Steuerrecht

Nutzungsänderung von Ladengeschäft zu Wettbüro

Aktenzeichen  M 9 K 17.6077

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32814
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
VwGO § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, S. 3, § 74 Abs. 1 S. 2, § 114

 

Leitsatz

Die Genehmigung der Nutzung einer baulichen Anlage als Ladengeschäft umfasst nicht die Nutzungsänderung in ein Wettbüro. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage vom 22. Dezember 2017 gegen den Bescheid vom 25. Juli 2017 und die Klageerweiterung vom 16. Februar 2018 gegen die Bescheide vom 19. Oktober 2017 und vom 5. Dezember 2017 sind unzulässig.
1. Die Klägerin hat hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides vom 25. Juli 2017 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO von 1 Monat nach Bekanntgabe/Zustellung des Verwaltungsaktes nicht eingehalten.
Der Bescheid des Landratsamtes vom 27. Juni 2017 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen und korrekt adressiert. Ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid am 2. August 2017 in den Briefkasten der Klägerin an der Adresse „…, G.“ eingeworfen. Damit begann die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO gemäß § 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am 3. August 2017 zu laufen und endete gemäß § 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO am 4. September 2017. Die Klage ging am 27. Dezember 2017 bei Gericht ein.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO scheidet aus.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 60 Abs. 1 VwGO auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung glaubhaft zu machen und die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwGO).
Mit der Klageerhebung am 27. Dezember 2017 hat die Klägerin zwar die versäumte Handlung nachgeholt und einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Es liegt jedoch kein Grund für eine Wiedereinsetzung vor, da ein Verschulden der Klägerin vorliegt. Ein Verschulden liegt immer dann vor, wenn der betreffende Antragsteller diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten war. Das Verschulden von gesetzlichen Vertretern wird nach § 173 VwGO i.V.m. § 51 Abs. 2 ZPO grundsätzlich dem Antragsteller zugerechnet, das Verschulden von Dritten oder Hilfspersonen hingegen nicht.
Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob ein Verschulden der Gesellschafterin der GmbH der Klägerin zuzurechnen ist, da diese nicht gesetzliche Vertreterin nach § 35 Abs. 1 GmbHG ist. Hier liegt bereits ein eigenes Verschulden des Geschäftsführers vor, das der GmbH gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz zugerechnet wird. Der Geschäftsführer hat seine ihm obliegenden Aufsichts- und Organisationspflichten verletzt, indem er nicht gewährleistet hat, dass eine an die GmbH adressierte gerichtliche oder behördliche Post diese erreichen kann. Zum einen hätte er sicherstellen müssen, dass der Postlauf bei den offiziellen Adressen der GmbH regelmäßig kontrolliert und eine zeitnahe Zuleitung der Schriftstücke gewährleistet ist. Dies gilt hier umso mehr, da aufgrund des vorherigen Briefwechsels mit der Beklagten damit gerechnet werden musste, dass weitere Schriftstücke eingehen. Zum anderen hätte der Geschäftsführer spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Verlust des Schriftstückes bekannt wurde, alles Zumutbare unternehmen müssen, um sich die Unterlagen wieder selbst zu beschaffen. Der Verlust des Briefumschlags war der GmbH und ihrem Geschäftsführer nach Aktenlage bereits nach der Rückkehr der Gesellschafterin von der Auslandsreise bekannt (s. Eidesstattliche Versicherung, Bl. 61 Gerichtsakte – GA) und nicht erst im November, dem Zeitpunkt weiterer Mahnungen durch das Landratsamt. Bereits Ende August bzw. Anfang September hätten deshalb alle zumutbaren Schritte unternommen werden müssen, um das Schriftstück wiederzufinden. Die Nachschau in Taschen hinter dem Fahrer- und Beifahrersitz überschreitet dabei nicht die Grenze des Möglichen und Zumutbaren, selbst dann nicht, wenn das Fahrzeug mittlerweile als Folge eines Unfalls abgestellt wurde. Dabei war es eben grundsätzlich zuzumuten, die Suchbemühungen der Gesellschafterin hinreichend zu überwachen oder die Suche selber vorzunehmen, da er durch den Verlust des Schriftstückes Veranlassung hatte, an der Zuverlässigkeit der Gesellschafterin zu zweifeln.
