Patent- und Markenrecht

29 W (pat) 13/20

Aktenzeichen  29 W (pat) 13/20

Datum:
22.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:221121B29Wpat13.20.0
Spruchkörper:
29. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. November 2021 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber und die Richterinnen Akintche und Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die angegriffene Wortmarke 30 2013 062 348
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BABO
3
ist am 6. Dezember 2013 angemeldet und am 19. März 2014 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister unter anderem für die Waren der
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Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen
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eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 17. April 2014.
6
Gegen die Eintragung hat die Beschwerdegegnerin beschränkt gegen die vorgenannten Waren der Klasse 25 Widerspruch eingelegt aus ihrer am 5. November 1989 eingetragenen Wortmarke 1 149 084
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BOBO
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Diese genießt Schutz für die Waren der
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Klasse 25: Kinder- und Babybekleidungsstücke, insbesondere Strumpfwaren, Mützen, Schals und Schuhe.
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Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 hat die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Daraufhin hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2014 verschiedene Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht, unter anderem eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden Herrn K… vom 15. Dezember 2014 sowie Rechnungen und Produktabbildungen.
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Mit Beschluss vom 5. Dezember 2016 hat die Erstprüferin den Widerspruch zurückgewiesen, weil die Widersprechende auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe, dass sie die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutze. Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt und zudem weitere Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht.
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Mit Beschluss vom 11. April 2018 hat die Erinnerungsprüferin den Erstbeschluss aufgehoben und die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang angeordnet.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Erinnerung zulässig sei und diese auch in der Sache Erfolg habe. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr könnten die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren zugrunde gelegt werden, weil die Widersprechende deren rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht habe. Es liege Warenidentität vor. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei für die Waren der Klasse 25 durchschnittlich. Den bei dieser Ausgangslage erforderlichen überdurchschnittlichen Abstand hielten die Wortmarken „BABO“ und „BOBO“ nicht ein. Die Vergleichsmarken seien in ihrer klanglichen und visuellen Gesamtheit verwechslungsrelevant ähnlich. Klanglich stimmten sie in ihrer Silbenzahl, ihrer zweiten Silbe „Bo“ und ihrem ersten Buchstaben „B“ sowie der Alliteration „B-B“ identisch überein. Die einzige Abweichung im Vokal „a“ gegenüber dem Vokal „o“ in der ersten Silbe falle demgegenüber klanglich kaum ins Gewicht, weil beides dunkel klingende Vokale seien und sich ihr Unterschied kaum auf das klangliche Gesamtgepräge auswirke. Mithin seien sie klanglich überdurchschnittlich ähnlich. Eine solche Ähnlichkeit liege auch in visueller Hinsicht vor, denn auch optisch wirke sich der Unterschied im ersten Vokal jedenfalls bei einer vom Schutzumfang einer Wortmarke umfassten Kleinschreibung (bobo und babo) kaum aus, zumal er zwischen den beiden diese umgebenden markanteren „b´s“ liege. Diese visuelle und klangliche überdurchschnittliche Ähnlichkeit werde auch nicht dadurch vermindert, dass die jüngere Marke „Babo“ als Bezeichnung für „Boss, Anführer, Chef“ in der deutschen Jugendsprache einen potenziell ähnlichkeitsmindernden Sinngehalt verkörpere. Dies setze nämlich einerseits positiv voraus, dass der Sinngehalt einem erheblichen Teil des Verkehrs bekannt und verständlich sei, und erfordere andererseits negativ, dass der Verkehr sich nicht schlicht verhöre, weil dann auch keine (abweichende) Bedeutung zu Bewusstsein kommen und Verwechslungen hindern könne. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Daher liege eine Verwechslungsgefahr vor.
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Hiergegen hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt.
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Zunächst hat sie gerügt, dass ihr im Erinnerungsverfahren weder die Erinnerungsbegründung noch etwaige weitere Schriftsätze der Widersprechenden zugesandt worden waren; sie hat daher vor Erstellung einer Beschwerdebegründung die Zusendung dieser Aktenteile des DPMA erbeten. Diese wurden ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 31. Januar 2020 übermittelt.
