Sozialrecht

Anerkennung eines Dienstunfalls – Eröffnung dienstlicher Beurteilung

Aktenzeichen  3 ZB 14.1450

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47787
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2
BayBeamtVG Art. 45, Art. 46 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Es ist zweifelhaft, ob sozial adäquate Vorgänge, die üblicher und selbstverständlicher Bestandteil des Beamtenverhältnisses sind – wie die Eröffnung einer Beurteilung – überhaupt als äußeres Ereignis im Sinne des Dienstunfallrechts in Betracht kommen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwischen dem schädigenden Ereignis und dem aufgetretenen Körperschaden fehlt bei sog. Gelegenheitsursachen die Kausalität. Eine Gelegenheitsursache liegt vor, wenn zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst nur eine rein zufällige Beziehung besteht, etwa wenn ein anlagebedingtes Leiden so leicht ansprechbar ist, dass es zur Auslösung keiner unersetzlichen Einwirkung bedarf, sondern auch ein anderes, alltägliches Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (stRspr, VGH München BeckRS 2016, 46003) . (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines Sachverständigen zur Erläuterung eines in einem anderen Verfahren erstattten Gutachtens ist nicht verfahrensfehlerhaft, weil ein Anspruch auf Befragung eines Sachverständigen nur besteht, wenn er im vorliegenden Verfahren des Gerichts mit der Erstellung eines Gutachtens betraut war. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 13.1954 2014-05-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann), § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche Schwierigkeiten) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Anerkennung eines Dienstunfalls wegen der Eröffnung der Zwischenbeurteilung am 5. November 2012 durch die Rektorin der Grund- und Mittelschule H. gemäß Art. 45 ff. BayBeamtVG zu Recht abgewiesen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Ereignis vom 5. November 2011 sei (zumindest) nicht wesentliche Ursache für den vom Kläger geltend gemachte Körperschaden (hier: depressive Episode mit Somatisierung mit Verstimmtheit, Schlafstörungen, Panikattacken und Gewichtsabnahme), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1.1. Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (vgl. BayVGH, B. v. 6.5.2016 – 3 ZB 15.924 – juris Rn. 4).
Soweit der Kläger vorbringt, das Verwaltungsgericht habe gegen den Wortlaut des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG dem Ereignis vom 5. November 2012 als beamtenrechtlich typischen Geschehensablauf per se die Qualität abgesprochen, einen Dienstunfall zu begründen, so kann er nicht durchdringen. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.
Das Verwaltungsgericht hat sich zu Recht die Frage gestellt, ob eine Beurteilungseröffnung (hier: Zwischenbeurteilung vom 31. Juli 2012) als typischer, üblicher und selbstverständlicher Bestandteil des beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses und als Vorgang in Erfüllung beamtenrechtlicher Pflichten des Dienstherrn schon begrifflich überhaupt geeignet sein kann, ein äußeres Ereignis im Sinne von Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG darzustellen. Letztendlich hat es hierauf seine Klageabweisung nicht gestützt, obwohl für eine solche Sichtweise – auch nach Auffassung des Senats – gute Gründe sprächen.
Der Kläger macht geltend, dass ihn die für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis 31. Juli 2012 vom Rektor seiner Stammschule (Mittelschule F.) erstellte Zwischenbeurteilung, die ihm von der Rektorin der Grund- und Mittelschule H. am 5. November 2012 eröffnet worden ist, schwer verletzt habe, weil sie mit einer nach einem Unterrichtsbesuch gegebenen mündlichen „Vorabbeurteilung“, mit der er vollauf zufrieden gewesen sei, nicht übereingestimmt habe und unter Punkt 4 (Gesamtergebnis) ausgeführt worden sei: „Unter den gegebenen Verhältnissen, ungeachtet möglicher Fähigkeiten, die zur Zeit aber noch wenig in Erscheinung treten, ist die derzeit gezeigte Leistung sowohl unterrichtlich wie erziehlich mit deutlichen Mängeln belastet. Ohne grundsätzliche Wandelung der beruflichen Grundeinstellung ist eine weitere Berufsausübung als Lehrer kaum denkbar. Für das Kollegium ist er eine erhebliche Belastung. Das Ansehen der Lehrkraft in der Öffentlichkeit ist negativ belastet“.
