Sozialrecht

Hilfebedürftigkeit angesichts eines Immobilienvermögens

Aktenzeichen  S 16 AS 198/17

Datum:
29.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59551
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1,§ 12 Abs. 3 Nr. 5, § 13,§ 19 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 5 S. 2, § 37 Abs. 2 S. 2
SGG § 54 Abs. 2 S. 1, § 193

 

Leitsatz

Das Hausgrundstück zählt auch nicht zum Schonvermögen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, wenn es nicht i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angemessen groß ist (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30.08.2017, Az. B 14 AS 30/16. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist – soweit sie auf die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II gerichtet ist – zulässig, jedoch nicht begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2016 bis 30.09.2018. Soweit die Klage auf die Erteilung einer Bescheinigung bezüglich der Höhe des Einkommens der Klägerin gerichtet ist, ist sie bereits nicht zulässig, jedenfalls aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung, dass das Einkommen der Klägerin für die Zeit vom 01.05.2013 bis 31.10.2014 und vom 01.09.2015 bis 29.02.2016 sowie ab dem 01.10.2016 unter der Bedarfsgrenze nach dem SGB II liege.
1. Streitgegenständlich sind der Bescheid des Beklagten vom 25.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2017 sowie die Bescheide vom 04.12.2017 und 02.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2018, mit dem die beiden Anträge der Klägerin auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 27.10.2016 und 25.10.2017 abgelehnt wurden. Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss. Dies ergibt sich bereits aus der Klageschrift und wurde so von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nochmals eindeutig zu verstehen gegeben. Der streitgegenständliche Zeitraum reicht vom 01.10.2016 bis 30.09.2018. Zum einen wirkt der Antrag vom 27.10.2016 gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurück. Zum anderen begrenzt der neue Antrag der Klägerin vom 30.10.2018 den streitgegenständlichen Zeitraum (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2009, Az. B 14 AS 62/08 R juris-Rn. 17; Silbermann in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 37 Rn. 41).
2. Zur Überzeugung der Kammer war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2016 bis 30.09.2018 nicht hilfebedürftig und hat daher keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig und (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Das Vorliegen der Voraussetzungen (1.), (2.) und (4.) ist unstreitig. Im Streit ist hier allein die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum.
Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Im Rahmen dieser Prüfung sind dem Bedarf die zu dessen Sicherung zu berücksichtigenden und zur Verfügung stehenden Bedarfsdeckungsmöglichkeiten in Form des Einkommens und Vermögens gegenüberzustellen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II; vgl. hierzu auch Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 9, Rn. 38).
Vorliegend verfügte die Klägerin zur Überzeugung der Kammer über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum hinweg über verwertbares, zu berücksichtigendes Vermögen in Form des in ihrem Alleineigentum stehenden Hausgrundstücks, dessen Wert die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erheblich überstieg. Mit diesem Vermögen konnte die Klägerin ihren monatlichen Bedarf jeweils decken.
Die Berücksichtigung von Vermögen ist in § 12 SGB II (i.V.m. § 13 SGB II und §§ 7 f. der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld [Alg II-V]) geregelt. Als Vermögen sind demnach alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, soweit das Vermögen die Vermögensfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt. Die in § 12 Abs. 3 SGB II aufgeführten Vermögensgegenstände sind als Schonvermögen nicht zu berücksichtigen. Das Vermögen ist dabei mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen, wobei für die Bewertung der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs (vgl. § 12 Abs. 4 SGB II).
Das Hausgrundstück der Klägerin kann als Immobilie grundsätzlich übertragen oder belastet werden. Zur Überzeugung der Kammer ist dies auch innerhalb eines angemessenen Zeitraums, nämlich innerhalb des potentiellen Bewilligungszeitraums, tatsächlich möglich. Zu diesem Ergebnis kommt bereits das vom Sozialgericht Landshut eingeholte Sachverständigengutachten; auch spricht hierfür die aktuell hohe Nachfrage auf dem Immobilienmarkt. Verwertbarkeit i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II liegt damit vor (vgl. zum Begriff der Verwertbarkeit etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 06.12.2007, Az. B 14/7b AS 46/06 R; Lange in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 12 Rn. 38 m.w.N.). Ein Verwertungshindernis besteht vorliegend auch nicht darin, dass das Hausgrundstück über seinen Marktwert hinaus dinglich belastet wäre (die dinglich mit der Grundschuld abgesicherten Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Schwester belaufen sich – nach dem Vortrag der Klägerin – (lediglich) auf 193.339,37 € zum 01.01.2017, auf 205.034,04 € zum 30.09.2017 und auf 245.113,11 € zum 30.09.2018).
Der Wert des Hausgrundstücks als solches ist zur Überzeugung der Kammer im streitgegenständlichen Zeitraum mit 270.000 Euro anzusetzen. Die Kammer stützt sich hierbei insbesondere auf das vom Sozialgericht Landshut im Verfahren Az. S 11 AS 181/16 eingeholte Sachverständigengutachten, das den Verkehrswert des bebauten und unbelasteten Grundstücks zum 01.02.2016 auf 270.000 Euro beziffert hat. Das Gutachten ist inhaltlich und methodisch überzeugend. Es berücksichtigt die regionale und örtliche Lage der Immobilie ebenso wie die Beschaffenheit des Grundstücks sowie das Alter und den baulichen Zustand des Hauses. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts wurde dabei die Wohnfläche des Hauses zu Recht mit 178,32 m2 zugrunde gelegt, da ein Abzug von 10% lediglich eine Kann-Vorschrift für öffentlich geförderten Wohnraum darstellt, die zur Ermittlung des Verkehrswerts außerhalb der Förderung keine Berücksichtigung findet (vgl. Seite 9 des Gutachtens). Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Bau-, Boden- und Immobilienpreise in den letzten Jahren tendenziell gestiegen sind. In dem Sachverständigengutachten wurde demnach der Verkehrswert für das Jahr 2013 noch mit 260.000 Euro angesetzt (Stichtag 01.10.2013), für das Jahr 2016 bereits mit 270.000 Euro (Stichtag 01.02.2016). Gründe dafür, dass der Wert des Hausgrundstücks seitdem gesunken wäre (etwa durch neue, erhebliche Schäden am Haus), sind trotz der jährlichen Alterswertminderung des Gebäudes nicht ersichtlich. Selbst wenn man die Verwertungskosten i.H.v. ca. 2.000 € lt. Sachverständigengutachten sowie die unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand ruhenden Belastungen, wie sie von der Klägerin vorgetragen sind, – inhaltlich ungeprüft – in Abzug bringt (valutierte Grundschuld, die die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Schwester absichert, i.H.v. 193.339,37 € zum 01.01.2017, i.H.v. 205.034,04 € zum 30.09.2017 und i.H.v. 245.113,11 € zum 30.09.2018), ergibt sich vorliegend ein die Freibeträge des § 12 Abs. 2 SGB II übersteigendes, verwertbares Vermögen, das einem Leistungsanspruch nach dem SGB II im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum entgegensteht (zur Berücksichtigung von unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand ruhenden Belastungen vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 15.04.2008, Az. B 14 AS 27/07 R, und vom 11.12.2014, Az. B 4 AS 29/12 R; zum Abzug von Verwertungskosten vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 11.12.2014, Az. B 4 AS 29/12 R, und vom 18.09.2014, Az. B 14 AS 58/13 R). Vom Vermögen abzusetzen sind vorliegend nämlich lediglich ein Grundfreibetrag i.H.v. 9.300 Euro bzw. 9.450 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II sowie zusätzlich ein Betrag i.H.v. 750 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Damit ergibt sich über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum hinweg ein den monatlichen Bedarf der Klägerin eindeutig übersteigender Betrag des Vermögens (zum 30.09.2018 i.H.v. 14.686,89 Euro). Offenbleiben kann daher, ob vorliegend die Verbindlichkeiten der Klägerin bei ihrer Schwester tatsächlich in dieser Höhe bestehen, und ob zudem tatsächlich noch Umzugskosten i.H.v. 2.000 Euro in Abzug zu bringen sind, wie die Klägerin vorträgt. Maklerkosten für den Verkauf des Hauses und für die Suche einer neuen (Eigentums-)Wohnung bzw. eines neuen, angemessen großen Hauses sind jedenfalls nicht zwingend erforderlich und daher nicht in Abzug zu bringen. Für das Gericht nicht nachvollziehbar ist das Argument der Klägerin, dass für eine etwaige neue Wohnung neue Möbel angeschafft werden müssten, weil die alten, bereits vorhandenen Einrichtungsgegenstände nicht in eine kleinere Wohnung passen würden.
Ein Absetzbetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II scheidet vorliegend aus, da es sich bei dem Hausgrundstück der Klägerin nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen handelt (z.B. sog. Riester-Sparpläne). Auch ein Absetzbetrag gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich bei Immobilien nicht um „geldwerte Ansprüche“ i.S.d. Vorschrift handelt, d.h. nicht um Rechte i.S.d. § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Geschützt sind nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur geldwerte Ansprüche, d.h. Ansprüche, die im allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsleben ohne Weiteres realisiert werden können (etwa Bankguthaben oder Ansprüche aus kapitalbildenden Lebensversicherungen), nicht aber zur Altersvorsorge bestimmte Sachen (z.B. Immobilien) (vgl. BT-Drs. 15/1749 S. 31; Radüge/Formann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12 Rn. 85, Lange in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 12 Rn. 63 m.w.N.).
