Strafrecht

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Aktenzeichen  RN 8 S 21.2183

Datum:
24.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10620
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist, oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffer 1 und 2 des Bescheids hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 3). Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kann das Gericht bei einem bereits vollzogenen Verwaltungsakt die Aufhebung der Vollziehung anordnen. In diesem Sinne ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auszulegen.
2. Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
a) An der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 21. Oktober 2021 bestehen keine Zweifel. Insbesondere hat das LRA die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Begründung darf nicht lediglich formelhaft sein, sondern muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen ist nämlich das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. z. B. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde daher in solchen Fällen nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.
Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört (vgl. BayVGH, B. v. 8.9.2015 – CS 15.1634 – juris Rn. 6).
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 21. Oktober 2021 wird diesen Anforderungen gerecht. Die Behörde begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit, dass bei der Antragstellerin im Mai 2020 der Konsum von Amphetamin nachgewiesen worden sei. Sie habe selbst geäußert, dass sie seit mehreren Jahren ein Drogenproblem habe und seit dem Jahr 2016 Amphetamin konsumiere. Die insoweit bestehenden Bedenken gegen ihre Fahreignung habe die Antragstellerin nicht durch ein gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt. Um einer Fahrt unter Drogeneinfluss entgegenzuwirken, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung angezeigt gewesen. Das Recht der Antragstellerin auf Mobilität habe insoweit hinter dem Recht der Allgemeinheit auf Sicherheit im Straßenverkehr zurückzutreten. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids sei deswegen geboten gewesen, um bei Nichtbeachtung der Verpflichtung aus Ziffer 2 Zwangsmittel anordnen zu können. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Sofortvollzugsanordnung, sondern das Gericht trifft eine eigene Interessenabwägung.
b) Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
aa) Im vorliegenden Fall ergibt sich bei summarischer Prüfung, dass die Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Oktober 2021 aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage, für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m.§ 46 Abs. 1 FeV. Danach ist (ohne Ermessensspielraum) die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann der Fall, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnen (§ 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11, 14 FeV). Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich (medizinisch oder psychologisch) untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Untersuchungsanordnung der Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030; B.v. 8.10.2009 – 11 CS 09.1891). Die Gutachtensanordnung muss hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Gutachtensanordnung mangels Verwaltungsaktqualität nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Der Betroffene trägt das Risiko, dass ihm bei einer Weigerung gegebenenfalls die Fahrerlaubnis entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 15.5.2008 – 11 CS 08.616 – juris Rn. 50).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Behörde im vorliegenden Fall der Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise die Fahrerlaubnis gestützt auf die Vorschrift des § 11 Abs. 8 FeV entzogen.
(1) Für die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung stellt § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV in formeller Hinsicht konkrete Voraussetzungen auf. Hiernach legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Zudem teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat und teilt ihm mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Die Begutachtungsanordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Ermächtigungsnorm in der Fahrerlaubnis-Verordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7. 2001 – 3 C 13.01 – juris, Rn. 24 ff.; OVG NRW, B.v. 7.2.2013 – 16 E 1257/12 – juris, Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, B.v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – juris Rn. 4 ff.).
