Sozialrecht

Soziales Entschädigungsrecht: Erfordernis des Vollbeweises bei Geltendmachung eines Impfschadens eines taubstummen Kindes nach Pockenschutzimpfungen bei Mutter u Vater

Aktenzeichen  L 15 VJ 8/17

Datum:
2.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19460
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 60, § 61
SGG § 106, § 109

 

Leitsatz

1. Die gesundheitliche Schädigung als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, muss neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im Vollbeweis nachgewiesen sein (Fortsetzung der Rspr. des Senats). (Rn. 65)
2. Zur Wahrscheinlichkeit einer virämischen Schädigung eines ungeborenen Kindes durch Ansteckung der Mutter durch den gegen Pocken geimpften Vater oder Bruder. (Rn. 87)
1. Macht ein Kind Entschädigung wegen Impfsachadens mit der Begründung geltend, bei seinem  Vater und seiner Mutter seien Pockenschutzimpfungen durchgeführt worden und infolge des Geschlechtsverkehrs seiner Eltern während der Schwangerschaft seien die Impfviren von der Pockenimpfung seines Vaters auf ihn als Embryo übertragen worden und dadurch seine Taubheit entstanden, muss der Nachweis des Primärschadens (Impfkomplikation) im Sinne eines Vollbeweises  geführt sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dabei ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.06.2000 – BeckRS 2000, 41116), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.05.1993 – BeckRS 1993, 30744867).  (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anerkennung eines Impfschaden setzt eine dreigliedrige Kausalkette voraus Ein schädigender Vorgang in Form einer „Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“, die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllt (1. Glied), muss zu einer „gesundheitlichen Schädigung“ (2. Glied), also einem Primärschaden (d.h. einer Impfkomplikation) geführt haben, die wiederum den „Impfschaden“, d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden (3. Glied) bedingt. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 48 VJ 12/15 2017-06-19 GeB SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19.06.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten vom 02.07.2019 ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG. Hieran war er auch nicht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention gehindert (vgl. z.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 153, Rdnr. 13a), weil das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat. Denn für den Kläger bestand im Berufungsverfahren die Möglichkeit der Durchführung einer (weiteren) mündlichen Verhandlung; er hat hierauf jedoch verzichtet.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Wie das SG zu Recht entschieden hat, steht dem Kläger kein Anspruch auf Anerkennung der Schallempfindungsstörung vom Grad einer praktischen Taubheit und der hiermit verbundenen Sprachentwicklungsstörung als Folge der am 16.06.1975 erfolgten Impfungen seines Vaters, P. A., und seines Bruders, R. A., gegen Pocken und auf Gewährung einer Versorgungsrente zu. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 25.03.2015 und 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG liegen nicht vor, weil es vorliegend schon am Nachweis des Primärschadens, also einer Impfkomplikation, fehlt. Zudem ist auch keine Kausalität gegeben.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach dem IfSG, weil die Anträge vom 29.10.2009 und 24.06.2011 jeweils zu einem Zeitpunkt gestellt worden sind, als das – das Bundesseuchengesetz ohne Übergangsvorschrift ablösende (vgl. Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften vom 20.07.2000, BGBl. I, S. 1045) – IfSG (seit dem 01.01.2001) (längst) in Kraft war (vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005 – B 9a/9 VJ 2/04 R).
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt.
Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung, wobei ein Impfschaden auch vorliegt, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.
Die Anerkennung als Impfschaden setzt eine dreigliedrige Kausalkette voraus (ständige Rspr., vgl. BSG, z.B. Urteile vom 25.03.2004 – B 9 VS 1/02 R, und vom 16.12.2014 – B 9 V 3/13 R, und z.B. das Urteil des Senats v. 11.07.2017 – L 15 VJ 6/14, m.w.N.): Ein schädigender Vorgang in Form einer „Schutzimpfung oder einer anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe“, die die genannten Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfüllen muss (1. Glied), muss zu einer „gesundheitlichen Schädigung“ (2. Glied), also einem Primärschaden (d.h. einer Impfkomplikation) geführt haben, die wiederum den „Impfschaden“, d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also den Folgeschaden (3. Glied) bedingt.
