Sozialrecht

Wehrdienstbeschädigung, Sozialgerichte, Schädigungsfolgen, Sozialgerichtliches Verfahren, Widerspruchsbescheid, Versorgungsleistung, Bevollmächtigter, Gutachtenanordnung, Einholung eines Gutachtens, Erläuterung des Gutachtens, Nichtzulassungsbeschwerde, Untersuchungsgrundsatz, Gesundheitsstörung, Typischer Geschehensablauf, WEG – Beschwerde, Beschwerderücknahme, Keine Beschwerde, Weitere Beschwerde, haftungsbegründende Kausalität, ursächlicher Zusammenhang

Aktenzeichen  L 15 VS 14/14

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147343
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Prüft die Verwaltung im Rücknahmeverfahren nach § 44 SGB X von sich aus den Sachverhalt erneut ohne sich auf die Bestandskraft des zur Überprüfung gestellten Verwaltungsaktes zu berufen, ist auch im gerichtlichen Verfahren eine umfassende Prüfung vorzunehmen.
2. Der Primärschaden als zweites Glied der dreigliedrigen Kausalkette muss im Vollbeweis erwiesen sein.
3. Die Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren, das durch den Untersuchungsgrundsatz geprägt ist, nicht anwendbar.
4. Der Beweis des ersten Anscheins kann grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung finden.
5. Das Recht eines Beteiligten, Fragen an einen Sachverständigen zu stellen, besteht grundsätzlich nur für solche Gutachten, die im selben Rechtszug erstattet worden sind.

Verfahrensgang

S 33 VS 10/10 2014-07-16 SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht erhoben, §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Ablehnung der Rücknahme bzw. Änderung des bestandskräftigen Bescheides vom 14.05.1984 durch Bescheid vom 03.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Klagegenstand ist der Überprüfungsbescheid vom 03.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2010 bezüglich des Bescheides vom 14.05.1984. Mit letzterem hat der Rechtsvorgänger der Beklagten einen Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes nach § 80 SVG abgelehnt.
Für die Entscheidung über Versorgungsleistungen für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses (§ 80 SVG) war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die Versorgungsverwaltung des Freistaates Bayern zuständig, § 88 Abs. 1 Satz 2 SVG in der am 14.05.1984 geltenden Fassung. Sie war auch für die Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vom 07.01.2009 zuständig, § 44 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 88 Abs. 1 Satz 2 SVG in der zum 16.03.2010 geltenden Fassung. Der Freistaat Bayern war dementsprechend zunächst richtiger Beklagter. Wegen des zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des Soldatenversorgungsgesetzes auf den Bund vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013, S. 2416) hat im Laufe des Gerichtsverfahrens ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden. Der bisherige Beklagte ist aus dem Verfahren ausgeschieden und an seine Stelle ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesministerin der Verteidigung, ins Verfahren eingetreten.
Weil der damalig zuständige Versorgungsträger, § 44 Abs. 3 SGB X, in seinem Überprüfungsbescheid vom 03.07.2009 in die Sachprüfung eingestiegen ist, ist die vollständige Überprüfung auch im gerichtlichen Verfahren eröffnet (s. BayLSG, Urteil vom 27.03.2015, Az.: L 15 VK 12/13, juris Rn. 68 f.) Das Berufungsgericht hat daher zu prüfen, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf eine Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen sind und einen Anspruch auf Versorgung nach § 80 SVG i.V.m. §§ 30, 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) begründen. Aufgrund von § 44 Abs. 4 SGB X ist der Prüfungsrahmen auf Leistungen ab dem 01.01.2005 begrenzt.
Gemäß § 80 Satz 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Gemäß § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (Satz 2). Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (Satz 3).
Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch nach § 80 SVG i.V.m. §§ 30, 31 BVG ist das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 80 Satz 1 SVG. Wehrdienstbeschädigung (WDB) ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdiensts erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Versorgungsrechtlich relevante gesundheitliche Folgen einer solchen WDB sind bleibende Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Primärschädigung zurückzuführen sind, § 81 Abs. 6 SVG. Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R, juris Rn. 16 und vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 3/13 R, juris Rn. 14 m.w.N.).
Vorliegend bedeutet dies, dass eine schädigende Wehrdienstverrichtung (1. Glied) zu den geltend gemachten Erfrierungsschäden der Füße als Primärschaden (2. Glied) geführt haben muss, die eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (3. Glied) bedingen.
