Verwaltungsrecht

Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage

Aktenzeichen  7 AS 19.50020

Datum:
5.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30537
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1b
VwGO § 80b Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80b Abs. 2 VwGO kann auch noch nach Eintritt der Vollziehbarkeit beantragt und angeordnet werden ( (Rn. 15). (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Entscheidung über einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO gelten die gleichen Grundsätze wie für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, da § 80b Abs. 3 VwGO die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO ausdrücklich anordnet (Rn. 16). (redaktioneller Leitsatz)
3. Derzeit kann bei einer Überstellung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender wie Familien mit (Klein-)Kindern ohne eine konkret-individuelle Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden nicht sicher gewährleistet werden, dass diese entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit in angemessenen Verhältnissen untergebracht werden (Rn. 17). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Fortdauer der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. November 2018 angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2018 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Antragsteller wenden sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer von der Antragsgegnerin erlassenen Abschiebungsanordnung nach Italien.
Die Antragsteller sind nigerianische Staatsangehörige; es handelt sich um eine im Jahr 1986 geborene Frau und drei unter ihrer Vormundschaft stehende Kinder, geboren in Nigeria in den Jahren 2004, 2005 und 2007. Sie reisten nach eigenen Angaben am 1. September 2018 in das Bundesgebiet ein und stellten am 11. September 2018 Asylanträge.
Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge lagen durch Abgleich der Fingerabdrücke Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates nach der Dublin III-VO vor. Am 25. September 2018 richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Übernahmeersuchen an Italien, auf das die italienischen Behörden nicht reagierten. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab (Nummer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nummer 2) und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Italien an (Nummer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig, da Italien aufgrund der dort gestellten Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass die Antragsteller entgegen der bisherigen Erkenntnislage in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten hätten und deshalb die Dublin III-VO keine Anwendung finden könne, bleibe es gleichwohl bei der Unzulässigkeit der Asylanträge (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Auf Antrag der Antragsteller ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. November 2018 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2018 an. Es sei offen, ob die gestellten Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG unzulässig seien, eine Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens gegeben sei und eine daraus resultierende Wiederaufnahmepflicht Italiens nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO bestehe. Zweifelhaft und noch nicht geklärt sei, ob den Antragstellern tatsächlich – wie sie behaupteten – die Rechtsstellung eines international Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, mit der Folge, dass die Dublin III-VO keine Anwendung finde und Italien nicht zur Wiederaufnahme nach Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet sei, also keine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG hätte ergehen dürfen, oder ob über die Asylanträge der Antragsteller in Italien noch nicht endgültig entschieden worden sei.
Nach Mitteilung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2019, ein an Italien gestelltes Informationsersuchen habe ergeben, dass die Asylverfahren der Antragsteller negativ beschieden worden seien, wurde die gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge erhobene Klage mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. Februar 2019 abgewiesen. Die Abschiebung könne nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG angeordnet werden, weil keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestünden. Insbesondere drohe keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne des Art. 3 EMRK.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben die Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 12. April 2019 die Zulassung der Berufung beantragt (Az. 7 ZB 19.50017). Zudem haben sie beantragt,
gemäß § 80b Abs. 2 VwGO die Fortdauer der vom Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 9. November 2018 (Az. W 10 S 18.50498) angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2018 anzuordnen.
