Steuerrecht

Gewerbeuntersagung aufgrund Steuerrückständen – Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung

Aktenzeichen  RN 5 S 18.430

Datum:
17.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19485
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
GewO § 35

 

Leitsatz

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer erweiterten Gewerbeuntersagung erfordert im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG iVm dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnene zusätzliche Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 22.03.2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 01.02.2018 (Az.: 31-8221-28/17) wird hinsichtlich der Ziffer 1 wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die gegen ihn ergangene erweiterte Gewerbeuntersagung.
Unter dem 27.10.2006 meldete der Kläger das Gewerbe Holzhacker, Hackschnitzel (Maschine) an mit Beginn 01.10.2006.
Mit Schreiben vom 06.11.2017 teilte das Finanzamt Eggenfelden dem Landratsamt mit, dass Rückstände i.H.v. 34.802,00 EUR aufgelaufen seien und bat um Überprüfung des Antragstellers auf seine persönliche Zuverlässigkeit als Gewerbetreibender und regte die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an. Die Rückstände seien bezogen auf Umsatzsteuerschulden von Oktober 2016 bis Juli 2017. Die Vollstreckung sei im Wesentlichen erfolglos verlaufen, Forderungspfändungen hätten nicht zum Erfolg geführt, seit dem Veranlagungszeitraum 2013 würden keinerlei Steuererklärungen mehr eingereicht, Umsatzsteuervoranmeldungen nicht mehr seit Oktober 2016. Es bestünden 6 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
Das Schuldnerverzeichnis enthielt am 09.11.2017 7 Einträge, der älteste vom 24.10.2016, der aktuellste vom 19.09.2017, sämtlich wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft.
Mit Schreiben vom 09.11.2017 wurde die Handwerkskammer um Stellungnahme gem. § 35 Abs. 4 GewO gebeten. Diese antwortete, der Antragsteller sei weder in die Handwerksrolle noch in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen, weshalb eine Stellungnahme nicht möglich sei.
Auskunft aus dem Gewerbezentralregister und Führungszeugnis jeweils vom 10.11.2017 enthielten keine Eintragungen.
In einer Mitteilung des Zweckverbands Rottal-Inn vom 14.11.2017 wurden Rückstände bzgl. Grundsteuer mit 245,11 EUR und Gewerbesteuer mit 9,- € beziffert. Bei der AOK bestanden keine Rückstände.
Mit Schreiben vom 20.11.2017 wurde der Antragsteller hinsichtlich der beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Eine Reaktion erfolgte nicht.
Die Rückstände beim Finanzamt waren zum 01.02.2018 auf einen Betrag in Höhe von 48.817,37 EUR angewachsen. Der Antragsteller habe sich zwar mit dem Finanzamt in Verbindung gesetzt, eine Verbesserung der Situation sei aber nicht erkennbar. Es sei auch keine der ausstehenden Steuererklärungen abgegeben worden.
Mit Bescheid vom 01.02.2018 wurde
1.dem Antragssteller die Ausübung des Gewerbes „Holzhacker, Hackschnitzel (Maschine)“, die Gewerbeausübung generell, sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und die Tätigkeit der mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragten Person untersagt,
2.die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 dieses Bescheides angeordnet und
3.für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 angeordneten Gewerbeuntersagung nach dem 30.04.2018, im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs einen Monat nach Bestandskraft dieses Bescheids bzw. einen Monat nach Aufhebung eines stattgebenden gerichtlichen Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR angedroht, sowie
4.dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens (Gebühr von 200 €, Auslagen von 4,11 €) auferlegt.
Dieser Bescheid wurde dem Adressaten laut Postzustellungsurkunde am 22.02.2018 zugestellt.
Zur Begründung stützte sich dieser Bescheid insbesondere auf die Höhe der Steuerrückstände einschließlich des kürzlichen Anstiegs, sowie auf mittlerweile 9 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (2 zusätzliche vom 06.11.2017). Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nahm der Antragsgegner im Wesentlichen in den Bescheid auf, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung überwiege, da der weitere Betrieb unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit und der Gefährdung der Geschäftspartner nicht hingenommen werden kann. Nur durch Anordnung des Sofortvollzuges könne gewährleistet werden, dass die bestehenden Steuer- und Beitragsrückstände nicht weiter anwachsen. Daher müsse diese Maßnahme trotz ihres einschneidenden Charakters im Interesse der Allgemeinheit getroffen werden. Auch während des Untersagungsverfahrens habe der Antragsteller nicht reagiert, vielmehr seien die Schulden angestiegen und Einträge im Schuldnerverzeichnis hinzugekommen.
Am 22.03.2018 ließ der Antragssteller im Verfahren RN 5 K 18.431 Klage gegen diesen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 22.03.2018 wiederherzustellen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend begründet, vielmehr nur der Grund für die Untersagung wiedergegeben. Versäumte Steuererklärungen und Anmeldungen seien in Angriff genommen, ebenso Einträge im Schuldnerverzeichnis. Dies habe nicht erst mit der Zustellung des Bescheides begonnen. Beim Finanzamt seien keine Rückstände mehr offen, auch die Einträge aus dem Schuldnerverzeichnis beglichen und geklärt. Es sei eine eindeutige Verhaltensänderung zu erkennen, neue Zahlungsrückstände seien nicht zu befürchten. Daher bestehe keine Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 24.04.2018:
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurden ergänzend zum Bescheid vorgetragen: Eine erneute Abfrage im Schuldnerverzeichnis habe ergeben, dass die Eintragungen weiterhin bestehen. Zwar seien nunmehr (Stand 12.04.2018) Umsatzsteuervoranmeldung, nicht aber –jahreserklärungen abgegeben worden. Freiwillige Zahlungen seien nach wie vor nicht erfolgt. Rückstände hätten sich nur durch Pfändungsmaßnahmen und Verrechnungen erledigt.
Laut Mitteilung des Finanzamts Eggenfelden vom 12.04.2018 würden seit 2018 die Voranmeldungen wieder normal abgegeben. Infolge der Abgabe der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldungen, zuletzt am 16.02. und 26.02.2018 hätten sich die Rückstände vollständig erledigt. Seither seien keine weiteren Rückstände mehr entstanden. Ein Auszug aus dem Schuldnerverzeichnis enthielt keine weiteren Eintragungen über die 9 in den Bescheid eingeflossenen hinaus, diese allerdings weiterhin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens RN 5 K 18.431) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheides entfällt, da die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. In einem derartigen Fall kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Es prüft grundsätzlich, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind (1.) und trifft im Übrigen eine eigene Ermessensentscheidung (2.). Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen.
1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs erfüllt die notwendigen Voraussetzungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Grundsätzlich muss die Begründung auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf sich nicht mit „formelhaften“ Erwägungen begnügen (BayVGH, B.v. 30.10.2009, 7 CS 09.2606, juris Rn. 17). Die Begründung soll den Betroffenen einerseits in die Lage versetzen seine Rechte wirksam wahrnehmen zu können. Andererseits soll sie der Behörde den Ausnahmecharakter vor Augen führen und sie veranlassen genau zu prüfen, ob und warum ausnahmsweise der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen durchbrochen werden soll (Kopp/Schenke, VwGO, 20.Aufl. 2014, § 80 Rn. 84 ff.). Die Behörde muss konkret die Gründe angeben, die dafür sprechen, dass die sofortige Vollziehung aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen notwendig ist und warum dahinter die Interessen des Betroffenen zurückstehen müssen. Ein Abstellen auf die Gesichtspunkte, die den Grundverwaltungsakt selbst rechtfertigen, ist nicht ausreichend. Allerdings können bei gleichartigen Tatbeständen auch gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen ausreichen. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (BayVGH B.v. 27.10.2005, Az 11 CS 05.1967, juris Rn. 13; BayVGH B.v. 13.10.2006 – Az. 11 CS 06.1724).
Hier hat der Antragsgegner in ausreichender Begründung zutreffend darauf abgestellt, dass ohne Sofortvollzug die konkrete Gefahr bestehe, dass die Steuerrückstände weiter anwachsen könnten, wenn der Antragsteller sein Gewerbe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter ausüben würde. Zudem hat die Behörde auf die Gefahr weiterer Vermögensgefährdungen anderer Gläubiger hingewiesen. Diese Erwägungen sind aus formeller Sicht nicht zu beanstanden. Ob diese Gründe auch inhaltlich zutreffen, ist bei der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung unbeachtlich (Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rn. 246). Zwar enthält diese Begründung einige „formelhafte“ Erwägungen, diese sind aber deshalb unschädlich, weil ein Widerruf einer Gaststättenerlaubnis wegen steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Rückstände ein typisierter Fall ist, der in der Verwaltungspraxis oft auftritt und deshalb auch eine „gruppentypisierte“ Begründung ausreichend ist (BayVGH, E.v. 13.10.2006 – Az. 11 CS 06.1724). Zudem wurde auf konkrete Elemente des Einzelfalls eingegangen, namentlich, dass keine erkennbare Reaktion während des Untersagungsverfahrens erfolgte, aber die Schulden angestiegen waren und Eintragungen im Schuldnerverzeichnis hinzugekommen sind.
2. Zwar spricht einiges dafür, dass die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage des Antragstellers in der Hauptsache gering sind, weil die erweiterte Gewerbeuntersagung angesichts der hohen und vor Bescheidserlass weiter ansteigenden Steuerrückstände, sowie dem Fehlen von freiwilligen Zahlungen und der steigenden Zahl an Eintragungen im Schuldnerverzeichnis voraussichtlich rechtmäßig ist und der Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten verletzt. Insbesondere spricht bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids viel für die Richtigkeit der Unzuverlässigkeitsprognose aufgrund der Nichterfüllung der mit dem Gewerbebetrieb zusammenhängenden steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten. Eine Ratenzahlungsvereinbarung sowie ein tragfähiges Sanierungskonzept hatte der Antragsteller nicht vorgelegt. Ein Wohlverhalten während des laufenden Widerrufsverfahrens gerade unter dem Eindruck behördlicher Maßnahmen reicht nicht (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 58). Auch im Rahmen einer erneuten Erlaubniserteilung muss allein die vollständige Begleichung von Steuerrückständen nicht ausreichend sein, um eine erneute Zuverlässigkeit anzunehmen, etwa wenn dies zu Rückständen an anderer Stelle geführt hat, laufenden Verpflichtungen nicht nachgekommen wird oder weiterhin Zahlungen nicht aus eigener Initiative erfolgen.
Gleichwohl ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begründet, weil im vorliegenden Fall dahinstehen kann, ob sich die angefochtene erweiterte Gewerbeuntersagung im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides voraussichtlich als rechtmäßig erweist und die Anfechtungsklage deshalb erfolglos bleiben wird (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris; B.v. 13.12.2011 – 22 CS 11.2428 – juris; OVG NRW, B.v. 24.6.2016 – 4 B 1087/15 – juris). Denn selbst eine voraussichtliche Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage würde im vorliegenden Fall angesichts der weitreichenden Wirkungen der erweiterten Gewerbeuntersagung zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichen. Der Bescheid, mit dem dem Antragsteller die aktuell ausgeübte und jede weitere gewerbliche Betätigung untersagt wird, ist in seiner das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beschränkenden Intensität einem Berufsverbot vergleichbar (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris mit Bezug auf BVerfG, B.v. 24.10.2003 – 1 BvR 1594/03 – NJW 2003, 3618). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erweiterten Gewerbeuntersagung erfordert im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtstaatsprinzip daher vielmehr die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnene zusätzliche Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist. Denn effektiver Rechtsschutz ist nur dann gewährleistet, wenn für sofort vollziehbar erklärte Eingriffe in grundrechtlich gewährleistete Freiheiten noch einmal einer gesonderten – über die Beurteilung der zugrundeliegenden Verfügung hinausgehenden – Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof misst auf dieser Grundlage in seiner Rechtsprechung zum Gewerberecht in Fällen der vorliegenden Art dem Aufschubinteresse eines Antragstellers ein größeres Gewicht zu als dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 22 CS 13.2348 – juris; B.v. 13.12.2011 – 22 CS 11.2428 – juris; B.v. 10.11.2011 – 22 CS 11.1928 – GewArch 2012, 72, jeweils m.w.N. zur Rspr. des BVerfG; ebenso OVG NRW, B.v. 24.6.2016 – 4 B 1087/15 – juris; VGH BW, B.v. 27.1.2006 – 6 S 1860/05 – NVwZ-RR 2006, 395).
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass für den Erfolg der erhobenen Hauptsacheklage zwar der Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids maßgeblich ist (BVerwG, Urteil vom 13. März 1973 – I C 36.71 – Rn.25). Insofern kommt es insbesondere für die Beurteilung der Zuverlässigkeitsprognose auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Die weitere Entwicklung kann aber – neben der Relevanz für die Wiedererlangung der Zuverlässigkeit – für die Beurteilung eine Rolle spielen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich ist. Da der Schwerpunkt hier auf dem Verstoß gegen Zahlungspflichten gegenüber Trägern öffentlicher Belange liegt, hat insbesondere die Frage, ob der Schutz des diesbezüglichen Interesses der betreffenden Gläubiger bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine sofort vollziehbare Gewerbeuntersagung erfordert und ob ohne einen Sofortvollzug diese Interessen gefährdet wären, besonderes Gewicht (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2011 – 22 CS 11.2428 – juris; OVG NRW, B.v. 24.6.2016 – 4 B 1087/15 – juris).
Vorliegend sind keine neuen Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis hinzugekommen, obwohl dies 2017 im Abstand weniger Monate der Fall war. Die Steuerschulden wurden, wenn auch nur durch Verrechnung, aber eben nach Erfüllung der Erklärungspflichten, vollständig beseitigt, neue sind nicht aufgelaufen. Vergleicht man die aktuell geringe Gefahr mit dem schweren Eingriff, den ein vorläufiges Berufsverbot darstellt, überwiegt daher das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bis zur Hauptsacheentscheidung. Veränderungen in der Zahlungsmoral etwa nach Erlass dieser für den Antragssteller günstigen Entscheidung, können durch einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO Berücksichtigung finden.
3. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die kraft Gesetzes nach Art. 21a Satz 1 VwZVG sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides ist dagegen nicht beantragt. Da jedoch seitens des Gerichts die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Grundverwaltungsakts wiederhergestellt worden ist, fehlt die Vollstreckungsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG, weshalb insoweit eine Beitreibung von Zwangsgeldern nicht möglich ist.
Nachdem der Antrag begründet ist, ergab sich die Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG), dessen Empfehlungen die Kammer folgt. Nach Nr. 54.2.1 und 54.2.2 beträgt der Streitwert 20.000 EUR. Im Eilverfahren war dieser Streitwert nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.


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