Verwaltungsrecht

§ 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

Aktenzeichen  Vf. 16-VII-19

Datum:
26.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 336
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZAPO/RPfl § 14 Abs. 1
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 94 Abs. 2, Art. 95 Abs. 1 S. 2, Art. 98 S. 4, Art. 101, Art. 116, Art. 128 Abs. 1

 

Leitsatz

Die mit Ablauf des 31. August 2016 außer Kraft getretenen Regelungen zur Wiederholung von Abschnitten der Rechtspflegerausbildung in § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl waren mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. (Rn. 34 und 42)

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand der Popularklage ist § 14 Abs. 1 der vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erlassenen Zulassungs-, Ausbildungsund Prüfungsordnung für die Rechtspfleger (ZAPO/RPfl) vom 19. November 2012 (GVBl S. 595, BayRS 2038-3-3-9-J), die durch § 1 Nr. 113 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286) geändert worden ist.
1. Die Vorschrift beruht auf Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2 und Art. 67 Satz 1 Nrn. 2 und 3 Leistungslaufbahngesetz (LlbG); sie lautet wie folgt:
㤠14 Wiederholung von Ausbildungsabschnitten, Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst
(1) 1Erbringen Anwärterinnen oder Anwärter in einem fachtheoretischen Studienabschnitt, ohne Fachstudium III, oder in einem berufspraktischen Studienabschnitt, ohne Einführungspraktikum, eine schlechter als mit „ausreichend“ bewertete Gesamtleistung und haben somit den Abschnitt nicht bestanden, so können sie auf Antrag einmal und nur dann in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen werden, wenn auf Grund ihrer bisherigen Leistungen zu erwarten ist, dass der zu wiederholende Ausbildungsabschnitt erfolgreich absolviert wird. 2Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn in dem nicht erfolgreich abgelegten fachtheoretischen Studienabschnitt weniger als ein Viertel der Klausuren mit „ausreichend“ oder besser bewertet wurde und die Durchschnittspunktzahl aller Leistungsnachweise unter 2,50 Punkten liegt. 3Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn in einem fachtheoretischen Studienabschnitt, ohne Fachstudium III, mehr als die Hälfte der Klausuren schlechter als mit „ausreichend“ bewertet wurde.“ …
Leistungsnachweise im Sinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 ZAPO/RPfl sind gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 ZAPO/RPfl Klausuren und sonstige Leistungskontrollen.
Die Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Rechtspfleger wurde durch die Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Justizwachtmeister-, Justizfachwirte-, Gerichtsvollzieher- und Rechtspflegerdienst (Ausbildungsordnung Justiz – ZAPO-J) vom 16. Juni 2016 (GVBl S. 123) abgelöst und trat mit Ablauf des 31. August 2016 außer Kraft (§ 57 Abs. 2 Nr. 3 ZAPO-J in der bis zum 31. Mai 2020 geltenden Fassung).
2. Der Antragsteller wurde mit Wirkung vom 1. September 2014 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Rechtspflegeranwärter bei einem Arbeitsgericht ernannt. Er begann die Rechtspflegerausbildung an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (jetzt: Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern). Im Rahmen des fachtheoretischen Studienabschnitts I waren als Leistungsnachweise insgesamt zwölf je fünfstündige Klausuren zu fertigen. Außerdem war eine pro Anwärter mindestens 20 Minuten dauernde mündliche Prüfung mit dem Stellenwert einer Klausur abzulegen. Die maximal erreichbare Einzelbewertung betrug 15 Punkte. Leistungen von 1 bis 3 Punkten wurden als mangelhaft bewertet. Der Antragsteller nahm krankheitsbedingt nur an elf der zwölf Klausuren teil und erzielte daraus in der Zwischenbewertung insgesamt 31 Punkte (2 x 5 Punkte, 1 x 4 Punkte, 3 x 3 Punkte, 3 x 2 Punkte, 2 x 1 Punkt). In der mündlichen Bewertung erreichte er 10 Punkte. Das Gesamtergebnis von 41 Punkten wurde auf einer Notenskala von 1 bis 6 mit der Gesamtnote 5 (mangelhaft) bewertet.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2015 beantragte der Antragsteller die Genehmigung zur Wiederholung des fachtheoretischen Studienabschnitts I mit der Begründung, bei dem von ihm erzielten Gesamtpunktedurchschnitt (3,42) eröffne die Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Rechtspfleger eine Wiederholungsmöglichkeit. Diesen Antrag lehnte der Präsident des Landesarbeitsgerichts unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl ab. Hiergegen erhob der Antragsteller erfolglos Klage zum Verwaltungsgericht. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ab.
Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat der Antragsteller Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben, die Gegenstand des Verfahrens Vf. 87-VI-19 ist. Er rügt insoweit Verletzungen seiner Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und seines Rechts auf Ausbildungsfreiheit (Art. 128 Abs. 1 BV) unter anderem mit der Begründung, § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl sei ungültig. Die Norm lasse Raum für mehrere Auslegungsmöglichkeiten. Sie genüge nicht dem Gebot hinreichender Bestimmtheit und Klarheit und damit nicht dem Rechtsstaatsprinzip. Zumindest sei sie einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Wiederholung des Prüfungsabschnitts habe. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
II.
Im Popularklageverfahren macht der Antragsteller ebenfalls geltend, § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl verstoße gegen das Erfordernis der Normenbestimmtheit (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und gegen das Recht auf Ausbildungsfreiheit (Art. 128 Abs. 1 BV).
1. Der anwaltlich vertretene Antragsteller berichtet zunächst ausführlich den ihn betreffenden Ausgangssachverhalt und den Gang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. In diesem Zusammenhang stellt er den Aussagegehalt des § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl aus seiner Sicht wie folgt dar: 10 „Aussage 1: Nicht bestanden hat, wer eine schlechter als mit ‚ausreichend‘ bewertete Gesamtleistung erzielt (= Satz 1).
Aussage 2: Ebenso nicht bestanden hat, wer in mehr als der Hälfte der Klausuren schlechter als ‚ausreichend‘ bewertet wurde (= Satz 3).
Aussage 3: Satz 1 und Satz 3 regeln nur, wann ein Ausbildungsabschnitt nicht bestanden ist, und verweisen sodann zur Frage, wann ein Ausbildungsabschnitt wiederholt werden kann, ausdrücklich auf Satz 2; nur Satz 2 gibt sodann Auskunft darüber, wann eine Wiederholung möglich ist, wobei Satz 2 dies im Rahmen eines negativen Umkehrschlusses formuliert, nämlich:
Wiederholen kann jeder, dem die Wiederholung nicht – wie folgt – verwehrt ist: Die Wiederholung ist verwehrt, wenn weniger als ein Viertel der Klausuren mit mindestens ‚ausreichend‘ bewertet wurden und die durchschnittliche Gesamtleistung (= mündliche und schriftliche Ergebnisse zusammengefasst) unter 2,5 Punkten liegt.“
Selbst wenn man dieser Normauslegung nicht folge, lasse § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl jedenfalls Spielraum für mehrere Auslegungsmöglichkeiten. So hätten die Verwaltungsgerichte in dem ihn betreffenden Verfahren die Auffassung vertreten, Satz 3 der Vorschrift sei so zu verstehen, dass eine Wiederholung nur möglich sei, wenn aufgrund der bisherigen Leistungen ein erfolgreiches Absolvieren des betreffenden Ausbildungsabschnitts zu erwarten sei, was aber grundsätzlich nicht der Fall sein solle, wenn die Umstände des Satzes 3 vorlägen. Da die angegriffene Vorschrift zumindest auch einer Auslegung zugänglich sei, wonach der Antragsteller Anspruch auf eine Wiederholung des Prüfungsabschnitts habe, sei dieser verfassungskonformen Auslegung der Vorzug zu geben.
2. Zur Begründetheit der Popularklage wird weiter ausgeführt:
a) Der Verstoß gegen das Erfordernis der Normenbestimmtheit (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ergebe sich aus der Mehrdeutigkeit des § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl. Die Norm lasse mehrere „Auslegungsmethoden“ zu, sodass eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung nicht gewährleistet sei.
b) Die angegriffene Vorschrift verstoße auch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit. Aus Art. 101 BV lasse sich zwar kein Recht herleiten, eine Prüfung, die den Weg zur Aufnahme eines Berufs eröffne, unbegrenzt oft zu wiederholen. Wenn sich mit hinreichender Sicherheit ersehen lasse, dass ein Bewerber nicht geeignet sei, den dem Zweck der Abschlussprüfung entsprechenden Anforderungen zu genügen, könne sein Ausschluss vom weiteren Prüfungsverfahren nicht als unzumutbare, unverhältnismäßige Beschränkung der Handlungs- und Berufsfreiheit aufgefasst werden. Etwas anderes müsse jedoch gelten, wenn ein Prüfungsteilnehmer eine Prüfung bzw. einen Ausbildungsabschnitt nur einmal nicht bestanden habe. Das Recht zur einmaligen Wiederholung einer nicht bestandenen Prüfung bzw. eines nicht bestandenen Ausbildungsabschnitts sei nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82) geboten.
Der Ausschluss des Rechts zur einmaligen Wiederholung einer Prüfung sei zumindest bei Prüfungen, die Qualifikationsvoraussetzungen für die Ausübung eines Berufs seien, nicht mit dem Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar.
c) Wenn § 14 ZAPO/RPfl unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung nicht dergestalt ausgelegt werden könne, dass ein Beamter in der vom Antragsteller geschilderten Fallkonstellation die Möglichkeit zur einmaligen Wiederholung des Ausbildungsabschnitts habe, verstoße Art. 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl auch gegen das Recht auf Ausbildungsfreiheit (Art. 128 Abs. 1 BV).
