Verkehrsrecht

Verkehrsunfall, Schadensersatz, Unfall, Kollision, Erinnerung, Haftung, Schadensereignis, Geschwindigkeit, Vorfahrt, Ampel, Kreuzung, Beteiligung, Fahrzeug, Verdienstausfallschaden, bei Betrieb, Anspruch auf Feststellung

Aktenzeichen  14 O 305/19

Datum:
30.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56216
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 21.09.2017 auf der N. Straße in C. in Höhe der Einmündung der Seitenstraße zum dortigen …-Parkplatz, N. Straße …, bei dem es zu einer Kollision der auf einem Fahrrad fahrenden Klägerin mit dem vom Beklagten zu 1) geführten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … kam, zu 100 % zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind oder noch übergehen werden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Klägerin in Ziffer 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen beide Beklagte als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 21.09.2017 zu.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Coburg örtlich und sachlich zuständig.
Auch das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben. Nach dem Klagevorbringen ist es möglich, dass die Schadensentwicklung bei der Klägerin im Hinblick auf physische unfallbedingte Schäden sowie Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschäden noch nicht abgeschlossen ist und weitere materielle und immaterielle Schäden entstehen können. Bezieht sich der Feststellungsvorbehalt auf künftig befürchtete Schäden nach einer bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung – wie hier – erfordert das Feststellungsinteresse die bloße Möglichkeit dieses Schadeneintritts. Eine Grenze ist erst zu ziehen, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (BeckOGK/Walter, StVG, 01.09.2019, § 7 Rn. 226; BGH, Beschluss vom 09.01.2007, NJW-RR 2007, 601). Diese Grenze ist vorliegend nicht erreicht.
II.
Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung der vollen Einstandspflicht der Beklagten für die aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall resultierenden Unfallfolgen soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind oder noch übergehen werden.
A) Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die Folgen des Verkehrsunfalls ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 11 StVG, §§ 249, 253 BGB. Denn die Klägerin hat unstreitig durch den Verkehrsunfall und damit bei dem Betrieb des von dem Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) krafthaftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verschiedene Körperverletzungen erlitten, für die auch der Beklagte zu 1) aufgrund seines schuldhaften Verhaltens am Zustandekommen des Verkehrsunfalls gemäß § 18 Abs. 1 StVG, ebenso wie die Beklagte zu 2) gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG, einzustehen haben.
Ein Fall höherer Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG ist von den Beklagten zutreffend nicht geltend gemacht worden.
Die Haftung der Beklagten ist auch nicht gemäß § 17 Abs. 3 StVG wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen. Unabhängig davon, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) nicht unabwendbar war, können sich die Beklagten hierauf bei einem Unfall unter Beteiligung eines nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers nicht berufen (BeckOGK/Walter, StVG. 01.09.2019, § 17 Rn 1, 11).
Die (Mit-)Haftüng der Beklagten mit einer Quote von 25 % ist zwischen den Parteien auch nicht streitig, sondern wurde von der Beklagten zu 2) außergerichtlich anerkannt.
Für die Frage, ob und wenn ja eine Haftungsquotierung vorzunehmen ist, kommt es maßgeblich auf die gemäß § 9 StVG, § 254 BGB vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge an (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, StVO, 25. Auflage 2018, § 2 Rn 117). Diese Abwägung, bei der jeweils zu Lasten einer Seite nur unstreitige bzw. bewiesene Umstände berücksichtigt werden können (OLG Hamm, Urteil vom 11.01.2019, 9 U 81/18, R+S 2019, 220), führt vorliegend zu einem Zurücktreten des Verursachungsanteils der Klägerin hinter das den Verkehrsunfall überwiegend verursachende Verhalten des Beklagten zu 1).
1. Nach dem Ergebnis der informatorischen Anhörungen der Klägerin und des Beklagten zu 1) sowie dem Ergebnis der Einvernahme der Zeugin der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2019 ist das Gericht davon überzeugt, dass die Fußgängerampel für die Klägerin Grünlicht zeigte, während sie für den Beklagten zu 1) Rotlicht bei einem vorhandenen Grünpfeil zeigte, und dass der Beklagte zu 1) beim Abbiegevorgang auf die N. Straße die Vorfahrt der bevorrechtigten Klägerin fahrlässig missachtete.
Die Klägerin gab im Rahmen informatorischer Anhörung hierzu glaubhaft an, dass sie bei Grünlicht auf die Fußgängerfurt gefahren sei. Sie habe das Grünlicht der Fußgängerampel ca. 5 bis 10 Meter vor Beginn der Fußgängerfurt gesehen. Ob die Ampel schon länger auf Grün geschaltet gewesen sei oder erst umgeschaltet habe, könne sie jetzt nicht sagen.
Sie habe auch nicht mehr viele Erinnerungen an den Unfall.
Der Beklagte zu 1) gab im Rahmen der informatorischer Anhörung an, dass er vom TE-GUT-Parkplatz herausgefahren sei und nach rechts auf die N. Straße abbiegen habe wollen und geschaut habe, ob Verkehr komme. Dann habe es einen Schlag getan und die Klägerin sei über die Motorhaube geflogen bzw. gerutscht. Er habe dann sofort angehalten. Ob die Ampel für ihn Rot oder Grün gezeigt habe, wisse er nicht mehr. Er wisse, dass er den Grünpfeil gesehen und nach dem Verkehr geschaut habe. Ob er angehalten habe, wisse er nicht mehr. Er wisse, dass er versucht habe, langsam in die Kreuzung zu fahren, weil er wisse, dass wenn Verkehr komme, er warten müsse. Er habe nach links geschaut, ob Autos oder Fußgänger kommen. Er wisse nicht, ob er nach rechts geschaut habe. Dann habe er nochmals nach links geschaut und sei nach rechts abgebogen bzw. habe rechts abbiegen wollen und dann sei es zur Kollision gekommen. Er habe die Klägerin das erste Mal bei der Kollision gesehen, vorher nicht. Er habe keine Erinnerung, dass es bevorrechtigten Verkehr stadteinwärts hätte vorbeilassen müssen. Zum Kollisionszeitpunkt habe er das Fahrzeug schon nach rechts eingeschlagen gehabt.
Die Zeugin sagte aus, dass sie mit ihrem Auto auf dem M.platz gestanden und Richtung Straße geschaut und dabei telefoniert habe. Als sie nach links geschaut habe, sei der Unfall passiert. Die Radfahrerin sei von rechts gekommen, der Pkw habe nach rechts abbiegen wollen und es sei zum Zusammenstoß gekommen. Vor der Kollision habe sie die beiden Unfallbeteiligten nicht im Blick gehabt. Die Verkehrsampel für den Pkw-Fahrer sei außerhalb ihres Blickfeldes gewesen und sie wisse nicht, was diese anzeigte. Auf die Fußgängerampel habe sie nicht geachtet und wisse auch nicht, was diese angezeigt habe. Sie habe nicht beobachtet, wie der Pkw vom eigentlichen M.platz auf die Rechtsabbiegespur eingebogen sei, sondern nur gesehen, dass sich der Pkw dort befunden habe. Ihrer Erinnerung nach sei der Pkw-Fahrer auf dem Rechtsabbiegerstreifen langsamer werdend bis zur Kreuzung vorgefahren. Ob er angehalten habe, daran habe sie keine Erinnerung mehr. Kurz vor der Kollision sei der Pkw-Fahrer ihrer Erinnerung nach mit Schrittgeschwindigkeit gefahren. Ob einer oder beide der Unfallbeteiligten sich umgeschaut haben nach anderem Verkehr, darauf habe sie nicht geachtet, das wisse sie nicht mehr.
Letztlich waren sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zu 1) bei ihren Angaben im Rahmen informatorischer Anhörung glaubhaft ebenso wie die Zeugin Auch wenn der Beklagte zu 1) angab, nicht mehr zu wissen, ob die Ampel für ihn Rot- oder Grünlicht anzeigte und die Zeugin die Schaltung der Fußgänger- bzw. Fahrzeugampel nicht wahrnahm, folgt doch aus dem Ergebnis der informatorischen Anhörung der Klägerin und mittelbar aus den Angaben des Beklagten zu 1) und der Zeugin … zum Verhalten des Beklagten zu 1), dass die Fußgängerampel Grünlicht zeigte, während die für den Beklagten zu 1) maßgebliche Ampel Rotlicht bei vorhandenem Grünpfeil zeigte. So gab insbesondere die Klägerin an, dass die Fußgängerampel Grünlicht gezeigt habe. Auch das vom Beklagten zu 1) und der Zeugin … geschilderte Verhalten des Beklagten zu 1), nämlich dass sich dieser langsam der Kreuzung genähert habe, um in diese einzufahren, lässt nur den Schluss zu, dass die Ampel Rot zeigte und er trotz roter Ampel aufgrund des vorhandenen Grünpfeiles versuchte, sich in die bevorrechtigte N. Straße vorzutasten. Andernfalls, nämlich bei Grünlicht für den Beklagten zu 1), hätte es dieses vorsichtigen Herantastens nicht bedurft; bei Grünlicht hätte der Beklagte zu 1) nicht auf bevorrechtigten Verkehr von rechts oder links oder der dann Rotlicht zeigenden Fußgängerampel achten müssen, was er nach eigenen Angaben jedoch tat.
Damit hat der Beklagte zu 1) gegen § 37 Abs. 2 StVO verstoßen. Hiernach ordnet Rot an: „Halt vor der Kreuzung“. Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Wer ein Fahrzeug führt, darf hiernach nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen und muss sich dabei so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere den Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.
Dies hat der Beklagte zu 1) selbst nach eigenem Bekunden nicht getan. Er gab an, nicht mehr zu wissen, ob er angehalten habe. Die Klägerin konnte hierzu keine Angaben treffen. Die Zeugin sagte aus, dass ihrer Erinnerung nach der Pkw-Fahrer auf dem Rechtsabbiegerstreifen langsamer werdend bis zur Kreuzung vorgefahren sie, ob er angehalten habe, daran habe sie keine Erinnerung mehr. Kurz vor der Kollision sei der Pkw-Fahrer ihrer Erinnerung nach mit Schrittgeschwindigkeit gefahren, während die Radfahrerin im Vergleich zum Pkw-Fahrer nach ihrer Einschätzung schneller war. Dass der Beklagte zu 1) angehalten habe, wie es § 37 Abs. 2 StVO vorschreibt, ist von ihm nicht einmal vorgetragen worden und hiergegen spricht auch die Aussage der Zeugin und seine eigene Einlassung.
Nach dem eingeholten überzeugenden Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 12.05.2020 und dem Ergänzungsgutachten vom 19.08.2020, denen sich die Einzelrichterin anschließt, steht auch fest, dass der Beklagte zu 1) die Klägerin auf dem Radweg fahrend ebenso wie wenn sie ihr Fahrrad geschoben hätte, hätte erkennen können, sowohl wenn er an der Haltelinie angehalten und nach rechts geschaut hätte, aber auch wenn er fuhr und nach rechts geschaut hätte. Der Beklagte zu 1) hätte den Unfall hiernach vermeiden können, wenn er an der Haltelinie angehalten und auch nach rechts geschaut hätte. Dass er nach rechts geschaut hat, hat der Beklagte zu 1) selbst nicht angegeben. Er gab an, es nicht mehr zu wissen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) nicht nach rechts schaute, weil er sonst die Klägerin wahrgenommen hätte, was er unstreitig nicht tat.
Die Klägerin war auch bevorrechtigt, selbst wenn sie den Fußgängerüberweg nicht als Fußgängerin, sondern radfahrend, und entgegen der Fahrtrichtung entgegen § 2 Abs. 4 Satz 4 StVO unzulässig befuhr. Für die Frage der abstrakten Bevorrechtigung kann die konkrete Durchführung der Überquerung der Fußgängerfurt bei grün zeigender Ampel für den Beklagten zu 1) keine Relevanz haben. Auch wenn die Klägerin vor dem Befahren der Fußgängerfurt angehalten und in diesem Fall das Fahrrad zulässigerweise schiebend von rechts über die Furt bewegt hätte oder wenn es sich bei der Klägerin um ein zulässig auf dem Gehweg radfahrendes Kind gehandelt hätte, hätte er ihre Bevorrechtigung aufgrund des Grünlichts der Fußgängerampel beachten müssen. Die falsche Befahrung der Fußgängerfurt durch die Klägerin stellt sich insoweit nicht als Frage der Vorfahrtsberechtigung, sondern bei der Frage der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge.
2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin den Radweg entgegen § 2 Abs. 4 Satz 4 StVO in die falsche Richtung befuhr. Damit lag aus ihrer Sicht ein unzulässiges Befahren des Gehweges gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO vor, bei dem sie hätte laufen und entsprechend das Fahrrad lediglich laufend und schiebend über die Fußgängerfurt hätte bewegen dürfen. Dies hat sie nicht getan. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere den eingeholten Sachverständigengutachten vom 12.05.2020 und 19.08.2020, wiegt dieser Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts allerdings nicht so schwer, dass er sich auf den weit höheren Sorgfaltsverstoß und Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) auswirkt und zu einer Mithaftung der Klägerin führt.
Nach dem Inhalt der Gutachten, denen sich das Gericht anschließt, war die von rechts kommende Klägerin für den Beklagten zu 1) auch unter Zugrundelegung verschiedener möglicher Geschwindigkeiten unabhängig davon, ob sie das Fahrrad geschoben hätte oder gefahren ist, für den Beklagten zu 1) erkennbar und der Unfall für ihn vermeidbar. Hingegen war der Unfall für die Klägerin zum Zeitpunkt des Befahrens der Fußgängerfurt aufgrund der zu berücksichtigenden Reaktions- und Bremsschwellzeiten für den anfahrenden oder die Haltelinie überquerenden Pkw nicht vermeidbar. Bei Annahme einer Reaktions- und Bremsschwellzeit von 1,4 Sek. (Ergänzungsgutachten Seite 2 f. [Bl. 119 f. d.A.]) hatte die Klägerin keine Zeit mehr, irgendwie wirksam auf den Pkw zu reagieren. Aus dem Umstand der Zeit und der Entfernung ergibt sich hiernach auch nicht, dass die Klägerin unaufmerksam oder zu schnell gewesen sei. In zeitlicher Hinsicht habe sie den Unfall unabhängig von der Entfernung nicht verhindern können, sondern allenfalls dann vermeiden können, wenn sie das Fahrrad geschoben hätte, da sie sich dann bereits innerhalb der Fußgängerfurt befunden hätte und damit besser im Sichtbereich des Beklagten zu 1) gewesen wäre. Ob der Beklagte zu 1) die Klägerin in diesem Fall aber auch gesehen und angehalten hätte, dazu konnte das Sachverständigengutachten keine Feststellung treffen. Diese Überlegung ist rein spekulativ. Sie ändert nichts an dem Umstand, dass nach dem Ergebnis der Sachverständigenbegutachtung, der sich das Gericht in vollem Umfang anschließt. die Klägerin auch wie erfolgt fahrend für den Beklagten zu 1) erkennbar gewesen wäre. Wenn der Beklagte zu 1) angehalten hätte, nach rechts geschaut hätte, hätte er die Klägerin gesehen, egal ob sie fuhr oder gegangen wäre, und hätte anhalten müssen und nicht nach rechts abbiegen dürfen. Unter Abwägung all dieser Umstände tritt der Verursachungsanteil der Klägerin hinter dem Verursachungsanteil des Beklagten zu 1) vollständig zurück.
B) Der Klägerin steht der Schadensersatzanspruch auch als Feststellungsanspruch zu.
Eine Feststellungsklage ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu dem für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, bleibt offen (BGH, Beschluss vom 09.01.2007, NJW-RR 2007, 601). Die Klägerin hat aufgrund der unstreitigen unfallbedingten Körperschäden in Form unter anderem einer Gehirnerschütterung, eines Kahnbeinbruchs des rechten Handgelenks, eines Außenknöchelbruches links, Typ Weber A, einer Bauchdeckenprellung und einer Kopfbeinfraktur, in deren Folge sie unter Bewegungseinschränkungen leidet, auch einen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige weitere immaterielle wie materielle Schäden im beantragten Umfang. Die Entwicklung insbesondere der mit Frakturen verbunden Schäden ist offen. Nach der Lebenserfahrung und aufgrund des aus diversen Schadensverfahren gerichtsbekannten Umstandes, dass sich aus Frakturen in der Zukunft Arthrosen oder Pseudoarthrosen entwickeln können (so auch beispielsweise Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Werkstand 42. EL August 2020, Rn. 91: Kahnbeinfraktur … Mögliche Komplikationen: Pseudoarthrose, Nekrose, Arthrose. Prognose: Ohne Komplikationen gut, Arthrose und Bewegungseinschränkung bei Pseudoarthrose oder Nekrose, dann Folgeoperationen mit Knochenspan nötig.; Rn. 126-128: Weber A Frakturen … Komplikationen: Arthrose, Bewegungseinschränkung, Schwellneigung für 1-2 Jahre. Prognose: ca. 20 % Arthrose, v.a. nach Pilon-Tibial-Fraktur.), besteht zumindest die Möglichkeit, dass auch künftig weitere, unfallbedingte und bisher noch nicht erkannte Leiden wie Arthrose oder weitere Bewegungseinschränkungen auftreten und sich der Gesundheitszustand der Klägerin weiter verschlechtert, weitere Behandlungen erforderlich werden und weitere finanzielle Einbußen verursacht werden. Die Kosten einer solchen Behandlung wären mithin ein Folgeschaden des Verkehrsunfalles, der geeignet ist, die begehrte Feststellung zu tragen (BGH, 09.01.2007, a.a.O.). Auch wenn die reinen Behandlungskosten aufgrund des Umstandes, dass es sich für die Klägerin um einen Arbeitsunfall handelt, ggf. vom Sozialversicherungsträger zu tragen wären, gilt dies nicht für damit mögliche in Verbindung stehende Ansprüche auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens, für die es keinen Anspruchsübergang gibt.
Der Feststellungsanspruch bedurfte im Hinblick auf den gesetzlichen Forderungsübergang beispielsweise gemäß § 116 SGB X allerdings der Einschränkung dahingehend, dass nur solche Schadensersatzansprüche erfasst sind, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind oder noch übergehen werden. Insoweit war die darüberhinausgehende Klage teilweise abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Den Beklagten waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldnern aufzuerlegen. Das teilweise Unterliegen der Klägerin im Hinblick auf die Einschränkung auf nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangene bzw. künftig übergehende Ansprüche war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die hier nur die Kosten betrifft, folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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