Verwaltungsrecht

Anfechtungsklage gegen Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 AsylG, Keine Erledigung durch Überstellung, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Freiwillige Ausreise in das Herkunftsland nach Überstellung

Aktenzeichen  AN 18 K 18.50208

Datum:
29.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18242
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42
AsylG § 29 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Verfahren.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte die Verwaltungsstreitsache gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Nichterscheinens der Beteiligten, die unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß und fristgerecht geladen worden waren, verhandeln und entscheiden.
Die Klagen bleiben ohne Erfolg, da sie bereits unzulässig sind. Den als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen formulierten Anträgen fehlt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Die Kläger begehren die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide vom 14. Februar 2018 und 15. Februar 2018 sowie die Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungsverbote festzustellen.
Die Anfechtungsklage ist gegen Unzulässigkeitsentscheidungen gemäß § 29 Abs. 1 AsylG (Ziffer 1 der angefochtenen Bescheide) und die daran anknüpfenden Folgeentscheidungen die alleinig statthafte Klageart (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – juris). Die Aufhebung der angefochtenen Regelung nach erfolgreicher Anfechtungsklage führt in der Folge zur weiteren inhaltlichen Prüfung der Asylanträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtschutzziel. Neben der Anfechtungsklage ist indes eine – jedenfalls hilfsweise erhobene – Verpflichtungsklage auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7
AufenthG zulässig, da insoweit gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bereits eine Sachprüfung durch die Beklagte stattgefunden hat. Dieser Streitgegenstand kann daher durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage – jedenfalls hilfsweise – mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris, Rn. 20; VG Ansbach, U.v. 22.10.2020 – AN 17 K 20.50084).
Vorliegend waren die Kläger allerdings laut Mitteilungen der Beklagten vom 17. November 2020 bereits an diesem Tag nach Litauen überstellt worden und gemäß Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 28. März 2022 im Anschluss freiwillig in ihr Herkunftsland Weißrussland ausgereist.
Auf diesen Umstand hat die Klägerbevollmächtigte nicht prozessual reagiert, in der mündlichen Verhandlung am 29. März 2022 ist trotz ordnungsgemäßer Ladung kein Vertreter für die Klage erschienen. Den Klägern fehlt daher das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die zuletzt gestellten Anträge, da diese überholt sind und die begehrte Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide die Rechtsposition der Kläger unter keinem denkbaren Blickwinkel verbessern könnte.
Zwar haben die Kläger ihr Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits – auch nicht hinsichtlich der Abschiebungsanordnungen jeweils in Ziffer 3) der Bescheide – durch die zwischenzeitlich erfolgte Überstellung nach Litauen verloren. Insbesondere haben sich die angefochtenen Bescheide dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnungen in den Ziffern 3) erledigt. Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist. Vorliegend stellen die Abschiebungsanordnungen allerdings weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung dar. Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn diese irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird (ebenso OVG Münster, U.v. 22.09.2016 – 13 A 2448/15.A; VG Düsseldorf, U.v. 27.06.2014 – 13 K 654/14.A; VG Ansbach, U.v. 19.12.2019 – AN 18 K 18.50471).
Allerdings fehlt es den Klägern nunmehr aufgrund ihrer anschließenden freiwilligen Ausreise in ihr Herkunftsland Weißrussland am Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Die Ausreise der Kläger in ihr Herkunftsland lässt bereits deren fortbestehendes Interesse am Ausgang des Verfahrens fraglich erscheinen. Da ein Asylantrag gemäß § 33 Abs. 3 AsylG als zurückgenommen gilt, sofern der Ausländer während des Asylverfahrens in seinen Herkunftsstaat gereist ist, können die Kläger ein Asylverfahren weder im Zuständigkeitsbereich der Bundesrepublik Deutschland noch in Zuständigkeit der Republik Litauen von Weißrussland aus betreiben. Es handelt sich daher bei der Frage nach dem für die Asylanträge zuständigen Dublin-Staat um einen Streit von lediglich akademischer Natur, da das finale Rechtsschutzziel der Kläger, die inhaltliche Prüfung der Asylanträge durch die Beklagte, nicht mehr erreicht werden kann und die bloße Feststellung einer Zuständigkeit Deutschlands die Rechtsposition der Kläger nicht verbessern könnte. Die Kläger haben auch keine Antragsumstellung vorgenommen oder über ihre Anfechtungsklagen hinausgehende Ansprüche auf Wiederaufnahme durch Rücküberstellung in die Bundesrepublik bzw. Vollzugsfolgenbeseitigungsansprüche geltend gemacht. Ein solches Begehren hätte auch keine Aussicht auf Erfolg. Eine Rücküberstellung gemäß Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO kann bereits nicht gelingen, da sich die Kläger nicht mehr in Litauen befinden. Auch ein Anspruch auf Folgenbeseitigung durch Rückholung der Kläger besteht nicht, nachdem diese sich nicht aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs rechtswidrigerweise in Weißrussland befinden, sondern im Gegenteil Litauen freiwillig verlassen haben.
Nach alledem waren die Klagen als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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