Sozialrecht

Befreiung von der Zweitwohnungsteuer

Aktenzeichen  4 B 16.1541

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 3 Abs. 3 S. 7

 

Leitsatz

1 Nach der gesetzlichen Regelung des Art. 3 Abs. 3 S. 7 BayKAG setzen Entscheidungen nach den Sätzen 2 bis 6 dieser Vorschrift (Entscheidungen über die Nichterhebung der Steuer) „einen Antrag voraus, der bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folgt, gestellt sein muss.“ Diese Vorschrift normiert eine Ausschlussfrist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 S. 7 BayKAG kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Frist auch noch gewahrt ist, wenn der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Erhalt der Steuererklärungsunterlagen gestellt werde. (redaktioneller Leitsatz)
3 Art. 3 Abs. 3 S. 7 BayKAG ist nicht dispositiv. (redaktioneller Leitsatz)
4 Die erstmalige Nichtanwendung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis ist Konsequenz jeder Korrektur. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder auf eine Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns. (redaktioneller Leitsatz)
5 Das Vertrauen in ein bestimmtes bisheriges Verwaltungshandeln einer Behörde setzt für seine Berücksichtigung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme voraus, dass der Betreffende, der auf den Fortbestand einer für ihn günstigen Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung vertraut hat, auch entsprechende Dispositionen getroffen hat, die schutzwürdig sind. Die entsprechende Rechtslage darf darüber hinaus nicht als zweifelhaft erschienen sein. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011. Der eine Befreiung für diese Jahre ausschließende Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Zwar ist der eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 nicht bestandskräftig geworden, weil er durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 in vollem Umfang aufgehoben worden ist (1.). Jedoch war für die Jahre 2009 bis 2011 die gesetzliche Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG bereits verstrichen, als die Klägerin erstmals Antrag auf Befreiung am 16. März 2012 stellte. Diese gesetzliche Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist (2.). Aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlauts kommt eine Auslegung dahingehend, dass statt der gesetzlich vorgesehenen Datumsfrist die Einhaltung einer Monatsfrist nach erstmaligem Erhalt von Steuererklärungsunterlagen ausreichen soll, nicht in Betracht (3.). Auch aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß dem Verwaltungsvollzug der Beklagten (Kulanzregelung) kann die Klägerin kein Recht auf Befreiung herleiten, denn diese Kulanzregelung ist ihrerseits wegen Verstoßes gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes und aus Gründen der Gleichbehandlung mit sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen rechtswidrig (4.). Schließlich besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen (5.). Mangels eines Anspruches der Klägerin auf Erlass der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 haben daher sämtliche Haupt- und Hilfsanträge der Klägerin im Berufungsverfahren keinen Erfolg. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
1. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist der eine Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 in vollem Umfang durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben worden. Der Tenor dieser Entscheidung ist eindeutig, er enthält keine Einschränkung für einzelne Steuerjahre. Damit ist aber der ursprüngliche Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Steuer vom 16. März 2012 noch offen und konnte noch verbeschieden werden. Der spätere Antrag vom 8. Dezember 2014 hat demgegenüber keine eigene Bedeutung, er bezieht sich richtigerweise auch auf den maßgeblichen Antrag vom März 2012. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge Nr. 6 und 7 sind daher hinfällig, weil sie nur für den Fall gestellt wurden, dass der Senat den Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 für teilweise bestandskräftig hält.
2. Die Anträge Nr. 1 bis 5 der Klägerin im Berufungsverfahren haben keinen Erfolg, weil es an einem Anspruch auf Steuerbefreiung für die Jahre 2009 bis 2011 fehlt. Es bleibt daher bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung ohne Rückerstattung mit entsprechender Verzinsung:
Nach der gesetzlichen Regelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG setzen Entscheidungen nach den Sätzen 2 bis 6 dieser Vorschrift (Entscheidungen über die Nichterhebung der Steuer) „einen Antrag voraus, der bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folgt, gestellt sein muss.“ Diese zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Vorschrift normiert eine Ausschlussfrist (Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 fh). Für das Steuerjahr 2011 (und damit erst recht für die früheren Jahre) ist der Antrag vom März 2012 zu spät gestellt worden, er hätte bis Ende Januar 2012 gestellt sein müssen. Nach der insoweit klaren gesetzlichen Regelung kann daher von der Beklagten aufgrund des Antrags vom März 2012 keine Entscheidung mehr über die Nichterhebung der Steuer nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG getroffen werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist insoweit nicht auslegungsbedürftig, es bleibt bei fehlendem oder verspätetem Antrag schlicht bei der Zweitwohnungsteuerpflicht nach der Zweitwohnungsteuersatzung (ZwStS) der Beklagten.
