Verwaltungsrecht

Anordnung eines Abschusskontingents für Gamswild

Aktenzeichen  M 7 K 16.3758

Datum:
29.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 119601
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 21 Abs. 2, § 37 Abs. 1
BayJG Art. 32, Art. 50
VwGO § 113 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Zur Anordnung eines Abschusskontingents ist von Gesetzes wegen zwar kein Einvernehmen mit dem Jagdbeirat herzustellen; die Befassung des Gremiums mit dieser Frage ist jedoch unschädlich und vom gesetzlichen Auftrag des Jagdbeirats gedeckt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist die Fälligkeit eines angedrohten Zwangsgeldes an die Nichterfüllung eines Abschussplanes am Ende des Jagdjahres geknüpft, erweckt dies beim Adressaten nach der allgemeinen Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB den Eindruck, dass nicht beabsichtigt ist, die Erfüllung des Abschusskontingents durchzusetzen, sondern allenfalls bei Nichterfüllung des Abschussplans eine nachträgliche Sanktion in Form eines Zwangsgeldes droht. Eine derart mit einer Zwangsgeldandrohung verknüpfte Anordnung eines Abschusskontingents ist nicht rechtmäßig. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 8. August 2016, soweit er nicht aufgehoben ist, rechtswidrig war.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei der auf Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayJG gestützten und an den Kläger als Bevollmächtigten gem. Art. 7 Abs. 4 BayJG gerichteten (Art. 32 Abs. 3 Satz 1 BayJG) Anordnung, den Abschussplan für Gamswild bis zum 30. September 2016 mindestens zu 40% (4 Stück) zu erfüllen (sog. Abschusskontingent), handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, der sich durch Zeitablauf erledigt hat. Von dem angefochtenen Verwaltungsakt gehen keine dem Kläger nachteiligen Rechtswirkungen mehr aus (vgl. BVerwG, B. v. 5. Januar 2012 – 8 B 62/11 – juris Rn 14). Der Beklagte hat die Zwangsgeldandrohung wegen mangelnder Eignung zur Erzielung einer Beugewirkung in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2016 aufgehoben. Auch ist die Nichterfüllung des Abschusskontingents im Gegensatz zur Nichterfüllung des Abschussplans (vgl. Art. 56 Nr. 6, Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayJG) nicht mit einem Bußgeld bewehrt.
Dem Kläger steht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme zu, da von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid maßgeblich auf die geltenden Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 19. Januar 2016 gestützt, wonach in Jagdrevieren, in denen in der Vergangenheit schon öfter ein (deutlich) zu hoher Wildverbiss festgestellt worden ist, die Erfüllung der Abschusspläne durch weitere Maßnahmen wie die Anordnung eines Abschusskontingents sicherzustellen ist. Nachdem der Beklagte schon seit Jahren im Eigenjagdrevier des Klägers einen deutlich zu hohen Wildverbiss festgestellt hat, der Kläger die Abschusspläne für Gamswild nur sehr unzureichend erfüllt und anhaltende Differenzen zwischen den Beteiligten über den notwendigen Abschuss sowie über den Zustand des Jagdreviers bestehen, muss der Kläger auch in den kommenden Jagdjahren konkret mit der Anordnung eines Abschusskontingents rechnen (vgl. BayVGH, U. v. 7. November 1996 – 19 B 93.956 – juris Rn 41). Im Jagdjahr 2015/16 hatte der Beklagte bereits eine vergleichbare Anordnung betreffend den Rotwildabschuss getroffen, die zu einem Rechtsstreit geführt hat (M 7 K 15.3411).
Die Klage ist begründet, da die Anordnung des Abschusskontingents rechtswidrig war und den Kläger daher in seinen Rechten verletzt hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4, 1 VwGO).
Allerdings leidet die Anordnung entgegen der Auffassung des Klägers nicht an formellen Mängeln.
