorübergehende Unterkunft zu bieten, jedoch die Wohnung nicht zugleich als Grundlage einer „auf Dauer“ angelegten Häuslichkeit zu nutzen, liegt hierin zweckentfremdungsrechtlich eine Nutzung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung. Denn in dem – für das Vorliegen einer Zweckentfremdung von Wohnraum nur beispielhaft zu sehenden – Fall einer Vermietung von Wohnraum an sog. „Medizintouristen“ werden Wohnräume durch regelmäßig wechselnde Personen, die sich lediglich aus Anlass einer medizinischen Behandlung dort aufhalten und ihren Lebensmittelpunkt nicht durch Aufgabe des angestammten Wohnsitzes an den Beherbergungsort verlagern, genutzt. Auf die Dauer des naturgemäß vom Behandlungsfortschritt abhängenden Aufenthalts kommt es für die Annahme einer Zweckentfremdung daher nicht entscheidungserheblich an (BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – BeckRS 2016, 40297 Rn. 5 f.).
2.1.2 Angesichts dessen ist die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 9. Oktober 2018 auf Basis der festgestellten Nutzung der Wohnung Nr. 10, L.-Straße X, jedenfalls im Jahr 2018 zu Recht vom Vorliegen einer Zweckentfremdung von Wohnraum im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS bzw. Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG ausgegangen.
Nach dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Nutzungskonzept hat die Klägerin zusammen mit ihrer Mieterin, der A. GmbH, die Wohnung Nr. 10 für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt, nachdem die Wohneinheit ursprünglich im Sinne von § 3 ZeS unstrittig zu Wohnzwecken genehmigt worden war. Ausweislich der Feststellungen der Beklagten wie auch der von der Klägerin bzw. der A. GmbH vorgelegten Untermiet- und Mietaufhebungsverträge war die Wohnung Nr. 10, L.-Straße X, im Laufe des Jahres 2018 an zwei Mieter aus dem arabisch-sprachigen Raum vermietet, die sich mit Kurzzeitvisa zum Zwecke einer medizinischen Behandlung bzw. als Begleitperson in München für einen jeweils begrenzten Zeitraum aufgehalten haben. Diesem Personenkreis diente – ungeachtet der konkreten Aufenthaltsdauer – die angemietete Wohnung mangels Aufgabe ihres bisherigen Lebensmittelpunkts nicht als „Heimstatt im Alltag“. Ihr Unterkommen war daher nur „beherbergungsartig“ mit der Konsequenz, dass es sich bei der tatsächlich 2018 praktizierten Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 offenkundig um „Fremdenbeherbergung“ gehandelt hat, die zugleich die Grenze der „erlaubten“ Fremdenbeherbergung von acht Wochen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS überschritten hat.
Die für das Jahr 2018 festgestellte tatsächliche Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 durch die A. GmbH entspricht auch dem von der Klägerin als Eigentümerin der Wohnung zu diesem Zeitpunkt praktizierten Nutzungskonzept. Denn angesichts der im Gewerbemietvertrag zwischen der Klägerin und der A. GmbH vom 27. Dezember 2017 enthaltenen Verpflichtung, zu 95% bezogen auf die gesamten von der A. GmbH in der L.-Straße X angemieteten Räumlichkeiten umsatzsteuerpflichtige Mietverhältnisse einzugehen, folgt aus der in § 4 Nr. 12 lit. a UStG enthaltenen Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht in Verbindung mit der in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG geregelten Ausnahme für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Fremdenbeherbergung und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, die als „kurzfristig“ in der Regel eine Vermietungsdauer von unter sechs Monaten ansieht (vgl. hierzu beispielsweise Spilker in BeckOK UStG, Stand 30.8.2021, § 4 Nr. 12 Rn. 61.1 mit weiteren Nachweisen), dass nur zeitlich maximal auf sechs Monate befristete Mietverhältnisse seitens der A. GmbH abgeschlossen werden durften. Kombiniert mit der ebenfalls zum Gegenstand des Gewerbemietvertrags vom 21.12.2017 gemachten „Vereinbarung“ aus dem verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermin vom 12. November 2014, wonach regelmäßig eine Vermietung für einen Zeitraum von weniger als drei Monaten zu unterbleiben hatte, ergibt sich mithin für die A. GmbH ein zeitlicher Rahmen für den Abschluss von Untermietverträgen zwischen drei und sechs Monaten. Durch derartige kurzfristige Vermietungen für eine Zeitdauer von maximal sechs Monaten lässt sich indes eine „Heimstatt im Alltag“ bzw. eine dauerhafte Wohnnutzung regelmäßig nicht begründen. Demzufolge zielt das vertraglich manifestierte Nutzungskonzept der Klägerin zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Zweckentfremdungsbescheids auf ein lediglich vorübergehendes, beherbergungsartiges Unterkommen und damit auf die Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung.