Diese Vorgaben hat die Antragsgegnerin bei der Gutachtensanordnung vom 22. Juli 2021 beachtet. Sie hat für die Antragstellerin – unter Bezugnahme auf die erhaltenen Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren, insbesondere auf den mitversandten Befundbericht über die entnommene Haarprobe – deutlich erkennbar dargestellt, dass sie aufgrund der im Befundbericht enthaltenen Feststellung, dass die Antragstellerin harte Drogen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert habe, Zweifel an ihrer Fahreignung habe. Eingehender wirkt erklärt, dass aufgrund der Tatsache, dass seit dem letzten nachgewiesenen Konsum (nach dem Befundbericht Ende Mai/Anfang April 2020) im Zeitpunkt der Gutachtensanordnung mehr als ein Jahr vergangen gewesen sei, trotz der Feststellung des Konsums harter Drogen kein automatischer Schluss auf die Fahrungeeignetheit mehr möglich gewesen und so die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angezeigt gewesen sei. Die Gutachtensanordnung ist insoweit aus sich heraus verständlich. Die sodann in der Gutachtensanordnung formulierte Fragestellung im Hinblick auf die Kraftfahreignung des Antragstellers hat das LRA unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles festgelegt. Auf die Kostentragungspflicht der Antragstellerin für die Gutachtenerstellung wurde entsprechend § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV hingewiesen. Zudem enthielt die Gutachtensanordnung auch einen Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtvorlage eines Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist gem. § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV. Auch begegnet die in der Gutachtensanordnung vom 22. Juli 2021 gesetzte Frist von mehr als zwei Monaten (bis zum 30. September 2021) keinen Bedenken. Insoweit geht die Rechtsprechung davon aus, dass – abhängig vom Einzelfall – in der Regel bereits zwei Monate für die Vorlage des Gutachtens ausreichen. Dient die Vorlage des Gutachtens der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Eignungszweifeln ist in diesem Fall so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht. Grundsätzlich reicht hierfür eine Frist von zwei Monaten aus (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2020 – 11 CS 20.1780).
(2) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Gutachtensanordnung vom 22. Juli 2021 nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat zu Recht angenommen, dass Aufklärungsbedarf dahingehend bestand, ob die Antragstellerin ihre Fahreignung im Hinblick auf den Konsum harter Drogen wiedererlangt hat und dabei die Gutachtensanordnung richtigerweise auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV gestützt, wonach ein medizinisch-psychologisches Gutachten vom Betroffenen zu fordern ist, wenn zu klären ist, ob dieser noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt.
Dies ergibt sich aus Folgendem: Wie bereits dargelegt, liegt Fahrungeeignetheit nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann vor, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegt und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Ein Ermessen steht der Fahrerlaubnisbehörde in diesem Fall nicht zu. Innerhalb der Anlage 4 zur FeV behandelt Nr. 9 die Frage der Fahreignung im Hinblick auf Betäubungsmittel und andere psychoaktiv wirkende Stoffe und Arzneimittel. Nr. 9.1 statuiert für den Fall der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), dass in diesem Fall in beiden Gruppen der Fahrerlaubnisklassen weder Eignung noch bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben ist. Dies gilt unabhängig von der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration, einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit beim Betroffenen zu verzeichnen waren. Dementsprechend ist die Fahrerlaubnisentziehung nach der Regelvermutung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Blut des Fahrerlaubnisinhabers und damit die Einnahme eines Betäubungsmittels nachgewiesen wurden (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 31.05.2012 – 11 CS 12.807, 11 C 12.808, 11 C 12.899) oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn.11; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – ZfSch 2015, 717 = juris Rn. 16 m.w.N.). Hat der Betroffene die Fahreignung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung allerdings wiedererlangt, scheidet die Entziehung der Fahrerlaubnis aus. Nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV kann die wegen Betäubungsmittelkonsums verlorene Fahreignung in der Regel frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.21 – 11 CS 21.2179 – juris Rn.15). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Ausgangs- und Widerspruchsbehörde bei Betäubungsmittelkonsum mit Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, also einer einjährigen Betäubungsmittelabstinenz, daran gehindert ist, ohne weitere Überprüfung von einer feststehenden (fortbestehenden) Ungeeignetheit des Betroffenen aufgrund Betäubungsmittelkonsums nach § 11 Abs. 7 FeV auszugehen. Gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ist, wie bereits dargestellt, dann zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn aufgeklärt werden soll, ob ein Betroffener – ohne abhängig zu sein – weiterhin Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert.