Soweit gerügt wurde, das Landratsamt habe sich diesbezüglich die Auffassung des Jagdbeirats zu eigen gemacht, ist zwar richtig, dass zur Anordnung eines Abschusskontingents von Gesetzes wegen kein Einvernehmen mit dem Jagdbeirat herzustellen ist. Die Befassung des Gremiums mit dieser Frage ist jedoch unschädlich und vom gesetzlichen Auftrag des Jagdbeirats gedeckt. Bei der Anordnung eines Abschusskontingents handelt es sich um eine begleitende Maßnahme zur Durchsetzung des nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG einvernehmlich mit dem Jagdbeirat festzulegenden Abschusses; sie ist also hiermit thematisch eng verbunden. Der Jagdbeirat ist ein mit sachkundigen Vertretern der fünf maßgeblichen Interessentengruppen, nämlich der Land- und Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und des Natur- und Waldschutzes besetztes, zwingend vorgesehenes (§ 37 Abs. 1 BJagdG) Gremium zur Beratung aller Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtiger Einzelfragen (Art. 50 Abs. 1 BayJG). Von einer wichtigen Einzelfrage ist mit Rücksicht darauf, dass die Anordnung eines Abschusskontingents eine Eingriffsmaßnahme mit Ausnahmecharakter darstellt und von etlichen zum Teil schwierig zu bewertenden Gesichtspunkten und Interessen abhängen kann, auszugehen. Abgesehen davon, dass am 21. Januar 2016 lediglich eine allgemeine, vom Fall des Klägers losgelöste Beratung zum Abschusskontingent als Instrument der Durchsetzung von Abschussplänen stattfand, ist nicht ersichtlich, weshalb es der Unteren Jagdbehörde verwehrt sein sollte, seiner Überzeugungsbildung das Ergebnis der Beratung im Jagdbeirat zugrunde zu legen. Insbesondere rechtfertigt dies nicht den Schluss, dass sich das Landratsamt keine eigene Überzeugung gebildet hat und generell die Auffassung des Jagdbeirates ungeprüft und schematisch übernimmt. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass eine gem. Art. 50 Abs. 2 BayJG nicht zum Jagdbeirat gehörende Person, nämlich der damalige Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, an der Sitzung des Jagdbeirats am 21. Januar 2016, in der die Anwendung von Abschusskontingenten beraten worden ist, teilgenommen hat. Nach Art. 50 Abs. 5 BayJG können vom Vorsitzenden zu den Beratungen des Jagdbeirats weitere Sachkundige, wie hier der Leiter einer staatlichen Fachstelle, zugezogen werden. Den Trägern öffentlicher Belange, wozu auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gehört, ist auf Verlangen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der damalige Amtsleiter war ausweislich des Protokolls über die Jagdbeiratssitzungen nicht als Interessenvertreter anwesend. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Art. 88, 90, 91 BayVwVfG vorgesehene Verfahren bei der Sitzung am 21. Januar 2016 verletzt worden ist.
Auch ist die streitgegenständliche Anordnung nicht deshalb rechtswidrig, weil sie der Durchsetzung einer nicht erfolgten Festsetzung des Gamsabschusses für das Jagdjahr 2016/17 dienen sollte. Wie sich aus den Gründen des die Klage gegen die Festsetzung des Abschussplanes für Gamswild abweisenden Urteils vom selben Tag (M 7 K 16.3639) ergibt, ist der unteren Jagdbehörde bei der Angabe des Jagdjahres eine unschädliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von Art. 42 Satz 1 BayVwVfG unterlaufen, die der Festsetzung für das Jagdjahr 2016/17 nicht entgegensteht.