Diese drei Glieder der Kausalkette müssen – auch im Impfschadensrecht – im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 15.12.1999 – B 9 VS 2/98 R – und vom 07.04.2011 – B 9 VJ 1/10 R; BayLSG, Urteil vom 25.07.2017 – L 20 VJ 1/17; Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014 – L 1 VE 12/09; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.2016 – L 13 VJ 19/15). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 – B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 – 9/9a RV 1/92).
Seine frühere Rechtsprechung, nach der auf das Erfordernis des Vollbeweises bezüglich des Primärschadens verzichtet worden ist (vgl. hierzu näher im Urteil des Senats v. 26.03.2019 – L 15 VJ 9/16) hat der erkennende Senat mittlerweile aufgegeben (Urteile v. 26.03.2019 – L 15 VJ 9/16 -, vom 14.05.2019 – L 15 VJ 9/17 – und vom 02.07.2019 – L 15 VJ 4/16) und steht damit in Übereinstimmung mit dem ebenfalls für das Versorgungsrecht zuständigen 20. Senat des BayLSG (vgl. z.B. die Urteile v. 18.05.2017 – L 20 VJ 5/11 – und v. 11.07.2018 – L 20 VJ 7/15). Auch das BSG hat das Erfordernis eines Vollbeweises bezogen auf den Primärschaden bekräftigt (BSG, Beschlüsse v. 29.01.2018 – B 9 V 39/17 B – und v. 18.06.2018 – B 9 V 1/18 B).
Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder der Kausalkette nach § 61 Satz 1 IfSG aus, wenn dieser jeweils mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 – B 9 VS 2/98 R – in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992 – 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.
Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 – 10 RV 15/77), also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteile vom 19.08.1981 – 9 RVi 5/80, vom 26.06.1985 – 9a RVi 3/83, vom 19.03.1986 – 9a RVi 2/84, vom 27.08.1998 – B 9 VJ 2/97 R – und vom 07.04.2011 – B 9 VJ 1/10 R). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort „hinreichend“ nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 128, Rdnr. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße – abstrakte oder konkrete – Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 26.11.1968 – 9 RV 610/66, und vom 07.04.2011, a.a.O.).
Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der versorgungsrechtlichen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.08.1974 – 10 RV 209/73) rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs „annähernd gleichwertig“ sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – und vom 30.01.2007 – B 2 U 8/06 R) demgegenüber den Begriff der „annähernden Gleichwertigkeit“ für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn nicht eine alternative unversicherte Ursache von überragender Bedeutung ist, hat der für das soziale Entschädigungsrecht zuständige 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16.12.2014 (B 9 V 6/13 R) zur annähernden Gleichwertigkeit festgelegt, dass diese dann anzunehmen ist, wenn eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die Übrigen Umstände zusammen. Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2001 – B 9 V 5/00 R).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R).
Kann eine Aussage zu einem (hinreichend) wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kannversorgung gemäß § 61 Satz 2 IfSG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitliche, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der „Schulmedizin“ (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft) auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998 – B 9 VJ 2/97 R). Aber auch bei der Kannversorgung reicht allein die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der „guten Möglichkeit“ eines Zusammenhangs (vgl. BSG, Urteile vom 12.12.1995 – 9 RV 17/94 – und vom 17.07.2008 – B 9/9a VS 5/06). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs nachgewiesen ist (vgl. BayLSG, Urteile vom 19.11.2014 – L 15 VS 19/11, vom 21.04.2015 – L 15 VH 1/12 -, vom 15.12.2015 – L 15 VS 19/09 – und vom 26.01.2016 – L 15 VK 1/12). Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993 – 9/9a RV 41/92).
Lässt sich der Zusammenhang nicht (hinreichend) wahrscheinlich machen und auch nicht über die Kannversorgung herstellen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf das Vorliegen des Zusammenhangs stützen möchte, also des Anspruchsstellers. Das BSG hat in seiner jüngsten Rechtsprechung Beweiserleichterungen auch in den Fällen besonders schwieriger Nachweiserbringungen (wie hinsichtlich der Blindheit bei zerebralen Schäden) eine eindeutige Absage erteilt (vgl. z.B. Urteil vom 14.06.2018 – B 9 BL 1/17 R).
1. Unter Anwendung dieser Grundsätze mangelt es vorliegend bereits am Primärschaden. Dieser ist nicht zur Gewissheit des Senats nachgewiesen.
Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind (BSG, Urteil v. 07.04.2011 – B 9 VJ 1/10 R – und Beschluss v. 29.01.2018 – B 9 V 39/17 B).
Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht erfüllt.
a. Zwar wurde von Klägerseite unter Vorlage einer Bestätigung der Mutter des Klägers vom 19.01.2011 vorgetragen, dass diese zwischen dem 06. und 09.07.1975 während des Libanonaufenthalts einen schweren Anfall mit Abgeschlagenheit, Mutlosigkeit Gefühlstaubheit und weiteren Störungen der Gesundheit bzw. der Befindlichkeit erlitten habe. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. ergibt, wäre dabei auch die zeitliche Komponente erfüllt.
Hierzu stellt der Senat jedoch fest: Selbst wenn man zugunsten des Klägers hinsichtlich der Primärschädigung (Impfkomplikation) auf den Gesundheitszustand der Mutter, nicht des (damals noch ungeborenen) Klägers abstellt, scheidet hier ein Nachweis aus. So ist ein entsprechendes Geschehen im Libanon, also die vorgetragene Gesundheits- oder Befindlichkeitsstörung der Mutter des Klägers, bereits nicht nachgewiesen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass nach so langer Zeit eine Erinnerungstäuschung vorliegt, dass beispielsweise nur unmaßgebliche Befindlichkeitsstörungen im Nachhinein und unzutreffender Weise als schwerere Krankheitserscheinungen interpretiert oder dass falsche Daten angegeben wurden. Nicht ausgeschlossen werden kann auch, dass die Erklärung der Mutter des Klägers aus dem Jahr 2011 interessensgeleitet (zugunsten des Klägers) abgegeben worden sein könnte; hierfür könnte auch die (beinahe tag-)genaue zeitliche Bestätigung sprechen, die nach mehreren Jahrzehnten eher ungewöhnlich erscheint.
b. Selbst wenn man jedoch, wiederum zugunsten des Klägers, davon ausgeht, dass die geschilderten Gesundheitsstörungen der Mutter tatsächlich und an den genannten Tagen vorgelegen haben, ergibt sich daraus keinesfalls ein Beleg für eine Impfkomplikation. Dies folgt vor allem aus dem fundierten und schlüssigen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen nach eigener Prüfung zu eigen. Die Feststellungen stehen insbesondere auch in Übereinstimmung mit den gesamten vorliegenden Befunden.
Wie der Gutachter plausibel dargelegt hat, lassen die geschilderten Symptomen auch den Rückschluss zu, dass eine Psychoreaktion, eine zufällige Intoxikation oder Zirkulationsstörungen vorgelegen haben könnte. Im Übrigen gibt es keinerlei Anhalt für die tatsächliche Ursache des geschilderten kurzfristigen pathologischen Zustands der Mutter. Eine diagnostische Abklärung ist damals nicht erfolgt. Aus Sicht des Senats liegt jedoch eine (gegebenenfalls überwiegend psychisch vermittelte) Beeinträchtigung der Mutter des Klägers durch das unmittelbare Erleben des Ausbruchs des libanesischen Bürgerkriegs nahe. Der Kläger hat (in seiner Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. K. am 11.05.2011) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich seine Familie bzw. seine Mutter damals in einer Ausnahmesituation im Ort S. im Libanon befunden hätte, als dort gerade der Bürgerkrieg ausgebrochen sei.
Selbst wenn man jedoch annehmen würde, dass keine Intoxikation, Psychoreaktion oder Zirkulationsstörungen vorgelegen hätten, sondern, worauf der Sachverständige plausibel als ebenfalls denkbare Ursache hingewiesen hat, an eine im Rahmen einer Infektion flüchtige Enzephalitis, ist mit dem Gutachter hervorzuheben, dass gerade im Libanon (mehr noch als in Deutschland) eine zufällig akquirierte, obligat oder fakultativ auch neurotrophe Infektion mit flüchtiger Enzephalitis als Ursache medizinisch statistisch um ein Vielfaches wahrscheinlicher ist als eine Impfvirusenzephalitis (unter den Bedingungen einer Wiederimpfungs-Analogie), nachdem es sich bei der Mutter um eine postvakzinale Enzephalitis nach Wiederimpfung handeln hätte müssen, die sich mit einer Häufigkeit von einem Fall auf 1,5 Millionen Wiederimpfungen als extrem selten darstellen würde.