Diese drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt, d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92; Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R; Urteil vom 25.03.2004, Az.: B 9 VS 1/02 R und vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 3/13 R; alle in juris). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützt.
Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder der Kausalkette nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG aus, wenn dieser jeweils mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R – in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az.: 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat) als auch für den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.
Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend. Haben also – bezogen auf das Recht der Soldatenversorgung – neben einer durch den Wehrdienst bedingten Schädigung mehrere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen, ist diese Schädigung versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge ihr zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges – verglichen mit den mehreren übrigen Umständen – annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die durch den Wehrdienst bedingte Schädigung in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. – bezogen auf eine Verfolgungsmaßnahme, der einer durch den Wehrdienst bedingten Schädigung entspricht – BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R, juris, Rn. 18 mit Hinweis auf Urteil vom 06.12.1966, Az.: 9 RV 346/65 und Urteil vom 20.07.2005, Az.: B 9aV 1/05 R, alle in juris). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R, juris Rn. 18 unter Bezug auf BSG, Urteil vom 27.02.1962, Az.: 10 RV 119/59, juris). Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R, juris, Rn. 18 unter Bezug auf BSG, Urteil vom 10.06.1995, Az.: 10 RV 390/54 und Urteil vom 12.06.2001, Az.: B 9 V 5/00 R, alle in juris). Lässt sich der Zusammenhang nicht (hinreichend) wahrscheinlich machen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf das Vorliegen des Zusammenhangs stützen möchte, also des Anspruchsstellers.
Unter Anwendung dieser Grundsätze konnte sich der Senat unter Würdigung der gesamten Umstände des vorliegenden Verfahrens nicht im Vollbeweis davon überzeugen, dass der Kläger sich Erfrierungen an den Füßen (Primärschaden, 2. Glied der Kausalkette) zugezogen hat und er einen Primärschaden im Sinne des 2. Glieds der aufgezeigten Kausalkette erlitten hat.
Auf die Umstände der Wehrdienstverrichtung als 1. Glied der Kausalkette kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Ausführungen zu dem Vortrag des Bevollmächtigten, wonach der Geländemarsch am 18.01.1982 bei Minustemperaturen zwischen 12° und 20° C stattgefunden habe und die Rekruten, damit wohl auch der Kläger, bei Eis und Schnee auch im Gelände haben robben müssen, sind daher nicht veranlasst.
Der Senat stützt sich für die erforderliche Feststellung des Primärschadens zum einen auf die bereits dem Sozialgericht bei seiner Entscheidung vorliegenden Unterlagen, Befunde und Gutachten. Die darauf beruhende Entscheidung des Sozialgerichts erging rechtsfehlerfrei. Der Senat weist die Berufung insoweit aus den im Urteil des Sozialgerichts vom 16.07.2014 dargelegten, detaillierten und alle Aspekte berücksichtigenden Gründen zurück und sieht von einer weiteren Darlegung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG.
Zum anderen haben auch die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren keine Aspekte ergeben, welche über die im Urteil des Sozialgerichts angegebenen Gründen hinaus zu einer abweichenden Entscheidung führen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte wiederholt auf den Maßstab der Wahrscheinlichkeit Bezug nimmt, ist dies vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn dieser kommt wie dargelegt erst im Anschluss an eine im Vollbeweis erfolgte Feststellung eines Primärschadens im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität zum Tragen. An ersterer fehlt es jedoch. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht vermag auch der Senat nicht zu erkennen, dass der Kläger sich Erfrierungen der Füße zugezogen hat. Die ausführlichen, differenzierten Dokumentationen der klägerischen Beschwerden lassen eine diesbezügliche Feststellung nicht zu.