Schließlich wurde dem Kläger auch ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Im Anhörungsschreiben vom 18. Juli 2016 hat ihm das Landratsamt die beabsichtigte Anordnung des konkreten Abschusskontingents und die wesentlichen Gründe hierfür mitgeteilt, so dass für ihn klar und erkennbar war, weshalb und wozu er sich äußern sollte und mit welcher eingreifenden Entscheidung er demnächst zu rechnen hatte (vgl. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 2014 8. Aufl., § 28 Rn 34). Dabei bedurfte es weder der Anhörung zu sämtlichen Begründungselementen des noch zu fertigenden Bescheides, die vor einer Befassung mit den vom Betroffenen vorgebrachten Einwänden ohnehin nicht möglich wäre, noch zu behördeninternen Fachplanungen – wie hier des AELF zur Sanierung von Schutzwäldern -, die keine Außenwirkung gegenüber dem Betroffenen entfalten und mit dem zu beurteilenden Verwaltungsverfahren in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Der Umstand, dass eine Fachbehörde Erkenntnisse aus dem gesamten Rahmen ihres Tätigkeitsbereiches schöpft und die Bewertung von Fachfragen auf ihr gesamtes erworbenes Wissen stützt, führt nicht dazu, dass der Betroffene eines konkreten Verwaltungsverfahrens zu der Gewinnung jeder einzelnen Erkenntnis anzuhören wäre. Die maßgebliche Tatsache, dass das AELF von einer drohenden Entmischung des Bergmischwaldes in seinem Revier ausgeht, der es gegenzusteuern gilt, war dem Kläger schon aus früheren Streitigkeiten um die Abschussfestsetzung bekannt.
Die Anordnung erweist sich indes als unrechtmäßig, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses und bis zu ihrer zeitlichen Erledigung mit einer an die ordnungsgemäße Erfüllung des Abschussplans zum Ende des Jagdjahres geknüpften Androhung von Zwangsgeld versehen war. Damit war sie von vornherein nicht dazu geeignet, ihren Zweck zu erfüllen, nämlich einen vorzeitigen Teilabschuss von 40% bis zum 30. September 2016 zu sichern. Dass die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes an die Nichterfüllung des Abschussplanes am Ende des Jagdjahres geknüpft war, musste beim Adressaten nach der allgemeinen Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB (vgl. BVerwG, B. v. 31. August 2011 – 2 B 68/10 – juris Rn 6) den Eindruck erwecken, dass nicht beabsichtigt war, die Erfüllung des Abschusskontingents durchzusetzen, sondern allenfalls bei Nichterfüllung des Abschussplans eine nachträgliche Sanktion in Form eines Zwangsgeldes drohte. Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2016 aufgehobene Zwangsgeldandrohung stellt sich damit in Wahrheit so dar, dass sie der Durchsetzung des Abschussplans diente. Nur für diesen Fall macht Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayJG eine Ausnahme von dem dem Vollstreckungsrecht allgemein zugrundeliegenden Gedanken, dass eine Vollstreckung unzulässig wird, wenn wegen veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände kein behördliches Interesse an der Vollstreckung mehr bestehen kann (BayVGH, B. v. 10. Oktober 1991 – 7 CS 91.2523 – BayVBl. 1992, 22; vgl. auch Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 11. Aufl. 2017, § 15 Rn 10). Ob diese Regelung auch analog auf den Fall einer Zwangsgeldandrohung angewendet werden kann, die der Durchsetzung eines Abschusskontingents dient, kann offen bleiben, weil die aufgehobene Zwangsgeldandrohung nicht auf den Ablauf der Anordnung, den 30. September 2016, bezogen war. Jedenfalls blieb es durch die Verbindung der konkreten Zwangsgeldandrohung mit der Anordnung des Abschusskontingents letztlich dem Kläger überlassen zu entscheiden, ob er den Abschussplan nach den Vorgaben der Behörde oder nach seinen eigenen zeitlichen Vorstellungen erfüllte. Damit verlor die Anordnung des Abschusskontingents jedoch ihren gegenüber der Festsetzung des Abschussplans eigenständigen Sinn, einen Teilabschuss vorzeitig sicherzustellen, und war deshalb nicht nur ungeeignet, sondern auch nicht erforderlich.
Wegen der vor allem bzw. parallel gegen die Festsetzung des Gamswildabschusses gerichteten Einwände wird auf das Urteil vom selben Tag im Verfahren M 7 K 16.3639 verwiesen.
Aus den vorstehenden Gründen war der Klage stattzugeben. Hiermit erübrigt sich eine Entscheidung über den vom Kläger gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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