2. Darüber hinaus sind die Taubheit und die Sprachstörung des Klägers auch nicht kausal auf die o.g. Impfungen des Vaters und des Bruders des Klägers zurückzuführen.
Auch wenn der Senat, anders als der vom Kläger benannte Sachverständige Prof. Dr. E. (als Pharmakologe Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft) nicht davon ausgeht, dass der ganze Vorgang „bizarr“ ist, muss hier festgestellt werden, dass von der Klägerseite relativ unwahrscheinliche Tatsachen und Zusammenhänge vorgetragen worden sind. Wie sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ergibt, kann nicht die Rede davon sein, dass nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände – wie (entsprechend den obigen Darlegungen) von der Rechtsprechung gefordert – der Verursachung der Gesundheitsschäden des Klägers durch die Impfungen gegenüber jeder anderen Möglichkeit der Verursachung ein deutliches Übergewicht zukommen würde (s.o., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 22.09.1977 – 10 RV 15/77). Wie das SG anschaulich dargestellt hat, wäre ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Taubheit mit Hörstörung und den Impfungen des Vaters und des Bruders des Klägers nur dann möglich, wenn eine Reihe von unwahrscheinlichen bzw. zweifelhaften Annahmen erfüllt wären. Auch dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem plausiblen, auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten von Prof. Dr. K. und auch aus dem Gutachten von Dr. H.. Der Senat macht sich auch insoweit die sachverständigen Feststellungen nach eigener Prüfung zu eigen.
Die Verursachung der Gesundheitsschäden des Klägers durch die o.g. Impfungen wäre nur dann möglich, wenn eine angeborene Hörstörung im Sinne eines Residualschadens, also ohne Progredienz, vorliegen würde, sich die Mutter des Klägers, ohne dies zu bemerken, mit dem Impfvirus infiziert hätte, sich der Impfvirus trotz der Situation der Wiederimpfung der Mutter in ihrem Körper verbreitet hätte und sich dadurch nicht eine generalisierte Hirnschädigung, sondern eine isolierte Hörstörung entwickelt hätte.
Diese Annahmen lassen sich jedoch nicht belegen. Der Senat weist zusammenfassend auf folgende Punkte hin:
a. Entsprechend den vorliegenden Arztberichten hat der Kläger im Sommer 1979 einen aktiven Sprachschatz von etwa 30 Worten gehabt, den er schließlich bis 1980 wieder umfänglich verloren hat. Damit ist eine Hörschädigung, wie Prof. Dr. K. plausibel dargelegt hat, nicht durch eine vorgeburtliche „Impfung“ erfolgt, da ein solcher Impfschaden eine Dauerschädigung zur Folge hätte, nämlich im Sinne eines sogenannten Residualschadens, also ohne Progredienz. Der Senat übersieht nicht, dass die geschilderte Sprachentwicklung vom Kläger nachdrücklich bestritten wird, sodass auch er nicht davon ausgeht, dass diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Dies ist jedoch auch nicht maßgeblich. Aufgrund des letztlich unsicheren Verlaufs der Hör- und Sprachentwicklung des Klägers sieht der Senat jedenfalls bereits hinsichtlich dieses Punkts massive Zweifel an der Kausalität der angeschuldigten Impfungen.
b. Auch die Infizierung der Mutter mit dem Impfvirus ist nicht ausgeschlossen, jedoch keinesfalls überwiegend wahrscheinlich. Wie Prof. Dr. K. anschaulich dargestellt hat bleibt als mögliche Quelle einer Vaccinia translata der Mutter des Klägers nur die direkte Übertragung von der nässenden Impfstelle des Vaters (bzw. des Bruders), vermutlich die Haut auf der Schulter bzw. dem Oberarm, auf eine verwundete Hautstelle oder Schleimhaut der Mutter. Dies bestand als Möglichkeit nur in den ersten sieben Tage nach der Impfung des Vaters bzw. während einer gegebenenfalls verlängerten Frist nach der Impfung des Bruders des Klägers. Dem Senat erscheint es im Übrigen unwahrscheinlich, dass es während der Schwangerschaft der Mutter zu einer solchen Übertragung gekommen sein könnte, da – unabhängig von einer entsprechenden spezifischen medizinischen Aufklärung und Beratung – von einem generell vorsichtigen Umgang der Mutter mit offenen Wunden bei Familienangehörigen angesichts ihrer Schwangerschaft ausgegangen werden kann.
