Sozialrecht

Leistungen, Versorgung, Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid, Beihilfe, Bescheid, Mitverschulden, Erstattungsbescheid, Ermessensentscheidung, Ermessensfehler, Hinterlegung, Aufwendungen, Erstattung, Postbeamtenkrankenkasse, Kosten des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, keine Wiedereinsetzung

Aktenzeichen  AN 18 K 19.00384

Datum:
11.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21836
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV a.F. § 15 Abs. 1
VwVfG § 48
BBG § 84a

 

Leitsatz

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des Betrags von 4,07 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird Ziffer 2 des Bescheids der Postbeamtenkrankenkasse vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom Februar 2019, jeweils in der Fassung vom 4. Juni 2021, aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte die Verwaltungsstreitsache gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten, die unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß und fristgerecht geladen worden war, verhandeln und entscheiden.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben und damit die Rechtshängigkeit teilweise entfallen ist, hat die zulässige Klage teilweise Erfolg.
I.
Die Rechtshängigkeit der Verwaltungsstreitsache ist weggefallen, soweit die Beteiligten diese mit Blick auf die beklagtenseits am 4. Juni 2021 erfolgte teilweise Abänderung des streitgegenständlichen Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 hinsichtlich eines Betrags von 4,07 EUR – dies betrifft die Beihilfegewährung für die Aufwendungen aus dem Ansatz der GOZ-Nr. 4020 in der Rechnung vom 11. März 2015 über 5,82 EUR – übereinstimmend für erledigt erklärt haben. In diesem Umfang ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO (deklaratorisch) einzustellen.
II.
Im Übrigen ist die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) teilweise begründet. Während sich der Aufhebungs- und Leistungsbescheid der Postbeamtenkrankenkasse vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 – jeweils in der Fassung vom 4. Juni 2021 – in Bezug auf die in Ziffer 1 erklärte Aufhebung des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 hinsichtlich der Belegnummer 005 als rechtmäßig darstellt, erweist er sich mit Blick auf die in Ziffer 2 getroffene Entscheidung zur Rückforderung eines Betrags von zuletzt (noch) 596,47 EUR als ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Gegen Ziffer 1 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019, mit welcher die Beklagte den Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 hinsichtlich der Belegnummer 005 – in der letzten Fassung vom 4. Juni 2021 betrifft dies die Beihilfegewährung für die in der Rechnung vom 11. März 2015 veranschlagten Materialkosten für ein Anästhetikum, die GOZ-Nrn. 9000, 0090, 9100, 9010, 0530 und 3300 sowie die GOÄ-Nr. 5004 – zurückgenommen hat, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die teilweise Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 findet in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine hinreichende Rechtsgrundlage. Auch die gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG in Bezug auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte vorgesehenen Einschränkungen stehen ihr nicht entgegen; insbesondere ist die Rücknahmebefugnis der Beklagten weder aufgrund schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin in den unveränderten Fortbestand des betreffenden Bescheids noch im Hinblick auf ein Verstreichen der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen. Ebenso wenig kommt vorliegend eine Verwirkung des Rücknahmerechts in Betracht. Nicht zu beanstanden ist schließlich die Ermessensausübung der Beklagten im Rahmen der Rücknahmeentscheidung.
a) Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 durch Ziffer 1 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Einen in diesem Sinne teilweise rechtswidrigen – inzwischen unanfechtbaren – Verwaltungsakt stellt auch der Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 dar. Dieser steht in Widerspruch zu den insoweit maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbeihilferechts, soweit der Klägerin darin Beihilfeleistungen für die zu Beginn des Jahres 2015 durchgeführte Einbringung eines Implantats in der Zahnregion 24 durch die Praxis … gewährt wurden. In der hierüber erstellten Rechnung vom 11. März 2015 betrifft dies jedenfalls den Ansatz der hierauf bezogenen GOZ-Nrn. 9000, 0090, 9100, 9010, 0530 und 3300, der GOÄ-Nr. 5004 sowie der Materialkosten des hierbei verwendeten Anästhetikums.
Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheitsfällen richtet sich nach § 80 BBG i.V.m. den Bestimmungen der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV). Für die rechtliche Beurteilung ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – NVwZ-RR 2013, 192 Rn. 12; U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BBhV gelten Aufwendungen als zu dem Zeitpunkt entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Die Beihilfefähigkeit von implantologischen Leistungen wird dabei in § 15 BBhV geregelt. Da die die Berechnung der GOZ-Nrn. 9000, 0090, 9100, 9010 und 0530, der GOÄ-Nr. 5004 sowie der Materialkosten für das Anästhetikum bzw. der GOZ-Nr. 3300 begründenden Leistungen hier am 23. Februar 2015 bzw. am 2. März 2015 erbracht wurden, ist vorliegend die vom 18. Juli 2014 bis zum 5. Juni 2015 gültige Fassung des § 15 BBhV maßgeblich (im Folgenden: alte Fassung – a.F.).
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BBhV a.F. sind Aufwendungen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K der Anlage zur Gebührenordnung für Zahnärzte beihilfefähig bei (1.) größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache in einem der dort einzeln aufgezählten Umstände haben, (2.) dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, (3.) generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, (4.) nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (zum Beispiel Spastiken) oder (5.) implantatbasiertem Zahnersatz im zahnlosen Ober- oder Unterkiefer. Liegt keiner der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBhV a.F. genannten Fälle vor, sind nach § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV a.F. die Aufwendungen für höchstens zwei Implantate je Kiefer, einschließlich vorhandener Implantate, zu denen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen gewährt wurden, beihilfefähig. § 15 Abs. 1 Satz 4 BBhV a.F. bestimmt, dass die Aufwendungen, einschließlich der Material- und Laborkosten nach den §§ 4 und 9 GOZ, entsprechend dem Verhältnis der Zahl der nicht beihilfefähigen Zähne zur Gesamtzahl der Implantate zu kürzen sind.
In Anwendung dieser Bestimmungen erweisen sich die Aufwendungen der Klägerin, die dieser aus der Rechnung der Praxis … vom 11. März 2015 im Zusammenhang mit der Einbringung eines Implantats in der Zahnregion 24 entstanden sind, als nicht beihilfefähig und die mit Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 gleichwohl erfolgte Beihilfegewährung für die GOZ-Nrn. 9000, 0090, 9100, 9010, 0530 und 3300, die GOÄ-Nr. 5004 sowie für die Materialkosten des hierbei verwendeten Anästhetikums als rechtswidrig. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Fall der Klägerin eine der Indikationen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBhV a.F. vorläge. Damit bestimmt sich die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Einbringung des Implantats in der Zahnregion 24 nach § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV a.F. Hiernach ist jedoch eine Beihilfefähigkeit der betreffenden Aufwendungen nicht gegeben, weil der Klägerin gemäß der – von ihr zu keinem Zeitpunkt bestrittenen – Darstellung im Aufhebungs- und Leistungsbescheid vom 22. November 2018 in der Vergangenheit bereits Beihilfe für die Einbringung von Implantaten in den Zahnregionen 25 und 26 gewährt worden ist. Da sich die betreffenden Zahnregionen 25 und 26 ebenfalls im Oberkiefer befinden, wurde der Rahmen der Beihilfefähigkeit, der vorliegend durch § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV a.F. auf zwei Implantate je Kiefer beschränkt wird, mit der Anerkennung der hierfür entstandenen Aufwendungen durch die Beklagte bereits ausgeschöpft. Auch eine anteilige Beihilfegewährung nach § 15 Abs. 1 Satz 4 BBhV a.F. kommt insoweit nicht in Betracht. Wie der Rechnung vom 11. März 2015 entnommen werden kann, wurden durch die Zahnarztpraxis … gerade keine weiteren – gegebenenfalls nach § 15 Abs. 1 BBhV a.F. beihilfefähigen – implantologischen Leistungen erbracht.