Das Hausgrundstück zählt auch nicht zum Schonvermögen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, da es nicht i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angemessen groß ist (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30.08.2017, Az. B 14 AS 30/16 R juris-Rn. 18 f.). Die Wohnfläche des Hauses übersteigt die für einen Zweipersonenhaushalt angemessene Grenze von 90 m2 zuzüglich 10% Aufschlag erheblich. Aus dem gleichen Grund kann vorliegend auch § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II – unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen – nicht einschlägig sein. Eine Einordnung des Hausgrundstücks als Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II scheidet bereits deshalb aus, weil die Klägerin seitens des Rentenversicherungsträgers nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde. Ein entsprechender Befreiungsbescheid ist vorliegend nicht ersichtlich. Hierauf haben bereits das Sozialgericht Landshut (Az. S 11 AS 181/16) und das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 7 AS 144/17) in ihren Urteilen jeweils hingewiesen. Zudem wäre das Hausgrundstück auch nicht „angemessen“ i.S.d. Vorschrift, da es – wie bereits ausgeführt – i.S.d. Rechtsprechung nicht angemessen groß ist.
Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Hausgrundstücks der Klägerin i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II ist vorliegend nicht ersichtlich. Hierauf haben das Sozialgericht Landshut (Az. S 11 AS 181/16) und das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 7 AS 144/17) in ihren Urteilen für die dort streitgegenständlichen Zeiträume ebenfalls bereits hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind gewisse Verluste – insbesondere unter dem Aspekt veränderter Marktpreise und des bisher in Anspruch genommenen Wohnwertes – zumutbar (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2014, Az. B 14 AS 58/13 R juris-Rn. 26). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen sind.
Auch stellt die Verwertung der Immobilie vorliegend zur Überzeugung der Kammer keine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II dar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu entnehmen, dass im SGB II ein strengerer Maßstab gilt als im Sozialhilferecht. Es müssen daher außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte, und die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen erfasst werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 16.05.2007, Az. B 11b AS 37/06 R, vom 15.04.2008, Az. B 14 AS 27/07 R, und vom 15.04.2008, Az. B 14/7b AS 52/06; Radüge/Formann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 12, Rn. 170). Eine solche besondere Härte ist hier aber nicht ersichtlich (vgl. hierzu bereits die Urteile des Sozialgerichts Landshut, Az. S 11 AS 181/16, und des Bayerischen Landessozialgerichts, Az. L 7 AS 144/17). Die dinglich abgesicherten Schulden der Klägerin allein für das Haus beliefen sich – so der Vortrag der Klägerin – zum 30.09.2017 auf 95.010,34 €, so dass eine notwendige Schuldentilgung für das Haus selbst auch noch im Rentenalter zu erwarten ist. Somit ist nicht ersichtlich, wie das Hausgrundstück der Altersvorsorge der Klägerin in ausreichendem Maße dienen könnte. Auch ist nicht lediglich von einem sehr kurzen Leistungsbezug der Klägerin auszugehen, was möglicherweise für eine besondere Härte sprechen könnte. Die gesetzliche Regelaltersrente wird der Klägerin erst ab dem 01.08.2020 gezahlt, d.h. es steht noch ein längerer Leistungsbezug nach dem SGB II im Raum. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits seit mehreren Jahren und trotz klageabweisender Gerichtsurteile keinerlei Verkaufsbemühungen unternommen hat. Diese Umstände sprechen in ihrer Gesamtheit gegen die Bejahung einer besonderen Härte i.S.d. Gesetzes betreffend den streitgegenständlichen Zeitraum.
Das zu verwertende Vermögen der Klägerin steht damit dem Leistungsanspruch nach dem SGB II über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2016 bis 30.09.2018 entgegen. Ein fiktiver Vermögensverbrauch über die Zeit hinweg kommt nicht in Betracht. Vermögen ist, soweit es die Freibeträge übersteigt und nicht zum Schonvermögen zählt, solange auf den Anspruch auf Leistungen anzurechnen, bis es tatsächlich verbraucht ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.07.2008, Az. B 14 AS 14/08 B; Lange in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage, § 12 Rn. 30 m.w.N.). Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind damit rechtmäßig.
3. Soweit die Klage auf die Erteilung einer Bescheinigung gerichtet ist, dass das Einkommen der Klägerin für die Zeit vom 01.05.2013 bis 31.10.2014 und vom 01.09.2015 bis 29.02.2016 sowie ab dem 01.10.2016 unter der Bedarfsgrenze nach dem SGB II liege, ist die Klage bereits nicht zulässig, weil hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Prozessvoraussetzung einer jeden Rechtsverfolgung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, vor § 51 Rn. 15, 16a m.w.N.). Soweit die Klägerin die Bescheinigung als Voraussetzung für die Gewährung von Sozialleistungen begehren sollte (sei es nach dem SGB II oder nach anderen Sozialgesetzbüchern), sind die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen vom jeweiligen Leistungsträger gesondert und unabhängig von einer etwaigen Bescheinigung des Beklagten zu prüfen. Darüber hinaus wäre die Klage jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung hat. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage auf Erteilung einer solchen Bescheinigung ist nicht ersichtlich.
4. Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.


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