Eine derartige gesetzliche Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich zulässig. Sie ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 25/12 – juris Rn. 24-26). Der Gesetzgeber erreicht mit einer solchen Regelung im Interesse der steuererhebenden Kommunen, dass schon kurze Zeit nach Beendigung eines Steuerjahres Rechtssicherheit herrscht und die Kommune nicht noch weiterhin mit Befreiungsanträgen und darauf gegebenenfalls folgenden Rückabwicklungen von Steuererhebungen für längst vergangene Steuerjahre rechnen muss. Zudem wird ein Anreiz geschaffen, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (Fristablauf) der Anzeige- und Meldepflicht von Zweitwohnungen zeitnah nachzukommen und diese Wohnungen einer Veranlagung zuzuführen. Der Gesetzgeber hat dabei einen gewissen Gestaltungsspielraum insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen oder Vergünstigungen (wie hier der Gewährung von Steuerbefreiung) und kann bei seiner Regelung auf den „Normalfall“ eines sich rechtstreu meldenden und anzeigenden Steuerpflichtigen abstellen. Es ist nicht ersichtlich, dass für diese Fälle die vom Gesetzgeber gewählte Fristenregelung unzumutbar wäre.
3. Die Klägerin meint, die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG sei konform mit der Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend auszulegen, dass die Frist auch noch gewahrt sei, wenn der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Erhalt der Steuererklärungsunterlagen gestellt werde. Dies entspreche der erkennbaren Intention des Gesetzes, bei nachträglicher Heranziehung zur Steuer für frühere Steuerjahre auch das Antragsverfahren für die Befreiung auf die zurückliegenden Jahre zu beziehen und in das aktuelle Veranlagungsverfahren zu integrieren.
Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist klar und eindeutig. Eine Intention des Gesetzgebers in dem von der Klägerin beschriebenen Sinne ist weder dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008) enthält zur Antragsfrist nur den schlichten Hinweis, dass der Antrag bis zum Ende des auf das Steuerjahr folgenden Kalendermonats zulässig sei. Ein strikter Zusammenhang mit dem Veranlagungsverfahren kann der Regelung nicht ansatzweise entnommen werden. Die Klägerin meint offenbar, dass die Steuer stets nach Ablauf des Steuerjahrs festgesetzt werde. Das ist indes nicht der Fall. Denn die Steuerpflicht setzt nach § 6 Abs. 2 ZwStS nicht erst nach Ablauf des Steuerjahres, sondern bereits zu dessen Beginn ein. Für den Normalfall eines Zweitwohnungsinhabers, der seine Zweitwohnung ordnungsgemäß umgehend nach § 8 ZwStS oder durch Anmeldung gemäß Melderecht anmeldet oder anzeigt, und von dem der Gesetzgeber bei seiner Regelung als Normalfall ausgehen kann, wird es für gewöhnlich zu Beginn des Steuerjahres zu einer Festsetzung der Steuer nach § 7 Abs. 1 und 2 ZwStS kommen, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 ZwStS sogar für mehrere Jahre im Voraus. Es gibt daher weder im Gesetzestext noch nach der Gesetzesbegründung einen Zusammenhang zwischen der Frist für den Antrag auf Befreiung und der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (Veranlagung) selbst. Abgesehen davon läge bei dem von der Klägerin favorisierten Übergang von einer fixen Datumsfrist zu einer flexibel einsetzenden Monatsfrist ein völlig anderes Regelungsmodell vor, das zudem an erheblichen Rechtsunsicherheiten litte, weil die Nachweisbarkeit des Zugangszeitpunktes der Steuererklärungsunterlagen eine förmliche Zustellung voraussetzte, an der es im Verwaltungsvollzug im Massenverfahren regelmäßig fehlt. Eine derartige Regelungsintention des Gesetzgebers kann daher nicht angenommen werden, zumal die rückwirkende Festsetzung der Steuer für frühere Steuerjahre in der Regel – wie auch im vorliegenden Fall – allein dem Umstand geschuldet ist, dass der Steuerpflichtige die von ihm schon länger innegehabte Zweitwohnung entgegen der Anordnung in der Zweitwohnungsteuersatzung (§ 8 ZwStS) pflichtwidrig nicht angezeigt hat. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kann daher nicht, wie von der Klägerin für sich in Anspruch genommen, ausgelegt werden.