Das Merkmal der äußeren Einwirkung hat den Zweck, äußere Vorgänge von lediglich im Innern des menschlichen Körpers ablaufenden Vorgängen abzugrenzen. Es soll Unfallereignisse und Körperbeschädigungen ausschließen, die auf eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Beamten oder auf willentliches Verhalten des Beamten zurückgehen (Kazmaier in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Kommentar zum Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Januar 2015, Hauptband II, Rn. 17 zu § 31 BeamtVG; Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand September 2014, Band 2, Rn. 39 ff. zu § 31 BeamtVG). Zwar können auch psychische Reaktionen auf äußere Vorgänge, wie z. B. der tätliche Angriff auf einen Kollegen oder Beleidigungen und Beschimpfungen einen Körperschaden zur Folge haben, der zum Vorliegen eines Dienstunfalls führt (vgl. BVerwG, U. v. 9.4.1970 – II C 49.68 – juris Rn. 14; BSG, U. v. 8.12.1998 – B 2 U 1/98 R – juris 20). Für die Abgrenzung eines Unfalls von sonstigen Körperschädigungen ist jedoch entscheidend, ob die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Verletzten wesentliche Ursache gewesen ist (Plog/Wiedow a. a. O., Rn. 41 zu § 31 BeamtVG, BSG, U. v. 8.12.1998 a. a. O.).
Die Abgrenzung zwischen innerer und äußerer Einwirkung erfolgt grundsätzlich negativ, d. h., ist eine innere Einwirkung nicht erkennbar, muss vom Vorliegen einer äußeren Einwirkung ausgegangen werden. Treffen eine innere und äußere Ursache zusammen, kommt es darauf an, welches die wesentliche Teilursache ist (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer a. a. O. Rn. 9 ff. zu § 31 BeamtVG). Bei Dienstunfällen infolge psychischer Einwirkungen stellt sich insofern die Frage, ob das behauptete schädigende Ereignis seiner Art nach generell geeignet ist, die geltend gemachten emotionalen Belastungen mit Krankheitswert hervorzurufen. Dieses ist nur dann rechtlich als wesentliche Ursache für eine psychische Störung zu sehen, wenn das behauptete Unfallereignis und seine gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Eigenart und Intensität nach unersetzlich sind. Ist aber die Psyche des Beamten aufgrund seiner aktuellen seelischen Verfassung bzw. seiner Veranlagung so leicht ansprechbar, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist, ist es ausgeschlossen, das behauptete Unfallereignis als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen.
Halten sich wie hier die zur Erkrankung führenden Ereignisse im Rahmen der sozialen Adäquanz – Beleidigungen, Beschimpfungen und Herabsetzungen bei der Eröffnung der Beurteilung oder innerhalb der eröffneten Beurteilung sind nicht ersichtlich und auch nicht vom Kläger vorgetragen – spricht viel dafür, sie als typische Ereignisse des konkreten Beamtenverhältnisses objektiv nicht als geeignet anzusehen, als äußere Einwirkung im Sinne des Dienstunfallrechts in Betracht zu kommen. Nach Auffassung des Senats kann dies auch für die Eröffnung einer Beurteilung gelten, die nicht den Erwartungen des Beamten entspricht, soweit sich der Inhalt und die Umstände der Eröffnung in sozial adäquatem Rahmen halten. So hat das Landessozialgericht Berlin – Brandenburg in seinem Urteil vom 24. September 2008 (Az. L 31 U 477/08 – juris Rn. 36) ausdrücklich klargestellt, dass Ereignisse, die von gesunden Menschen üblicherweise verarbeitet werden können, auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts keinen Unfall darstellen können. Auch das OVG Schleswig-Holstein hat in seiner Entscheidung vom 26. November 1993 (Az. 3 L 99/93 – juris Rn. 36) deutlich gemacht, dass für ein Eingreifen der Unfallfürsorge bei Vorgängen, die im Rahmen des Dienstverhältnisses üblich und selbstverständlich sind, kein Anlass besteht. Derartige Vorkommnisse, wie z. B. den Beamten oder das Beamtenverhältnis als solches betreffende dienstliche Mitteilungen, die sich im Rahmen der sozialen Adäquanz halten, könnten den Dienstunfallbegriff von vornherein nicht erfüllen. Etwas anderes könne nur bei Hinzutreten weiterer Umstände gelten, die den Rahmen der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses überstiegen. Dies sei etwa bei verletzenden Äußerungen im Verlauf einer verbalen Auseinandersetzung mit Dienstvorgesetzten der Fall. Vorliegend sind Beschimpfungen oder Beleidigungen, anlässlich der Beurteilungseröffnung nicht ersichtlich. Das Gesamtergebnis erweist sich zwar insgesamt als wenig positiv für den Kläger, hält sich aber im Rahmen einer Bewertung, die Mängel aufweist (MA). Auch die letzten beiden Beurteilungen des Klägers aus den Jahren 2009 und 2010 wiesen dieses Gesamtergebnis auf. Der Kläger mag zwar aufgrund der von ihm als besser empfundenen „Vorbeurteilung“ nach dem Unterrichtsbesuch vom Gesamtergebnis überrascht gewesen sein, dieses umfasst jedoch den gesamten Zeitraum, auf den sich die Beurteilung bezieht und nicht nur einen einzelnen Unterrichtsbesuch. Im Übrigen hat der Kläger die Zwischenbeurteilung rechtlich nicht angegriffen.