c. Vor allem aber erscheint dem Senat unwahrscheinlich, dass die Mutter des Klägers eine solche Übertragung des Impfvirus nicht bemerkt hätte. Angesichts der erfolgten Pockenimpfung der Mutter des Klägers hätte eine solche Übertragung des Impfvirus zwar nicht den Charakter einer Erst-, sondern einer Wiederimpfung gehabt; die Eintrittsstelle der (notwendig zuvor minimal verletzten) Haut bei der Mutter hätte sich also nur im Sinne einer Wiederimpfung entwickelt, sie wäre aber, wie der Sachverständige dargelegt hat, anhand Anblick und Missgefühl so gut wie sicher von der Mutter bemerkt worden, während sich eine Eintrittsstelle in der Schleimhaut zumindest wahrscheinlich wenigstens per Missgefühl bemerkbar gemacht hätte. Es erscheint im Übrigen aus Sicht des Senats ausgeschlossen, dass die Mutter des Klägers diese Symptome nur vergessen hätte, da sie andererseits ihre Gesundheit- bzw. Befindlichkeitsstörungen im Libanon, wie oben dargestellt, nach wie vor durchaus präsent hatte.
d. Weiter bleibt äußerst zweifelhaft, ob es im Falle einer dort stattgefundenen Übertragung überhaupt zu einer Verbreitung des Virus im Organismus der Mutter (Virämie) gekommen wäre. Wie Prof. Dr. K. anschaulich dargestellt hat, wäre dies zwar möglich, jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, weil nur in 10% der Wiederimpfungen mit einer Virämie zu rechnen (gewesen) wäre. Wie der Sachverständige Dr. H. betont hat, stellt eine in die Blutbahn gelangende Infektion mit Vaccinia-Viren ein schweres Krankheitsbild dar. Dieses hätte aber vorliegen müssen, um eine aus dem Blutwege via Placenta übertragene Infektion des Foetus zu erklären. Eine solche bei der Mutter des Klägers in die Blutbahn gelangte Infektion hat nach der plausiblen Auffassung des Sachverständigen aber sicher nicht vorgelegen.
e. Hinzu kommt, dass nach der plausiblen Darlegung von Prof. Dr. K. selbst bei einer Übertragung des Impfvirus und einer anschließenden Virämie zu beachten wäre, dass es bisher nur von Pockenerstimpfungen während der Schwangerschaft belegte Fälle von durch Pockenimpfstoff erkrankten bzw. geschädigten Embryonen bzw. Neugeborenen belegte Fälle gibt und dass solche Vorkommnisse nach Wiederimpfung in der Schwangerschaft nicht ausreichend belegt sind. Wie der Sachverständige Dr. H. ausgedrückt hat, ist die Übertragung des Impfvirus auf das ungeborene Kind lediglich eine „sehr theoretische“.
f. Schließlich hat der Gutachter Dr. H. hervorgehoben, dass Fallberichte über isolierte Hörstörungen oder andere umschriebene Entwicklungsstörungen durch eine intrauterine Vaccinia-Infektion in der wissenschaftlichen Literatur nicht vorliegen. Aufgrund der Erkenntnisse über Impfungen gegen Pocken in der Schwangerschaft erscheint die Auslösung einer isolierten Schwerhörigkeit als Schädigung des Embryos als nicht realistisch.
An diesen Zweifeln vermögen auch die umfangreichen Darlegungen des Klägers nichts zu ändern, weil er keine konkreten Ansatzpunkte dafür bringt, wieso diese Zweifel unberechtigt wären bzw. wie eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verursachung seiner (durchaus gravierenden) Gesundheitsstörung durch die Impfungen trotz der entgegenstehenden, von den Gutachtern im Einzelnen aufgezeigten Problemkreise zu begründen wäre. Wenn er dies letztlich mit der Alternativlosigkeit der von ihm gesehenen Kausalität – vor allem angesichts normal gehörender Familienangehöriger – versucht, kann ihm der Senat angesichts der denkbaren offensichtlichen Alternativursachen (wie z.B. schicksalshafter Verlauf) in keiner Weise folgen. Wie der Beklagte, z.B. im Schriftsatz vom 13.01.2017, zutreffend darauf hingewiesen hat, werden die Schlussfolgerungen der Gutachter vom Kläger zwar in Abrede gestellt, jedoch ohne entsprechende medizinisch-wissenschaftliche Behauptungen vorzutragen oder ähnliche Nachweise zur Untermauerung vorzulegen.