III.
1. Die Bayerische Staatsregierung ist der Auffassung, die Popularklage habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
a) § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Die vom Antragsteller vorgebrachte Auslegung, Satz 3 der Vorschrift solle nur das Nichtbestehen regeln, sei fernliegend. § 14 ZAPO/RPfl betreffe schon nach seiner Überschrift die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten. § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl wäre nach der Auslegung des Antragstellers, wonach Satz 3 nur das Nichtbestehen regle, ohne Bedeutung für die Wiederholungsmöglichkeit, obwohl gerade auf die Wiederholungsmöglichkeit des Satzes 1 Bezug genommen werde. Auch systematisch wäre es nicht nachvollziehbar, warum in Satz 1 die Bestehensvoraussetzungen sowie die Möglichkeiten der Wiederholung des Studienabschnitts geregelt sein sollten, in Satz 2 die Voraussetzungen der Wiederholung und in Satz 3 mit der Hälfteklausel plötzlich wieder eine bloße Bestehensvoraussetzung.
Selbst wenn man die Auslegung der Norm durch den Antragsteller für vertretbar hielte, ergäbe sich hieraus keine Unbestimmtheit der Norm. Die Auslegungsbedürftigkeit einer abstrakten Norm sei der Regelfall. Dem Bestimmtheitsgebot sei genügt, wenn mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung gewonnen werden könne. Dies sei vorliegend der Fall, da die Norm systematisch und nach dem Willen des Gesetzgebers ausgelegt werden könne.
b) § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl verstoße auch nicht gegen Art. 101 und 128 BV. Insbesondere sei die Norm verhältnismäßig.
Verfassungsgerichtlich sei bislang nicht entschieden, ob von Verfassungs wegen zumindest die einmalige Möglichkeit der Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts gegeben sein müsse. Jedenfalls sei gemäß § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl eine Wiederholungsmöglichkeit ohnehin nicht generell ausgeschlossen. Die Vorschrift mache die Wiederholungsmöglichkeit vielmehr von den Erfolgsaussichten des Bestehens des Ausbildungsabschnitts abhängig und begründe eine Vermutung, dass ein erfolgreicher Abschluss nicht zu erwarten sei, wenn mehr als die Hälfte der Klausuren nicht bestanden worden seien. Jedenfalls mit dieser Ausnahmevorschrift sei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend Rechnung getragen.
2. Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
IV.
Die Popularklage ist zulässig.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Gesetze und Verordnungen in diesem Sinn sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Zu diesen zählt die auf gesetzlicher Grundlage (Art. 22 Abs. 6 Halbsatz 2 und Art. 67 Satz 1 Nrn. 2 und 3 LlbG) erlassene Vorschrift der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Rechtspfleger, gegen die sich die Popularklage richtet.
2. Die Popularklage ist nicht deshalb unzulässig, weil die angegriffene Regelung bereits vor Erhebung der Popularklage außer Kraft getreten ist.
Bei der Prüfung, ob eine Rechtsvorschrift verfassungswidrig ist, hat der Verfassungsgerichtshof seiner Beurteilung grundsätzlich den Rechtszustand im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Außer Kraft getretene oder durch eine anderweitige Regelung überholte Rechtsvorschriften unterliegen der Normenkontrolle nur dann, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch von Bedeutung sind, wenn also ein objektives Interesse an der verfassungsgerichtlichen Überprüfung besteht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 12.1.2005 VerfGHE 58, 1/16; vom 28.11.2007 VerfGHE 60, 184/211; vgl. auch VerfGH vom 23.11.2020 – Vf. 69-VII-20 – juris Rn. 16). Ein solches Interesse ist gegeben, wenn die Rechtsnorm noch rechtliche Wirkungen entfalten kann, weil sie für künftige (z. B. gerichtliche) Entscheidungen noch rechtlich relevant ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 9.5.2016 BayVBl 2016, 625 Rn. 103 m. w. N.; vom 2.12.2016 – Vf. 3-VII-14 – juris Rn. 13; vom 30.8.2017 BayVBl 2018, 234 Rn. 75; vom 20.8.2019 BayVBl 2020, 306 Rn. 18).
Vorliegend kann die außer Kraft getretene Bestimmung jedenfalls in dem vom Antragsteller parallel betriebenen Verfassungsbeschwerdeverfahren nach wie vor von rechtlicher Bedeutung sein. Ein objektives Klarstellungsinteresse bezüglich der begehrten Nichtigerklärung der Norm ist allerdings nur im Hinblick auf die vom Antragsteller geforderte Möglichkeit einer Prüfungswiederholung zu bejahen. Demgegenüber bedarf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ausbildungsabschnitt als nicht bestanden zu werten ist, keiner Klärung mehr. Denn Streitgegenstand des der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die beantragte Wiederholung der Prüfung und die damit zusammenhängende Entlassung des Antragstellers, nicht dagegen das Nichtbestehen des Abschnitts I der Rechtspflegerausbildung nach den früher maßgeblichen Vorschriften (vgl. BayVGH vom 31.7.2019 – 3 ZB 18.220 – Rn. 8). Dies wird vom Antragsteller auch nicht infrage gestellt.