Da bei einer Überstellung der Antragstellerin und der unter ihrer Vormundschaft stehenden minderjährigen Kinder eine nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsverletzung drohe, sei die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anzuordnen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Schweiz) könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Anzahl von Asylbewerbern keine Unterkunft finde oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht sei. Um sicherstellen zu können, dass die Aufnahmebedingungen an die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Personen wie der Antragstellerin und der minderjährigen Kinder angepasst seien, müsste vor deren Abschiebung eine individuelle Garantie von den italienischen Behörden eingeholt werden, dass die Antragstellerin zusammen mit den Kindern einen sicheren Platz in einer Unterkunft erhalte, die für alleinstehende Frauen mit Kindern eine spezielle Versorgung und Betreuung gewährleiste und zudem individuelle Bedürfnisse, insbesondere eine adäquate hygienische Umgebung und medizinische Versorgung, abdecke. Dies könne wohl nur in sog. SPRAR-Unterkünften sichergestellt werden. Nach dem Gesetzesdekret des Ministerrats Nummer 113/2018 vom 4. Oktober 2018 (sog. Salvini-Dekret), das zahlreiche Verschärfungen im italienischen Asylsystem vorsehe, stünden die sog. SPRAR-Unterkünfte nur noch unbegleiteten Minderjährigen sowie den Personen zur Verfügung, denen internationaler Schutz zuerkannt worden sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin und die Kinder dort noch untergebracht würden. Zur Verfügung stehende Erkenntnismittel sprächen dagegen, dass die übrigen zur Verfügung stehenden Erstaufnahmeeinrichtungen der CDA, CARA oder CAS für die Unterbringung schutzbedürftiger Personen geeignet seien. Auch das Verwaltungsgericht Würzburg gehe in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass es zu Problemen wie vorübergehender Obdachlosigkeit kommen könne, wenn Dublin-Rückkehrer in Italien bereits offiziell untergebracht gewesen seien. Der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen gehe unter, wenn der Ausländer seine Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlasse. Zwar sei eine erneute Unterbringung möglich, allerdings erst nach Stellung und Bearbeitung eines entsprechenden Antrags. In dieser Übergangsphase seien die Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder caritativen Einrichtungen, über deren Aufnahmekapazität keine gesicherten Erkenntnisse existierten, angewiesen, um der Obdachlosigkeit zu entgehen. Die jüngst ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2019 – 2 BvR 1380/19 – (juris) bestätige die Auffassung, dass sich auch unter Berücksichtigung der neuerlichen Zusicherung der italienischen Behörden vom 8. Januar 2019 die Situation im Hinblick auf die Unterbringung vulnerabler Personen nach Erlass des Salvini-Dekrets grundlegend geändert habe. Nicht ersichtlich sei, wo und wie die italienischen Behörden eine dem Alter und der Situation der Familien mit Kindern angemessene Unterbringung tatsächlich ermöglichen könnten. Jedenfalls aber bestehe das Risiko einer vorübergehenden Obdachlosigkeit.
Die Antragsgegnerin wandte sich gegen den Antrag und führte aus, eine individuelle Zusicherung Italiens sei nicht erforderlich. Auch wenn der Zugang zu SPRAR-Zentren auf international Schutzberechtigte beschränkt sei, stehe es den Antragstellern nach Ankunft in Italien frei, einen Folgeantrag zu stellen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen CARA und CAS sei nach Auskunft der italienischen Behörden mit Schreiben vom 8. Januar 2019 die Wahrung der Familieneinheit und der Schutz Minderjähriger sichergestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die elektronisch übersandten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Der Antrag, die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2018 anzuordnen, hat Erfolg. Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft.
Nach § 80b Abs. 2 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert. Nach § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO endet die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt nach § 80b Abs. 1 Satz 2 VwGO auch dann, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet worden ist.
Statthaftes Rechtsmittel gegen das abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts, das den Antragstellern am 13. März 2019 zugestellt worden ist, ist der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 AsylG, der nach § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylG unter Darlegung der Gründe innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen ist. Somit endete die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. November 2018 angeordnete aufschiebende Wirkung der Klage mit Ablauf von Montag, dem 13. Juli 2019.
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Antragsteller den Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO mit Schriftsatz vom 15. Juli 2019 und damit erst nach dem Ende der aufschiebenden Wirkung gestellt haben. Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung kann auch noch nach Eintritt der Vollziehbarkeit beantragt und angeordnet werden (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2018 – 3 VR 1.17 – juris Rn. 16; B.v. 19.6.2007 – 4 VR 2.07 – NVwZ 2007, 1097 Rn. 13; OVG LSA, B.v. 11.8.2015 – 2 M 91/15 – juris; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80b Rn. 8).
2. Der Antrag ist auch begründet. In der Sache gelten für die Entscheidung über einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO die gleichen Grundsätze wie für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, da § 80b Abs. 3 VwGO die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO ausdrücklich anordnet (vgl. BVerwG, B.v. 19.6.2007 – 4 VR 2.07 – NVwZ 2007, 1097 Rn. 14). Ist es – wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen – nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8). Die hiernach gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragsteller aus. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt vorliegend das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Kammerbeschluss vom 10. Oktober 2019 – 2 BvR 1380/19 – (juris) festgestellt, dass derzeit bei einer Überstellung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender wie Familien mit (Klein-)Kindern ohne eine konkret-individuelle Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden nicht sicher gewährleistet werden kann, dass diese entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit in angemessenen Verhältnissen untergebracht werden (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 22 f.). Auch unter Berücksichtigung der neuerlichen allgemeinen Zusicherung der italienischen Behörden vom 8. Januar 2019 sei nach Erlass des Salvini-Dekrets nicht mehr hinreichend ersichtlich, wo und wie die italienischen Behörden eine Unterbringung tatsächlich ermöglichen könnten, die dem Alter und der Situation besonders schutzbedürftiger Asylsuchender angemessen sei. Zwar habe der EGMR nach entsprechenden Zusicherungen der italienischen Behörden im Jahr 2015, wonach Familien mit (Klein-)Kindern zukünftig ausschließlich in den für Familien geeigneten SPRAR-Unterkünften untergebracht würden, von dem Erfordernis konkret-individueller Zusicherungen wieder abgesehen (vgl. EGMR, U.v. 4.10.2016 – Ali/Schweiz und Italien, Nr. 30474/14 Rn. 34). Die Situation in Italien habe sich jedoch seit dem Erlass des Salvini-Dekrets Ende des Jahres 2018 entscheidungserheblich verändert (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 22 f.). Die vom EGMR in Bezug genommenen SPRAR-Unterkünfte stünden Asylsuchenden mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger seit Erlass des Salvini-Dekrets nicht mehr zur Verfügung (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 a.a.O. Rn. 23 mit Bezug auf Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht vom 8.5.2019 und Danish Refugee Council/Swiss Refugee Council, Bericht v. 12.12.2018). Es sei daher vor einer Überstellung zu klären, ob die Aufnahmebedingungen in Italien nach Erlass des Salvini-Dekrets für besonders schutzbedürftige Asylsuchende als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta beziehungsweise Art. 3 EMRK anzusehen seien. Da auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel zudem nicht sichergestellt sei, dass asylsuchende Familien mit (Klein-)Kindern ohne eine konkret-individuelle Zusicherung sofort nach ihrer Überstellung überhaupt Zugang zu einer (angemessenen) Unterkunft hätten, müsse insbesondere auch das Risiko einer vorübergehenden Obdachlosigkeit ausgeschlossen werden.
Hiervon ausgehend ist auch im Fall der Antragsteller, deren Asylverfahren in Italien negativ beschieden und denen dort lediglich eine zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewährt wurde, derzeit nicht ausreichend geklärt, ob sie ohne eine konkret-individuelle Zusicherung unmittelbar nach einer Überstellung nach Italien Zugang zu einer angemessenen kind- und familiengerechten Unterkunft sowie zu zureichender medizinischer Versorgung haben. Bei der alleinstehenden Antragstellerin zu 1 sowie den unter ihrer Vormundschaft stehenden Antragstellern zu 2 bis 4 im Alter von 15, 14 und 12 Jahren handelt es sich um besonders schutzbedürftige Asylsuchende (vgl. Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen). Trotz der Schutzbedürftigkeit der Antragsteller und ungeachtet einer nicht auszuschließenden Obdachlosigkeit unmittelbar nach deren Überstellung nach Italien ist das Verwaltungsgericht im Urteil vom 15. Februar 2019 – W 10 K 18.50497 – davon ausgegangen, dass auch nach Erlass des Salvini-Dekrets eine vorherige konkret-individuelle Zusicherung der italienischen Behörden nicht erforderlich sei. Diese Annahme hat es nicht auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt und damit der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht Genüge getan. Die Antragsteller hingegen haben schlüssig dargelegt, dass das Risiko einer vorübergehenden Obdachlosigkeit insbesondere vor dem Hintergrund der im italienischen Verwaltungsverfahren bestehenden hohen Hürden in ihrem Fall besonders hoch ist.
Da die Antragsgegnerin bislang weder eine konkret-individuelle Zusicherung für die Antragsteller noch entsprechende aussagekräftige Erkenntnisse über eine kind- und familiengerechte Unterbringung von Personen wie den Antragstellern unverzüglich nach Rücküberstellung vorgelegt hat und die erforderliche Sachverhaltsaufklärung im vorliegenden Verfahren nicht erfolgen kann, ist es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) geboten, die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung anzuordnen (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2019 – 2 BvR 1380/19 – juris Rn. 16).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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