1.2 Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls zu Recht zumindest wegen der fehlenden erforderlichen Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis und dem beim Kläger aufgetretenen Körperschaden verneint.
Als Ursache im Rechtssinn für die Anerkennung eines Dienstunfalls sowie für die hieraus geltend gemachten Unfallfolgen sind nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinn anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend am Erfolg mitgewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs aufwies wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. BayVGH, B. v. 9.10.2015 – 3 ZB 12.1708 – juris Rn. 12).
Keine Ursache im Rechtssinn sind sog. Gelegenheitsursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst nur eine rein zufällige Beziehung besteht, etwa wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden eines Beamten so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (BayVGH, B. v. 6.5.2016 – 3 ZB 15.924 – juris Rn. 6).
Der Beamte trägt die materielle Beweislast dafür, dass eine Schädigung wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist der volle Beweis zu erbringen. Dieser muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Dies gilt auch für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Körperschaden (vgl. BayVGH, B. v. 9.10.2015 – 3 ZB 12.1708 – juris Rn. 14).
Nach diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zutreffend eine Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis vom 5. November 2012 und den beim Kläger aufgetretenen Körperschäden verneint. Soweit es feststellt, dass die im Zusammenhang mit der Eröffnung der Zwischenbeurteilung am 5. November 2012 (erneut) aufgetretene depressive Episode des Klägers nicht wesentliche Ursache für den eingetretenen Körperschaden gewesen sei, da der Kläger bereits an einer depressiven Grunderkrankung gelitten habe und damit der „Unfall“ nicht wesentliche Ursache für den eingetretenen Körperschaden sei, sondern allenfalls eine Gelegenheitsursache darstelle, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht hat sich hierbei maßgeblich auf die Feststellungen aus dem Gesundheitszeugnis der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Mittelfranken vom 27. Februar 2013 zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Klägers gestützt, das u. a. auf der Grundlage der Untersuchung des Klägers vom 26. Februar 2013 und den vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Attesten vom behandelnden Arzt Dr. L. vom 11. Dezember 2012 und 7. Februar 2013, aber auch auf Befundberichten der amtsärztlichen Untersuchungen des Staatlichen Gesundheitsamtes Landratsamt N. Land vom 27. August 2007, 21. Januar 2009, 18. März 2010, 6. Mai 2010, 21. Juli 2010, 9. Dezember 2010 und den Medizinischen Akten der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Mittelfranken seit 2005 beruhte.
Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Gutachten vom 27. Februar 2013 auseinandergesetzt, kann der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen. Soweit das Gericht davon ausgeht, dass im Gutachten das beschriebene Verhalten des Klägers Ausdruck seiner bereits bestehenden depressiven Grunderkrankung sei, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Im Gutachten wurde ausdrücklich festgestellt, dass beim Kläger Erkrankungen vorliegen, die in den letzten Jahren zur wiederholten krankheitsbedingten Abwesenheit vom Dienst geführt hätten. Die aktuelle Erkrankung könne als Rezidiv einer Erkrankung angesehen werden, die bereits im Schuljahr 2005/2006 eine langfristige krankheitsbedingte Abwesenheit vom Dienst verursacht habe. Aktuell äußere sich die Erkrankung mit einer bestehenden Verminderung der psychosozialen Belastbarkeit. Situationen, die einen Auslöser für Dekompensationen darstellten, könnten benannt werden. Diese Situationen seien direkt mit dem Schulalltag, bestimmten Ereignissen oder Personen verknüpft.
