Verwaltungsrecht

Anerkennung eines Personalgesprächs als Dienstunfall – Meldefrist

Aktenzeichen  3 ZB 14.1973

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105345
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5
BayBeamtVG Art. 47

 

Leitsatz

1 Die Anerkennung eines Personalgesprächs als Dienstunfall ist ausgeschlossen, wenn die Dienstunfallanzeige erst nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus der Unfallanzeige muss sich zumindest mittelbar ergeben, dass ein Dienstunfall angezeigt wird, aus dem Fürsorgeansprüche entstehen können. Dem genügt ein Gesundheitszeugnis nicht, wonach ein Personalgespräch unerfreulich gewesen sei oder die erhobenen Vorwürfe den Beamten “wie der Blitz getroffen” hätten, zumal wenn die Anzeige gegenüber der unzuständigen Stelle abgegeben wird. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 12.717 2014-07-29 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000…. € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Anerkennung des Personalgesprächs vom 3. August 2009 als Dienstunfall zu Recht abgewiesen, weil der Kläger, der bis zu seiner Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit zum 31. Dezember 2011 als Diensthundeführer im Amt eines Polizeioberkommissars (BesGr A 10) im Dienst des Beklagten tätig war, diesen erst mit Schreiben vom 22. November 2011 bzw. mit Dienstunfallanzeige am 20. Januar 2012 und damit nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG gemeldet hat. Deshalb kann offen bleiben, ob das Personalgespräch als Dienstunfall anerkannt werden könnte, ob es kausal für die psychische Erkrankung des Klägers war und ob es ohne betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) geführt werden konnte, nachdem der Kläger nach einer Herzoperation vorher längere Zeit dienstunfähig erkrankt war.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den Dienstunfall nicht am 3. August 2009 mündlich seinem Dienstvorgesetzen gemeldet hat, weil die diesbezügliche Angabe in der Unfallanzeige vom 20. Januar 2012 laut Erklärung des Dienstvorgesetzen vom 19. April 2012 nicht von ihm, sondern vom Kläger stammt, und nicht den Tatsachen entspricht; im Übrigen setzt Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG eine schriftliche Meldung voraus. Ebenso ist es rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass im Gesundheitszeugnis vom 25. Februar 2010 bzw. 3. März 2010 keine Dienstunfallanzeige gegenüber dem nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG hierfür zuständigen Dienstvorgesetzen liegt. Zwar braucht sich die Art der Verletzung nicht unmittelbar aus der Meldung selbst zu ergeben, auch müssen mit ihr nicht bereits Unfallfürsorgeansprüche erhoben werden. Erforderlich sind aber nähere Angaben, aus denen – zumindest mittelbar – hervorgeht, dass ein Dienstunfall angezeigt wird, aus dem Fürsorgeansprüche entstehen können. Die Anforderungen an den Inhalt der Meldung ergeben sich dabei aus dem Zweck der Meldepflicht. Sie soll alsbaldige Ermittlungen hinsichtlich der Voraussetzungen der im Einzelfall in Betracht kommenden Unfallfürsorgeleistungen sicherstellen, um später Aufklärungsschwierigkeiten zu vermeiden (BayVGH, B.v. 29.4.2014 – 3 ZB 11.1420 – juris Rn. 6). Weder die im Gesundheitszeugnis vom 25. Februar 2010 zitierten Angaben des Klägers, das Personalgespräch sei sehr unerfreulich gewesen, man habe ihm zahlreiche – von ihm als Mobbing empfundene – Vorwürfe gemacht, noch die im Gesundheitszeugnis vom 3. März 2010 angeführte Aussage des Klägers, als man ihm eröffnet habe, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kollegen der bisherigen Dienststelle sei nicht mehr möglich, habe ihn dies „wie der Blitz getroffen“, genügen diesen Anforderungen. Hieraus ergibt sich lediglich, dass der Kläger das Personalgespräch als unangenehm und die Kritik an ihm als ungerechtfertigt empfunden hat, sowie dass er durch die Entscheidung überrascht bzw. konsterniert war, jedoch nicht, dass er einen Dienstunfall bzw. einen hierauf beruhenden Körperschaden anzeigen wollte. Darüber hinaus hat der Kläger diese Angaben auch nicht gegenüber dem Dienstvorgesetzten als der für die Anzeige von Dienstunfällen zuständigen Stelle gemacht; die Angabe gegenüber dem Polizeiarzt genügt insoweit nicht (OVG NRW, B.v. 27.11.2014 – 1 A 450/13 – juris Rn. 6).
Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils.
Soweit der Kläger behauptet, die Formulierung, die Eröffnung im Personalgespräch habe ihn „wie der Blitz getroffen“, sei eindeutig nur so zu verstehen gewesen, dass er einen Dienstunfall melden hätte wollen, ist diese subjektive Ansicht nicht geeignet, den objektiv erkennbaren Wortsinn der Äußerung zu widerlegen, wonach der Kläger zwar überrascht bzw. konsterniert war, aber damit keineswegs einen Dienstunfall mit Körperschaden angezeigt hat. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte im objektiv zum Ausdruck gekommenen Erklärungsinhalt (§§ 133, 157 BGB entsprechend). Es trifft auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass der Dienstvorgesetzte keine Kenntnis vom Inhalt des polizeiärztlichen Gutachtens vom 3. März 2010 gehabt habe. Es hat vielmehr ausgeführt, dass ihm die polizeiärztlichen Gutachten nicht vollumfänglich, sondern nur in Form des Gesundheitszeugnisses zur Kenntnis gelangt seien. Im Übrigen kommt es hierauf auch nicht maßgeblich an, weil das Verwaltungsgericht die Äußerung des Klägers gegenüber dem Polizeiarzt zu Recht schon nicht als Dienstunfallmeldung angesehen hat. Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) würde sich deshalb nicht auf die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung auswirken. Darüber hinaus wurde laut Protokoll die Frage der Rechtzeitigkeit der Meldung in der Verhandlung am 29. Juli 2014 auch ausdrücklich thematisiert, so dass keine Überraschungsentscheidung vorliegt. Vor diesem Hintergrund ist auch irrelevant, ob sich der Kläger eines „Erklärungsboten“ in Form des Polizeiarztes bedienen konnte und ob dessen Gesundheitszeugnis die Schriftform des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG wahrte. Wenn der Kläger jetzt eine Nachmeldung i.S.d. Art. 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBeamtVG geltend macht, hat er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht; soweit er sich hierzu auf das Schreiben vom 22. November 2011 bezieht, geht aus diesem hervor, dass der Kläger nicht gehindert war, den Dienstunfall rechtzeitig zu melden.
Soweit der Kläger rügt, dass vor dem Personalgespräch zwingend ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hätte werden müssen und dass der Kläger in diesem derart kritisiert worden sei, so dass sich sein gesundheitlicher Zustand nach der Herzoperation verschlechtert habe, kommt es darauf nach dem eben Ausgeführten nicht an. Gleiches gilt für die Fragen, ob es sich bei dem Personalgespräch um ein sozialadäquates Verhalten gehandelt hat, ob auch mündliche Äußerungen ein psychisches Trauma hervorrufen können und ob das Personalgespräch ursächlich für die psychische Erkrankung des Klägers war (vgl. ärztliches Attest Prof. Dr. W. vom 26. August 2014).
2. Auch einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er sich auf einen Verstoß gegen die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) beruft, liegt dieser nach dem unter 1. Ausgeführten nicht vor und hätte sich jedenfalls nicht auf die Entscheidung ausgewirkt. Soweit er einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) moniert, weil das Verwaltungsgericht seine in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge zur Belastung durch das Kritikgespräch und zur unterbliebenen Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements abgelehnt habe, kam es hierauf nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht an.
3. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich weiter, dass die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt. Soweit der Kläger die Fragen aufwirft, ob ein Personalgespräch auch dann noch als sozialadäquat eingestuft werden könne, wenn ein sog. „BEM“ nach § 84 Abs. 2 SGB IX unterblieben sei, und ob ein solches Personalgespräch „an sich“ einen Dienstunfall begründen könne, würden sich diese Fragen in einem Berufungsverfahren so nicht stellen. Im Übrigen legt der Kläger die grundsätzliche Bedeutung nicht dar.
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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