Verwaltungsrecht

Änderung des Zielstaatsbezeichnung in einer Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  W 10 S 19.30075

Datum:
13.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 59 Abs. 2, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
AsylG § 36 Abs. 3 S. 1, § 80

 

Leitsatz

1 Die Teiländerung einer Abschiebungsandrohung hinsichtlich des Zielstaats führt nicht dazu, dass die im Übrigen bestandskräftige Abschiebungsandrohung in ihrer Gesamtheit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für einen gesunden, jungen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen besteht in Togo keine existenzielle Gefährdung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit der von der Antragsgegnerin angedrohten Abschiebung nach Togo.
Der Antragsteller gibt an, ein am … … 1998 in Sokodé in Togo geborener togoischer Staatsangehöriger zu sein. Sein Vater sei Togoer gewesen, seine Mutter Ghanaerin. Sein unter Angabe einer ghanaischen Staatsangehörigkeit gestellter Asylantrag wurde mit unanfechtbar gewordenem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 19. Oktober 2017 abgelehnt. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Ghana angedroht.
In der Folgezeit bestätigte die Botschaft die togoische Staatsangehörigkeit des Antragstellers (Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 23.5.2018, Bl. 5 ff. der BA-Akte).
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. November 2018 teilte der Antragsteller dem Bundesamt mit, dass ihm in Togo unmenschliche Behandlung drohe. Er sei im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern nach Ghana gegangen. In seiner Heimat sei er fremd und er habe dort keinerlei familiäre oder verwandtschaftliche Beziehungen mehr. Ohne Berufsausbildung drohe ihm in Togo die Arbeits- und Obdachlosigkeit. Zudem spreche er weder Kotoli bzw. Ewe noch Französisch.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2018 stellte das Bundesamt im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens von Amts wegen fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 1 des Bescheides) und änderte die mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. Oktober 2017 erlassene Abschiebungsandrohung dahingehend, dass dem Antragsteller für den Fall, dass er der Ausreiseaufforderung nicht nachkomme, die Abschiebung nach Togo angedroht wurde (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Prüfung der Abschiebungsverbote im vorhergehenden Verfahren sei hinsichtlich des dort angegebenen Herkunftsstaates erfolgt. Da eine Prüfung für den jetzt festgestellten Zielstaat noch nicht erfolgt sei, sei das Verfahren insoweit wieder zu eröffnen gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen jedoch auch hinsichtlich Togos nicht vor. Der Antragsteller habe Gründe, die gegen eine Rückkehr in seinem Herkunftsstaat sprechen, weder überzeugend und glaubhaft vorgetragen, noch lägen diese nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Nach seinem Sachvortrag drohten dem Antragsteller keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Togo führten auch nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Der Antragsteller sei im erwerbsfähigen Alter und könne zur Sicherung seines Lebensunterhaltes einer Beschäftigung nachgehen. Er habe in Ghana sieben Jahre lang die Schule besucht und anschließend als Busfahrer gearbeitet. Eine solche Tätigkeit könne er auch in Togo ausüben. Zudem lebten seine Eltern, Brüder und Schwestern in Ghana und könnten ihn finanziell unterstützen. Des Weiteren habe der Antragsteller in seiner Anhörung sehr wohl Kotoli gesprochen, so dass der Einwand, er beherrsche diese Stammessprache nicht, unzutreffend sei. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe ebenfalls nicht. Die Abschiebung könne nur nach vorheriger Androhung erfolgen. Die Abschiebungsandrohung sei auf den neuen Zielstaat zu ändern gewesen. Einer erneuten Ausreiseaufforderung habe es wegen der bestehenden Ausreisepflicht nicht bedurft.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 9. Januar 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Az: W 10 K 19.30074). Zur Begründung der Klage ließ der Antragsteller vortragen, ihm drohten in seiner togoischen Heimat, die er im Alter von vier Jahren in Richtung Ghana verlassen habe, durchaus Arbeits- und Obdachlosigkeit. Es treffe zwar zu, dass er die Landesssprache im Norden, Kotoli, beherrsche. Es treffe jedoch nicht zu, dass der Antragsteller wie in Ghana als Busfahrer arbeiten könne. Denn er sei in Ghana nur nachts ohne Führerschein gefahren. Diese Möglichkeit werde er in Togo nicht haben, weil er keinen Führerschein besitze. Von seinen Brüdern und Schwestern in Ghana, die selbst am Rande des Existenzminimums lebten, könne er keine finanzielle Unterstützung erwarten. In Togo herrsche eine hohe Arbeitslosigkeit. Als Rückkehrer aus Ghana sei der Antragsteller einer landesweiten Diskriminierung ausgesetzt. Er werde deshalb auf dem Arbeitsmarkt keine Chance habe, um sich auch nur mit Gelegenheitsarbeiten ein Existenzminimum zu sichern.
Zugleich ließ der Antragsteller im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Gegenstand des Antragsverfahrens ist das Begehren einstweiligen Rechtsschutzes gegen die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2018 verfügte Änderung der Zielstaatsbezeichnung der Abschiebungsandrohung im (unanfechtbar gewordenen) Bescheid vom 19. Oktober 2017.
1. Der Antrag ist sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die einstweilige Untersagung der Abschiebung nach Togo im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO begehrt (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO). Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (Az. W 10 K 19.30074) gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist hingegen vorliegend nicht statthaft, weil sich die Regelungswirkung des angegriffenen Bescheides in der Feststellung, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich des Zielstaates Togo nicht bestehen, und in der Änderung der Zielstaatsbezeichnung der bereits bestandskräftigen und damit vollziehbaren Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 19. Oktober 2017 erschöpft. Es fehlt somit an einem tauglichen Angriffsgegenstand eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG, weil eine gemäß § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung gerade nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 19. Oktober 2017 sind unanfechtbar geworden und damit vollstreckbar (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz – VwVG). Eine neue Regelung liegt damit lediglich in der Änderung der Zielstaatsbezeichnung gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG, welche ebenso wie der (nachträgliche) erstmalige Erlass einer Zielstaatsbezeichnung eine selbständige, abtrennbare Teilregelung darstellt (st.Rspr., z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris Rn. 24; U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 19). Diese Teiländerung ist lediglich die Folge der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides getroffenen Feststellung, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich des nunmehrigen Zielstaates Togo nicht vorliegen. Sie führt aber nicht dazu, dass die im Übrigen bereits bestandskräftige Abschiebungsandrohung in ihrer Gesamtheit wiederum Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird. Denn insoweit hat bereits eine gerichtliche Überprüfung stattgefunden bzw. war innerhalb der Fristen der §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 74 Abs. 1 AsylG möglich. Die Änderung der Zielstaatsbezeichnung von Ghana in Togo erfordert keine erneute Prüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Abschiebungsandrohung gemäß §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG, weil die Antragsgegnerin gerade keine neue Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (mit der Konsequenz der Rechtsschutzmöglichkeiten nach §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO) erlassen hat.
Daraus ergibt sich aber, dass die hier vorliegende prozessuale Situation nicht mit derjenigen einer Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 Abs. 4 AsylG vergleichbar ist mit der Folge, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 36 Abs. 3, 4 AsylG entsprechend gelten würden. Vielmehr geht es dem Antragsteller darum, seinen in der Hauptsache geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der geänderten Zielstaatsbezeichnung und Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich des nunmehrigen Zielstaates Togo prozessual zu sichern. Er will mithin erreichen, dass er vor einer rechtskräftigen Entscheidung über diese Ansprüche nicht nach Togo abgeschoben werden darf. Diese Situation ist weder gesetzlich dem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO besonders zugeordnet, noch greift hinsichtlich dieses Verfahrens die Vorrangregelung des § 123 Abs. 5 VwGO, weil Gegenstand der Hauptsache in erster Linie ein Verpflichtungsbegehren (Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote hinsichtlich Togos) ist. Der Antragsteller muss daher einstweiligen Rechtsschutz im Wege des Anordnungsverfahrens gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Ziel der einstweiligen Untersagung der Abschiebung nach Togo beantragen.
2. Als solcher ist der Antrag zulässig, insbesondere statthaft. Er wurde auch – entsprechend der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:- innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt, sodass es auf die Frage der Anwendbarkeit dieser Fristbestimmung auf die vorliegende prozessuale Konstellation nicht ankommt.
3. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Grundlagen dieser Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zur Seite, weil er voraussichtlich keinen Anspruch auf Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Togos hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). In der Folge ist die Änderung der Zielstaatsbezeichnung nach § 59 Abs. 2 AufenthG in den Zielstaat Togo voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Hauptsache wird daher nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keinen Erfolg haben.
Individuelle Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG, wie beispielsweise Erkrankungen, wurden vom Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Relevant sind daher vorliegend nur solche Abschiebungsverbote, die sich für den Antragsteller aus einer Verdichtung der – aus der allgemeinen Wirtschafts- und Versorgungslage im Zielstaat der Abschiebung resultierenden – allgemeinen Gefahrenlage zu einer extremen Gefahrensituation in seiner Person ergeben könnten. Derartige Abschiebungsverbote liegen jedoch nicht vor (vgl. VG Stuttgart, U.v. 3.8.2018 – A 5 K 104/17 – juris; U.v. 3.8.2018 – A 5 K 15992/17 – juris). Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides Bezug, denen es sich anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Aus der EMRK folgt kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).
Von einer derart ernsthaft unzureichenden Versorgungslage in Togo kann jedoch keine Rede sein. Zwar ist die wirtschaftliche Lage in Togo insgesamt ungünstig. Nach zwei Überschwemmungskatastrophen in den Jahren 2007 und 2008 (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Togo, Stand August 2011) hat das Land in den letzten zehn Jahren große Fortschritte erzielt, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Grundbildung und Bekämpfung von HIV. Im Ranking des Human Development Index belegt Togo einen hinteren Platz (Platz 166 von 188 Ländern). Trotz stabiler Wachstumsraten (durchschnittlich 5% in den letzten Jahren, Prognose für 2017: 4,2 bis 4,4%) bilden bei einem enormen Bevölkerungswachstum (Lagebericht a.a.O., S. 13) Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, das schwache Sozial- und Gesundheitssystem sowie der völlig überlastete Bildungssektor akute Probleme. Die togoische Regierung möchte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern. Im sog. Doing-Business-Report der Weltbank, der das Geschäftsklima in 189 Staaten bewertet, liegt Togo auf Rang 156. Der Bericht erkennt ausdrücklich Fortschritte in den Bereichen Unternehmensgründung, Stromversorgung und grenzüberschreitender Handel an. Togos Hauptexportprodukte sind Rohstoffe (insbesondere Zement und Phosphat) sowie landwirtschaftliche Produkte (insbesondere Baumwolle, Palmöl und Milchpulver). Wichtigste Wirtschaftssektoren sind derzeit der landwirtschaftliche (ca. 40% des BIP) und der Dienstleistungssektor (ca. 40%), Bergbau und produzierendes Gewerbe hingegen tragen nur zu knapp 20% zum BIP bei (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich – BfA, Länderinformationsblatt Togo, Stand 24.5.2018, S. 16 f. m.w.N.). Faktoren wie Armut, unzureichende Gesundheitsversorgung und geringe Bildung sind immer noch für etwa zwei Drittel der Bevölkerung kennzeichnend, vor allem im ländlichen Milieu. 41% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen lag 2014 bei 580 US-Dollar. Mehr als ein Drittel (38,7%) der Bevölkerung lebt unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag. Rund zwei Drittel der Bevölkerung finden ihr Auskommen in der Landwirtschaft, geschätzte 20% sind im Kleinhandel und im informellen Sektor aktiv und weniger als 10% im sog. modernen Sektor (BfA, Länderinformationsblatt Togo a.a.O., m.w.N.). Die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln ist jedoch gewährleistet, wenngleich sehr fragil (BfA a.a.O., m.w.N.).
In Anbetracht dieser Ausgangslage hat das erkennende Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dem Antragsteller im Anschluss an eine Rückkehr nach Togo die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz auch ohne ein familiäres Netzwerk möglich sein wird. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem notwendigen Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 – 11 A 4395/04.A – juris Rn. 47).
Es ist nicht feststellbar, dass der Antragsteller eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Anhaltspunkte für eine Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers aus gesundheitlichen Gründen liegen nicht vor. Von seiner Arbeitsfähigkeit ist daher ohne weiteres auszugehen. Es ist angesichts dessen nicht erkennbar, warum es dem Antragsteller weder möglich noch zumutbar sein sollte, nach seiner Rückkehr nach Togo auch außerhalb seiner Heimatregion und ohne Einbindung in ein familiäres Netz Fuß zu fassen. Im Gegenteil wird er voraussichtlich durch die Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit seinen notwendigen Lebensunterhalt sichern können. Daraus folgt, dass die wirtschaftliche Lage in Togo zwar ungünstig ist, jedoch für den Antragsteller als gesunden, jungen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen keine existenzielle Gefährdung besteht. Auch wenn er dort ohne Führerschein möglicherweise nicht, wie vorher in Ghana, als Busfahrer arbeiten können wird, ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm unmöglich sein sollte, in einem anderen Dienstleistungsbereich oder in der Landwirtschaft Erwerbsmöglichkeiten zu finden. Gerade in letzterem Bereich dürfte auch die Sprachbarriere keine große Rolle spielen. Im Übrigen ist der Antragsteller dem Einwand der Antragsgegnerin, er spreche auch Kotoli, nicht entgegen getreten. Da sein Vater Togoer ist, dürften die gesellschaftlichen Verhältnisse in Togo dem Antragsteller nicht völlig unbekannt sein, auch wenn er bereits im Kindesalter nach Ghana ausgewandert ist. Nicht zuletzt hat der Antragsteller auch als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 – M 21 K 17.42545 – juris Rn, 30).
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Antragsteller insbesondere nicht angesichts der Versorgungslage in Togo. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellt die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Togo eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Antragsteller in Togo erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BverwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris).
Eine derart extreme Gefahrenlage liegt nicht vor. Wie ausgeführt, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass es dem Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nach Togo möglich sein wird, sich unter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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