Patent- und Markenrecht

Patentbeschwerdeverfahren – nicht mehr anhängige Anmeldung – Anmelder macht ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis an einer rückwirkenden Entscheidung über die Patentfähigkeit geltend – Entscheidung in der Sache

Aktenzeichen  17 W (pat) 33/19

Datum:
20.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2020:200520B17Wpat33.19.0
Normen:
§ 16 PatG
§ 48 PatG
Spruchkörper:
17. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 84 034.9
(hier: Ablauf der Schutzdauer)

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Mai 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Phys. Univ. Dr. Forkel und des Richters k. A. Dipl.-Phys. Univ. Dr. Städele
beschlossen:
Das Verfahren wird in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
1
Die vorliegende (Teil-)Anmeldung DE 198 84 034.9 ist hervorgegangen aus der Stammanmeldung DE 198 82 925.6, die zu einem Patent geführt hatte. Anmeldetag der Stammanmeldung war der 31.12.1998, die Teilungserklärung ist am 03.12.2009 beim DPMA eingegangen.
2
Die Anmelderin hat auf den Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse G06T vom 23. Dezember 2014 im Juli 2015 geänderte Patentansprüche eingereicht und zum Prüfungsbescheid Stellung genommen.
3
Am 12. Februar 2019 hat der Anmeldervertreter eine E-Mail an die Prüfungsstelle gesandt, in der er ausgeführt hat, daß die vorliegende (Teil-)Anmeldung 20 Jahre nach ihrem Anmeldetag erloschen sei. Sowohl eine Zurückweisung der Anmeldung als auch eine Erteilung setzten aber die Anhängigkeit voraus. Somit habe das Prüfungsverfahren am 31. Dezember 2018 geendet.
4
Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat die Patentanmeldung am 22. Februar 2019 mittels Beschluss zurückgewiesen. Der Zeitrang der vorliegenden Anmeldung sei der 31. Dezember 1998, weshalb am 31. Dezember 2018 das Patent nach 20 Jahren abgelaufen wäre, sofern es erteilt worden wäre. Deshalb müsse trotz Ablaufs der maximalen Schutzdauer durch Beschluss über den Prüfungsantrag entschieden werden. Bei einer Beschwerde sei als besondere Verfahrensvoraussetzung ein Rechtsschutzbedürfnis nachzuweisen.
5
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Die Patentanmeldung sei 20 Jahre nach ihrem Anmeldetag erloschen (§ 16 PatG alg.). Dies habe der Vertreter der Anmelderin auch gegenüber der Prüfungsstelle vertreten und ausgeführt, daß kein Raum für eine Erteilung des Patents oder eine Zurückweisung der Anmeldung bleibe. Die Zurückweisung einer Patentanmeldung nach § 48 PatG setze das Vorhandensein einer solchen Anmeldung voraus. Sei eine Patentanmeldung nicht mehr anhängig, weil bspw. die Jahresgebühren nicht entrichtet worden seien oder weil sie durch Zeitablauf nach 20 Jahren erloschen sei, so könne diese mangels Existenz auch nicht mehr zurückgewiesen werden. Für den Antrag auf Aufhebung des Beschlusses bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, denn die Anmelderin sei durch den Beschluss beschwert. Er enthalte Feststellungen über die Patentfähigkeit des mit der Anmeldung beanspruchten Gegenstandes. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr werde beantragt, weil das Verfahren und der Beschluss an einem wesentlichen Mangel litten. Das rechtliche Gehör sei verletzt und der Antrag auf Anhörung sei mit der Begründung abgelehnt worden, daß die Anmelderin selbst davon ausgehe, daß das Prüfungsverfahren geendet habe.
6
Die Prüfungsstelle hat den Beschluss aufgehoben, die Sache erneut in Behandlung genommen und die Beschwerdegebühr zurückgezahlt.
7
Am 19. März 2019 hat die Prüfungsstelle zur Anhörung geladen. Im Ladungszusatz hat sie ausgeführt, daß sie die Anmeldung als anhängig ansehe, weshalb über den Antrag auf Patenterteilung zu beschließen sei. Die Anmeldung sei anhängig, da laut Schulte, PatG, 10. Aufl., § 48 Rdnr. 5 lediglich eine noch nicht anhängige Anmeldung oder eine nicht mehr anhängige Anmeldung, die zwar einmal existierte, aber infolge erklärter oder gesetzlich fingierter Rücknahme bereits erloschen ist, oder eine Anmeldung, die die Erfordernisse des § 35 a nicht erfülle, und damit als zurückgenommen gelte, nicht zurückgewiesen werden könne. Da keiner dieser Einzelfälle zutreffe, sei die vorliegende Anmeldung entgegen der Meinung der Anmelderin immer noch anhängig, weil sie nicht infolge erklärter oder gesetzlich fingierter Rücknahme erloschen sei. Somit müsse die Prüfungsstelle über den Prüfungsantrag beschließen.
8
Der Vertreter der Anmelderin hat die Auffassung vertreten, daß einem Prüfungsverfahren die Grundlage entzogen sei, weil die Patentanmeldung erloschen sei. Lediglich zur Beschleunigung des Verfahrens werde der hilfsweise gestellte Antrag auf Anhörung zurückgenommen und um Beschlussfassung gebeten.
9
Am 03. April 2019 hat die Prüfungsstelle einen Beschluss erlassen, mit dem die Patentanmeldung zurückgewiesen wurde. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die Zurückweisung aus denselben Gründen erfolge wie im Ladungszusatz vom 19. März 2019 ausgeführt.
10
Die Anmelderin hat diesen Beschluss am 08. April 2019 erhalten und am 12. April 2019 dagegen Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Zudem hat sie angeregt, der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts anheimzugeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.