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In ihrer daraufhin eingereichten Beschwerdebegründung vom 29. Juni 2020 hat die Markeninhaberin ihre Einrede der Nichtbenutzung ausdrücklich aufrechterhalten. Den im Erst- und Erinnerungsverfahren von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen sei zu entnehmen, dass ein Benutzungsnachweis lediglich für die Waren „Mützen“ und „Krabbelsöckchen“ erbracht worden sei. Den Schluss auf eine weitergehende Benutzung in Verbindung etwa mit Strumpfwaren, Schals und Schuhen ließen die eingereichten Unterlagen nicht zu. Die in der eidesstattlichen Versicherung enthaltene Aussage „die Widerspruchsmarke sei für Kinder- und Babybekleidungsstücke, insbesondere Strumpfwaren, Mützen, Schals und Schuhe in der Bundesrepublik Deutschland markenmäßig auf den Waren selbst sowie in der Werbung für die Waren benutzt worden“ stelle eine bloße Rechtsmeinung dar und reiche für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Im Übrigen lasse sich eine markenmäßige Benutzung der Widerspruchsmarke auch nicht aus den vorgelegten Rechnungen erkennen.
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Schließlich fehle es an einer Verwechslungsgefahr. Dies gelte vorliegend ungeachtet der klanglichen und schriftbildlichen Ähnlichkeit, die nicht in Abrede gestellt werde. Bei der Widerspruchsmarke handle es sich allerdings erkennbar um einen Namen, der von den angesprochenen Verkehrskreisen etwa mit der Haupt- und Titelfigur der Kinderbildreihe „Bobo Siebenschläfer“ in Verbindung gebracht werde. Die angegriffene Marke habe dagegen über ihre mögliche Funktion als Name eine überragende sinnhafte Bekanntheit erlangt, seitdem sie zum Jugendwort des Jahres 2013 gewählt worden sei. Entgegen der in der Erinnerungsentscheidung vertretenen Ansicht sei der eindeutige Sinngehalt des Begriffs „Babo“ in seiner Bedeutung „Boss, Anführer, Chef“ auch einem erheblichen Teil des Verkehrs bekannt. Vor diesem Hintergrund würden die visuellen und klanglichen Ähnlichkeiten neutralisiert, wie es das Europäische Gericht zwischen den Zeichen „Massi“ und „Messi“ oder das Bundespatentgericht in Bezug auf die Zeichen „KIEFFER“ und „KAEFER“ angenommen habe.
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Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
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den Erinnerungsbeschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. April 2018 aufzuheben und die Erinnerung zurückzuweisen.
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Die Beschwerdegegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Im Erinnerungsbeschluss sei zutreffend festgestellt worden, dass der Widersprechenden der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke gelungen sei. Auch die Beschwerdeführerin erkenne zumindest an, dass Benutzungsnachweise für die Warengruppen „Mützen“ und „Krabbelsöckchen“ erbracht worden seien. Für die Warengruppen „Strumpfwaren, Schals und Schuhe“ werde dies zwar bestritten, es bleibe jedoch offen, nach welcher Kategorisierung der Waren die Beschwerdeführerin bei der Beurteilung der vorgelegten Benutzungsunterlagen vorgehe. Denn „Söckchen“ seien ohne Zweifel „Strumpfwaren“. Die Benutzungsunterlagen belegten, dass die ältere Marke für die Waren „Kinder- und Babybekleidungsstücke“ benutzt worden sei. Die Benutzung der Widerspruchsmarke erfolge dabei als Wortmarke oder in stilisierten Buchstaben stets in direkter Verbindung mit den Waren. Die eingereichten Abbildungen zeigten Strümpfe, Strumpfhosen, Schuhe, Babyschuhe, Gummistiefel, Schals, Halstücher, Handschuhe etc., die Etiketten und Produktanhänger mit der Widerspruchsmarke trügen. Ein Anbringen der Marke mittels Produktanhängern (sog. Hang-Tags), Etiketten oder Einnähern sei für Bekleidungsstücke und Schuhwaren typisch. Insofern komme es auch gar nicht darauf an, ob die Widersprechende die Marke „BOBO“ in den Rechnungen aufführe. Dies sei für eine rechtserhaltende Benutzung jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn das wichtigste Benutzungskriterium erfüllt sei, nämlich die Benutzung der Marke auf oder in Verbindung mit dem Produkt selbst. Die Vorlage von Rechnungen stütze die Angaben in der eidesstattlichen Erklärung, da damit hinreichend nachgewiesen werde, dass tatsächlich Verkäufe von Artikeln mit der Marke „BOBO“ an Kunden in Deutschland getätigt worden seien.