Zunächst stellte sich der Kläger am 19.01.1982 sowie 20.01.1982 beim Truppenarzt wegen seiner Beschwerden in den Fingern vor. Im Rahmen der dabei durchgeführten Untersuchung wurde eine entzündete Wunde am Fußrücken rechts fußgelenksnah festgestellt. Im Zeitpunkt der Entlassung am 25.01.1982 wurden über die Entzündung des Fußrückens hinaus keine Beschwerden im Fuß- oder Zehenbereich dokumentiert. Im Gegensatz hierzu wurden Erfrierungen an den Händen dokumentiert. Die nachfolgende Behandlung auf der Krankenstation am 31.01.1982 und 01.02.1982 erfolgte aufgrund einer offenen Blase im Fersenbereich links mit Schmerzen im Knöchelbereich und einer Achillodynie links. Das unmittelbar im Anschluss daran angelegte WDB-Blatt vom 02.02.1982 gibt ausschließlich Erfrierungen der Hände an. Die weitere stationäre Behandlung vom 08.02.1982 bis 08.03.1982 erfolgte aufgrund dieser Erfrierungen der Hände sowie weiterer Beschwerden, einschließlich von Marschblasen an beiden Fersen. In seinem Antrag vom 05.03.1982 gegenüber der Versorgungsverwaltung bezeichnete der Kläger die Beschwerden mit Erfrierungen an beiden Händen und mit einer Fußverletzung. Der Entlassungsbericht vom 23.03.1982 dokumentiert hinsichtlich der Füße an beiden Fersen je eine ca. 2×1 cm große offene Marschblase mit livider Verfärbung an der linken Ferse. Im Formblatt vom 08.04.1982 beantragte der Kläger Versorgung aufgrund von Erfrierungen an beiden Händen und in Form von Fußverletzungen im Bereich der Achillessehne und der Ferse an beiden Füßen. Am 15.04.1982 wurden nach Untersuchung der Füße keine Erfrierungszustände dokumentiert. Das nachfolgende WDB-Blatt vom 15.04.1982 enthält Angaben des Klägers zur Entstehung von Marschblasen mit Eiterung und dadurch verursachten Achillessehnenbeschwerden. Mit Schreiben vom 28.05.1982 teilte der Kläger mit, dass es sich bei der Fußverletzung um die Folgen schwerer Blasen und Fleischwunden handele. Im Rahmen der stationären Aufnahme im Zeitraum 22.11.1982 bis 21.12.1982 sind Beschwerden im Bereich der Hände, der Kopfhaut sowie der beiden Großzehen in Form von starken Verhornungen belegt. Diesbezüglich stellte sich der Kläger auch am 27.01.1983 beim Truppenarzt vor, was zur Überweisung an das BWK B-Stadt führte. Dort wurden an den Großzehen-Endgelenken hyperkeratorische Hautveränderungen befundet, im Übrigen neben einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit, eines beidseitigen Hallux valgus, beginnender arthrotischer Veränderungen und Exostosen unauffällige Hautveränderungen. Im Bericht zur Entlassungsuntersuchung vom 23.03.1983 wird ein Zustand nach Erfrierungen an beiden Händen und eine infizierte Hyperkeratose an der rechten Großzehe dokumentiert. Im Übrigen sei der Kläger ohne Befund. Die versorgungsärztlichen Untersuchungen des Klägers führten im Fußbereich zur Feststellung einer folgenlos ausgeheilten Nagelbettentzündung der Großzehen, die Haut im Fersenbereich sei beidseitig ohne entzündliche Veränderungen. Dr. K. hielt zudem fest, dass im Gegensatz zu den Gesundheitsstörungen der Finger die infizierten Marschblasen ausgeheilt seien. Auch Prof. Dr. B. untersuchte Finger und Füße des Klägers. An beiden Großzehen stellte der starke Verhornungen fest.