3. Die Popularklage ist jedenfalls mit der Rüge einer Verletzung der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) zulässig erhoben.
Der Antragsteller hat hinreichend substanziiert dargelegt, inwiefern die angegriffene Bestimmung seiner Ansicht nach in Widerspruch zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung stand (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Er rügt insoweit im Wesentlichen, der Ausschluss des Rechts zur Wiederholung eines nicht bestandenen Ausbildungsabschnitts sei zumindest bei Prüfungen, die Qualifikationsvoraussetzungen für die Ausübung eines Berufs seien, unverhältnismäßig und mit dem Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit unvereinbar. Dieses Vorbringen lässt eine Verletzung des Art. 101 BV jedenfalls möglich erscheinen.
Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seiner Popularklage auf das Bestimmtheitsgebot als Element des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) bezieht, ist dies für sich allein zwar keine in diesem Verfahren zulässige Rüge (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.10.2012 VerfGHE 65, 247/255; vom 29.10.2020 – Vf. 22-VII-20 – juris Rn. 24). Ist die Popularklage jedoch – wie hier im Hinblick auf eine Verletzung des Art. 101 BV – in zulässiger Weise erhoben, prüft der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Vorschrift anhand aller in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, selbst wenn diese keine Grundrechte garantieren oder wenn insoweit keine Rügen geltend gemacht worden sind (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 17.7.2020 BayVBl 2020, 737 Rn. 34; vom 23.11.2020 – Vf. 69-VII-20 – juris Rn. 27). Daher bedarf auch die umstrittene Frage, ob der ebenfalls als verletzt gerügte Art. 128 Abs. 1 BV ein Grundrecht gewährt oder lediglich einen objektiven Programmsatz enthält (vgl. VerfGH vom 28.10.1960 VerfGHE 13, 141/146; Geis in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 128 Rn. 2 f.; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 128 Rn. 5), keiner Entscheidung.
V.
Die Popularklage ist unbegründet. Die angegriffene Norm ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die angegriffene Vorschrift verstieß, soweit sie die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten betrifft, nicht gegen das Gebot der Normbestimmtheit als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV).
Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung von Ziel, Tendenz, Programm, Entstehungsgeschichte und Zusammenhang mit anderen Vorschriften eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewonnen werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 15.1.2007 VerfGHE 60, 1/6; vom 14.3.2019 NJW 2019, 2151 Rn. 21; vom 3.12.2019 NVwZ-RR 2020, 273 Rn. 205).
Diesen Erfordernissen genügt die angegriffene Norm:
a) Der Antragsteller meint, § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl lasse mehrere Auslegungsmöglichkeiten („Auslegungsmethoden“) zu, sodass eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift nicht gewährleistet sei. Eine systematische Auslegung des § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl, die Ermittlung des Sinns der Norm aus dem Zusammenhang ihrer Einzelregelungen, führt jedoch im Hinblick auf die Regelungen zur Wiederholungsmöglichkeit zu einem hinreichend deutlichen Ergebnis.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 ZAPO/RPfl bestimmt zunächst, dass ein Ausbildungsabschnitt nicht bestanden ist, wenn die Gesamtleistung als Summe der nach § 6 ZAPO/RPfl zu bewertenden Einzelleistungen schlechter als mit „ausreichend“ bewertet wird. Darüber hinaus regelt er, dass bei Nichtbestehen eines Ausbildungsabschnitts dessen Wiederholung nur möglich ist, wenn ein erfolgreicher Abschluss zu erwarten ist. § 14 Abs. 1 Satz 2 ZAPO/RPfl beschreibt im Rahmen einer – widerlegbaren – Vermutung Fälle, in denen ein erfolgreicher Abschluss grundsätzlich nicht zu erwarten ist. § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl regelt, dass die Sätze 1 und 2 auch dann gelten, wenn mehr als die Hälfte der Klausuren nicht bestanden wurde.