4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß ihrer „Kulanzregelung“ aus Gleichbehandlungsgründen eine Nichterhebung der für die Klägerin fällig gewordenen Steuer durchführt, denn diese „Kulanzregelung“ ist wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Regelung des Art. 3 Abs. 3 KAG und wegen Verstoßes gegen die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten rechtswidrig und führt zudem bei Anwendung in einem Fall wie dem der Klägerin zu Verzerrungen, die rechtstreue Steuerpflichtige unbillig benachteiligt.
Nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten praktiziert die Beklagte etwa seit dem Februar 2010 eine Art „pauschale Wiedereinsetzung“ bei Versäumung der Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG. Sie lässt es dabei ausreichen, wenn im Falle der erstmaligen Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Zusendung der Steuererklärungsformulare eingeht. Die gesetzliche Frist wird dadurch also von der Beklagten in diesen Fällen faktisch nicht mehr beachtet. Der Grund hierfür sei nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung anfangs gewesen, dass es dem Personal der Beklagten seinerzeit nicht möglich gewesen sei, die Menge der Zweitwohnungsteuerfälle jeweils noch innerhalb des laufenden Steuerjahres abzuarbeiten. Offenbar wurde diese Handhabung dann auch auf Fälle ausgeweitet, bei denen die Veranlagung für vergangene Steuerjahre nicht auf Verzögerungen im Bereich der Verwaltung der Beklagten, sondern etwa auf verspäteter Anzeige oder Meldung einer Zweitwohnung durch den Steuerpflichtigen beruht.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kein für die Beklagte dispositives Recht, denn sie weicht bei Ignorierung des gesetzlichen Normbefehls von ihrer eigenen Zweitwohnungsteuersatzung ab, die derartige Befreiungsmöglichkeiten nicht normiert (und auch nicht normieren muss, vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, KAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 ff). Denn für die Eröffnung der Möglichkeit der Befreiung setzt der klare Gesetzeswortlaut zwingend einen binnen vom Gesetzgeber ebenfalls klar vorgegebener Frist gestellten Antrag voraus. Fehlt es aus welchen Gründen auch immer an einem solchen Antrag, können Entscheidungen nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG nicht ergehen. Auch wenn die materiellen Voraussetzungen der Nichterhebung der Steuer danach vorliegen sollten, bleibt es ohne Antragsverfahren bei der in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten festgelegten Steuerpflicht (vgl. auch Einzelbegründung B) VI. zu § 1, LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008), der Steueranspruch erlischt gerade nicht unmittelbar aufgrund der gesetzlichen Regelung. Diese bleibende Steuerpflicht hat die Beklagte vorbehaltlich der Möglichkeiten des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO durchzusetzen, will sie sich kein generelles Erhebungsdefizit vorwerfen lassen.
b) Die Anwendung der Kulanzregelung gerade auf den Fall der Klägerin wäre zudem eine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG unerträgliche Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die (rechtstreu) ihren Anzeige- und Meldepflichten bezüglich ihrer Zweitwohnung im Bereich der Beklagten nachkommen, von der Beklagten veranlagt werden (nach § 7 Abs. 1 ZwStS gleich für mehrere Jahre) und dann später im weiteren zeitlichen Ablauf die materiellen Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG erfüllen, jedoch eine Antragstellung innerhalb der Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG verpassen und deswegen keine Befreiung bekommen. Derartige Fallkonstellationen haben den Senat gerade auch aus dem Bereich der Beklagten bereits erreicht.
Auch solche Steuerpflichtige berufen sich – wie die Klägerin – darauf, dass sie die Befreiungsmöglichkeit nicht gekannt oder (nach Erhalt eines Hinweises schon vor Jahren) vergessen haben. Warum diese sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen schlechter gestellt sein sollen als die Klägerin, die ihren Melde- und Anzeigepflichten gar nicht erst nachgekommen ist, leuchtet nicht ein. Das Argument, der bereits veranlagte Steuerbürger wisse um die Zweitwohnungsteuer und könne sich daher besser informieren, überzeugt nicht. Informieren kann sich heute – noch dazu mit Blick auf die von der Beklagten betriebene Internetpräsenz – jedermann. Dass man wenigstens seiner Meldepflicht zu genügen hat, ist auch allgemein bekannt. Will man sich nicht selbst informieren, besteht auch die Möglichkeit, sich etwa von Steuerberatern über die steuerlichen Verpflichtungen aus dem Innehaben einer Zweitwohnung informieren zu lassen (zum unbegrenzten Vertretungsrecht dieses Berufsstands im Bereich der Kommunalabgaben vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2016 – 10 C 17/14 – juris).