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Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdegegnerin in Ergänzung zu den bereits eingereichten Benutzungsunterlagen weitere Unterlagen vorgelegt, nämlich sowohl eine Kopie einer eidesstattlichen Erklärung vom 6. Januar 2020, die der Geschäftsführer der Widersprechenden Herr K… im Rahmen eines laufenden Widerspruchsverfahrens vor dem EUIPO abgegeben hat, als auch eine eidesstattliche Erklärung des Herrn K… vom 13. Juli 2020 im Original, die sich auf den Benutzungszeitraum von Januar 2017 bis Mai 2020 bezieht. Die dort aufgeführten Umsätze würden durch die weiter eingereichten Beispielrechnungen aus dem Zeitraum Januar 2018 bis Mai 2020 bestätigt.
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Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass die Markenstelle zutreffend das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr angenommen habe. Denn es bestehe Warenidentität. Zudem seien sich die zu vergleichenden Zeichen „BOBO“ und „BABO“ schriftbildlich und klanglich in höchstem Grade ähnlich. In vielen gängigen Schriftarten sei ein Unterschied zwischen den beiden Buchstaben „a“ und „o“ nur schwer zu erkennen. Was mögliche Abweichungen in der Bedeutung der Vergleichszeichen betreffe, so sei festzustellen, dass die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung zu den Fällen KIEFFER./.KAEFER und MESSI./.MASSI auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung finde. Eine potenziell ähnlichkeitsmindernde Bedeutung der beiden Vergleichszeichen setze nämlich einen für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres erkennbaren und sich aufdrängenden Sinngehalt voraus. Dass das Wort „Babo“ vor sieben Jahren Jugendwort des Jahres gewesen sei, sage aber nichts darüber aus, ob die angesprochenen Verkehrskreise – dies seien Käufergruppen für Bekleidung jeder Altersstufe, also auch und vor allem Erwachsene und Senioren – das Wort „Babo“ mit der Bedeutung „Boss, Anführer, Chef“ tatsächlich kennen würden. Gleiches gelte für die Widerspruchsmarke. Eine spontane und zielsichere Assoziation mit der Kinderbuchfigur „Bobo Siebenschläfer“ sei eine reine Mutmaßung und Unterstellung der Markeninhaberin, die es erforderlich machen würde, dass die Kinderbuchreihe aus den 80er Jahren beim überwiegenden Teil des Verkehrs bekannt sei und eine Verknüpfung der Bärenfigur aus dem Kinderbuch mit einer Bekleidungsmarke hergestellt werde, was aus Sicht der Widersprechenden völlig abwegig sei.
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Die Beschwerdeführerin hat sich zu dem Schriftsatz der Beschwerdegegnerin, den damit zusammen eingereichten Benutzungsunterlagen sowie zu einem Verfahrenshinweis des Senats vom 6. August 2021 nicht geäußert.Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
26
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg.
27
Die Erinnerungsprüferin hat in ihrem Beschluss vom 11. April 2018 zu Recht die durch die Widersprechende eingelegte Erinnerung als zulässig und begründet erachtet und unter Aufhebung des Erstbeschlusses die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG angeordnet. Denn zwischen den Vergleichsmarken besteht insoweit die Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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A) Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG n. F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (im Folgenden „MarkenG“) anzuwenden.
29
B) Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – Hansson [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933 Rn. 32 – Barbara Becker; BGH a. a. O. Rn. 24 – RETROLYMPICS; GRUR 2020, 870 Rn. 25 – INJEKT/INJEX; GRUR 2020, 1202 Rn. 19 – YO/YOOFOOD; GRUR 2019, 1058 Rn. 17 – KNEIPP).Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie unter anderem etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
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Nach den vorgenannten Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr zu besorgen.
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1.Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Amtsverfahren in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 in zulässiger Weise die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, so dass auf Seiten der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG nur die Waren für den Warenähnlichkeitsvergleich zu berücksichtigen sind, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Gemäß § 158 Abs. 5 MarkenG n. F. sind diesbezüglich die Vorschriften des § 43 Abs. 1 MarkenG und § 26 MarkenG ebenfalls in ihrer bis vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.