Ungeachtet dessen sind der diesbezügliche Vortrag der Gesellschafterin und damit auch deren eidesstattliche Versicherung nicht schlüssig und damit nicht glaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Briefumschlag, der angeblich auf die Rückbank gelegt wurde, in die Sitztasche hinter dem Fahrersitz rutscht. Es ist auch nicht glaubhaft, dass ein amtliches, mit Postzustellungsurkunde zugestelltes und entsprechendes gekennzeichnetes Schreiben schlicht übersehen wird. Zumindest spricht es für ein erhebliches Organisationsverschulden, wenn die Post für die Gesellschaft von irgendwem oder jedermann aus dem Büro mitgenommen werden darf und niemand dafür verantwortlich ist, dass die Post umgehend den Vertretern der GmbH ausgehändigt wird.
2. Die mit Schriftsatz vom 16. Februar 2018 beantragte Klageerweiterung ist ebenfalls unzulässig, da auch hier die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht gewahrt wurde.
Die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Bescheide vom 19. Oktober 2017 über ein erneutes Zwangsgeld von 4.000,– EUR und vom 5. Dezember 2017 über ein erneutes Zwangsgeld von 6.000,– EUR wurden ausweislich der Postzustellungsurkunden in den Behördenakten am 20. Oktober 2017 bzw. am 9. Dezember 2017 in den zu den Geschäftsräumen der Klägerin gehörenden Briefkasten eingeworfen.
Die am 18. Februar 2018 eingegangene Klageerweiterung war damit verfristet (§ 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Klagefrist, die auch im Falle einer Klageänderung durch Erweiterung der Klage einzuhalten ist, endete mit Ablauf des 20. November 2017 bzw. des 9. Januar 2018.
Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO kommt auch hinsichtlich der Klageerweiterung nicht in Betracht. Die Klägerin hat zwar ebenfalls die versäumte Handlung nachgeholt, es fehlt jedoch wiederum an einem Wiedereinsetzungsgrund. Der Vortrag der Klägerin, sie habe keine Kenntnis von der Zustellung der Bescheide gehabt, da diese angeblich in den falschen Briefkasten geworfen wurden, ist nicht schlüssig und nicht glaubhaft. Der nichtbeschriftete Briefkasten soll sich nach Angaben der Klägerin 10 m neben dem Geschäftsgebäude der Klägerin befinden. Unter Berücksichtigung dessen, dass am Geschäftsgebäude der Klägerin ein beschrifteter Briefkasten ist, überzeugt der Vortrag in tatsächlicher Hinsicht nicht und die entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter sind wegen fehlender Schlüssigkeit des Vortrags nicht glaubhaft.
Zum einen ist nicht ersichtlich, warum ein mit der Zustellung beauftragter Postzusteller, der ausweislich der Postzustellungsurkunde zunächst versucht hat, die Schriftstücke im Geschäft der Klägerin zu übergeben, an dem beschrifteten und direkt neben den Geschäftsräumen befindlichen Briefkasten vorbeigehen sollte, um die Schriftstücke sodann in einen unbeschrifteten und 10 m entfernten Briefkasten einzuwerfen. Dies wird durch die Angaben der Post und der beiden Zusteller bestätigt. Beide haben erklärt, dass ihnen der Briefkasten der Klägerin am Geschäftsgebäude bekannt war. Sowohl die Zusteller als auch die Postauskunft haben mitgeteilt, dass Postzustellungsurkunden nicht in unbeschriftete Briefkästen eingelegt werden dürfen. Ungeachtet dessen ist zum anderen der Vortrag der Klägerin selbst widersprüchlich, wenn sie einerseits behauptet, sämtliche mit der Zahlung der Zwangsgelder in Verbindung stehenden Schriftstücke erst am 5. Februar 2018 erhalten zu haben, andererseits aber die Gesellschafterin der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung abgibt, dass sie aufgrund mehrerer Mahnungen des Landratsamtes erneut nach dem Ausgangsbescheid gesucht hat.
In Anbetracht dessen, dass es sich vorliegend um Briefumschläge für eine Vielzahl von Schreiben handelte, ist es nicht glaubhaft, dass erst am 5. Februar 2018 dieser Briefkasten von Mitarbeitern der Klägerin geleert und all diese Schreiben dort gefunden wurden. Ausweislich der Akten wurden an die Klägerin ordnungsgemäß adressiert und verschickt:
– Bescheide vom 19. Oktober 2017 und 5. Dezember 2017,
– Ankündigung der Vollstreckung vom 11. Dezember 2017,