Im Falle der Antragstellerin ist die Behörde richtigerweise davon ausgegangen, dass bei ihr der Konsum harter Drogen nachgewiesen wurde. Nach dem toxikologischen Gutachten des kriminaltechnischen Instituts des bayerischen Landeskriminalamts vom 10. Dezember 2020 über die der Antragstellerin am 14. Mai 2020 entnommene Haarprobe hat die Antragstellerin im Zeitraum vor Ende Mai/Anfang April 2020 zumindest kleinere Mengen an Amphetamin und MDMA sowie einmalig Ketamin konsumiert, wobei es sich bei den genannten Substanzen jeweils um ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes handelt. Die Antragstellerin hatte damit ihre Fahreignung im damaligen Stadium entsprechend Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV verloren.
Weiter hat die Antragsgegnerin zutreffend angenommen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung am 22. Juli 2021 die oben skizzierte „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ gem. der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits abgelaufen war, da gemäß Gutachten der letzte nachgewiesen Konsum harter Drogen Ende Mai/Anfang April 2020 stattgefunden hat. Es bestand folglich für die Antragsgegnerin die Notwendigkeit, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der Wiedererlangung der Fahreignung durch die Antragstellerin aufzuklären. Erforderlich ist hierfür der lückenlose Nachweis der Abstinenz von harten Drogen für die Dauer eines Jahres sowie die Tatsache, dass eine hinreichend stabile Überwindung der früheren Konsumgewohnheiten. Es muss sich herausstellen, dass zur positiven Veränderung der körperlichen (Labor-)befunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der oder die Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 30.8.21 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 12; B.v. 17.12.21 – 11 CS 21.2179 – juris Rn. 21). Bereits im Laufe des Entziehungsverfahrens hatte die Antragstellerin Nachweise über die Teilnahme an einem Drogenabstinenzprogramm bei der TÜV S. L2. Service GmbH vorgelegt, darunter Laborberichte über mehrere in der Zeit zwischen dem 19. Juni 2020 und dem 18. Juni 2021 durchgeführte und sämtlich hinsichtlich harter Drogen negativ ausgefallene Urinanalysen sowie einen Abschlussbericht über die absolvierte Maßnahme. Im Abschlussbericht wird vermerkt, dass sich im Teilnahmezeitraum nach den Untersuchungsberichten keine Hinweise auf Drogenkonsum durch die Antragstellerin ergeben hätten. Nachdem insofern bei der gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin hierdurch einen Abstinenznachweise im oben dargestellten Sinne erbracht hat, war letztlich durch die Behörde abzuklären, ob zudem ein hinreichend ernsthafter Einstellungswandel im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der Einhaltung des Abstinenzgebotes bei der Antragstellerin bejaht werden kann. Dies kann letztlich nur durch die Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geklärt werden, welches seine Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV findet (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.21 – 11 CS 21.2179 – juris Rn. 21, 23).
(3) War nach allem die Gutachtensanforderung rechtmäßig, durfte die Antragsgegnerin gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV auf die mangelnde Fahreignung der Antragstellerin schließen, weil die Antragstellerin das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hat. In diesem Fall ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zwingend vorgeschrieben. Wirtschaftliche oder sonstige persönliche Nachteile in Folge des Verlustes der Fahrerlaubnis haben keine Bedeutung gegenüber dem öffentlichen Interesse, wenn dieses die Entziehung erfordert. Raum für eine Ermessensbetätigung besteht auch nicht deshalb, weil § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV davon spricht, dass die Behörde bei unterbliebener Vorlage eines Fahreignungsgutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen schließen „darf“. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass aus der Weigerung, sich einer zu Recht angeordneten Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann hergeleitet werden darf, dass der Betroffene einen Eignungsmangel verbergen will, wenn für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Liegen solche Hintergründe nicht vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde demgegenüber der sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV ergebenden Wertung Rechnung zu tragen, d.h. sie hat davon auszugehen, dass der Betroffene fahrungeeignet ist und hieraus die vorgeschriebenen Folgerungen zu ziehen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 28.10.2010 – 11 CS 10.1930; BayVGH, B.v. 27.9.2013 – 11 CS 13.1399; BayVGH, B.v. 28.12.2020 – 11 CS 20.2067 – BeckRS 2020, 38192 Rn. 20).