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a) Die undifferenziert erhobene und sich daher auf beide nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG relevanten Benutzungszeiträume beziehende Einrede ist auch hinsichtlich beider Benutzungszeiträume zulässig. Denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 17. April 2014 und damit auch zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede am 9. Oktober 2014 war die Widerspruchsmarke bereits über fünf Jahre im Register eingetragen (Eintragung: 3. November 1989). Damit oblag es der Widersprechenden, die wesentlichen Umstände der Benutzung der Marke nach § 26 MarkenG insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang sowohl für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraum Mitte April 2009 bis Mitte April 2014 als auch für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der heutigen Entscheidung über den Widerspruch, mithin November 2016 bis November 2021, darzutun und glaubhaft zu machen.
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b) Dem ist die Widersprechende nachgekommen. Sie hat diverse Unterlagen ergänzt durch eidesstattliche Versicherungen eingereicht, die sich auf die Benutzung der Widerspruchsmarke für spezielle Waren im Bereich Babybekleidung, Baby-Kopfbedeckungen und Baby- bzw. Kinderschuhe beziehen. Damit hat sie für beide Zeiträume eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für Produkte glaubhaft gemacht, die unter die Warenbegriffe fallen, für die die Widerspruchsmarke geschützt ist.
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aa) Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die nur zu dem Zweck vorgenommen werden, die Marke um ihrer selbst willen zu erhalten. Die Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren bzw. Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 29 – Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL/OMEL]; GRUR 2006, 582 Rn. 70 – The Sunrider Corp./HABM [VITAFRUIT]; BGH GRUR 2008, 719 Rn. 27 – idw Informationsdienst Wissenschaft). Hiervon ist auszugehen, wenn die Marke „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist“ (vgl. EuGH a. a. O. – [ONEL/OMEL]; GRUR 2008, 343 Rn. 74 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Es ist Sache der Widersprechenden, diese Umstände konkret vorzutragen und glaubhaft zu machen. Die gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. erforderliche Glaubhaftmachung der Benutzung muss dabei – anders als der Vollbeweis – nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts führen. Vielmehr genügt es, wenn sich aus den vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der rechtserhaltenden Benutzung ergibt, welche die Möglichkeit des Gegenteils nicht ausschließen muss (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 43 Rn. 60). Als Mittel zur Glaubhaftmachung kommen gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle (präsenten) Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung in Betracht. Dabei können auch Unterlagen wie beispielsweise Prospekte, Rechnungen (Rechnungskopien), Preislisten, Veröffentlichungen etc. als Glaubhaftmachungsmittel geeignet sein und insbesondere der Erläuterung, Ergänzung und Verdeutlichung einer eidesstattlichen Versicherung dienen (Ströbele in Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 80).
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bb) Bereits im Amtsverfahren hat die Widersprechende folgende Unterlagen eingereicht:
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Anlage A: eidesstattliche Versicherung vom 15.12.2014 mit Umsatz- und Stückzahlenangaben für 2013 und 2014 (bis 4.11.2014) des Geschäftsführers der Widersprechenden, Herr K…, mit Bezugnahme auf
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Anlage 1 = Produkt-Übersichtsliste der verkauften Stückzahlen und Umsatzzahlen der Jahre 2013 und 2014,
38
Anlage 2 = Rechnungen aus den Jahren 2009 bis 2014,
39
Anlage 3 = Abbildungen, die zeigen, wie die mit der Marke BOBO versehenen Waren in der Auslage beim Kunden präsentiert werden,
40
Anlage 4 = Abbildung eines Vorschlags für die Bestückung eines Verkaufsregals mit BOBO-Produkten,
41
Anlage 5 = – Abbildungen von Produktanhängern und Etiketten, die mit den Waren der Widerspruchsmarke benutzt wurden
42
sowie
43
Anlage 6 = Internetauszug der Testzeitschrift ÖKO-TEST zu einem Test aus dem Jahr 2011,
44
Anlage 7 = zwei weitere exemplarische Rechnungen aus dem Jahr 2014,
45
Anlage 8 = Fotografien des real,- Sortiments vom 19.03.2016 und 09.03.2017.