b) Die Frage, welche Voraussetzungen für das Bestehen von Ausbildungsabschnitten sich aus der Gesamtschau dieser Einzelregelungen ergeben (vgl. dazu die Ausführungsbestimmungen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern in der Fassung vom 16. Juli 2013 sowie die aktuell geltende Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 2 ZAPO-J), bedarf, wie bereits dargelegt (vgl. oben IV. 2.), keiner Vertiefung. Im Hinblick auf die noch rechtlich bedeutsamen Regelungen zur Wiederholung von Ausbildungsabschnitten lassen sich folgende Maßgaben ableiten:
Der Normgeber wollte mit der in § 14 Abs. 1 Satz 1 ZAPO/RPfl getroffenen Bestimmung die Wiederholung eines Studienabschnitts ausschließen, wenn aufgrund der bisherigen Leistungen nicht zu erwarten war, dass der zu wiederholende Ausbildungsabschnitt erfolgreich absolviert würde. Wann diese negative Prognose grundsätzlich begründet sein sollte, beschreiben die Sätze 2 und 3. Dabei wird in Satz 2 auf die Zahl der nicht bestandenen Klausuren in Kombination mit der Durchschnittspunktzahl aller Leistungsnachweise, in Satz 3 allein auf die Zahl der nicht bestandenen Klausuren abgestellt. Keine hinreichende Gewähr für eine erfolgreiche Wiederholung bietet demnach grundsätzlich, wer in dem betreffenden fachtheoretischen Studienabschnitt entweder weniger als ein Viertel der Klausuren bestanden und eine Durchschnittspunktzahl aller Leistungsnachweise von weniger als 2,50 erreicht hat (Satz 2) oder wer in einem fachtheoretischen Studienabschnitt ohne Fachstudium III in mehr als der Hälfte der Klausuren eine schlechtere Bewertung als „ausreichend“ erzielt hat (Satz 3).
Die vom Antragsteller vertretene Auslegung des § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl, wonach dessen Satz 3 ausschließlich das Bestehen oder Nichtbestehen regle, nicht aber die Frage betreffe, unter welchen Voraussetzungen der Ausbildungsabschnitt wiederholt werden könne, liegt demgegenüber fern. Der Bezugnahme auf Satz 2 ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die in Satz 3 beschriebene Konstellation („Hälfte-Klausel“) den Kreis der in Satz 2 beschriebenen Fälle erweitert, in denen regelmäßig nicht von einer erfolgreichen Wiederholung des Ausbildungsabschnitts ausgegangen werden kann. Hätte der Verordnungsgeber tatsächlich beabsichtigt, in § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl ausschließlich einen weiteren Fall des Nichtbestehens zu normieren, so hätte es nahegelegen, dies einheitlich im Zusammenhang des Satzes 1 zu tun, statt in den Sätzen 1 und 3 unterschiedliche Fallkonstellationen des Nichtbestehens zu regeln, dazwischen jedoch mit Satz 2 eine Bestimmung einzufügen, die nur Beschränkungen der Wiederholungsmöglichkeit enthält.
2. Gegen Art. 94 Abs. 2, Art. 116 BV wurde nicht verstoßen.
Art. 94 Abs. 2 BV regelt in Verbindung mit Art. 116 BV das Recht auf allgemeine Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter (VerfGH vom 14.6.1960 VerfGHE 13, 89/92). Nach Art. 94 Abs. 2 Satz 1 BV stehen die öffentlichen Ämter allen wahlberechtigten Staatsbürgern nach ihrer charakterlichen Eignung, nach ihrer Befähigung und ihren Leistungen offen, die, soweit möglich, durch Prüfungen im Wege des Wettbewerbs festgestellt werden. Art. 116 BV bestimmt, dass alle Staatsangehörigen ohne Unterschied entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen sind.
a) In beiden Verfassungsnormen ist das Leistungsprinzip verankert, das zu den das Berufsbeamtentum prägenden hergebrachten Grundsätzen im Sinn des Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV gehört (VerfGH vom 5.5.2003 VerfGHE 56, 75/87 ff.; vom 28.7.2008 VerfGHE 61, 187/198 f.). Dem Leistungsprinzip liegen zwei unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde. Zum einen hat es eine individuelle Funktion; es umschreibt die Anreizwirkung für den einzelnen Beamten, Leistung zu erbringen. Andererseits soll es die Effizienz der Verwaltung sichern, indem im allgemeinen Interesse eine optimale Besetzung der Ämter und Dienstposten sichergestellt wird (vgl. VerfGH vom 16.10.1970 VerfGHE 23, 169/174; vom 8.2.1973 VerfGHE 26, 1/8; vom 26.10.2004 VerfGHE 57, 129/137; VerfGHE 61, 187/199; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 95 Rn. 35).
Das Leistungsprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums gilt auch für die Ausbildung der Rechtspfleger. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums stellen zwar in erster Linie auf ein auf Lebenszeit begründetes Dienstverhältnis ab. Für Beamte auf Widerruf gelten sie nicht uneingeschränkt (VerfGH vom 23.3.1956 VerfGHE 9, 47/51; vom 11.3.1963 VerfGHE 16, 18/27; vom 9.6.1972 VerfGHE 25, 74/82; Wolff, a. a. O., Art. 95 Rn. 21; Steib in Meder/ Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 95 Rn. 8). Es besteht jedoch kein sachlicher Grund, Widerrufsbeamte im Vorbereitungsdienst zur Rechtspflegerlaufbahn von der Geltung des Leistungsprinzips ganz oder teilweise auszunehmen.
