Sozialrecht

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Beauftragung eines Dritten mit der Weiterleitung der Post und nicht rechtzeitiger Weiterleitung

Aktenzeichen  L 11 AS 833/16

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 67, § 87

 

Leitsatz

Wer jemanden beauftragt, Post an ihn weiterzuleiten, hat dafür Sorge zu tragen, dass ihn die Post unverzüglich erreicht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 16 AS 220/16 2016-09-28 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.09.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 22.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2016 zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Soweit der Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens erstmals zusätzlich die Weiterleitung von medizinischen Unterlagen an das Amtsgericht Würzburg begehrt hat, handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung. Eine solche Klageänderung ist aber nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat der Änderung widersprochen und sie steht nicht im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Leistungsversagung, weshalb auch keine Sachdienlichkeit angenommen werden kann.
Die Klage gegen den Bescheid vom 22.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2016 ist nicht fristgerecht erhoben worden und deshalb unzulässig. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG ist eine Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist (§ 91 SGG). Die Klage ist vorliegend frühestens mit dem beim Beklagten am 17.03.2016 eingegangenen Schreiben des Klägers erhoben worden. Der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2016 wurde jedoch bereits mit Postzustellungsurkunde am 09.02.2016 zugestellt. Es kommt dabei nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Klägers vom Widerspruchsbescheid an, sondern auf deren Möglichkeit, die nach Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten gegeben war. Damit ist die Klagefrist – die auch nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ein Jahr betragen hat, da die Rechtsbehelfsbelehrung:des Beklagten auch unter Verwendung des Begriffs „Bekanntgabe“ nicht unrichtig gewesen ist (vgl BSG, Urteil vom 09.04.2014 – B 14 AS 46/13 R – BSGE 115, 288) – nicht gewahrt worden. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des SG und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist auch im Berufungsverfahren nicht glaubhaft gemacht worden sind. Der Kläger hat nur vage vorgetragen, es sei seinen Eltern nicht zumutbar gewesen, ua den Widerspruchsbescheid bzw sein Klageschreiben früher weiterzuleiten. Konkrete gesundheitliche Gründe wurden weder geschildert noch nachgewiesen. Eine Einvernahme der Eltern als Zeugen für die Tatsache, dass sie konkret in Bezug auf dem am 09.02.2016 zugestellten Widerspruchsbescheid nicht in der Lage gewesen wären, diesen unmittelbar an den Kläger weiterzureichen, war mangels Benennung einer landungsfähigen Anschrift der Eltern durch den Kläger nicht möglich. Warum der Widerspruchsbescheid dem Kläger nach dessen Angaben erst am 14.03.2016 – mithin über einen Monat nach der Zustellung – bekannt geworden sein soll, ist im Übrigen auch nicht nachvollziehbar. Letztlich handelte der Kläger auch nicht schuldlos, wenn er seinen Eltern trotz etwaiger gesundheitlicher Probleme die Weiterleitung seiner Post übertragen hat. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass ihn Schreiben unverzüglich erreichen. Eine Wiedereinsetzung scheidet damit in jedem Fall aus.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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