46
Die Widersprechende hat zudem im Beschwerdeverfahren ergänzend folgende Unterlagen vorgelegt:
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Anlage WSL 9 = Kopie einer eidesstattlichen Versicherung vom 6. Januar 2020 aus einem Verfahren vor dem EUIPO des Geschäftsführers HerrnK.…,
48
Anlage WSL 10 = Original einer eidesstattlichen Versicherung vom 13. Juli 2020 des Geschäftsführers Herrn Arend K… mit Bezugnahme auf die Anlagen 11 und 12:
49
Anlage WSL 11 = Rechnungen für den Zeitraum 01.01.2018 bis 30.05.2020,
50
Anlage WSL 12 = Fotografien von Produkten.
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(1) Aus den eingereichten eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Widersprechenden geht hervor, dass die Inhaberin der Widerspruchsmarke diese mindestens seit dem Jahr 2009 zur Kennzeichnung von Waren verwendet hat. Dass die eidesstattliche Versicherung des Herrn K… vom 6. Januar 2020 zur Vorlage ans EUIPO bestimmt war und hier nur in Kopie eingereicht wurde, ist im Übrigen unproblematisch, denn die weiteren Erklärungen des Herrn K… liegen im Original vor. Die Kopie der Versicherung an Eides Statt erlangt insoweit lediglich ergänzend Bedeutung im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Unterlagen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 84).
52
(2) In den vorgenannten Erklärungen wird eine Benutzung der Widerspruchsmarke in Deutschland versichert, was auch durch die beigefügten Rechnungen untermauert wird.
53
(3)Die eingereichten Produktabbildungen zeigen, dass die Widerspruchsmarke funktionsgerecht benutzt wurde. Die Kennzeichnung findet sich unmittelbar im Zusammenhang mit den Produkten auf Hang-Tags bzw. Etiketten oder auf Einnähern.
54
(4) Den Unterlagen ist eine Benutzung der Wortmarke „BOBO“ meist mit grafischen Elementen wie folgt zu entnehmen:
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
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Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH GRUR 2017, 1043 Rn. 23 – Dorzo; GRUR 2013, 725 Rn. 13 – Duff Beer). Wird eine Wortmarke dergestalt benutzt, dass das Wortzeichen grafisch oder farblich gestaltet wird oder bildliche Elemente hinzugefügt werden, ist zu prüfen, ob diese weiteren Elemente einen Bezug zur Funktion der Marke als Herkunftshinweis haben oder lediglich allgemeine Sachangaben oder werbliche Hervorhebungsmittel sind (BGH GRUR 2014, 662 Rn. 18 – Probiotik).
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Danach ist die grafische Ausgestaltung des Markenworts „BOBO“ in der zuerst wiedergegebenen Abbildung – nämlich dem eingenähten Etikett in der Babymütze – als unschädlich zu erachten. Der kennzeichnende Charakter der Wortmarke wird durch die Verwendung von blauen Kleinbuchstaben auf einem blauen, wellenförmigen Unterstrich nicht verändert, da diese nur als dekorative Hervorhebungsmittel der Namensmarke BOBO/bobo verstanden werden.
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Dies gilt allerdings nicht ohne weiteres für die grafische Ausgestaltung zusammen mit einem Bären auf den gelben bzw. orangefarbenen Etiketten/Hang-Tags. Das Bärenbild und die Wortmarke sind hier nicht nur lose aneinandergereiht, sondern vermitteln durch das zusammenfassende Element der roten Ellipse, in der sich die Angabe „bobo“ (sowie darunter deutlich kleiner die Angabe „Der Kinderfreund“) befindet und auf der ein Bär sitzt, eine Einheit. Zwar steht weder die Tatsache, dass dass diese abgewandelte Benutzungsform ebenfalls als Marke für die Widersprechende eingetragen ist, noch der Umstand, dass die Kombination von Wort- und Bildelementen hier eine gewisse Emblemwirkung entstehen lässt, der Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung der Wortmarke gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG entgegen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering a. a. O., § 26 Rn. 202 und 259). Allerdings ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, dass das Hinzufügen des Bildes den Aussagegehalt der Widerspruchsmarke beeinflusst, nämlich von irgendeinem Namen hin zu einer Bärenfigur namens Bobo. Der Verkehr hat durchaus Veranlassung, die gesamte Darstellung als einheitliches Zeichen aufzufassen, so dass eine Änderung des kennzeichnenden Charakters naheliegen mag.