Beide Gruppen von Steuerpflichtigen kennen, aus welchem Grund auch immer, die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG im entscheidenden Zeitpunkt nicht. Eine Bevorzugung gerade der Nichtanmelder von Zweitwohnungen stellte geradewegs eine Einladung dazu dar, seinen Anzeigepflichten nicht nachzukommen und sich damit alle Rechtsvorteile dauerhaft zu sichern.
5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Zweitwohnungsteuer aus Billigkeitsgründen, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Die Klägerin meint hierzu, dass bei Verwerfung der Verwaltungspraxis der Beklagten als rechtswidrig der anderen Steuerpflichtigen bislang danach gewährte Befreiungsanspruch erstmals im Falle der Klägerin nicht mehr angewendet würde. Es würden in der Rechtsprechung Billigkeitsmaßnahmen für erforderlich gehalten, wenn etwa die Rechtsprechung einer langjährigen und nicht ohne weiteres als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis nicht folge.
Mit dieser Argumentation kann eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen jedoch nicht begründet werden. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder auf eine Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns. Die erstmalige Nichtanwendung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis ist indes Konsequenz jeder Korrektur.
Auch Billigkeitserwägungen rechtfertigen vorliegend keine andere Beurteilung. Die Billigkeitsprüfung verlangt eine Gesamtbetrachtung aller Normen, die für die Entstehung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind. Erst durch sie kann festgestellt werden, ob das Ergebnis des allgemeinen Gesetzesvollzugs mit der Einzelfallgerechtigkeit noch vereinbar ist. Der Billigkeitserlass ist dabei kein Vehikel, gesetzlich klar festgelegte Ausschlussfristen zu umgehen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO 146. Lieferung 10.2016, § 163 AO Rn. 9 mit Hinweis auf BFH vom 26.5.1994 – IV R 51/93 – BeckRS 1994, 22011106).
Das vom Kläger angeführte Vertrauen in ein bestimmtes bisheriges Verwaltungshandeln einer Behörde setzte zudem für seine Berücksichtigung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme voraus, dass der Betreffende, der auf den Fortbestand einer für ihn günstigen Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung vertraut hat, auch entsprechende Dispositionen getroffen hat, die schutzwürdig sind. Die entsprechende Rechtslage darf darüber hinaus nicht als zweifelhaft erschienen sein (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 163 Rn. 83/84/86). Im vorliegenden Fall fehlt es diesbezüglich schon an einer von der Klägerin nicht als zweifelhaft angesehenen Verwaltungspraxis. Denn die Klägerin hat schon in ihrem Widerspruchsschreiben vom 18. Februar 2015 selbst ausgeführt, dass ihr die Kulanzregelung der Beklagten bei Klageerhebung 2012 gar nicht bekannt gewesen sei. In einem weiteren Schreiben vom 20. April 2015 lässt die Klägerin ausführen, dass ihr ein von der Beklagten gegebener Hinweis auf die Kulanzregelung unklar geblieben sei und nicht zu der ihr vorgeworfenen Kenntnis von jener Kulanzregelung geführt habe, denn dem unbefangenen Leser, der nur das Gesetz, nicht aber die interne Regelung der Beklagten kenne, müsse die Mitteilung vielmehr als unverständlich erscheinen, nachdem Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG eine eindeutige und dem entgegenstehende Regelung treffe. Die Klägerin hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verwaltungspraxis der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht kannte und sie selbst bei Kenntnis jedenfalls wegen des klaren Gesetzeswortlauts als höchst zweifelhaft angesehen hätte. Zudem fehlt es im vorliegenden Fall ersichtlich an irgendwelchen schutzwürdigen Dispositionen, die die Klägerin im Vertrauen auf diese Regelung getätigt hätte. Es fehlt daher an allen Voraussetzungen für einen Erlass im Billigkeitswege.
Die Versäumung der Antragsfrist ist vorliegend nicht auf behördliches Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen (vgl. zur Berücksichtigung derartigen Fehlverhaltens bei der „Nachsichtgewährung“ BVerwG, U.v. 10.12.2013 – 8 C 25/12 – juris Rn. 29). Es kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers dieser die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der von der Klägerin verlangten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (zu diesem Maßstab BFH, U.v. 26.5.1994 – IV R 51/93 – BeckRS 1994, 22011106), denn es kann nicht erwartet werden, dass der Gesetzgeber langjährige Nichtanmelder von Zweitwohnungen hätte bevorzugen wollen.
6. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
7. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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