Anhand dieser im Rahmen des Wehrdienstes und des Verwaltungsverfahrens erfolgten Feststellungen kann ein Nachweis des Primärschadens im Vollbeweis nicht geführt werden. Die vorliegenden Dokumentationen belegen Beschwerden am Fußrücken unmittelbar nach dem Marsch vom 18.01.1982. Ferner wurden im weiteren Verlauf Marschblasen und eine Achillodynie festgestellt. An beiden Großzehen sind starke Verhornungen belegt. Ein Zustand nach Erfrierungen an den Füßen wurde dagegen zu keiner Zeit festgestellt und dokumentiert. Der Senat sieht keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür, an den dokumentierten Beschwerden zu zweifeln und eine Fehldokumentation anzunehmen. Sowohl die Untersuchungen und Befunde während des Wehrdienstes als auch die im Laufe des Verwaltungsverfahrens belegen eingehende und insbesondere differenzierende Befunderhebungen. So wurde durchwegs ausdrücklich zwischen den festgestellten Erfrierungen der Finger und den Fußbeschwerden differenziert. Ferner erfolgten die Befunderhebungen und Feststellungen durch mehrere verschiedene Ärzte, die jeweils aber nur die beschriebenen Beschwerden, aber keine Erfrierungen der Füße feststellten. Auch der Kläger hat bei zeitgleichen Erfrierungszuständen der Hände über keine vergleichbaren Beschwerden an den Füßen geklagt. So hat er in seinen Anträgen und Schreiben seinerseits auf Erfrierungen der Hände einerseits und Fußbeschwerden andererseits abgestellt. Die Fußbeschwerden lägen im Bereich der Achillessehne und der Fersen an beiden Füßen. Weiter führte er aus, es würde sich um Folgen schwerer Blasen und Fleischwunden handeln. Verhornungen der Großzehen sind im Entlassungsbericht vom 16.02.1983 bezüglich der Behandlung vom 22.11.1981 bis 21.12.1982 dokumentiert. Aus diesem Befund ist ein zwingender Rückschluss auf Erfrierungen nicht zu ziehen. Dies ergibt sich auch aus der wiederholt getätigten Angabe des Klägers, er habe sich vor etwa sechs Jahren beide Großzehen gebrochen und seitdem bestünden vermehrte Verhornungen an den Großzehen. Der Kläger tätigte diese Angabe erstmals gegenüber dem BWK B-Stadt, wie sich aus dem Entlassungsbericht vom 31.01.1983 ergibt. Ferner gab er im Rahmen der Anamnese gegenüber Prof. Dr. B. an, 1969 sei eine Fraktur beider Großzehen erfolgt und es bestünden seit etwa 6 Jahren vermehrte Verhornungen beider Großzehen. Der Vortrag im Berufungsverfahren, es handele sich um ein Missverständnis und es sei ein Zeitraum von 6 Monaten gemeint gewesen, führt angesichts der zweifach dokumentierten Angabe des Klägers zu keiner anderen Bewertung. Auch die angeführten Operationen der Zehen und eine Versteifung aus den Jahren 1986/1987 und 2002 sowie eine Amputation im Jahr 2009 begründen keinen zwingenden Rückschluss auf eine Primärschädigung in Form von Erfrierungen während der Wehrdienstzeit. Schließlich enthält das Attest von Dr. N. vom 16.01.2009 allein die Bewertung, dass eine Erfrierung „vor vielen Jahren“ neben der Zuckerkrankheit die Ursache der diagnostizierten Neuropathie sei. Der Nachweis von Erfrierungen gerade während der über 25 Jahre zurückliegenden Wehrdienstzeit wird dadurch nicht erbracht.
Auch die weiteren Ermittlungsergebnisse des Sozialgerichts führen zu keinem Nachweis der Primärschädigung. Der Befundbericht von Dr. B. vom 17.11.2011 lässt von den festgestellten Gesundheitsschäden ausgehend keinen zwingenden Rückschluss auf Erfrierungen der Füße während der 28 Jahre zurückliegenden Wehrdienstzeit im Sinne eines Nachweises im Vollbeweis zu. Ebenso wenig der Bericht des Klinikums S. vom 25.11.2011, das Gutachten von Dr. W. vom 10.01.2012 samt ergänzender Stellungnahme vom 18.11.2012 oder die Stellungnahmen von Dr. P. und Dr. L..
Prof. Dr. Dr. M. geht in seinem Gutachten vom 20.06.2012 und nachfolgenden ergänzenden Stellungnahmen vom 29.06.2013 und 03.03.2014 davon aus, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des Marsches am 18.01.1982 eine Kryoglobulinämie vorgelegen habe, die mit Wahrscheinlichkeit entscheidend wichtig für die Schwere des Kälteschadens an Händen und Füßen gewesen sei. Das Ausmaß der Kälteexposition sei ausreichend gewesen, um mit Wahrscheinlichkeit zu chronischen Schäden der Haut zu führen. Es sei mit Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung der peripheren Extremitäten (Erfrierungen der Finger, Blase an der Fußsohle) gekommen. Es gebe ein Krankheitsbild mit Blasenbildung, bei dem Blasen hyperkeratorisch würden. Nach Erfrierungen könne es zu Hautaufbrüchen und Gewebsnekrosen kommen. Auch hieraus lässt sich die Feststellung von Erfrierungen an den Füßen während der Wehrdienstzeit bzw. des Marsches am 18.01.1982 nicht treffen. Die Untersuchung des Klägers erfolgte am 31.05.2012. Prof. Dr. Dr. M. stellte dabei die Gesundheitsstörungen des Klägers fest und bezog sich hierbei bezüglich der Umstände des Geländemarsches auf die Angaben des Klägers. Im Ergebnis kam er zu der Bewertung, dass eine Schädigung der peripheren Extremitäten (Erfrierungen der Finger, Blase an der Fußsohle) wahrscheinlich sei. Ein Nachweis im Sinne des Vollbeweises liegt darin nicht. Zudem waren beim Kläger keine Blasen an der Fußsohle festgestellt worden, sondern an der Ferse sowie eine Entzündung am Fußrücken, sodass sich auch aus der Annahme von Prof. Dr. Dr. M. (Wahrscheinlichkeit von Blasen an der Fußsohle) keine Folgerungen für die geltend gemachten Schädigungen ergeben. Aus den von Prof. Dr. Dr. M. aufgeführten Verhornungen, die nicht an der Fußsohle, sondern an den Großzehen des Klägers vorhanden waren, lässt sich wie dargelegt kein zwingender Rückschluss auf Erfrierungen ziehen. So bewertet auch Prof. Dr. Dr. M. eine Schädigung nur als wahrscheinlich. Aufgrund der fehlenden Feststellung im Sinne des Vollbeweises kommt es daher nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses tatsächlich eine Kryoglobulinämie aufwies oder nicht. Soweit Prof. Dr. Dr. M. diesbezüglich auf einen Kältekörper-Nachweis vom 27.02.1984 abstellt, wird im entsprechenden Gutachten von Dr. B. angegeben, dass bezüglich der Kryoglobuline das untersuchte Material nicht verwertbar sei. Prof. Dr. Dr. M. stützt seine Bewertung dagegen auf Kryoglobuline, die ausweislich des Gutachtens aber nicht eindeutig belegt sind. Seine Bewertungen sind daher nicht schlüssig und nicht vollständig nachvollziehbar. Wie dargestellt, kommt es darauf jedoch nicht entscheidungserheblich an. Auch wenn Kryoglobuline zum Zeitpunkt des Marsches am 18.01.1982 vorhanden gewesen wären, hätten diese nicht zwingend zu den vorgetragenen Erfrierungen der Füße geführt, davon geht auch Prof. Dr. Dr. M. nicht aus. Diesbezüglich führt auch der eingeführte Befundbericht des Labors Dr. B., O. und Kollegen vom 27.05.2014 nicht weiter, dieser kann allein den Zustand im Moment der Untersuchung belegen. Rückschlüsse auf das Vorliegen von Kryoglobulinen am 18.01.1981 sind darauf nicht möglich.
Es bleibt festzuhalten, dass auch unter Würdigung des Gutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. Dr. M. allein der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers festgestellt werden kann. Die Feststellung von Erfrierungen an den Füßen nach dem Marsch am 18.01.1982 oder während der gesamten Wehrdienstzeit kann den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. M. nicht entnommen werden.
Vielmehr wurden Erfrierungsschäden an den Füßen des Klägers im Zusammenhang mit seinem Wehrdienst zu keiner Zeit festgehalten. Feststellbar bleiben allein abgeheilte Marschblasen an den Fersen und eine abgeheilte Wunde im Bereich der Achillessehne. Ebenso verschließt sich ein Rückschluss von später festgestellten Schädigungsfolgen (z.B. Hornhautbildung an den Großzehen) auf die erforderlichen Primärschäden.
Das Urteil des Sozialgerichts erging daher ohne Rechtsfehler. Auch der weitere Vortrag im Berufungsverfahren führt zu keiner davon abweichenden rechtlichen Bewertung. Sofern der Bevollmächtigte vorträgt, der Kläger habe den Wehrdienst völlig gesund angetreten und sei behandlungsbedürftig entlassen worden, sind diesem pauschalen Vortrag die dokumentierten Gesundheitsbeschwerden des Klägers gegenüberzustellen. Unabhängig hiervon lässt sich auch daraus kein Vollbeweis der Erfrierungen der Füße durch eine Wehrdienstverrichtung erbringen.
Der Maßstab des Vollbeweises für die festzustellende Primärschädigung wird vorliegend nicht durch Beweiserleichterungen abgesenkt. So ist nicht auf eine postulierte Offenkundigkeit im Sinne von §§ 138 Abs. 3, 234, 291 ZPO abzustellen. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet für das Sozialgerichtsverfahren, das durch den Untersuchungsgrundsatz nach § 103 SGG geprägt ist, aus, § 202 Satz 1 SGG (vgl. nur Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 202 Rn. 13). Gemäß § 291 ZPO bedürfen Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, keines Beweises. Der Bevollmächtigte nimmt eine derartige Offenkundigkeit bezüglich der Erfrierungen an beiden Füßen an, indem diese Tatsache als hinreichend nachgewiesen erscheine. Die Umstände des Marsches hätten zwingend zu Erfrierungen führen können. Eine Offenkundigkeit in diesem Sinne würde ggf. die Feststellung des Vollbeweises ermöglichen. Von einer solchen ist jedoch nicht auszugehen, denn die Erfrierungen beider Füße sind weder allgemein- und noch gerichtskundig. Das Erscheinen eines hinreichenden Nachweises, wie es der Bevollmächtigte ausführt, kann den Maßstab des Vollbeweises nicht erfüllen. Gleiches gilt für die Bewertung des Bevollmächtigten, dass die Umstände des Marsches „zwingend zu Erfrierungen hätten führen können“. Die bloße Möglichkeit genügt für einen Vollbeweises nicht, ein zwingender Rückschluss ist wie dargelegt nicht zu ziehen. Von einer Offenkundigkeit im Sinne von § 291 ZPO ist daher nicht auszugehen, ob diese Norm im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt Anwendung finden kann, kann daher dahinstehen.
Nichts anderes ergibt sich auch aus einer Heranziehung des prima-facie-Beweises. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung finden. Voraussetzung ist jedoch, dass sich unter Berücksichtigung aller festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhaltes ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt. Der Anscheinsbeweis ist insbesondere für den Ursachenzusammenhang anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2006, Az.: B 9a VS 1/05 R, in juris; Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rn. 9 ff.; Giesbert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 128 Rn. 79). Ein typischer Geschehensablauf kann entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten nicht angenommen werden. Weder gibt es eine Typik für den Ablauf von Eingewöhnungsmärschen im Hinblick auf Erfrierungsfolgen noch eine Typik im Zusammenhang von Erfrierungen von Fingern und Händen zu Erfrierungen an Füßen. Schließlich kann auch eine Typik im Bezug auf die beim Kläger dokumentierten Fußbeschwerden zu Erfrierungen der Füße nicht angenommen werden.
Da ein Primärschaden auch nach Vortrag im Berufungsverfahren nicht im Vollbeweis feststellbar ist, kommt es auf eine Prüfung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nicht an. Insbesondere sind keine Erwägungen im Hinblick auf Ursachenzusammenhänge vorzunehmen.
Weitere Ermittlungen waren nicht veranlasst. Die Einholung einer offiziellen Auskunft über die Temperaturen am 18.01.1982 im Raum N-Stadt beim Deutschen Wetterdienst, kommt nicht in Betracht. Der Bevollmächtigte hat in seinem diesbezüglichen Antrag im Schriftsatz vom 25.10.2016 ausgeführt, dass eine Recherche Temperaturen von minus 2° C bis minus 10° C erwiesen habe. Der Senat zweifelt bereits nicht die weitere Behauptung des Bevollmächtigten an, dass am 18.01.1982 sogar Minustemperaturen von 12° C bis 20° C geherrscht haben.
Auch die Beiziehung der Musterungsakte war nicht erforderlich. Der Einstellungsbefund des Klägers vom 25.07.1980 ist in der Beschwerdeakte der Beklagten in Kopie enthalten. Im Übrigen unterstellt der Senat, dass der Original-Musterungsakte keine Anhaltspunkte für Vorerkrankungen der Hände und Füße zu entnehmen sind und dass der Kläger bei der Musterung völlig gesund und wehrdiensttauglich gewesen ist. Eine (fehlende) Dokumentation in der Musterungsakte in diesem Sinne kann jedoch nicht den Vollbeweis von Erfrierungen an den Füßen am 18.01.1982 erbringen.
Sofern der Bevollmächtigte den Antrag vor dem Sozialgericht aus dem Schriftsatz vom 15.01.2013 auf Seite 13 im Erörterungstermin am 18.10.2016 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt hat, das Erscheinen von Prof. Dr. Dr. M. zum Zwecke der Erläuterung seines Gutachtens anzuordnen, ist dieser Antrag abzulehnen. Prof. Dr. Dr. M. ist im Rahmen von § 109 SGG im Verfahren vor dem Sozialgericht beauftragt worden. Er hat hierzu ein Gutachten vom 20.06.2012 erstellt und mit Schreiben vom 29.06.2013 und 03.03.2014 ergänzend Stellung genommen. Hierdurch hat er ausreichend auf eine mögliche Ursache für – unterstellte – Erfrierungen an Händen und Füßen hingewiesen. Die hier gegenständlichen Erfrierungen der Füße durch den Marsch am 18.01.1982 sind durch das Gutachten jedoch nicht objektiviert worden, sondern nach Anamnese des Klägers als Tatsache von ihm unterstellt worden. Die Feststellungen von Prof. Dr. Dr. M. bezüglich einer Ursächlichkeit einer Kryoglobulinämie sind für das gegenständliche Verfahren nicht entscheidungserheblich, da es bereits am Nachweis eines Primärschadens fehlt. Der Senat hat von Amts wegen daher keine Veranlassung gehabt, das Erscheinen von Prof. Dr. Dr. M. zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Aber auch auf Antrag des Bevollmächtigten war das Erscheinen von Prof. Dr. Dr. M. zum Zwecke der Erläuterung seines Gutachtens nicht anzuordnen. Ein solcher Anspruch folgt vorliegend nicht aus § 116 Satz 2 SGG, aus § 116 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO oder unmittelbar aus § 62 SGG. Denn das Fragerecht besteht grundsätzlich nur in der Instanz, in der das Gutachten erstattet wurde (Bergner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 116 Rn. 28; Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 12 g m.w.N.). Eine Ausnahme ist vorliegend nicht anzuerkennen, weil das Sozialgericht in seinem Urteil verfahrenskonform dem Antrag nicht nachgekommen ist.
Ferner ist Mindestvoraussetzung, dass der Fragenkomplex konkret umschrieben wird (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, in juris; BSG, Beschluss vom 06.06.2017, Az.: B 5 R 376/16 B, in juris; Bergner, a.a.O, § 116 Rn. 29; Keller, a.a.O., § 118 Rn. 12 f. m.w.N.). Hieran fehlt es jedoch, weil der Bevollmächtigte allein die Erläuterung des Gutachtens durch Prof. Dr. Dr. M. begehrt.
Ein Anspruch auf mündliche Ausübung des Fragerechts folgt auch nicht unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG. Sofern es im Einzelfall geboten sein kann, Sachverständige im Anschluss an eine schriftliche Befragung dann auch mündlich zu befragen, wenn eine mündliche Befragung einen über die Wiederholung schriftlicher Äußerungen hinausreichenden Mehrwert hat, sind für einen solchen Mehrwert angesichts des Beweisthemas des Gutachtens und des hier entscheidungserheblichen Nachweises eines Primärschadens keine Anhaltspunkte erkennbar. Unabhängig hiervon wäre jedoch auch dann die Benennung konkreter Fragen erforderlich gewesen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, in juris).
Die Ablehnung des Antrags steht schließlich nicht im Gegensatz zur klägerseits angeführten Entscheidung des BVerfG vom 03.02.1998, Az.: 1 BvR 909/84, in NJW 1998, S. 2273, weil hierdurch keine anderen Voraussetzungen aufgestellt werden.
Erfrierungen an beiden Händen sind aufgrund der ausdrücklichen Erklärung des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2017 sowie aufgrund des ausdrücklichen Antrags nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Den weiteren hilfsweise gestellten Anträgen war ebenso nicht zu entsprechen. Aufgrund des Ergebnisses des Berufungsverfahrens kommt eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht in Betracht, § 159 SGG. Über die Revisionszulassung ist von Gesetzes wegen zu entscheiden, gegen die Nichtzulassung steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zur Verfügung, § 160a SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Gründe hierfür nicht vorliegen, § 160 Abs. 2 SGG.


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