Im Falle der Antragstellerin sind aus Sicht des Gerichts keine Umstände vorgelegen, die die Antragstellerin daran gehindert hätten, das geforderte Gutachten fristgemäß vorzulegen. Auch aus dem Vortrag der Antragstellerseite, dass der stationäre Aufenthalt der Antragstellerin im „Prop Therapiezentrum A.“ diese daran gehindert hätte, sich begutachten zu lassen, ergeben sich keine Hinderungsgründe zur Vorlage des Gutachtens. Zwar wird von der Antragstellerseite in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass sich die Antragstellerin in der genannten Einrichtung einer Langzeitentwöhnungsbehandlung unterzogen habe. Diese sei stationär durchgeführt worden und die Antragstellerin dabei vollumfänglich in die dort unternommenen Maßnahmen eingebunden gewesen. Es sei ihr daher nicht möglich gewesen, im Behandlungszeitraum zusätzlich eine Begutachtung vor Ort in einer entsprechenden Begutachtungsstelle (bspw. beim TÜV) vornehmen zu lassen. Im Rahmen der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb es während dieser Zeit vollständig ausgeschlossen gewesen sein soll, innerhalb der von der Behörde gewährten und auch angemessenen Frist – in Absprache mit der die Behandlung durchführenden Einrichtung – einen Termin ausfindig zu machen, an dem es für die Antragstellerin zeitlich und logistisch möglich ist, sich einer Begutachtung bei der von ihr gewählten Begutachtungsstelle zu unterziehen. Es wurden in diesem Zusammenhang von der Antragstellerseite zwar diverse Erklärungen und Schreiben der Einrichtung „Prop Therapiezentrum A.“ vorgelegt, unter anderem eine Stellungnahme zum bisherigen Behandlungsverlauf vom 29. September 2021 sowie eine Therapiebestätigung vom 10. November 2021. Aus den Unterlagen im Gesamten geht jedoch nicht hervor, dass die Antragstellerin im Rahmen des stationären Aufenthaltes dergestalt an die Klinik gebunden war, dass ihre ununterbrochene Präsenz vor Ort zwingend notwendig und somit ein kurzfristiges Aufsuchen der Begutachtungsstelle völlig unmöglich gewesen wäre. Die Behörde, die zudem durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin nach der Aktenlage am 23. September 2021 und mithin erst kurz vor Ablauf der gesetzten Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 30. September 2021 erstmals über den Klinikaufenthalt der Antragstellerin informiert wurde, war daher bei summarischer Prüfung nicht gehalten, die Frist zur Beibringung des Gutachtens gegenüber der Antragstellerin nochmals entsprechend der Forderung der Antragstellerseite zu verlängern.
(4) Verbleibende Zweifel bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage führen zu keiner anderen Entscheidung, da auch im Rahmen der Interessenabwägung vorliegend das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinter dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug zurückzustehen muss. Es ist nicht festzustellen, dass das Interesse der Antragstellerin, wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen zu dürfen, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse genießt. Zwar kann die Entziehung der Fahrerlaubnis die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten der Betroffenen sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht gravierend beeinflussen. Die mit der Entziehung verbundenen Schwierigkeiten muss die Antragstellerin als Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen. Die Umstände des Einzelfalls gebieten auch keine Ausnahme, so dass das Interesse am Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern Vorrang genießt.
bb) Auch im Hinblick auf Ziffer 2 des Bescheids vom 27. Oktober 2021, in der die Verpflichtung der Antragstellerin zur Ablieferung seines Führerscheins bei der Stadt L. angeordnet wurde ist festzustellen, dass die Klage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird, weil der Bescheid auch insoweit rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV zu finden. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern, nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.
Aus den genannten Gründen fällt auch hier die Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
Nach allem war daher der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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