Im Gutachten wird ausdrücklich auf die frühere depressive Erkrankung des Klägers Bezug genommen und die aktuelle Erkrankung als Rezidiv dargestellt. Zugleich werden verschiedene Situationen aus dem Schulalltag dargestellt, die den Auslöser für eine Dekompensation darstellen könnten. Soweit das Verwaltungsgericht insofern – sogar in Übereinstimmung mit dem Kläger und der Gutachterin – zu der Auffassung gelangt, dass das Unfallereignis zwar die aktuelle Erkrankung ausgelöst hat, gleichzeitig aber dem Gutachten entnimmt, dass dieses Leiden bereits vorhanden war, durch verschiede Situationen im Schulalltag hätte ausgelöst werden können und deshalb als Gelegenheitsursache anzusehen ist, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Dienstunfall muss zwar für den Körperschaden ursächlich geworden sein. Rein rechtlich im Sinne von Art. 45 ff. BayBeamtVG reicht aber eine lediglich naturwissenschaftlich-logische Kausalität nicht aus. Vielmehr muss zwischen dem Unfall und dem Körperschaden ein qualifizierter Zurechnungszusammenhang in der Form bestehen, dass sich der Unfall als wesentliche Ursache für den Körperschaden darstellt (BVerwG, U. v. 29.10.2009 – 2 C 134/07 – juris Rn. 26). Diesen hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint.
Es konnte davon ausgehen, dass beim Kläger bereits eine depressive Grunderkrankung vorlag. Dies bestätigen selbst die vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Gutachten von Dr. L. vom 11. Dezember 2012 und 7. Februar 2013, die von einer „weiteren“ bzw. „erneuten“ depressiven Episode des Klägers (ausgelöst durch das Ereignis vom 5. November 2012) sprechen. Bestätigungen oder Atteste, aus denen sich eine vollständige Heilung des Klägers von der früheren depressiven Erkrankung (ab dem Jahr 2005) ergeben würde, wurden nicht vorgelegt. Auch aus dem vom Kläger benannten Gesundheitszeugnis vom 9. Januar 2007 ergibt sich eine vom Kläger behauptete vollständige Heilung nicht. Dort wird lediglich bestätigt, dass die im Gesundheitszeugnis vom 30. Januar 2006 beschriebenen seelischen Störungen des Klägers remittiert seien, aber eine neue psychische Störung aufgetreten sei. Der psychische Zustand sei labil, die Lage seiner psychischen Stabilität würde vom Beamten nicht ganz richtig eingeschätzt. Im vergangenen Jahr seien sechs psychiatrische Klinikaufenthalte erforderlich gewesen. Einmal sei es zu einer hirnorganischen Psychose gekommen. Diese sei zwar mittlerweile abgeheilt, es seien aber weiterhin unbedingt medizinische Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich. Auch die ambulanten psychiatrischen Behandlungen wegen einer depressiven Episode bis zum Januar 2012 sprechen gegen eine vom Kläger behauptete, zwischenzeitlich eingetretene, vollständige Heilung.
Die Behauptung des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die wissenschaftlich nicht fundierte These aufgestellt, dass ein einmal an einer Depression Erkrankter nicht mehr aufgrund eines Dienstunfalls an einer Depression erkranken könne, lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht aus den ihm vorliegenden medizinischen Gutachten und Attesten den Schluss gezogen, dass die frühere depressive Erkrankung des Klägers zum Zeitpunkt der Beurteilungseröffnung am 5. November 2012 nicht ausgeheilt, sondern lediglich remittiert war. Für eine bereits bestehende Grunderkrankung beim Kläger spricht ebenfalls, dass das Ereignis vom 5. November 2012 solche gesundheitlichen Auswirkungen beim Kläger auslösen konnte. Die Beurteilungseröffnung an sich stellt nämlich zunächst nach objektiver Betrachtungsweise und Wertung kein Ereignis dar, das ohne eine entsprechende Prädisposition oder Vorbelastung eine depressive Episode hervorrufen kann (vgl. auch Sächs. OVG, B. v. 24.3.2009 – 2 B 353/07 – juris: zur Ankündigung der Prüfung eines Disziplinarverfahrens).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
2.1 Die vom Kläger gerügte Ablehnung seines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags auf Vernehmung von Frau Dr. L. zur Erläuterung ihres Gutachtens vom 27. Februar 2013 begründet keinen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag laut der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2014 mit der Begründung abgelehnt, dass eine Anhörung der Sachverständigen Frau Dr. L. von der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Mittelfranken nicht geboten sei, weil das von ihr erstellte Gesundheitszeugnis vom 27. Februar 2013 nicht zu der im vorliegenden Streitverfahren maßgeblichen Frage der Kausalität des Unfallereignisses Stellung nehme, sondern allein zur Frage der Dienstfähigkeit des Klägers.
Auf die Verfahrensrechte der §§ 397, 402, 411 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 98 VwGO zur Befragung eines Sachverständigen kann sich der Kläger nicht berufen. Frau Dr. L. wurde nicht im vorliegenden Verfahren mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. Sie hat ihr Gutachten vom 27. Februar 2013 im Rahmen einer anstehenden Ruhestandsversetzung zur Frage der Dienstfähigkeit des Klägers erstellt. Vorliegend wäre allenfalls eine Vernehmung als sachverständige Zeugin (§ 414 ZPO i. V. m. §§ 373 ff. ZPO) zu ihren Wahrnehmungen bei der beim Kläger erfolgten Untersuchung am 26. Februar 2013 in Betracht gekommen. Ein solcher Beweisantrag wurde aber in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite ebenso wenig gestellt, wie ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des qualifizierten Kausalzusammenhangs.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag hätte im Übrigen auch als unsubstantiiert abgelehnt werden können, weil er sich ersichtlich nicht auf eine konkrete Tatsache bezog (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 27).
2.2 Vor dem Hintergrund des Gutachtens vom 27. Februar 2013 und der vorgelegten privatärztlichen Atteste vom 11. Dezember 2012 und 7. Februar 2013 ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht nicht von Amts wegen ein (zusätzliches) Gutachten zur Frage des qualifizierten Zurechnungszusammenhangs eingeholt hat. Zu Recht ging es davon aus, dass sich eine weitere Beweiserhebung vorliegend nicht aufdrängte (Geiger in Eyermann, a. a. O. § 86 Rn. 44). Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß Art. 86 Abs. 1 VwGO ist nicht ersichtlich.
Das Gericht stützt sich auf die Feststellungen im Gutachten vom 27. Februar 2013, auf die vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Gutachten vom 11. Dezember 2012 und 7. Februar 2013. Zudem wurden vom Kläger Rechnungen für ambulante Behandlungen wegen einer depressiven Episode bis Januar 2012 bei der Krankenkasse eingereicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der durch das Ereignis vom 5. November 2012 ausgelösten depressiven Episode um eine vollständige neue Erkrankung handelt, liegen nicht vor und wurden auch nicht substantiiert vorgetragen. Den vom Kläger vorgelegten privatärztlichen Gutachten vom 11. Dezember 2012. und 7. Februar 2013 sowie dem Beiblatt zur Dienstunfalluntersuchung vom 21. Mai 2013 lässt sich lediglich entnehmen, dass von einer „weiteren depressiven Episode“ im Hinblick auf die Vorerkrankung des Klägers im Jahr 2005 ausgegangen wird bzw. dass vorbekannte Depressionen jeweils remittiert seien. Die Beauftragung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat sich deshalb nicht aufgedrängt. Mängel am zugrunde gelegten Gutachten vom 27. Februar 2013 sind weder ersichtlich noch wurden sie vom Kläger vorgetragen. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer bestehenden, lediglich vorübergehend remittierten Grunderkrankung ausgegangen. Weder dem Gutachten noch den vorgelegten privatärztlichen Attesten lässt sich entnehmen, dass der Kläger von seiner früheren psychischen Erkrankung geheilt war und es sich bei der aktuellen depressiven Episode um eine vollkommen neue Erkrankung handelt.
Da sich eine weitere Beweiserhebung dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängte, hätte es vielmehr dem anwaltlich vertretenen Kläger oblegen, durch Stellung eines entsprechenden Beweisantrags gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um die Versäumnisse eines Beteiligten wie das Unterlassen der Stellung von korrekten Beweisanträgen in der ersten Instanz im Berufungsverfahren zu kompensieren (BayVGH, B. v. 9.10.2015 – 3 ZB 12.1708 – juris Rn. 27). Die Beweisangebote/-anträge in den vorbereitenden Schriftsätzen sind anerkanntermaßen lediglich als Ankündigungen bzw. Anregungen an das Gericht zu werten.
3. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat in Ansehung des im Zulassungsantrag Dargelegten alles Erforderliche getan, um die Frage des qualifizierten Kausalzusammenhangs zu klären (s. o. Abschnitt II Ziff. 2.2).
4. Die Berufung war auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) zuzulassen. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich.
5. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. 10.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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