Steuerrecht

PKH-Entscheidung nach Vergleich in Streitverfahren wegen Subventionsrückforderung

Aktenzeichen  M 31 K 18.5116

Datum:
26.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42572
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 106 S. 2, § 166
ZPO §§ 114 ff., § 278 Abs. 6
InsO § 80

 

Leitsatz

1. Die Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich steht der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verstoß gegen § 80 InsO bei der Rückforderung von Zuwendungen wirkt sich allein auf die formelle bzw. materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes aus und ist zustellungsrechtlich irrelevant. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der mit dem nachfolgenden Inhalt wiedergegebene Vergleich zustande gekommen ist:
1. Die Parteien vereinbaren, dass es sich bei der streitgegenständlichen Forderung in je zur Hälfte um eine Insolvenzforderung und zur Hälfte um eine Masseverbindlichkeit handelt.
2. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales meldet die offene Forderung in Höhe von 9.166,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 200,28 EUR als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin an und nimmt hinsichtlich der Insolvenzforderung im Übrigen keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin oder die Insolvenzmasse vor.
3. Einen Teilbetrag von 9.166,85 EUR zzgl. anteiliger Zinsen in Höhe von 200,28 EUR aus dem Bescheid vom 12. September 2018 erkennt der Beigeladene als Masseverbindlichkeit an und verpflichtet sich zur Zahlung bis zum 15. Januar 2019.
4. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales verpflichtet sich aus dem Bescheid vom 12. September 2018 keine Vollstreckung vorzunehmen.
5. Damit ist das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München, Aktenzeichen M 15 K 18.5116 (nunmehr: M 31 K 18.5116), erledigt.
6. Die Kosten des Rechtstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin, der Beklagte und der Beigeladene je zu einem Drittel.
II. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
III. Der Streitwert wird auf 18.333,70 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) vom 12. September 2018 und begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2017 bewilligte das ZBFS der Klägerin für das Projekt „Ambulant betreute Wohngemeinschaft für Senioren ‚Am …‘ in U…“ zur teilweisen Deckung der notwendigen Personal- und Sachausgaben eine Zuwendung von bis zu 32.535,00 EUR. Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 1. September 2017 wurde über das Vermögen der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und nachfolgend der Geschäftsbetrieb der Klägerin durch den Beigeladenen veräußert. Anlässlich der Veräußerung und den auf Grundlage des Verwendungsnachweises errechneten zuwendungsfähigen Ausgaben widerrief das ZBFS mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12. September 2018 den Zuwendungsbescheid vom 21. Juli 2017 teilweise und forderte einen bereits ausgezahlten Zuwendungsbetrag in Höhe von 18.333,70 EUR zurück. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde der Bescheid am 13. September 2018 in den zur Wohnung, … … …, gehörenden Briefkasten eingelegt, da eine Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war.
Am 16. Oktober 2018 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten gegen den Bescheid vom 12. September 2018 Klage erheben und zudem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen.
Mit Schriftsatz vom 29. November 2018 übermittelte der Klägerbevollmächtigte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und beantragte (vorsorglich) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids unter der Adresse „… … …“ sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da es sich um den ehemaligen Geschäftssitz sowie den Wohnsitz der Kinder und des getrennt lebenden Ehemannes der Klägerin handle. Die Klägerin selbst sei seit mehreren Jahren nicht mehr unter dieser Anschrift wohnhaft. Tatsächlich sei der Bescheid der Klägerin ca. zehn Tage später, um den 23. September 2018, zugegangen. Die Klägerin sei aufgrund der Rechtsbehelfsbelehrung:davon ausgegangen, dass die Klagefrist erst mit dem tatsächlichen Zugang und Kenntnisnahme vom Bescheid zu laufen beginne. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von der Unzulässigkeit der Klage ausgehe, werde vorgetragen, dass der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid rechtswidrig sei, da er gegen die falsche Person festgesetzt wurde und daher vom Beklagten zumindest zurückzunehmen sei.
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 ließ die Klägerin dem Gericht einen zwischen den Beteiligten abgestimmten Vergleich(-svorschlag) mit der Bitte um Feststellung des Vergleichs vorlegen. Diesem Vergleich und der gleichzeitigen Erledigung des Rechtsstreits haben der Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2019 und der Beigeladene mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 zugestimmt.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss vom 24. Juli 2019 zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Das Zustandekommen des zwischen den Beteiligten vereinbarten Vergleichs konnte mit dem unter Nummer I dieses Beschlusses wiedergegebenen und abgestimmten Inhalt festgestellt werden, § 106 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog bzw. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO). Dem Gericht ist insoweit nur die Prüfung vorbehalten, ob der Vergleich in seinem prozessualen Teil, also als Prozesshandlung wirksam ist, und die Rechtshängigkeit des Verfahrens beendet hat. Nicht erfüllt sein müssen die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen (vgl. hierzu Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 106 Rn. 20).
Damit ist der Rechtsstreit beendet und die Kosten sind entsprechend der Einigung der Beteiligten über die Kostentragung zu verteilen.
2. Die Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich steht der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 27a; OLG Hamm, B.v. 9.12.1996 – 12 WF 219/96 – juris). Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt mangels Erfolgsaussichten der Klage bis zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Erledigung durch Vergleich jedoch ohne Erfolg.
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, B.v. 22.8.2018 – 2 BvR 2647/17 – juris Rn. 14). Daher genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso gewiss ist wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (vgl. statt vieler Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin finanziell in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu übernehmen, nicht gegeben, da die Klage in dem für die Beurteilung der Erfolgsaussichten maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine Erfolgsaussichten hat.
Die am 16. Oktober 2018 per Telefax bei Gericht eingegangene Klage ist unzulässig, da sie verfristet erhoben wurde. Die Bekanntgabe des Bescheids des Beklagten vom 12. September 2018 erfolgte gemäß Art. 41 Abs. 1 und 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. Art. 3 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) im Wege der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde am 13. September 2018, sodass die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Ablauf von Montag, dem 15. Oktober 2018 endete. Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist ist nicht zu gewähren (§ 60 VwGO). Offenbleiben kann sonach, ob die Klägerin auch die notwendige Prozessführungsbefugnis für das hier allein im eigenen Namen geführte Klageverfahren besitzt.
Inhalts- und Bekanntgabeadressat des streitbefangenen Bescheids i.S.d. Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayVwVfG ist die Klägerin. Der Bescheid war für die Klägerin bestimmt, da sie als Zuwendungsempfängerin nach Ansicht des Beklagten den Tatbestand für den Widerruf und die Rückforderung nach Art. 49, 49a BayVwVfG verwirklicht hat. Ihr gegenüber hat der Beklagte das Verwaltungsverfahren betrieben und sie als Partnerin des Verwaltungsrechtsverhältnisses angesehen. Dass dies insolvenzrechtlich einen Verstoß gegen § 80 Insolvenzordnung (InsO) darstellt, ist zustellungsrechtlich unerheblich. Nach dieser Vorschrift verliert der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die materielle und verfahrensrechtliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögens (Kroth in Braun, InsO, 7. Aufl. 2017, § 80 Rn. 11). Ein entsprechender Fehler wirkt sich jedoch nicht auf die Bekanntgabe, sondern allein auf die formelle bzw. materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes aus (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 23, 30). Der an die Klägerin als Schuldnerin gerichtete streitbefangene Bescheid wird dementsprechend ihr gegenüber auch dann wirksam, wenn dieser, wie hier, nach den Bestimmungen des Insolvenzrechts an den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre. Dies entspricht zudem auch den weiteren Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, denn der Schuldner verliert durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder seine verfahrensrechtliche Beteiligten- und Handlungsfähigkeit nach Art. 11 ff. BayVwVfG, Art. 7 VwZVG, noch seine entsprechenden prozessualen Positionen nach §§ 61 ff. VwGO. Lediglich ermangelt es ihm an der Prozessführungsbefugnis, sofern es sich um Gegenstände handelt, die zur Insolvenzmasse gehören (vgl. BayVGH, U.v. 18.4.2012 – 10 B 10.2596 – juris Rn. 45). Auch ist die Bestellung eines Insolvenzverwalters schließlich kein Fall einer Bevollmächtigung i.S.d. Art. 8 VwZVG, da insoweit die Regeln des Insolvenzrechts abschließend sind. Der Insolvenzverwalter ist nicht Vertreter des Schuldners, sondern Partei kraft Amtes (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.12.2007 – 7 C 40/07 – juris Rn. 14).
Auch war die Zustellung unter der Adresse „… … … *“ wirksam. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich aus der Wohnung unter der Adresse „… … … *“ ausgezogen war. Sie hat jedenfalls gegen die Meldeplicht i.S.d. § 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) verstoßen, indem sie eine Ummeldung unterließ (vgl. Auszug aus dem Melderegister, Stand 12.3.2019), und auch im Übrigen den Anschein erweckt, sie würde unter der alten Anschrift zu erreichen sein. So weisen sämtliche dem Gericht von der Klägerseite vorgelegten Unterlagen (bspw. Beschluss über die Insolvenzeröffnung, Kontoauszüge, Gehaltszettel, Versicherungsunterlagen) ebenso wie das Rubrum in der Klageschrift die Anschrift „… … …“ (bzw. in wenigen Ausnahmefällen „… … …“) auf. Zudem hat es die Klägerin unterlassen, bisherige von Seiten der ZBFS an sie unter dieser Adresse übermittelte Schreiben (wie die Anhörung vom 25. Juli 2018) insoweit zu beanstanden. Im Gegenteil findet sich nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der eidesstattlichen Versicherung vom 25. November 2018 an dem Briefkasten unter der Anschrift „… … …“ unverändert noch der Nachname der Klägerin.
Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht zu gewähren. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Klägerin war insbesondere nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert. Verschuldet ist die Versäumung einer Frist immer dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist (objektive Voraussetzung) und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9). Die Klägerin hat aus den vorstehend ausgeführten Gründen ihre Obliegenheiten im Rechtsverkehr beim Umgang mit einer etwaigen Adressänderung verletzt und daher jedenfalls fahrlässig und daher schuldhaft gehandelt. Sie hat weder ihrer melderechtlichen Verpflichtung genügt noch dafür Sorge getragen, dass an die Adresse „… … …“, die sie im Rechtsverkehr ihrer unternehmerischen Tätigkeit und dabei gerade auch im Zuwendungsverfahren gegenüber dem Beklagten genutzt hat, adressierte Postsendungen sie auch nach einem etwaigen Auszug erreichen. Dies umso mehr deswegen, weil die Klägerin nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung wissen musste, dass sich am Briefkasten unter der bisherigen Adresse unverändert der mit ihrem Nachnamen gleiche Nachname auch ihres (getrennt lebenden) Ehemannes und ihrer Kinder findet. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin Vorkehrungen treffen müssen, dass sie von fristauslösenden Zustellungen Kenntnis erlangt, insbesondere durch einen Postnachsendeauftrag und entsprechende Instruktionen an ihre Familienmitglieder unter der (nach eigenen Angaben) vormaligen Adresse. Dass die Klägerin solches veranlasst hätte, ist indes weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Gegenteil zeugt der Vortrag in der eidesstattlichen Versicherung vom 25. November 2018, wonach die Klägerin den Bescheid ohne den zugehörigen Umschlag erst ca. 10 Tage später um den 23. September 2018 von ihren Kindern erhalten habe, nachdrücklich davon, solches unterlassen zu haben.
Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt die Nichteinhaltung der Frist nicht. Ein juristisch nicht vorgebildeter Bürger muss sich bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen grundsätzlich in geeigneter Weise juristischen Rat holen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 23). Ist die Rechtslage zweifelhaft, muss der Betroffene den sichersten Weg wählen und sich für die von ihm erkannte, für ihn ungünstigste Auslegungsvariante entscheiden (Hoppe in Eyermann, aaO Rn. 24). Selbst wenn die Klägerin also tatsächlich erst etwa zehn Tage nach Zustellung von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat, wäre es ihr zuzumuten gewesen, vor Fristablauf rechtskundigen Rat einzuholen und die Klagefrist zu wahren. Im Übrigen dürfte auch die Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht eingehalten sein. Die Antragsfrist beginnt zu laufen, wenn der Prozessführende erkennt oder bei Anwendung der Sorgfalt, die für einen gewissenhaften Prozessführenden geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalles zumutbar war, hätte erkennen müssen, dass die Klagefrist versäumt worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.1999 – 1 ZB 99.1472 – juris Rn. 6). Geht die Eingangsbestätigung des Gerichts bei einem Rechtsanwalt ein, so ist er in erster Linie gehalten, das dort mitgeteilte Eingangsdatum mit dem in den Akten vermerkten Zustellungsdatum abzugleichen. Dieser Abgleich dient der Kontrolle, ob die Klagefrist gewahrt wurde und ob ggf. schon zu diesem Zeitpunkt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist beantragt werden muss (BayVGH, B.v. 29.7.1999 – 1 ZB 99.1472 – juris Rn. 7). Der Beginn der Antragsfrist setzt keine positive Kenntnis von der Fristversäumnis voraus (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 39). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde hier erst über einen Monat nach Klageerhebung gestellt, nachdem der Beklagte auf die Verfristung hingewiesen hatte.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist nach alledem abzulehnen. Hieran ändert auch – unabhängig von der prozessualen Einordnung – die im Schriftsatz vom 29. November 2018 hilfsweise geäußerte Rechtsauffassung, dass der Widerrufs- und Rückforderungsbescheid vom 12. September 2018 wegen Festsetzung gegen die falsche Person rechtswidrig und daher jedenfalls nach Art. 48 BayVwVfG zurückzunehmen sei, nichts. Für die Rücknahme eines Verwaltungsakts ist die Ausgangsbehörde zuständig (Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG). Das ZBFS hatte aber bis zum Zeitpunkt der schriftsätzlichen Einigung der Beteiligten weder über eine Rücknahme entschieden, noch nach Ablauf von drei Monaten seit dem „Antrag“ nicht entschieden. Dazu kommt im Übrigen, dass eine prozessuale Einbeziehung des Rücknahmebegehrens nach Art. 48 BayVwVfG in die gegen den bislang allein streitbefangenen Bescheid vom 12. September 2018 gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) eine nicht sachdienliche Klageerweiterung i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO darstellte, der die übrigen Beteiligten zustimmen müssten. Eine solche Zustimmung liegt indes weder von Seiten des Beklagten noch des Beigeladenen vor.
Auch insoweit hatte die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt daher keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
3. Die Frage, ob der Klägerin wegen der Rechtswirkung des § 80 InsO die Prozessführungsbefugnis für ein Führen des Klageverfahrens im eigenen Namen fehlt, kann nach dem vorstehend unter 2. Erörterten offenbleiben. Dies könnte allerdings im Lichte des durch den streitbefangenen Bescheid gesetzten Rechtsscheins der Klägerin gegenüber auch mit Blick auf § 80 InsO fraglich sein.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Nummer I des Beschlusses ist unanfechtbar.


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