Auch aus dem Hinweis des Klägers auf die Äußerungen der Ärztin Z. ergibt sich nichts anderes. Wenn diese darauf hinweist, dass die Ärztin zu Recht zu dem Schluss komme, dass es aus medizinischer Sicht durchaus möglich sei, durch eine Pockenimpfung in der vulnerablen Phase in der Schwangerschaft eine Taubheit bei dem ungeborenen Kind zu verursachen, kann der Senat dem grundsätzlich sogar folgen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hält er dies durchaus nicht für gänzlich unmöglich, jedoch aufgrund der o.g. Einzelaspekte für sehr unwahrscheinlich. Eine bloße Möglichkeit reicht jedoch zur Annahme der Kausalität, wie oben umfangreich dargelegt, nicht aus.
Auch auf der Basis von § 61 Satz 2 IfSG (Kannversorgung) vermag der Kläger mit seinem Begehren nicht durchzudringen. Eine Versorgung kann danach auch gewährt werden, wenn die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung nur deswegen scheitert, weil in der medizinischen Wissenschaft über die Leidensursache allgemein Unkenntnis herrscht (s.o.). Dabei ist eine abstrakte theoretische Unsicherheit Voraussetzung, nicht eine bloße konkrete im Einzelfall (vgl. bereits das Urteil des Senats vom 31.07.2012 – L 15 VJ 9/09, m.w.N.). § 61 Satz 2 IfSG ist dahin zu interpretieren, dass mit Ausnahme des Wahrscheinlichkeitsnachweises alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und zugleich keine Aspekte erkennbar sein dürfen, welche die Wahrscheinlichkeit der Verursachung unabhängig von der Ätiologie und der Pathogenese der betreffenden Krankheit ausschließen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben, wie sich ohne Weiteres aus dem nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. K. ergibt. Die verschiedenen möglichen Ursachen von angeborenen bzw. frühkindlichen Hörstörungen sind in der medizinischen Wissenschaft bekannt.
Der (erst) am 26.06.2019 gestellte Antrag auf Beauftragung des Sachverständigen Prof. Dr. S. gemäß § 109 SGG ist gemäß Abs. 2 der Vorschrift zurückzuweisen.
Gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auf Antrag des behinderten Menschen ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Abgelehnt werden kann die Anhörung nur unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG. Eine Ablehnung ist möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit zu spät vorgebracht worden ist und sich bei einer Zulassung des Beweisantrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Antrags gemäß § 109 SGG sind vorliegend gegeben.
Der Senat hat bereits am 11.09.2018 dem Kläger eine eher großzügige – das BSG hat eine Frist von sechs Wochen als unnötig lang angesehen (vgl. BSG, Beschluss vom 10.12.1958 – 4 RJ 143/58) – Frist zur Antragstellung (unter Benennung eines Arztes – ein Antrag gemäß § 109 SGG setzt voraus, dass der Antrag klar und unmissverständlich und mit dem zumindest bestimmbaren Namen des Arztes gestellt wird, eine lediglich unbestimmte Ankündigung eines Antrags gemäß § 109 SGG reicht nicht, vgl. BSG, Beschlüsse vom 23.10.1957 – 4 RJ 142/57 – und 04.11.1959 – 9 RV 862/56) gesetzt. Diese Frist ist in der Folge zugunsten des Klägers zunächst ein weiteres Mal bis 09.01.2019 und sodann sogar noch einmal bis 23.01.2019 verlängert worden. Dennoch ist bis 26.06.2019 kein zur Gutachtenserstellung bereiter Arzt benannt worden, wobei offenbleiben kann, ob der Prof. Dr. S. nun das Gutachten erstellt hätte, denn dieser wurde, wie ohne Weiteres ersichtlich, jedenfalls weit nach der gesetzten Frist benannt. Zwar hat der Senat – im Hinblick auf die eigenen Erfahrungen – durchaus Verständnis dafür, dass es mitunter schwierig sein kann, in Impfschadensfällen qualifizierte Sachverständige zu finden, die zur Gutachtenserstellung geeignet und bereit sind. Vorliegend muss jedoch beachtet werden, dass der Kläger bereits am 19.04.2017 erstmalig einen Antrag gemäß § 109 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren gestellt hat und dass er, nachdem damals ein geeigneter Sachverständige innerhalb von zwei Monaten bis zum Abschluss des Verfahrens nicht gefunden worden ist, bereits seit diesem Zeitpunkt von der Notwendigkeit gewusst hat, frühzeitig nach einem solchen Sachverständigen Ausschau zu halten. Dass aber innerhalb von zwei Jahren kein Sachverständiger gefunden hätte werden können, kann der Senat nicht nachvollziehen. Da die Zulassung des Beweisantrags einer Entscheidung am 02.07.2019 entgegengestanden wäre und daher das Verfahren (um viele Monate) verzögert hätte, war der Antrag zurückzuweisen.