Angesichts der tatsächlichen Feststellungen der Beklagten, der vorgelegten Untermiet- und Mietaufhebungsverträge für das Jahr 2018 sowie des Gewerbemietvertrags zwischen der Klägerin und der A. GmbH vom 21.12.2017 kommt es für das Vorliegen einer Zweckentfremdung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS auf die Gestaltung der Untermietverhältnisse zwischen 2015 und 2017 und den zwischen der A.M. UG und der Klägerin bestehenden Gewerbemietvertrag nicht entscheidungserheblich an ebenso wenig auf die Kenntnis der A.M. UG von der „Vereinbarung“ vom 12. November 2014. Auch Fragen der Zurechnung stellen sich insoweit nicht. Dahingestellt bleiben kann weiterhin, ob es sich angesichts der Personenverschiedenheit bei Abschluss und Aufhebung der Untermietverträge und der angeblichen Bemessung des Mietzinses nach Tagen de facto um Scheinmietverträge zwischen der A. GmbH und den jeweiligen Untermietern gehandelt hat, wenngleich die genannten Umstände durchaus gewichtige Indizien für Scheinmietverhältnisse bilden können.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in den streitgegenständlichen zweckentfremdungsrechtlichen Verfügungen auch keine „Überraschungsentscheidung“. Denn ausweislich der Verfahrensakte der Beklagte wurde die Klägerin zum Bescheid vom 9. Oktober 2018 mit Schreiben vom 21. August 2018 ordnungsgemäß angehört; ihr war mithin hinreichend Gelegenheit eingeräumt, sich zu den beabsichtigten Verfügungen zu äußern.
Mithin lagen am 9. Oktober 2018 die Voraussetzungen für den Erlass von Anordnungen nach § 13 Abs. 2 ZeS im Hinblick auf die streitgegenständliche Wohneinheit Nr. 10 vor.
2.2 Die Auffassung der Klägerin, der Annahme einer Zweckentfremdung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS stehe die im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Erörterungstermins am 12. November 2014 dem vormaligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. 1, Herrn R., von der Beklagten abgegebene „Zusage“ entgegen, geht fehl. Denn bei in der Niederschrift des Erörterungstermins enthaltenen „Zusage“ handelt es sich weder um einen Vergleichsvertrag im Sinne von Art. 55 BayVwVfG noch um eine Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Es liegt vielmehr, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, eine „schlichte“ Zusage dahingehend vor, im Vollzug des Zweckentfremdungsrechts eine bestimmte Nutzung einer Wohneinheit nicht als Zweckentfremdung anzusehen (2.2.1). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist indes nach Abgabe der „Zusage“ durch die Novellierung des Zweckentfremdungsgesetzes gerade im Hinblick auf die Klärung der Unsicherheiten bei der Abgrenzung von Wohnnutzung und Fremdenbeherbergung eine Änderung der Rechtslage eingetreten, bei deren Kenntnis die Beklagte ihre „Zusage“ nicht hätte abgeben können, sodass nach dem auf „schlichte“ Zusagen analog anwendbaren Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG die Bindungswirkung der „Zusage“ mit der entsprechenden Rechtsänderung entfallen ist (2.2.2).