Der Vorbereitungsdienst für Rechtspflegeranwärter eröffnet ausschließlich den Zugang zu einer Beamtenlaufbahn der dritten Qualifikationsebene, die auf Lebenszeit angelegt ist. Anders als etwa der Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare qualifiziert er nicht zugleich für Berufe auf dem Gebiet der Rechtspflege außerhalb des Staatsdienstes. Der Staat hat gerade aus diesem Grund ein besonderes Interesse daran, die im Rechtspflegerdienst zu vergebenden Ämter mit Bewerbern zu besetzen, die aufgrund ihrer Leistungen im Vorbereitungsdienst hierfür qualifiziert sind und nach erfolgreicher Absolvierung der Probezeit zu Beamten auf Lebenszeit ernannt und nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes befördert werden können. Das Leistungsprinzip prägt somit den beruflichen Werdegang des Rechtspflegers von der Einstellungsprüfung bis zum Eintritt in den Ruhestand. Als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums beansprucht es daher auch Geltung für Rechtspflegeranwärter.
b) Soweit Art. 94 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 116 BV die Beachtung des Leistungsprinzips als eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums fordert und hieraus rechtlich bedeutsame Vorgaben für die Gestaltung der Ausbildung der Beamtenanwärter abgeleitet werden, können sich diese auf ein grundrechtsähnliches Individualrecht stützen.
Die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums hat, soweit die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist, subjektivrechtlichen Charakter. In Bezug auf die durch Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV garantierte Aufrechterhaltung des Berufsbeamtentums und seiner hergebrachten Grundsätze hat der Verfassungsgerichtshof dies wiederholt entschieden (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 27.04.1978 VerfGHE 31, 138/140 f.; vom 11.2.2015 VerfGHE 68, 32 Rn. 23 m. w. N.; vgl. auch Steib, a. a. O., Art. 94 Rn. 4). Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf die Geltung des Leistungsprinzips für Prüfungen nach Art. 94 Abs. 2 Satz 1, Art. 116 BV jedenfalls insoweit, als diese Prüfungen von Beamten im Zuge einer Ausbildung abzulegen sind, die ausschließlich zu einer auf Lebenszeit angelegten Beamtenlaufbahn hinführt.
Nach dem Leistungsgrundsatz hat jeder Teilnehmer einer solchen Prüfung ein Recht darauf, nach Gesichtspunkten bewertet und eingeordnet zu werden, die unmittelbar seine Eignung, Befähigung und Leistung betreffen. Insoweit kommen die Strukturen des Berufsbeamtentums in Gestalt des Leistungsprinzips auch dem einzelnen Beamten zugute und betreffen ihn in seiner persönlichen Rechtsstellung. Ihm wird von Verfassungs wegen garantiert, sich bei entsprechend guten Prüfungsleistungen im Wettbewerb um die Erlangung eines öffentlichen Amtes im Wege der Bestenauslese durchzusetzen.
c) Der hier infrage stehende Regelungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl war mit dem Leistungsgrundsatz der Art. 94 Abs. 2, Art. 116 BV vereinbar.
aa) Inhaltlich besagt der Leistungsgrundsatz, dass öffentliche Ämter nach Maßgabe der Bestenauslese zu besetzen sind. Die Auswahlentscheidungen können daher grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar die charakterliche Eignung, Befähigung und Leistung betreffen. Nur diese Merkmale weisen den erforderlichen Leistungsbezug auf, wonach zu beurteilen ist, ob der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt (vgl. Steib, a. a. O., Art. 94 Rn. 16 m. w. N.). Eine feste Regel dafür, nach welchen Grundsätzen die maßgeblichen Auswahlkriterien festzustellen sind, lässt sich nicht aufstellen. Art. 94 Abs. 2 BV belässt – wie auch Art. 116 BV – dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein gewisses Maß an Ermessen. In dessen Rahmen ist für Bestimmungen Raum, die die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern unter den Gesichtspunkten dieser Auswahlmerkmale regeln (VerfGHE 23, 169/174; Steib, a. a. O., Art. 94 Rn. 45).
Art. 94 Abs. 2 Satz 1 BV schreibt ausdrücklich vor, dass die Auswahlkriterien (charakterliche Eignung, Befähigung und Leistung) möglichst durch Prüfungen festzustellen sind. Das Wettbewerbsprinzip soll bei Prüfungen eine gerechte Auswahl der Bewerber ermöglichen (Steib, a. a. O., Art. 94 Rn. 21). Um die Chancengleichheit zu wahren, müssen Prüfungen für alle Teilnehmer unter objektiv gleichen Bedingungen fair durchgeführt werden (Steib, a. a. O., Art. 94 Rn. 24; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 94 Rn. 37). Die Prüfungen sollen auch über die Spannkraft und Leistungsfähigkeit der Teilnehmer Aufschluss geben. Mit dem Zweck von Prüfungen wäre es nicht zu vereinbaren, wenn etwa der Versuch unternommen würde, alle in der Person der einzelnen Prüflinge gegebenen Unterschiede durch differenzierende Ausgestaltung der Prüfungsbedingungen auszugleichen, also insbesondere auch der körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung der Teilnehmer jeweils Rechnung zu tragen (VerfGH vom 18.6.1964 VerfGHE 17, 46/54).
bb) An dem vorstehend dargelegten Maßstab gemessen, war eine Verletzung der Art. 94 Abs. 2, Art. 116 BV nicht gegeben. Die in § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl normierten Einschränkungen der Möglichkeit, einen Ausbildungsabschnitt zu wiederholen, haben weder den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt noch die Betroffenen unverhältnismäßig belastet.
(1) Den diesbezüglichen Regelungen in § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl liegt die Einschätzung des Verordnungsgebers zugrunde, im Fall eines in den Sätzen 2 und 3 näher beschriebenen deutlichen Nichtbestehens eines Ausbildungsabschnitts könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die betreffenden Anwärter das Ausbildungsziel nicht erreichen würden, weil sie für die Fortsetzung der Ausbildung und für die spätere Ausübung des Rechtspflegerberufs offensichtlich nicht geeignet seien.
Die typisierende Einschätzung des Verordnungsgebers, dass die Ergebnisse aller Leistungsnachweise des Ausbildungsabschnitts nach Inhalt, Umfang und Bewertungsverfahren aussagekräftig genug sind, um jedenfalls für den Regelfall bei einem eindeutigen Scheitern sichere Rückschlüsse auf die mangelnde Eignung des Anwärters für den angestrebten Beruf zu ermöglichen, beruht auf fachbezogenen Erwägungen und Wertungen. Diese könnten vom Verfassungsgerichtshof nur korrigiert werden, wenn sie offensichtlich fehlerhaft wären oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprächen (vgl. VerfGH vom 28.1.1988 VerfGHE 41, 4/9 m. w. N.; vom 27.1.1994 NVwZ-RR 1994, 503/504). Das lässt sich hier nicht feststellen.
Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass einer alle Rechtsgebiete des Ausbildungsabschnitts umfassenden Leistungsbewertung auf der Grundlage von zwölf fünfstündigen Klausuren, erstreckt über einen Zeitraum von mehreren Monaten, und einer pro Kandidat mindestens 20 Minuten dauernden mündlichen Prüfung keine hinreichende Aussagekraft zukäme. Die zeitliche Anordnung und die Dauer der Leistungskontrollen gewährleisten, dass nicht nur eine „Momentaufnahme“ des Leistungsstands mit damit verbundenen aktuellen gesundheitlichen oder äußeren Unwägbarkeiten erhoben wird, sondern dass Leistungsfähigkeit und Spannkraft der Teilnehmer, über einen längeren Zeitraum bewertet, Eingang in das Prüfungsergebnis finden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass solchermaßen ausgestaltete Prüfungen den von Art. 94 Abs. 2 BV geforderten Bezug zu den Auswahlkriterien der charakterlichen Eignung, Befähigung und Leistung nicht aufwiesen oder dass sie keine fairen, für alle Teilnehmer objektiv gleichen Bedingungen ermöglichen würden.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Regelungen zur Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts ist auch das öffentliche Interesse daran zu berücksichtigen, dass vom Staat alimentierte Widerrufsbeamte zeitnah aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden, wenn sie sich in einem frühen Stadium des Vorbereitungsdienstes als für die angestrebte Laufbahn offensichtlich ungeeignet erweisen. Hierdurch wird zum einen verhindert, dass der Staat knapp bemessene und kostenintensive Ausbildungsplätze und Anwärterbezüge für Beamte zur Verfügung stellt, die – vorhersehbar – letztlich die Rechtspflegerprüfung nicht bestehen. Zum anderen wird den betroffenen Anwärtern frühzeitig vor Augen geführt, dass sie für das Amt des Rechtspflegers offenbar nicht geeignet sind. Damit erhalten sie die Gelegenheit, sich rechtzeitig beruflich neu zu orientieren, statt weiter Zeit und Energie auf eine nicht erfolgversprechende Ausbildung zu verwenden. Das rechtfertigt auch die nur für die frühen fachtheoretischen Ausbildungsabschnitte I und II geltende strenge Hälfteklausel des § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl.
(2) Ein uneingeschränktes Recht auf eine zumindest einmalige Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts im Vorbereitungsdienst für die Rechtspflegerlaufbahn lässt sich nicht damit begründen, dass das Bestehen dieses Ausbildungsabschnitts Voraussetzung für das Erreichen des Eingangsamtes dieser Laufbahn ist.
Mit Regelungen zur Wiederholung von Prüfungen hat sich der Verfassungsgerichtshof in früheren Entscheidungen bereits unter dem Aspekt des Art. 101 BV befasst. Wenn sich mit hinreichender Sicherheit ersehen lässt, dass ein Bewerber nicht geeignet ist, den dem Zweck der Abschlussprüfung entsprechenden Anforderungen zu genügen, kann sein Ausschluss von weiteren Prüfungsversuchen nach dieser Rechtsprechung nicht als unzumutbare, unverhältnismäßige Beschränkung der Handlungs- und Berufsfreiheit aufgefasst werden (VerfGH NVwZ-RR 1994, 503/504; vom 7.3.2014 VerfGHE 67, 1/10).
Die dortigen Ausführungen, die die Frage einer mehrmaligen Wiederholungsmöglichkeit von Prüfungen betreffen, lassen sich jedoch auf die Wiederholung von Ausbildungsabschnitten im Vorbereitungsdienst für Rechtspflegeranwärter nicht uneingeschränkt übertragen. Im Gegensatz zu § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl betreffen die vorzitierten Entscheidungen Abschlussprüfungen. Diese stehen regelmäßig am Ende der Ausbildung, bezwecken eine abschließende Bewertung des gesamten Ausbildungserfolgs und stellen deshalb höhere Anforderungen als Leistungskontrollen während oder am Ende eines Ausbildungsabschnitts. Zudem finden bei Abschlussprüfungen die Leistungskontrollen konzentriert innerhalb eines kurzen Zeitraums statt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spricht angesichts dieser gesteigerten Anforderungen für eine erleichterte Wiederholungsmöglichkeit. Demgemäß konnte und kann die nicht bestandene Rechtspflegerprüfung als Abschlussprüfung ohne weitere leistungsabhängige Voraussetzungen einmal wiederholt werden (§ 36 Abs. 1 ZAPO/RPfl, § 44 Abs. 1 ZAPO-J).
Demgegenüber umfasst eine auf einen Ausbildungsabschnitt beschränkte Zwischenprüfung im öffentlichen Vorbereitungsdienst einen im Vergleich zu einer Abschlussprüfung reduzierten Prüfungsstoff und berücksichtigt Leistungsnachweise, die über mehrere Monate hinweg erhoben wurden. Dies rechtfertigt Einschränkungen der Wiederholungsmöglichkeit. Hinzu kommt, dass die angegriffene Norm die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts nicht ausnahmslos versagt. § 14 Abs. 1 Satz 1 ZAPO/RPfl eröffnet Anwärtern, die den Ausbildungsabschnitt nicht bestanden haben, die einmalige Möglichkeit der Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang und damit der Wiederholung des Ausbildungsabschnitts, wenn aufgrund ihrer bisherigen Leistungen zu erwarten ist, dass der zu wiederholende Ausbildungsabschnitt erfolgreich absolviert wird. Die Sätze 2 und 3 regeln, wann dies „grundsätzlich“ nicht der Fall ist. Daher bleibt – über die vom Normgeber getroffene Typisierung hinaus – Raum für eine Wiederholung, wobei die jeweiligen Umstände in jedem Einzelfall zu prüfen sind. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz trägt die angegriffene Norm damit in noch hinreichender Weise Rechnung.
(3) Soweit der Antragsteller der Meinung ist, es sei verfassungsrechtlich geboten, eine nicht bestandene Prüfung mindestens einmal wiederholen zu können, lässt sich dies auch nicht aus der von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1989 (NVwZ 1989, 850 ff.) herleiten. Das Bundesverfassungsgericht führt darin (a. a. O., S. 854) u. a. aus, ein Ausschluss jeder Wiederholungsmöglichkeit könnte verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen. Jedenfalls eine Regelung, die zwei Wiederholungen und damit insgesamt drei Prüfungsversuche zulasse, schränke die Prüfungsvoraussetzungen und damit den Berufszugang nicht unverhältnismäßig ein. Dem lässt sich schon nicht entnehmen, inwieweit der Ausschluss einer Wiederholungsmöglichkeit in einer konkreten Fallgestaltung tatsächlich verfassungsrechtliche Probleme aufwirft und die Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Vorschrift zur Folge hat. Vor allem aber lässt der Antragsteller außer Betracht, dass § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl, wie oben dargelegt, eine Wiederholung des Ausbildungsabschnitts nicht generell ausschließt.
3. Ob über die für das Berufsbeamtentum geltenden speziellen Verfassungsbestimmungen in Art. 94 Abs. 2, Art. 116 BV hinaus der Anwendungsbereich der allgemeinen Handlungs- und Berufsfreiheit (Art. 101 BV) sowie der Ausbildungsfreiheit (Art. 128 Abs. 1 BV) eröffnet ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Popularklage bliebe auch insoweit aus den bereits unter 2. dargelegten Gründen der Erfolg versagt.
4. Da die in § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl enthaltenen Regelungen zur Wiederholung von Ausbildungsabschnitten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, erübrigen sich Ausführungen zu der vom Antragsteller angesprochenen Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung (VerfGH vom 12.3.2007 VerfGHE 60, 52/55).
VI.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben