Sozialrecht

Sozialgerichtsverfahren: Zur Kostenpflichtigkeit von Statusfeststellungsverfahren

Aktenzeichen  L 7 R 5178/17

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15550
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 197a Abs. 1 S. 1, § 183
GKG § 63 Abs. 2 S. 1, § 52
RVG § 33 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens um die Frage einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ist ein Betroffener, über dessen Status die Rentenversicherung entschieden hat, im gerichtlichen Verfahren als Versicherter anzusehen und damit kostenprivilegiert nach § 183 SGG. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist das Verfahren insgesamt gerichtskostenfrei ist, kommt auch eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Betracht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 47 R 3385/16 2017-10-17 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

Der Antrag des Klägers zu 1), “den Gegenstandswert festzusetzen”, wird abgelehnt.

Gründe

I.
Im Ausgangsverfahren beantragten die Kläger die Aufhebung der im Wesentlichen gleichlautenden Bescheide der Beklagten vom 07.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016, mit denen die Beklagte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens festgestellt hat, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit im Bereich Schulungen für ein Softwareprodukt für die Klägerin zu 2) vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und demgemäß der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 17.10.2017 die Anfechtungsklagen hiergegen sowie die Feststellungsklagen, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe, ab, und stützte dabei seine Kostenentscheidung auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegen das Urteil legten sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein.
Mit Schreiben vom 20.11.2018 gab die Beklagte ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Versicherungsfreiheit werde dementsprechend noch durch Bescheid festgestellt. Die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten würden auf Antrag in voller Höhe übernommen. Sowohl der Klägerin zu 1) als auch die Klägerin zu 2) nahmen das Anerkenntnis der Beklagten an.
In der Folge stellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) auf den Standpunkt, dass es sich in beiden Instanzen um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG gehandelt habe und deshalb ein Streitwert bzw. Gegenstandswert festgesetzt werden müsse.
Auf richterlichen Hinweis, dass es sich um ein Verfahren nach § 193 SGG ebenso wie in den ersten Instanzen auch in der Berufungsinstanz handele, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) mit Schreiben vom 17.04.2019 „nochmals“, „den Gegenstandswert festzusetzen“. Weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) seien privilegiert im Sinne des § 183 SGG gewesen. Der Kläger zu 1) sei selbständiger Unternehmer und damit weder Versicherter noch Leistungsempfänger. Da auch die Klägerin zu 2) als Unternehmerin nicht privilegiert sei, käme § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG zur Anwendung und der Grundsatz der Kosteneinheitlichkeit sei schon aus diesem Grund hier nicht entscheidungsrelevant.
II.
Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1), „den Gegenstandswert festzusetzen“ bleibt ohne Erfolg, da für das Klagesowie das Berufungsverfahren weder ein Streit- noch ein Gegenstandswert festzusetzen ist.
1. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen.
Soweit der Kläger zu 1) geltend macht, es handele sich um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG, ist der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) dahingehend auszulegen, dass dieser eine Festsetzung des Streitwertes durch Beschluss für die erste und zweite Instanz begehrt.
Dieser Antrag auf Streitwertfestsetzung ist abzulehnen, weil weder das erstinstanzliche Klageverfahren noch das Berufungsverfahren gerichtskostenpflichtig waren und demgemäß kein Streitwert festzusetzen ist. Die Festsetzung eines Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) nur dann, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger zu 1) „Versicherter“ im Sinne von § 183 Satz 1 SGG und damit kostenprivilegiert. Denn es ist über seinen Status als Versicherter gestritten worden (BSG Urteil vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R; vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 24.03.2011, L 8 R 1107/10 B ausdrücklich für das Statusfeststellungsverfahren). Unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens um die Frage einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ist ein Betroffener, über dessen Status die Rentenversicherung entschieden hat, im gerichtlichen Verfahren als Versicherter anzusehen und damit kostenprivilegiert nach § 183 SGG (LSG NRW aaO Rz 6, vgl. insoweit auch die Kostenentscheidung des BSG im Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 15/11 R Rz 43 hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 193 SGG in einem Verfahren betreffend die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit).
Die für den Kläger zu 1) demnach bestehende Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die an und für sich kostenpflichtige Klägerin zu 2) (vgl LSG NRW aaO Rz. 7, BSG Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 1/06 R). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn eine objektive Klagehäufung verschiedener, voneinander zu trennender Streitgegenstände vorliegt (LSG NRW aaO Rz 7). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Auch wenn die Anfechtungsklagen sich gegen formal selbständige Bescheide richten, konnte hierüber wegen der Identität der Verfügungssätze dieser Bescheide nur einheitlich entschieden werden; erst recht hatten die Feststellungsanträge der Kläger denselben Streitgegenstand (vgl. LSG NRW aaO Rz 7).
Sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren waren der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) aktive Partei (vgl. insoweit auch BSG Beschluss vom 28.05.2015 B 11 AL 5/15 B) mit der Folge, dass die Kostenentscheidung auch nicht nach Instanzen getrennt (vgl. BSG Beschluss vom 29.05.2006, B 2 U 391/05 R) zu ergehen hatte, sondern in beiden Instanzen einheitlich § 193 SGG zur Anwendung kommt.
2. Ein Gegenstandswert ist nicht festzusetzen.
Da das Verfahren insgesamt gerichtskostenfrei ist, kommt auch eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) gemäß § 33 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht in Betracht.
Denn in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Beitragsrahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten (vgl. § 14 RVG). Gesichtspunkte, die in Abweichung von diesem Grundsatz die Festsetzung eines Gegenstandswerts erlauben würden (vgl. etwa BSG Urteil vom 19.10.2016, B 14 AS 50/15 R, LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 26.04.2018, L 5 KA 17/18 B) sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, § 177 SGG.


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