2.2.1 Die im Erörterungstermin des Verfahrens M 9 K 13.3185 vom Vertreter der Beklagten zu Protokoll abgegebene Erklärung betreffend die Qualifizierung einer bestimmten Nutzung verschiedener Wohneinheiten in der L.-Straße X beinhaltet entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Vergleichsvertrag im Sinne von Art. 55 BayVwVfG. Nach dieser Bestimmung kann ein subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von Art. 54 Satz 2 BayVwVfG, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), dann geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält. Zwar kann nach der im November 2014 geltenden Fassung des Zweckentfremdungsgesetzes bzw. der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten durchaus davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der damaligen Regelung, eine Zweckentfremdung von Wohnraum liege insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum „nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasst für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird“ (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS in der Fassung vom 30.12.2013, MüABl. S. 550), bei der vom Kläger und vormaligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. 10 der L.-Straße X praktizierten Nutzungsweise – mag man diese als Betrieb eines „Boardinghouse“ qualifizieren oder nicht – rechtliche Unsicherheiten bestanden haben, die der seinerzeitige Berichterstatter im Erörterungstermin auch benannt hat. Indes fehlte es in der im Erörterungstermin vom 12. November 2014 abgegebenen „Zusage“ offenkundig an einem „gegenseitigen Nachgeben“, wie es für den Abschluss eines Vergleichsvertrags erforderlich ist. Der Erklärung der Beklagten, die diese zum Zwecke der Vermeidung zukünftiger Streitigkeiten über die Qualifikation der Nutzung der streitgegenständlichen Wohneinheiten abgegeben hatte, stand kein wie auch immer geartetes Nachgeben des seinerzeitigen Klägers gegenüber. Worin konkret das „Nachgeben“ des Klägers gelegen haben soll, hat die Klägerin des vorliegenden Verfahrens weder im Rahmen der Berufungsbegründung noch im Rahmen der Äußerung vom 25. Oktober 2021 darzulegen vermocht. Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Erklärung des Vertreters der Beklagten im Erörterungstermin vom 12. November 2014 um eine einseitige „schlichte“ Zusage einer bestimmten künftigen Auslegung des Begriffs der Zweckentfremdung gehandelt hat.
Die Beklagte hat des Weiteren mit ihrer Erklärung im Erörterungstermin auch keine Zusicherung – als gesetzlich ausdrücklich geregelter Unterfall einer „von der zuständigen Behörde erteilte(n) Zusage“ – im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG abgegeben. Denn eine der Schriftform bedürftige Zusicherung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG müsste sich darauf beziehen, „einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen“. Eine derartige Verpflichtung lässt sich der Erklärung des Vertreters der Beklagten im Erörterungstermin vom 12. November 2014 nicht entnehmen. Formuliert werden lediglich Tatbestandsvoraussetzungen, unter denen die Beklagte als zuständige Behörde nicht vom Vorliegen einer Zweckentfremdung durch ein bestimmtes Nutzungskonzept von Wohnräumen ausgeht. Dies mag eine bestimmte zukünftige Verwaltungspraxis begründen, jedoch keine Verpflichtung zum Erlass eines konkreten, bestimmten Verwaltungsakts bzw. zum Unterlassen eines bestimmten Verwaltungsakts. Demzufolge lässt sich die Erklärung der Beklagten vorliegend nur als einseitige, „schlichte“ Behördenzusage qualifizieren.
2.2.2 Derartige allgemeine Behördenzusagen, als deren gesetzlich geregelter Unterfall die Zusicherung nach Art. 38 BayVwVfG anzusehen ist, unterliegen jedoch ebenfalls der in Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG für die Zusicherung geregelten „clausula rebus sic stantibus“ (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 95; Uechtritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 38 Rn. 153). Danach ist die Behörde an ihre Zusicherung dann nicht mehr gebunden, wenn sich nach deren Abgabe „die Sach- und Rechtslage derart (ändert), dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglichen eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen“. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt hier mit der Novellierung des Zweckentfremdungsgesetzes 2017 und der sich hieran anschließenden Neufassung der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten eine Rechtsänderung vor, bei deren Kenntnis die Beklagte bei objektiver Betrachtungsweise ihre seinerzeitige Zusage nicht abgegeben hätte.
Art. 2 Satz 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Zweckentfremdung von Wohnraum vom 10.12.2007 (GVBl. S. 864) sah ebenso wie Satzung des Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (MüABl. S. 550) vom 30.12.2013 in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 vor, dass eine Zweckentfremdung von Wohnraum insbesondere dann vorliege, „wenn der Wohnraum nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasst für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird“. Anlass für die Novellierung des Zweckentfremdungsrechts bildeten ausweislich des Gesetzentwurfs (LT-Drucks. 17/15781, S. 4) neuere Entwicklungen gerade im Bereich der Fremdenbeherbergung, insbesondere „die wiederholte kurzzeitige Vermietung von Privatunterkünften am Touristen und Geschäftsreisende über Online-Portale und die Vermietung von Privatwohnungen an Personen während der Dauer ihrer medizinischen Behandlung (sogenannte Medizintouristen)“. Um „diesen Entwicklungen wirksam begegnen und die hotelähnliche Nutzung von Privatwohnungen bekämpfen zu können, bedarf es einiger Änderungen des Gesetzes“. Die bisherigen Regelungen seien bezogen auf die kurzzeitige Vermietung von Privatunterkünften an Touristen und die Vermietung an sog. Medizintouristen nicht ausreichend. Deshalb werde das Regelbeispiel in Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG dahingehend geändert, „dass eine Zweckentfremdung insbesondere dann vorliegt, wenn der Wohnraum mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird“. Das Tatbestandsmerkmal „Fremdenbeherbergung“ bezeichne weiterhin „die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus (vgl. hierzu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. Dezember 2015, 12 ZB 15.2287, wonach insbesondere die Unterbringung sog. Medizintouristen in angemieteten Wohnungen erfasst sein soll)“ (LT-Drucks. 17/15781, S. 5).
Mit der Gesetzesnovellierung hat der Gesetzgeber folglich die Abgrenzung zwischen Wohnnutzung und Fremdenbeherbergung neu gefasst (zum Vorliegen einer Rechtsänderung bereits bei der Beseitigung von Auslegungszweifeln durch den Gesetzgeber vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 95). Bereits die Einführung der Acht-Wochen-Grenze für die „erlaubte“ Fremdenbeherbergung steht im Gegensatz zu der in der „Zusage“ vom 12. November 2014 getroffenen Regelung, die auf eine mindestens dreimonatige Vermietungsdauer abstellt. Als wesentlich erweist sich jedoch darüber hinaus, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats gerade zur kurzzeitigen Vermietung von Wohnraum an einen wechselnden Personenkreis, insbesondere an sog. „Medizintouristen“, aufgegriffen und damit in die gesetzliche Zweckentfremdungsdefinition aufgenommen hat. Angesichts dessen hätte die Beklagte unter Geltung der aktuellen Fassung des Zweckentfremdungsgesetzes bzw. der aktuellen Fassung der novellierten Zweckentfremdungssatzung die im Verfahren M 9 K 13.3185 abgegebenen „Zusage“ einer bestimmten Interpretation der Tatbestandsmerkmale einer Zweckentfremdung nicht (mehr) abgegeben können (vgl. hierzu Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 38 Rn. 104 f.; ferner Tiedemann in BeckOK VwVfG, Stand 1.7.2021, § 38 Rn. 47, wonach auch „auf die für die Gesetzesänderung geltend gemachten maßgeblichen Gründe abzustellen (ist), die sich aus den Gesetzesmaterialien ergeben“). Mithin ist die Bindungswirkung der Zusage, ungeachtet der weiteren Frage, ob sie sich über die Parteien des damaligen Verfahrens hinaus überhaupt auf die Klägerin des vorliegenden Verfahrens erstreckt hat, jedenfalls nach Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG entfallen. Auf die Beibehaltung einer ihr vormals günstigen Rechtslage hat die Klägerin regelmäßig keinen Anspruch (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 98, 104).
Insoweit greift zugunsten der Klägerin auch nicht der geltend gemachte Vertrauensschutz ein. Denn es verstößt regelmäßig nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn eine Behörde auf Grundlage von Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG sich auf den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beruft (vgl. hierzu Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 38 VwVfG Rn. 49). Anders als die Klägerin vorträgt, kam die „Außerachtlassung“ der „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 auch nicht überraschend, indem ihr keine Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben wurde. Denn mit Schreiben vom 21. August 2018 hat die Beklagte die Klägerin zum beabsichtigten Erlass der zweckentfremdungsrechtlichen Verfügungen, nämlich Aufgabe der Nutzung der Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung und Wiederzuführung der Wohneinheit zu Wohnzwecken, angehört, woraus sich eindeutig ergibt, dass die Beklagten vom Nichteingreifen der „Vereinbarung“ vom 12. November 2014 ausging. Eine „Überraschungsentscheidung“, wie sie die Klägerin behauptet, lag mithin nicht vor.
Im Ergebnis kann die Klägerin daher aus der behördlichen „Zusage“ im Verfahren M 9 K 13.3185 keine für sie günstigen Rechtsfolgen ableiten.
2.3 Die zweckentfremdungsrechtlichen Verfügungen vom 9. Oktober 2018 haben sich des Weiteren auch nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin nach Bescheiderlass den Verfügungen durch Änderung ihres Nutzungskonzepts der Wohnung Nr. 10 nachgekommen wäre mit der Folge, dass die Wirksamkeit der Verfügungen nach Art. 43 Abs. 2 VwVfG durch Erledigung „auf andere Weise“ nachträglich entfallen wären (vgl. hierzu und zum Folgenden Schemmer in BeckOK VwVfG, Stand 1.7.2021, § 43 Rn. 55).
Zwar kann mit der Erfüllung eines bestimmten Gebots die Regelungswirkung des Verwaltungsakts erlöschen. Allerdings erledigt sich in denjenigen Fällen, in denen der Verwaltungsakt weiterhin Rechtsgrund sein kann, seine Wirksamkeit nicht. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst dann ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1998 – 4 C 11.97 – BeckRS 1998, 30010941). Dies ist vorliegend auch in Ansehung des Verhaltens der Klägerin nach Ergehen des zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheids vom 9. Oktober 2018 nicht anzunehmen.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang anführt, sie habe mit ihrer Mieterin, der A. GmbH, am 18. bzw. 24. Oktober 2018 vereinbart, zukünftig die streitgegenständliche Wohnung nicht mehr an den Personenkreis der sog. Medizintouristen aus dem arabisch-sprachigen Raum zu vermieten, stellt dies noch keine Erfüllung der Verpflichtungen zur Beendigung der Fremdenbeherbergung und der Wiederzuführung der Räumlichkeiten zu einer Wohnnutzung dar, da sich die Fremdenbeherbergung nicht allein auf die Gruppe der sog. Medizintouristen beschränkt.
Auch durch die Vermietung der Wohneinheit Nr. 10 zunächst ab 22. Oktober 2018 an Herrn J1. bzw. Herrn M3. und ab August 2019 an Herrn J2. haben sich die zweckentfremdungsrechtlichen Verfügungen der Beklagten im Bescheid vom 9. Oktober 2018 nicht erledigt. Zwar ist der Klägerin auch in Ansehung der aktuellen Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzung von Wohnnutzung und Fremdenbeherbergung durchaus zuzubilligen, dass insbesondere durch die Vermietung der Wohneinheit Nr. 10 an Herrn J2. ab August 2019 eine Nutzung zu Wohnzwecken vorliegen kann. Gleichwohl ist die Klägerin den streitgegenständlichen zweckentfremdungsrechtlichen Verfügungen durch den Abschluss des genannten Mietvertrags nicht nachgekommen, da die „Herausnahme“ der Wohnung Nr. 10 aus dem fortbestehenden Gewerbemietvertrag mit der A. GmbH nur interimsweise bis zur rechtskräftigen Klärung der Zulässigkeit des bisherigen Nutzungskonzepts erfolgt ist. Die Klägerin hat, wie sie selbst betont, ihr Nutzungskonzept einer kurzeitigen Vermietung der Wohnung an wechselnde Nutzer bislang nicht aufgegeben und beabsichtigt im Falle des gerichtlichen Obsiegens wieder zu diesem Nutzungskonzept zurückzukehren. Die längerfristige Vermietung der Wohneinheit an einen Mieter soll vielmehr der Vermeidung der von der Beklagten angedrohten Zwangsgelder dienen. Da indes die Verfügung der Beklagten vom 9. Oktober 2018 die vollständige Aufgabe der bisherigen Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 für Zwecke der Fremdenbeherbergung beinhaltet, hat die Klägerin diesem Gebot durch eine lediglich interimsweise Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht Genüge getan. Mithin haben sich die streitgegenständlichen Verfügungen durch das Verhalten der Klägerin nach Bescheiderlass nicht erledigt; ihnen kommt weiterhin Regelungswirkung zu.
2.4 Schließlich erweisen sich auch die im Bescheid vom 9. Oktober 2018 in Ziffer 3. und 4. enthaltenen Zwangsgeldandrohungen im Hinblick auf die Verfügung, die Nutzung der Wohneinheit Nr. 10 für Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden und die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, als rechtmäßig. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. BayVwZVG sind gegeben. Insbesondere kommt Klagen gegen zweckentfremdungsrechtliche Verfügungen nach Art. 3 Abs. 3 ZwEWG keine aufschiebende Wirkung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG zu. Weiter bestehen auch gegen das Vorliegen der besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 29, 30, 31 und 36 BayVwZVG keine Bedenken.
Das Berufungsverfahren der Klägerin hat daher insgesamt keinen Erfolg.
3. Die Klägerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO. Der Streitwert bestimmt sich für die Anfechtungsklage nach § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Ziffer 56.6.3 des Streitwertkatalogs richtet sich bei der zweckentfremdungsrechtlichen Anordnung, eine Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, die Höhe des Streitwerts nach dem Jahresbetrag des Interesses an der wirtschaftlich günstigeren Nutzung der Wohnung. Wird mit der streitgegenständlichen Verfügung zugleich ein Zwangsgeld angedroht und ist dieses höher als der für die Grundverfügung selbst anzusetzende Streitwert, so ist nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs auf die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes abzustellen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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