Im Übrigen war(en) entgegen dem Antrag des Klägers vom 02.07.2019 keine weiteren Ermittlungen durchzuführen und insbesondere kein Gutachten gemäß § 106 SGG einzuholen. Der medizinische Sachverhalt ist im vorliegenden Verfahren aufgeklärt. Insbesondere wurden zwei Sachverständigengutachten eingeholt, die die vorliegend relevanten Fragen, insbesondere zur Kausalität, ausführlich beleuchtet und die maßgeblichen Problemkreise abgearbeitet haben. Dem steht nicht entgegen, dass die Sachverständigengutachten in einem gewissermaßen vorgeschalteten Gerichtsverfahren eingeholt worden sind. Denn die Sachverständigengutachten haben exakt die auch hier im vorliegenden Klage- und Berufungsverfahren maßgeblichen Fragen erörtert.
Soweit die Klägerseite vorbringt, dass die Gutachten, auf die sich der Senat bezieht, bereits einige Jahre alt seien und dass in Gerichtsverfahren stets der neueste wissenschaftliche Stand zu Grunde zu legen sei, ist Folgendes festzustellen: Zwar ist zutreffend, dass für das Gericht stets der aktuelle wissenschaftliche Stand maßgeblich ist (vgl. im Einzelnen hierzu z.B. Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl. 2011, Seite 41, sowie das bereits oben erwähnte Urteil des BSG zu Kausalitätsbeurteilungen vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R). Dies wurde vorliegend jedoch auch berücksichtigt. Der Vortrag, dass sich innerhalb von nur wenigen Jahren der medizinische Wissensstand so weit verändert hätte, dass nun eine erneute Begutachtung vorzunehmen wäre, stellt eine bloße Behauptung „ins Blaue hinein“ dar, der das Gericht nicht nachgehen muss (vgl. z.B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ders., a.a.O., § 103, Rdnr. 8a, m.w.N.). Es ergeben sich keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass gerade auf dem Gebiet der Pockenimpfung, die grundsätzlich der Vergangenheit angehört, insoweit neue relevante Erkenntnisse im Raum stehen würden. Wie dem Senat aus vergleichbaren Verfahren und den dortigen Sachverhaltsermittlungen bekannt ist, hat sich das medizinische Fachwissen insoweit und vor allem hinsichtlich auch aller weiteren hier vorliegenden Problemkreise nicht maßgeblich erweitert bzw. verändert. Im Übrigen fällt auf, dass der Kläger selbst im Verfahren besonders alte Literaturstellen (nämlich aus den 1960er Jahren) bemüht hat. Eine – bloß höchst vorsorgliche – erneute Befragung der bereits beauftragten oder anderer Sachverständigen war daher nicht veranlasst.
Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).


Ähnliche Artikel

BAföG – das Bundesausbildungsförderungsgesetz einfach erklärt

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, sorgt seit über 50 Jahren für finanzielle Entlastung bei Studium und Ausbildung. Der folgende Artikel erläutert, wer Anspruch auf diese wichtige Förderung hat, wovon ihre Höhe abhängt und welche Besonderheiten es bei Studium und Ausbildung gibt.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben