Steuerrecht

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Aktenzeichen  5 K 368/16

Datum:
25.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 94631
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 04.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Eine Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 AO begeht unter anderem, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
a) Dadurch dass die Klägerin die Einkünfte aus der X Stiftung nicht in ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2011 angegeben bzw. für das Jahr 2012 keine fristgerechte Steuererklärung eingereicht hat, hat sie das Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen. Es ist grundsätzlich die Sache des Steuerpflichtigen, also die Verpflichtung der Klägerin, die für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben (§ 90 Abs. 1, 2 AO). Aufgrund ihres Verhaltens hat die Klägerin bewirkt, dass die Einkommensteuer der Jahre 2003 bis 2012 zu niedrig festgesetzt wurde und dadurch Steuern im Sinne von § 370 Abs. 1 und Abs. 4 AO verkürzt. Dies erfüllt den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO.
b) Die Klägerin hat den Tatbestand des § 370 AO nach Überzeugung des erkennenden Senats vorsätzlich erfüllt.
In diesem Zusammenhang genügt die Bejahung eines sogenannten bedingten Vorsatzes (Eventualvorsatz). Vorsätzlich in diesem Sinne handelt nach ständiger Rechtsprechung auch, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht oder das billigt oder doch in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2009 1 StR 491/09, HFR 2010, 866 und BFH, Urteil vom 31.07.1996 XI R 74/05, BStBl II 1997, 157 sowie Beschluss vom 30.07.2009 V B 27/08, BFH/NV 2009, 1783).
Bei der Steuerhinterziehung ist bedingter Vorsatz bereits dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige sich über die Steuerrechtslage im Unklaren ist und es ihm möglich erscheint, dass seine Erklärung bei zutreffender Anwendung des Steuerrechts unrichtig oder unvollständig ist, und er diese mögliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Steuererklärung billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2009 1 StR 491/09, a.a.O. sowie Hellmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO-Kommentar, 240. EL, § 370 AO Rz. 225 jeweils m.w.N.).
Das FG hat gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen diejenigen Tatsachen vorliegen, die den Tatbestand des § 370 AO ausfüllen. Dies gilt auch bei der Verletzung der sogenannten erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO (vgl. BFH, Urteile vom 01.10.2014 II R 6/13, BStBl II 2015, 164 und vom 12.07.2016 II R 42/14, BStBl. II 2016, 868). Es ist kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die Feststellungslast trägt (vgl. BFH, Urteile vom 14.08.1991 X R 86/88, BStBl II 1992, 128, vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364 sowie Beschluss vom 18.06.2013 VIII B 92/11, BFH/NV 2013, 1448). Das FG muss von dem Vorliegen der Tatsachen, die den objektiven und den subjektiven Tatbestand des § 370 AO bilden, vollständig überzeugt sein (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 12.07.2016 II R 42/14, a.a.O.).
Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist der Senat auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte als sie ihre Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Zusammenhang mit der X Stiftung in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2011 unerwähnt gelassen bzw. für das Jahr 2012 keine Steuererklärung eingereicht hat.
Dabei ist für den Senat zum einen von Bedeutung, dass im Vordruck der Einkommensteuererklärung Anlage „KAP“ ausdrücklich nach ausländischen Kapitalerträgen und auf der Rückseite des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung seit dem Veranlagungszeitraum 2009 nach „nachhaltigen Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten im Ausland“ gefragt wird. Hier bestand Anlass für die Klägerin, sich über ihre Rechtsbeziehungen zur X Stiftung und deren steuerliche Beurteilung Klarheit zu verschaffen und ggf. insoweit eine Beratung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe in Anspruch zu nehmen.
Zum anderen waren die Mitglieder des Stiftungsrates in den Streitjahren alleine den Weisungen der Klägerin unterworfen. Den Mandatsvertrag mit der Z/U betreffend die Delegation der F, einer 100%-igen Z-Tochter, in den Stiftungsrat unterzeichnete die Klägerin im September 2000, ebenso wie den Mandatsvertrag bezüglich der Entsendung eines Vertreters durch die Präsidial-Anstalt/Vaduz. Damit hat die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes I J eigene Vereinbarungen mit der Z und der Präsidial-Anstalt bezüglich der Entsendung von Vertretern in den Stiftungsrat abgeschlossen. Sie ist nicht lediglich in von ihrem Ehemann geschlossene Verträge eingetreten und hat diese stillschweigend fortgeführt, sondern hat eigene vertragliche Beziehungen zur Z sowie der Präsidial-Anstalt gestaltet und dadurch aktiv die Verwaltung der X Stiftung übernommen. Es kann daher nach Auffassung des Senats dahinstehen, ob die Klägerin in der Folge ihre Rechte im Einzelnen wahrgenommen hat oder in Kontakt zu den Stiftungsräten getreten ist.
Angesichts dieser Umstände sowie der Höhe des Vermögens der X Stiftung ist der erkennende Senat davon überzeugt, dass die Klägerin es jedenfalls für möglich hielt, dass ihre Angaben in den betreffenden Einkommensteuererklärungen unvollständig gewesen sind und sie diese mögliche Unvollständigkeit und damit eine Steuerverkürzung billigend in Kauf genommen hat.
Die zur Entlastung der Klägerin vorgetragene Tatsache, dass das Vermögen der X Stiftung nach dem Tod der Klägerin gemeinnützigen Organisationen zugewendet werden solle, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen, denn entscheidend ist, wem die Erträge der Stiftung in den Jahren 2003 – 2012 zuzurechnen waren.
Ebenso wenig kann nach Auffassung des Senats dem Vortrag gefolgt werden, dass die Klägerin aufgrund der steuerrechtlichen Einordnung der „C“ davon ausgehen konnte, dass auch die Erträge der X Stiftung nicht von ihr zu versteuern seien. Im Gegenteil deutet nach Ansicht des Gerichts die Gründung einer Stiftung in Liechtenstein im Gegensatz zur Errichtung einer als gemeinnützig anerkannten Stiftung im Inland darauf hin, dass der Klägerin (und ihrem verstorbenen Ehemann) die unterschiedliche steuerliche Behandlung der beiden Stiftungen durchaus bewusst gewesen ist.
Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Verhalten der Klägerin sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO erfüllt.
c) Die Steuerhinterziehung der Klägerin war mit der Bekanntgabe der jeweiligen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2003 bis 2012 vollendet. Zutreffend hat daher die Bußgeld- und Strafsachenstelle das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2014 als strafbefreiende Selbstanzeige im Sinne von § 371 AO gewertet.
2. Die verkürzten Einkommensteuern 2003 bis 2012 waren als hinterzogene Steuern nach § 235 Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen.
Der Zinslauf begann mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils (§ 235 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative AO), d.h. grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides bzw. im Falle einer Nachzahlung mit der Fälligkeit der hinterzogenen Beträge laut dem jeweiligen Steuerbescheid (§ 235 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative AO). Gemäß § 235 Abs. 3 Satz 1 AO endete der Zinslauf mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern, spätestens jedoch mit der Fälligkeit der Zahlung. Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen, § 235 Abs. 4 AO. Die Einzelheiten der Berechnung und Festsetzung der Zinsen ergibt sich aus den Regelungen in §§ 238, 239 AO.
Einwendungen gegen die Höhe der Zinsfestsetzungen sowie Beginn und Ende des Zinslaufs hat die Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen und die Berechnung in der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2016 verwiesen.
Die Hinterziehungszinsen wurden daher zutreffend in Höhe von 8.601 € festgesetzt.
3. Die Klage war daher abzuweisen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, da sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).


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