Aus Sicht des Gerichts bestehen im Übrigen keine Zweifel, dass die von der Rücknahmeentscheidung nach Ziffer 1 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 konkret betroffenen Gebührenpositionen aus der Rechnung vom 11. März 2015 – mit Ausnahme der durch die Beklagte am 4. Juni 2021 korrigierten und inzwischen ohnehin nicht mehr klagegegenständlichen GOZ-Nr. 4020 – vom Ausschluss der Beihilfefähigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV a.F. erfasst sind. Ausweislich der Angaben in der Rechnung vom 11. März 2015 wurden die darin aufgeführten Leistungen nach den GOZ-Nrn. 9000, 0090, 9100, 9010, 0530 und 3300 allesamt in der Region „OK“ (Oberkiefer) bzw. 24 erbracht und stehen damit in Zusammenhang mit der im Bereich des Zahns 24 durchgeführten implantologischen Maßnahme. Nichts anderes gilt mit Blick auf die Materialkosten des hierbei verwendeten Anästhetikums. Schließlich hat auch die Klägerin keinerlei Einwände gegen den Ausschluss der Beihilfefähigkeit der betreffenden Rechnungspositionen erhoben.
b) Der teilweisen – zuletzt noch auf die vorstehend bezeichneten Rechnungspositionen bezogenen – Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 durch Ziffer 1 des Leistungs- und Aufhebungsbescheids vom 22. November 2018 stehen ferner die von Gesetzes wegen für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte vorgesehenen Einschränkungen nicht entgegen.
So bestimmt § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der – wie der Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 – ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden darf. Jedoch sind die darin vorgesehenen Beschränkungen der Rücknahmemöglichkeit in der hier zu entscheidenden Fallkonstellation jeweils nicht einschlägig. Insbesondere steht der teilweisen Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 weder ein nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 VwVfG schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der danach gewährten Beihilfeleistungen noch ein Verstreichen der einjährigen Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG entgegen.
aa) Die Rücknahmemöglichkeit ist nicht aufgrund schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin in den (unveränderten) Fortbestand des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 ausgeschlossen. Auf ein solches kann sich die Klägerin jedenfalls deshalb nicht berufen, weil sie die teilweise Rechtswidrigkeit dieses Bescheids grob fahrlässig verkannt hat.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder eine teilbare Sachleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Wie § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG bestimmt, ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Allerdings kann sich der Begünstigte unter anderem dann nicht auf Vertrauen berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG.
Vorliegend bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis der Klägerin von der teilweisen Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015, so dass ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG allein unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden grob fahrlässigen Unkenntnis in Betracht kommt. Bezugspunkt der grob fahrlässigen Unkenntnis ist dabei schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Demnach genügt es nicht, dass der Erstattungspflichtige die Umstände infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet haben (BVerwG, U.v. 22.9.1993 – 2 C 34.91 – NVwZ-RR 1994, 369 f.). Grobe Fahrlässigkeit ist nur gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (BVerwG, U.v. 17.2.1993 – 11 C 47.92 – NJW 1993, 2764/2765 unter Verweis auf die Legaldefinition des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind (OVG NRW, U.v. 25.11.1996 – 25 A 1950/96 – NVwZ-RR 1997, 585/587; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rn. 124). Besonderheiten ergeben sich für das Beamtenverhältnis im Hinblick auf die dienstrechtliche Treuepflicht. Aufgrund dieser sind auch Ruhestandsbeamte dazu verpflichtet, Beihilfebescheide zu überprüfen und sich bei etwaigen Unklarheiten oder Zweifeln durch Rückfragen bei der zuständigen Stelle Gewissheit zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 13.11.1986 – 2 C 29.84 – NVwZ 1987, 500).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Klägerin hinsichtlich der Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015, soweit darin Beihilfeleistungen für die in der Rechnung vom 11. März 2015 veranschlagten implantologischen Leistungen in der Zahnregion 24 gewährt wurden, grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil es die Klägerin entgegen ihrer dienstrechtlichen Treuepflicht gegenüber der Beklagten unterlassen hat, den Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Solches war der Klägerin insbesondere möglich und zumutbar. Denn diese war im Schreiben der … vom 15. Dezember 2014 vorab über die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Zahnersatz informiert worden, wobei unter Zugrundelegung des von ihr eingereichten Heil- und Kostenplans der … vom 21. November 2014 eine einzelfallbezogene Berechnung der voraussichtlichen Erstattungshöhe erfolgt war. Mithilfe der darin enthaltenen Angaben hätte die Klägerin bei gehöriger Überprüfung des Beihilfebescheids vom 25. März 2015 auch ohne vertiefte Kenntnisse des Bundesbeihilferechts erkennen können und müssen, dass die Einbringung des Implantats in der Zahnregion 24 von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen und die gleichwohl erfolgte Beihilfegewährung mithin rechtswidrig war.
So hatte die Postbeamtenkrankenkasse in dem Schreiben vom 15. Dezember 2014 zunächst einen allgemeinen Hinweis betreffend die GOZ-Nrn. 9000 ff. erteilt, wonach deren beihilferechtliche Anerkennung auf zwei Implantate je Kiefer beschränkt sei und von dieser zahlenmäßigen Beschränkung auch bereits vorhandene Implantate erfasst würden, für die zu einem früheren Zeitpunkt Beihilfe gewährt worden sei. Schon aufgrund dieser Ausführungen hätte sich die Klägerin ins Bewusstsein rufen müssen, dass ihr bereits in der Vergangenheit Beihilfe für die Einbringung von Implantaten im Oberkiefer – konkret in den Zahnregionen 25 und 26 – gewährt worden war und mithin weitere Beihilfeleistungen für eine Implantatversorgung der Zahnregion 24 nicht in Betracht zu ziehen waren. Jedenfalls aber wurde ihr dies durch die ebenfalls in dem Schreiben vom 15. Dezember 2014 enthaltene Tabelle, in welcher für die hier relevanten Rechnungspositionen der GOZ-Nrn. 9000, 9010, 9100, 0530, 3300 und 0090 sowie der GOÄ-Nr. 5004 jeweils eine voraussichtliche Erstattung von 0,00 EUR veranschlagt worden war, hinlänglich vor Augen geführt. Dass für all diese Aufwendungen im Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 nunmehr doch (Beihilfe-)Leistungen gewährt wurden, hätte seitens der Klägerin jedenfalls zu Nachfragen bei der Postbeamtenkrankenkasse führen müssen, die jedoch zu keinem Zeitpunkt erfolgt sind. Weitere Ungereimtheiten, aufgrund derer sich die Klägerin bei einer gewissenhaften Überprüfung des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 zumindest zu Rückfragen bei der Postbeamtenkrankenkasse hätte veranlasst sehen müssen, ergeben sich mit Blick auf die betragsmäßige Höhe der gewährten Leistungen. Während nach dem Schreiben vom 15. Dezember 2014 für die nach dem Heil- und Kostenplan vom 21. November 2014 vorgesehene Einbringung von Implantaten in den drei Zahnregionen 15, 16 und 24 lediglich Leistungen über insgesamt 1.045,11 EUR (545,25 EUR hinsichtlich der Honorarkosten und 499,85 EUR hinsichtlich der Material- und Laborkosten) vorausberechnet worden waren, hätte sich nach Maßgabe des Bescheids vom 25. März 2015 für die Setzung lediglich eines Implantats in der Zahnregion 24 eine Erstattung von Beihilfe- und Versicherungsleistungen in Höhe von 1.733,98 EUR (Beihilfeleistungen über 1.213,80 EUR und Versicherungsleistungen über 520,18 EUR) – und damit ein um mehr als den Faktor 1,6 erhöhter Betrag – ergeben.
bb) Die in Ziffer 1 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 erklärte teilweise Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 erfolgte des Weiteren innerhalb der als Entscheidungsfrist konzipierten Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, deren Lauf in der vorliegenden Fallkonstellation frühestens am 2. Juli 2018 begonnen hatte.
Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von den Tatsachen, welche die Rücknahme rechtfertigen, Kenntnis erlangt hat. Es handelt sich bei dieser Jahresfrist um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann und hinsichtlich derer auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (allg.M., z.B. BVerwG, U.v. 28.6.2012 – 2 C 13.11 – NVwZ-RR 2012, 933 Rn. 27; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rn. 146; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 205).
Mit der lange Zeit umstrittenen Problematik des Anwendungsbereichs und der Berechnung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG hat sich der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1984 (GrSen 1.84 u. 2.84 – BVerwGE 70, 356) näher auseinandergesetzt. Nach dem dort gefundenen Verständnis regelt § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zum einen auch diejenigen Fälle, in denen die Behörde bei voller Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverhalts unrichtig entschieden hat, und findet somit ebenfalls Anwendung, wenn die Behörde nachträglich erkennt, dass sie den beim Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt hat. Erfasst wird damit jeder Rechtsanwendungsfehler und zwar auch dann, wenn die Behörde bei voller Kenntnis des entscheidungserheblichen Sachverhalts unrichtig entschieden hat (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1.84 u. 2.84 – BVerwGE 70, 356/357 ff.) Geklärt ist seither zum anderen, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Hierzu gehört zunächst die Kenntnis davon, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, und damit die Kenntnis derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ihrerseits gibt. Das sind die Tatsachen, die den im Einzelfall unterlaufenen Rechtsanwendungsfehler und die Kausalität dieses Fehlers für den Inhalt des Verwaltungsakts ausmachen. Hierzu gehören desweiteren alle Tatsachen, die im Fall des § 48 Abs. 2 VwVfG ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Insoweit ist eine positive Tatsachenkenntnis der Behörde erforderlich. Diese liegt vor, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme berufene Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 19.12.1984 – GrSen 1.84 u. 2.84 – BVerwGE 70, 356/362 ff.).
An dieser Rechtsprechung hält das Bundesverwaltungsgericht bis heute fest (zuletzt etwa bestätigt durch BVerwG, B.v. 29.8.2014 – 4 B 1.14 – juris Rn. 5 f.; B.v. 10.1.2018 – 3 B 59.16 – NJOZ 2019, 1005 Rn. 10). Auch der seitens der Klagebegründung erhobene Einwand, ein derartiges Verständnis laufe dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG zuwider und führe überdies zu einer praktischen Aushöhlung der Jahresfrist, ist jedenfalls in dieser Pauschalität nicht dazu geeignet, die Gültigkeit dieser Rechtsprechung in Frage zu stellen.
Das vorstehend aufgezeigte Normverstädnis zugrunde gelegt, ist die einjährige Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG in der vorliegenden Fallkonstellation frühestens am 2. Juli 2018 angelaufen und damit bei Erlass des Aufhebungs- und Leistungsbescheids am 22. November 2018 noch nicht verstrichen gewesen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass die erforderliche positive Kenntnis von den die (teilweise) Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 rechtfertigenden Tatsachen – also insbesondere dem insoweit unterlaufenen Rechtsanwendungsfehler und den diesbezüglich zu einem Ausschluss des klägerischen Vertrauens führenden Umständen – in der Person der seitens der Postbeamtenkrankenkasse zur Entscheidung hierüber berufenen Mitarbeiterin frühestens im Zeitpunkt der Korrektur dieses Bescheids am 2. Juli 2018 und der hierauf erfolgten Erstellung des Anhörungsschreibens zu der geplanten Teilrücknahme vorgelegen hat. Es ist hier sogar eine weitere Verschiebung des Fristbeginns auf den Eingang der daraufhin abgegebenen Stellungnahmen der Klägerin vom 11. Juni 2018 und vom 25. August 2018 in Betracht zu ziehen. Denn regelmäßig wird die erforderliche vollständige Kenntnis der für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen erst mit Eingang der durch den Begünstigten im Rahmen der Anhörung abgegebenen Stellungnahme vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 20.9.2001 – 7 C 6.01 – VIZ 2002, 318/319). Da die einjährige Ausschlussfrist hier aber ohnehin gewahrt ist, kann dies im Ergebnis dahinstehen.
c) Anders als die Klägerin meint, ist in der vorliegenden Fallkonstellation schließlich keine Verwirkung des Rücknahmerechts der Beklagten eingetreten.
Die Grundsätze der Verwirkung sind als Ausprägung des allgemeinen Rechtsprinzips von Treu und Glauben auch neben der einjährigen Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG anwendbar. Von einer derartigen Verwirkung der Rücknamebefugnis ist namentlich dann auszugehen, wenn zusätzlich Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde, und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, U.v. 20.12.1999 – 7 C 42.98 – NJW 2000, 1512/1514). Der reine Zeitablauf als solcher kann indes die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen (BVerwG, U.v. 27.7.2005 – 8 C 15.04 – NVwZ 2005, 1334; OVG NRW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – NVwZ-RR 2018, 875 Rn. 50). Auch eine bloße behördliche Untätigkeit reicht hierfür nicht aus (vgl. OVG MV, U.v. 16.10.2013 – 3 L 170/10 – juris Rn. 47).
In Anwendung dieser Grundsätze kommt vorliegend eine Verwirkung der Befugnis der Beklagten zur Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 nicht in Betracht. Zwar liegt zwischen dem Erlass des Erstattungsbescheids am 25. März 2015 und der erstmaligen Anhörung der Klägerin zu der beabsichtigten Rücknahme durch Schreiben der Postbeamtenkrankenkasse vom 2. Juli 2018 ein nicht unerheblicher Zeitraum von mehr als drei Jahren, über den hinweg die Beklagte in dieser Angelegenheit – wohl deshalb, weil sie die teilweise Rechtswidrigkeit des ersteren bis dato nicht erkannt hatte – untätig geblieben ist. Von dieser – für die Annahme einer Verwirkung des Rücknahmerechts noch nicht ausreichenden – behördlichen Untätigkeit über einen nicht unerheblichen Zeitraum abgesehen, sind weitergehende Umstände, insbesondere ein Verhalten der Beklagten, das bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend hätte auslösen können, es werde von der Befugnis zur teilweisen Rücknahme des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 kein Gebrauch mehr gemacht, weder vorgetragen noch anderweitig zu ersehen.
d) Zuletzt ist auch die in dem Aufhebungs- und Leistungsbescheid vom 22. November 2018 und dem Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2019 dokumentierte Ausübung des Rücknahmeermessens durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Spezifische Ermessensfehler, auf deren Überprüfung das Gericht an dieser Stelle gemäß § 114 Satz 1 VwGO beschränkt ist, sind nicht zu ersehen.
Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausübung der Rücknahmebefugnis mit Wirkung für die Vergangenheit. Bereits nach der Ermessensdirektive des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich die durch den Verwaltungsakt begünstigte Person gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht auf Vertrauen berufen kann, in der Regel eine Rücknahme für die Vergangenheit angezeigt. Besondere Einzelfallumstände, aufgrund derer hier ausnahmsweise einmal von diesem Grundsatz abzuweichen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es schließlich, wenn die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auf die fiskalischen Interessen des Beihilfeträgers abstellt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 48 Rn. 78) und dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass diese ein etwaiges – nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ohnehin nicht schutzwürdiges – Vertrauen der Klägerin in den unveränderten Bestand des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 überwiegen.
2. Als ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO und damit rechtswidrig erweist sich demgegenüber Ziffer 2 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019, in welcher die Klägerin zur Rückzahlung eines Betrags von zuletzt (in der Fassung vom 4. Juni 2021) 596,47 EUR aufgefordert wurde. Im Hinblick auf die insoweit unterbliebene Billigkeitsentscheidung ist bereits von einem Ermessensausfall bzw. -nichtgebrauch, aufgrund der mangelnden Berücksichtigung des wesentlichen Verursachungsbeitrags der Beklagten für die Überzahlung aber jedenfalls von einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen. Es liegt hierin ferner eine subjektive Rechtsverletzung der Klägerin begründet.
a) Die in Ziffer 2 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 getroffene Rückforderungsentscheidung leidet bereits an einem Ermessensausfall bzw. -nichtgebrauch. Dieser ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Rückforderung in rechtsfehlerhafter Weise auf § 49a Abs. 1 VwVfG gestützt hat und daher von einer gebundenen Verwaltungsentscheidung ausgegangen ist, anstatt auf die tatsächlich einschlägige – als Ermessensvorschrift ausgestaltete – Bestimmung des § 84a BBG abzustellen.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfeleistungen ist § 84a BBG (vgl. BT-Drs. 18/3248, 30; Battis/Grigoleit, BBG, 5. Aufl. 2017, § 84a Rn. 2). Nach dessen Satz 1 richtet sich die Rückforderung zu viel gezahlter Geldleistungen, die der Dienstherr aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften geleistet hat, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, die durch § 84a Satz 2 BBG teilweise modifiziert werden. Gemäß § 84a Satz 3 BBG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Der Wortlaut des § 84a BBG ist dabei den für die Rückforderung von Dienst- bzw. Versorgungsbezügen maßgeblichen Bestimmungen des § 12 Abs. 2 BBesG und des § 52 Abs. 2 BeamtVG nachgebildet. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen somit für die Rückforderung nach § 84a BBG dieselben Grundsätze wie nach § 12 Abs. 2 BBesG und § 52 Abs. 2 BeamtVG gelten (BT-Drs. 18/3248, 30). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 22.3.2017 – 5 C 5.16 – NJW 2018, 568 Rn. 27) handelt es sich namentlich bei § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG um eine einheitliche Ermessensvorschrift, d.h. die Billigkeitsentscheidung ragt in den Bereich des Ermessens hinein und bestimmt damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung. Dementsprechend hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Berücksichtigung etwaiger Billigkeitsgründe zu entscheiden. Dieselben Grundsätze gelten auch für die hier einschlägige, inhaltlich identische Bestimmung des § 84a Satz 3 BBG.
Demgegenüber stellt die Rückforderung nach der im Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2019 zugrunde gelegten allgemeinen Regelung des § 49a Abs. 1 VwVfG, der im Hinblick auf die Rückforderung von Beihilfeleistungen durch § 84a BBG als Spezialgesetz verdrängt wird (vgl. BVerwG, U.v. 1.10.1999 – 2 C 11.99 – NVwZ 2000, 443/444 zu § 12 Abs. 2 BBesG und § 52 Abs. 2 BeamtVG), eine gebundene Verwaltungsentscheidung dar. Nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen, § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt der handelnden Behörde hierbei kein Ermessensspielraum zu (allg.M., z.B. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 49a Rn. 11).
Die fehlerhafte Heranziehung des § 49a Abs. 1 VwVfG durch die Beklagte hat wiederum zur Folge, dass diese – von ihrem Standpunkt aus konsequent – von einer gebundenen Rückforderungsentscheidung ausgegangen ist und die nach dem eigentlich maßgeblichen § 84a Satz 3 BBG notwendigen Ermessenserwägungen über ein (teilweises) Absehen von der Rückforderung der überbezahlten Beihilfeleistungen aus Billigkeitsgründen nicht angestellt hat. Besonders deutlich wird dies anhand der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019, in dem die Beklagte ausführt, dass im Hinblick auf die Rücknahme des Leistungsbescheids vom 25. März 2015 mit Wirkung für die Vergangenheit bereits erbrachte Leistungen nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu erstatten seien und insoweit kein Ermessensspielraum bestehe. Angesichts dieser eindeutigen Positionierung im Widerspruchsbescheid kann auch der im gerichtlichen Verfahren erhobene Einwand der Beklagten, die erforderlichen Billigkeitserwägungen seien jedenfalls im Aufhebungs- und Leistungsbescheid vom 22. November 2018 angestellt worden, nicht verfangen. Zwar wird in dessen Begründung tatsächlich ausgeführt, dass besondere Billigkeitsgesichtspunkte, die in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis führen würden, nicht erkennbar seien. Die betreffende Passage betrifft aber – wie insbesondere dem Obersatz des sie enthaltenden Absatzes zu entnehmen ist – allein die Ermessensausübung im Rahmen der Rücknahmeentscheidung. Dem gegenteiligen Vorbringen der Beklagten, wonach sich diese Passage schon deshalb auf die Frage der Rückforderung beziehen müsse, weil derartige Billigkeitserwägungen im Rahmen der Rücknahmeentscheidung nicht vorgesehen seien, kann nach Ansicht des Gerichts nicht gefolgt werden, zumal dem Wortlaut des betreffenden Absatzes in den Gründen des Aufhebungs- und Leistungsbescheids eine entsprechende Differenzierung gerade nicht entnommen werden kann.
b) Die Rückforderung nach Ziffer 2 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 würde sich im Übrigen selbst dann als ermessensfehlerhaft erweisen, wenn man – entgegen den vorstehenden Ausführungen – davon ausgehen wollte, dass die Beklagte insoweit tatsächlich Ermessen ausgeübt hätte. Denn die Entscheidung, die zu Unrecht an die Klägerin gewährten Beihilfeleistungen ungeachtet des hierfür in erheblicher Weise mitursächlichen Bearbeitungsfehlers der Postbeamtenkrankenkasse in voller Höhe von zuletzt 596,47 EUR zurückzufordern, stellt sich jedenfalls als Fehlgebrauch des durch § 84a Satz 3 BBG eingeräumten Ermessens dar.
Die – vorliegend nach § 84a Satz 3 BBG anzustellende – Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebliche Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (BVerwG, U.v. 27.1.1994 – 2 C 19.92 – NVwZ 1995, 389/390; U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – NVwZ-RR 2012, 930 Rn. 24; U.v. 22.3.2017 – 5 C 5.16 – NJW 2018, 568 Rn. 27). Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung einzubeziehen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – NVwZ-RR 2012, 930 Rn. 25).
Diesen Anforderungen an die Billigkeitserwägungen wird die in Ziffer 2 des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 getroffene Entscheidung, die mit Erstattungsbescheid vom 25. März 2015 zu Unrecht gewährten Beihilfeleistungen in voller Höhe zurückzufordern, ohne dabei eine anteilige Kürzung aufgrund des eigenen erheblichen Verursachungsbeitrags vorzunehmen, auch dann nicht gerecht, wenn man insoweit – ungeachtet der obigen Ausführungen – von einer Ermessensausübung durch die Beklagte ausgehen wollte. Zu beanstanden ist dabei insbesondere die lapidare Feststellung, es würden besondere Billigkeitsgesichtspunkte nicht vorliegen, wobei auch dem Bearbeitungsfehler der Postbeamtenkrankenkasse kein höheres Gewicht beizumessen sei. Die Sachlage stellt sich vielmehr so dar, dass der Erlass des (teilweise) rechtswidrigen Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 und die auf dessen Grundlage erfolgte Überzahlung von Beihilfeleistungen in Höhe von 596,47 EUR gerade vorrangig auf diese fehlerhafte Sachbearbeitung zurückzuführen sind. Demgegenüber ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Verursachungsbeitrag der Klägerin gerade nicht zu erkennen, zumal auch etwaige Fehler bei der Beihilfebeantragung nicht ersichtlich sind. Der der Klägerin anzulastende Treuepflichtverstoß beschränkt sich stattdessen darauf, dass sie infolge grober Fahrlässigkeit die teilweise Rechtswidrigkeit des Erstattungsbescheids vom 25. März 2015 grob fahrlässig verkannt hat, s.o. Diese Pflichtwidrigkeit der Klägerin, welche erst an ein Verhalten im Nachgang des Bescheiderlasses anknüpft, kann indessen für die zu diesem Zeitpunkt bereits bewirkte Überzahlung von Beihilfeleistungen nicht mehr ursächlich gewesen sein. Nach alledem hätte eine ermessensgerechte Billigkeitsentscheidung der Beklagten insbesondere deren eigenen wesentlichen Verschuldensanteil hinsichtlich der überbezahlten Beihilfeleistungen berücksichtigen und in der Folge eine anteilige Kürzung des Rückforderungsbetrags in Erwägung ziehen müssen. Hat der Beamte – wie hier die Klägerin – nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt, so erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30% des überbezahlten Betrags im Regelfall angemessen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – NVwZ-RR 2012, 930 Rn. 26).
c) Durch die demnach rechtswidrige Rückforderungsentscheidung wird die Klägerin als Adressatin des Aufhebungs- und Leistungsbescheids vom 22. November 2018 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2019 jedenfalls in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensgegenstands aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; insoweit entspricht es der Billigkeit, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil diese bei unveränderter Sach- und Rechtslage von der Rücknahme der Beihilfegewährung für die GOZ-Nr. 4020 und der Rückforderung des hierauf entfallenden Betrags von 4,07 EUR abgerückt ist und sich damit aus eigenem Entschluss in die Rolle der Unterlegenen begeben hat. Hinsichtlich des verbleibenden Klagegegenstands ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 1 VwGO. Im Hinblick auf das anteilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, die Kosten des Verfahrens (insgesamt) gegeneinander aufzuheben (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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