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Diese Frage kann letztlich als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, weil auf der Rückseite der gelben Etiketten bzw. auf zusätzlichen Produktinformationsschildern zumindest bei den Waren „Mützen“ und „Stoppersocken“ zusätzlich entweder die Angabe „Bobo – der Kinderfreund“ oder die Angabe „bobo“ angebracht ist, wie die folgenden Abbildungen zeigen:
59
Diese abweichenden Benutzungsformen der Widerspruchsmarke sind unschädlich. Die verkehrsübliche Kleinschreibung – „bobo“ – berührt nicht die Identität der Marke „BOBO“, so dass sich die Frage einer Veränderung des kennzeichnenden Charakters schon nicht stellt (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering a. a. O., § 26 Rn. 178). Auch die Hinzufügung der Wortelemente „- der Kinderfreund“, die als bloße werbemäßige Aussage aufgefasst wird, steht der Anerkennung der rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen.
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(5) Die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers K… vom 15. Dezember 2014 weist für die Waren „Kinder- und Babybekleidungsstücke, insbesondere Strumpfwaren, Mützen, Schals und Schuhe“ Mindest-Jahresumsatzzahlen sowie Mindest-Stückzahlen für das Jahr 2013 und das Jahr 2014 (bis Oktober) aus, nämlich für das Jahr 2013 mindestens … Stück und mindestens … Euro sowie für das Jahr 2014 mindestens … Stück und mindestens … Euro.
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Zwar kann der Erklärung selbst eine Aufschlüsselung nach Waren nicht entnommen werden. Allerdings nimmt die eidesstattliche Versicherung Bezug auf Anlage 1, die die Stückzahlen nach konkreten Waren aufschlüsselt, nämlich nach „Strickmützen, Schirmmützen, Hüte, Kopftücher, Stirnbänder“, nach „Fingerhandschuhe, Fausthandschuhe, Schals, Stoppersocken“ und nach „Babyschuhen“. Zudem ist den in Bezug genommenen Rechnungen die Artikelnummer, die Variantennummer und auch eine Beschreibung der Ware zu entnehmen.Zweifel an einer ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke bestehen insofern daher nicht.
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Die weitere eidesstattliche Versicherung des Herrn K… vom 13. Juli 2020 weist für die Waren „Kinder- und Babybekleidungsstücke, insbesondere Strumpfwaren, Mützen, Schals und Schuhe“ wiederum zunächst ohne Aufschlüsselung nach einzelnen Produkten Mindest-Jahresumsatzzahlen für die Jahre 2017, 2018, 2019 und 2020 (bis Mai) aus, nämlich 2017 mindestens … Euro, 2018 mindestens … Euro, 2019 mindestens … Euro und 01-05/2020 mindestens … Euro. In dieser Erklärung findet sich zudem eine Übersicht von verkauften konkret benannten Artikeln/Stückzahlen für die genannten Jahre. Ergänzend hierzu sind nochmals für die Jahre 2018 und 2019 Stück- und Umsatzzahlen nach einzelnen Produkten aufgeführt.
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(6)Die Angaben zu Umsatz und Verkaufszahlen umfassen einen kleineren Teil des nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Zeitraums – nämlich 1 Jahr und 4 Monate – sowie einen großen Teil des nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG relevanten Zeitraums – nämlich 3,5 Jahre. Dass jeweils nicht die ganzen fünf Jahre erfasst sind, steht der Annahme einer ernsthaften Benutzung nicht entgegen, weil keine kontinuierliche Verwendung der Marke während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums erforderlich ist (vgl. EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 72 bis 74 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH GRUR 2013, 925 Rn. 40 – VOODOO). Die angegebenen Umsätze und abgesetzten Stückzahlen müssen daher weder den gesamten fünfjährigen Benutzungszeitraum abdecken noch das letzte Jahr betreffen, sofern der fragliche Einsatz der Marke noch als ernsthafte Benutzung zu bewerten ist (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 85 und § 26 Rn. 95 ff.). Hieran bestehen wegen der Kontinuität der Benutzung und der Höhe der Umsätze bzw. der Absatzzahlen keinerlei Zweifel.
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Die ausgewiesenen Zahlen belegen eine wirtschaftlich sinnvolle und damit ernsthafte Inlandsbenutzung der Widerspruchsmarke.
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(7) Aus den oben genannten Unterlagen geht eine Benutzung der Widerspruchsmarke für verschiedene Baby- und Kinderprodukte hervor, die unter die Warenbegriffe fallen, für die die Widerspruchsmarke geschützt ist.