– Zwangsgeldanforderung vom 17. Oktober 2017,
– Kostenrechnungen vom 5. Dezember 2017 und 8. Dezember 2017,
– Ankündigung der Vollstreckung vom 15. Dezember 2017 und
– Mahnung vom 8. Januar 2018.
Die vorgelegten Fotos sind nicht aussagekräftig, da darauf nur ein Briefkasten zu sehen ist. Nach dieser Sachlage liegen keine schlüssigen und glaubhaft gemachten Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist vor.
3. Ungeachtet dessen und ohne dass es darauf ankommt, wären die Klagen auch unbegründet.
Der Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 2017 über die Nutzungsuntersagung wäre erfolglos, da der Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von Anlagen untersagt werden, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen. Die vorliegende Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro ist sowohl formell als auch materiell rechtswidrig, da keine Genehmigung der genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung in ein Wettbüro vorliegt und da die vorgenommene Nutzung den Festsetzungen des Bebauungsplanes widerspricht und damit auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. Eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung liegt vor (Art. 55 BayBO). Die bauaufsichtliche Genehmigung vom 23. Dezember 1983 beinhaltet ein Ladengeschäft. Die Nutzung als Wettvermittlungsstelle ist von der Genehmigung als Ladengeschäft nicht gedeckt, da es sich dabei nach ständiger Rechtsprechung um eine Vergnügungsstätte handelt. Die Einrichtung dient überwiegend der kommerziellen Unterhaltung, da in den Räumlichkeiten zwischen den Spielern/Kunden, dem Wettbüro als Vermittler und Wettunternehmen Transaktionen wie Sportwetten etc. abgeschlossen werden, deren Ausgang über angebrachte Bildschirme live mitverfolgt wird (u.a. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146).
Im vorliegenden Fall werden die Kunden zum Verweilen in der Wettvermittlungsstelle verleitet und haben die Möglichkeit, sich dort aufzuhalten. Das Wettbüro dient damit nicht einfach wie eine Lotto-Annahmestelle der Abgabe eines Wettscheines, sondern erfüllt die Definition einer Vergnügungsstätte. Die Nutzung als Wettbüro ist materiell-rechtlich unzulässig, da Vergnügungsstätten nach dem Bebauungsplan Nr. 70 in dem hier vorliegenden Sondergebiet für unter anderem Ladengeschäfte nicht für zulässig erklärt wurden. Die Einschätzung der Bauaufsichtsbehörde, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erteilung der Befreiung liegt im Ermessen der zuständigen Behörde, die zutreffend angenommen hat, dass eine solche Befreiung für Vergnügungsstätten in einer Ladenzeile nach den hier vorliegenden Festsetzungen des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berühren würde, ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO).
Ermessensfehler bei Erlass der Nutzungsuntersagung sind wegen der hier vorliegenden formellen und materiellen Illegalität des Wettbüros nicht erkennbar (Art. 76 Satz 2 BayBO, § 114 VwGO).
Die Androhung der Zwangsgelder in Ziff. 2 des Bescheides sowie in den Bescheiden vom 19. Oktober 2017 und 5. Dezember 2017 ist ebenfalls rechtmäßig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 29 ff., 31, 36 BayVwZVG liegen vor. Die Verpflichtung zur Unterlassung der Nutzung wurde von der Klägerin nicht erfüllt. Der Bescheid vom 25. Juni 2017 begründet eine vollstreckbare Unterlassungspflicht und sieht vor, dass das darin angedrohte Zwangsgeld erst 4 Wochen ab Unanfechtbarkeit des Bescheides fällig wird; danach wird die Verpflichtung unter Beachtung des Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG für einen Zeitpunkt begründet, in dem der Verwaltungsakt unanfechtbar ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor, da Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen und der Grundverwaltungsakt bestandskräftig ist. Die Verpflichtung zur Unterlassung der Nutzung hat die Klägerin nicht erfüllt, sodass die erneute Androhung von Zwangsgeldern unter Setzung einer erneuten Frist formell und materiell rechtmäßig war. Die Höhe der Zwangsgelder ist unter Berücksichtigung der Geschäfte eines Wettbüros angemessen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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