11
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt sie im Wesentlichen folgendes vor:
12
Der Beschluss der Prüfungsstelle sei nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG aufzuheben, ohne daß der Senat in der Sache selbst, d. h. über eine Patentanmeldung zu entscheiden haben werde, denn sowohl eine Erteilung als auch eine Zurückweisung setzten die Anhängigkeit einer Patentanmeldung voraus. Lediglich wenn die Anmelderin ein Rechtsschutzinteresse sowohl an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als auch an der nachträglichen Erteilung des Patents geltend mache könne die Prüfungsstelle in der Sache entscheiden.
13
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei anzuordnen, weil dies der Billigkeit entspreche.
14
Es werde angeregt, der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts anheimzugeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten, da es sich vorliegend um die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handle.
15
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
16
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet, denn über eine Anmeldung, die nicht mehr anhängig ist, ist nur dann in der Sache zu entscheiden, wenn der Anmelder ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis an einer rückwirkenden Entscheidung über die Patentfähigkeit geltend macht.
17
1. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie mit einer Patentanmeldung zu verfahren ist, die älter als die Patentlaufzeit von 20 Jahren ist, besteht nicht. Allerdings bestimmt § 48 PatG, daß (nur) eine Anmeldung zurückgewiesen werden kann. Danach kann eine Anmeldung, die noch nicht bzw. wegen erklärter oder gesetzlicher Rücknahme nicht mehr anhängig ist oder die als zurückgenommen gilt, nicht zurückgewiesen werden (Schulte, a. a. O., § 48 Rdnr. 5). § 48 steht im inneren Zusammenhang der Vorschriften über das Prüfungsverfahren, setzt also ein solches und damit eine Anmeldung voraus. Damit kann grundsätzlich eine Anmeldung, die nicht (mehr) anhängig ist, etwa weil sie unwirksam oder zurückgenommen worden ist, als nicht erfolgt gilt oder ihre Zurücknahme fingiert wird, nicht zurückgewiesen werden. Das ist in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen (Busse, PatG, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 6).
18
Damit ist eine Anmeldung, die nicht mehr anhängig ist, als erledigt anzusehen.
19
2. Eine Ausnahme davon ist nur dann zu machen, wenn der Anmelder ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis an einer rückwirkenden Entscheidung über die Patentfähigkeit geltend macht. Dieses muß vom Anmelder ausdrücklich vorgetragen werden (BPatGE 12, 119; 42, 256).
20
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt haben jedoch die Vertreter der Anmelderin explizit darauf hingewiesen, daß weder die Zurückweisung der Anmeldung noch die Erteilung eines Patents möglich sei, weil die Anmeldung durch den Zeitablauf nicht mehr anhängig sei. Ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Entscheidung wurde nicht geltend gemacht.
21
3. Der Auffassung der Prüfungsstelle, die Anmeldung sei weiterhin anhängig, ist damit nicht zu folgen. Im Übrigen ist unverständlich, warum die Prüfungsstelle bei dieser Auffassung das Schreiben der Anmeldevertreter vom 12. Februar 2019 nicht als konkludente Rücknahme der „anhängigen“ Anmeldung angesehen hat.
22
4. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen (§ 80 Abs. 3 PatG). Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfolgt, wenn dies der Billigkeit entspricht. Billigkeit liegt vor, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 135).
23
Danach ist eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr angemessen. Die Hauptsache war für erledigt zu erklären. Stattdessen wurde die Anmelderin nach Ablauf der Schutzdauer dem Erlass von zwei Beschlüssen ausgesetzt, von denen einer wieder aufgehoben wurde. Dies geschah, obwohl die Anmelderin ausdrücklich um Beendigung des Verfahrens ohne Beschluss gebeten, also kein Rechtsschutzbedürfnis geltend gemacht hat.
24
Damit war das Vorgehen der Prüfungsstelle für die Einlegung der Beschwerde ursächlich.
25
5. Es schien nicht sachdienlich, der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts den Beitritt anheimzugeben. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 77 PatG liegt nicht vor. Das Instrument der „Erledigung in der Hauptsache“ ist hinreichend bekannt, so daß nicht von einem Interesse der Allgemeinheit für die Zukunft auszugehen ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 77 Rdnr. 6, a) und § 100 Rdnr. 17).
26
6. Von einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung konnte abgesehen werden, da die Erledigung der Hauptsache zur Wirkungslosigkeit auch der Entscheidung der ersten Instanz führt (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO; Busse, a. a. O., § 73 Rdnr. 180, 189).
27
7. Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da eine mündliche Verhandlung weder beantragt noch sachdienlich ist.


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