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Grundsätzlich können nur die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf zum gleichen Warenbereich gehörende Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen, was aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen ist (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 36 – INJEKT/INJEX).
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Letztlich kann aber die Frage dahingestellt bleiben, ob danach der Oberbegriff „Kinder- und Babybekleidungsstücke“ oder jeweils nur ein etwas eingeschränkterer Begriff wie beispielsweise „Babykopfbedeckung“ oder „Baby-Krabbelschuhe“/“Kinder-Gummistiefel“ zugrunde gelegt werden kann, oder ob wegen der Bedenken hinsichtlich der Benutzungsform – vgl. oben unter Ziffer (4) – nur die Produkte herangezogen werden dürfen, von denen Abbildungen mit unschädlichen Abwandlungen der Widerspruchsmarke eingereicht wurden, mithin Babymützen und Baby/Kinder-Stoppersocken.
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2. Denn selbst wenn man für den Warenvergleich auf Seiten der Widerspruchsmarke nur die Produkte „Babymützen“ und „Baby/Kinder-Stoppersocken“ berücksichtigt, stehen sich gleichwohl teils identische und teils zumindest mittelgradig ähnliche Waren gegenüber. Denn die angegriffene Marke beansprucht die weiten Warenoberbegriffe „Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen“, die die vorgenannten Widerspruchswaren umfassen. Die „Schuhwaren“ der angegriffenen Marke sind zu diesen Widerspruchswaren uneingeschränkt ähnlich (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 19. Aufl., Seite 292 linke und mittlere Spalte mit zahlreichen Nachweisen).
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3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „BOBO“ ist durchschnittlich.
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Der Begriff Bobo hat unterschiedlichste Bedeutungen. In erster Linie ist es ein in Deutschland nicht allzu oft vorkommender männlicher Vorname afrikanischer Herkunft (vgl. Stichwort „Bobo“ unter www.baby-vornamen.de; www.familienbande24.de; www.firstname.de). Im österreichischen Sprachgebrauch wird „Bobo“ – als Kunstwort aus Bourgeois und Bohemien – zur Bezeichnung eines Angehörigen einer modernen [jungen] bürgerlich-alternativ lebenden städtischen Gesellschaftsschicht und im spanischen Theater als Bezeichnung für einen Narr bzw. Spaßmacher verwendet. In der schweizerischen (mundartlichen) Kindersprache bezeichnet „Bobo“ dagegen eine kleine Verletzung, ein Wehwehchen (vgl. DUDEN Online unter www.duden.de). Daneben ist „Bobo“ aber u. a. auch der Name eines friesischen Herrschers des 8. Jahrhunderts und steht sowohl für verschiedene Orte in den USA als auch für zwei verschiedene Völker in Faso und Mali.Ferner wird er vor allem häufiger als Name für Comicfiguren verwendet. (vgl. Wikipedia Online Enzyklopädie).
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Weder als geografische Angabe noch als Zielgruppenhinweis kommt BOBO ernsthaft in Betracht. Auch eine in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren sonstige beschreibende Bedeutung oder ein beschreibender Anklang, der zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft führen würde, ist nicht erkennbar.
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4. Die hier relevanten Vergleichswaren richten sich an die allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere den Handel sowie den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeit beim Erwerb der Waren der Klasse 25 durchschnittlich bzw. bei höherwertigen und teureren Produkten – entsprechende Sortimente werden auch für Kinder und Babys angeboten – etwas erhöht ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 03.04.2020, 29 W (pat) 4/20 – Bell&Mondo/BELMONDO).
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5. Die Vergleichsmarken BABO und BOBO sind sich klanglich und schriftbildlich überdurchschnittlich ähnlich.
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Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – Aceites del Sur-Coosur [Carbonell/La Española]; BGH GRUR 2016, 382 Rn. 37 – BioGourmet). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH GRUR 2007, 700 Rn. 35 – HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH GRUR 2017, 1104 Rn. 27 – Medicon-Apotheke/Medico Apotheke).
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a) Dass sich die Vergleichsmarken BABO und BOBO im Schriftbild und im Klangbild sehr ähnlich sind, stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede. Auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen in dem Erinnerungsbeschluss vom 11. April 2018 wird daher insoweit verwiesen.
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b)Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin werden die schriftbildlichen und akustischen Übereinstimmungen beider Marken nicht durch begriffliche Abweichungen reduziert bzw. „neutralisiert“.
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Die angegriffene Marke BABO hat in der Jugendsprache die Bedeutung „Boss, Anführer, Chef“ und ist das Jugendwort des Jahres 2013. Zudem handelt es sich aber auch um einen männlichen Vornamen und vereinzelt auch Nachnamen (vgl. hierzu Stichwort Babo unter www.baby-vornamen.de; www.familienbande24.de; www.firstname.de).
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Bei der Widerspruchsmarke BOBO steht zweifellos die Bedeutung als Vorname im Vordergrund. Die Auffassung der Markeninhaberin, dass die Widerspruchsmarke sofort und ohne, dass es eines weiteren Denkvorgangs bedürfte, mit der Kinderbuchfigur „Bobo Siebenschläfer“ – bei dem es sich im Übrigen, wie der Name schon sagt, um einen Siebenschläfer, nicht aber um einen Bären handelt – assoziiert wird, teilt der Senat nicht; hierfür gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.
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Die zusätzliche Bedeutung von „Babo“ als „Chef, Boss, Anführer“ mag zwar bei genauer Betrachtung der Vergleichswörter etwas zur Unterscheidung beitragen. Zu berücksichtigen ist aber zum einen, dass es sich bei beiden Marken um Namen handelt und die umgangssprachliche Bedeutung von Babo nicht in einem Maße gängig ist, dass sie sich ohne weiteres aufdrängt. Denn viele der zur Wahl zum Jugendwort des Jahres stehenden Wörter sind, wie es sich für Jugendsprache ja auch gehört, der breiten Öffentlichkeit oft kein Begriff. Viele Jugendwörter mögen zudem kurzzeitig etwas bekannter sein, verschwinden häufig aber auch wieder aus dem Sprachgebrauch (der Jugendlichen). Zum anderen bieten begriffliche Abweichungen keine Unterscheidungshilfe, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich – wie hier – angesichts der fast vollständig übereinstimmenden Umrisscharakteristik bzw. angesichts der großen Übereinstimmungen im Klangbild der beiden Markenwörter ohne weiteres verlesen oder verhören können, so dass ihnen begriffliche Unterschiede bzw. ein begrifflicher Anklang einer Marke überhaupt nicht zum Bewusstsein kommen (vgl. hierzu Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 308ff und 316).
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Die möglichen Bedeutungsunterschiede der Vergleichswörter sind daher nicht derart ausgeprägt – zumal beide Namenscharakter aufweisen –, als dass sie die Verwechslungsgefahr bei der Unterscheidung der Zeichen aus dem Erinnerungsbild heraus ausschließen könnten. Dies unterscheidet den Streitfall von den beiden von der Markeninhaberin aufgeführten Entscheidungen zu „MESSI./.Massi“ (EuG GRURPrax 2018, 257, bestätigt durch EUGH C-449/18 P) und KIEFFER./.KAEFER (vgl. BPatG, Beschluss vom 04.12.2017, 25 W (pat) 2/17). Denn trotz der orthografisch leicht abgewandelten Schreibweise weisen die geläufigen deutschen Wörter „Kiefer“ und „Käfer“ jeweils einen ausgeprägten unterunterschiedlichen Begriffsgehalt auf, der auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erkannt und erfasst wird, ohne dass es eines weiteren Denkvorgangs bedarf. Auch der Hinweis der Markeninhaberin auf die Entscheidung zu den Vergleichsmarken „Messi“ und „Massi“ ist unbehelflich. Denn bei „Messi“ handelt es sich um den weltberühmten Namen eines Fußballers. Von einer derartigen Bekanntheit des Begriffs bzw. der Begriffe „Babo“ und „Bobo“ ist vorliegend nicht auszugehen.
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6. In der Gesamtabwägung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren begründet die überdurchschnittliche Markenähnlichkeit in Anbetracht der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bei identischen und mittelgradig ähnlichen Waren und selbst bei leicht erhöhter Aufmerksamkeit der Verbraucher die Gefahr von klanglichen und schriftbildlichen Verwechslungen, so dass die angegriffene Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG im beantragten Umfang löschungsreif ist.
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Die Beschwerde der Markeninhaberin hat daher keinen Erfolg.
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C) Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht kein Anlass.


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