Verwaltungsrecht

Anspruch auf Erledigungsgebühr

Aktenzeichen  9 C 18.1009

Datum:
29.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15274
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 2 Abs. 2
VV RVG Nr. 1002

 

Leitsatz

1. Der innere Grund für die zur Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) oder Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) hinzutretende Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Mühe darauf verwandt hat, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden, ohne es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, im Erfolgsfall dem Mandanten in besonderer Weise genützt hat, weil er ihm die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand erspart (wie BayVGH BeckRS 2017, 108018 Rn. 16). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Mitwirkung bei der Erledigung iSv Nr. 1002 VV RGV setzt eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat. Der Bevollmächtigte muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag dazu geleistet haben. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Telefonat eines bevollmächtigten Rechtsanwalts mit einem Behördenvertreter mit der Anregung, einen Bescheid „einfach aufzuheben“, kann grundsätzlich als ein auf eine Erledigung gerichtetes Einwirken auf die zuständige Behörde iSe Mitwirkung bei der Erledigung in Betracht kommen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 M 18.299 2018-03-20 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, über die gemäß § 150 VwGO der Senat entscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – juris Rn. 13 m.w.N.), hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2017 zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger kann keine Erledigungsgebühr beanspruchen.
Gemäß § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – VV RVG). Nach Nr. 1002 VV RVG entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt; das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Der innere Grund für diese zur Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) oder Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) hinzutretende Gebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Mühe darauf verwandt hat, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden, ohne es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, im Erfolgsfall dem Mandanten in besonderer Weise genützt hat, weil er ihm die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand erspart (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2017 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
Eine Mitwirkung bei der Erledigung im Sinn von Nr. 1002 VV RGV setzt daher eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat. Der Bevollmächtigte muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag dazu geleistet haben. Dies ist dann der Fall, wenn seine Tätigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre. Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Bevollmächtigten liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegoltene Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs hinausgeht und auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.4.2017 a.a.O. Rn. 17; BayVGH, B.v. 30.12.2016 – 15 C 16.1973 – Rn. 15 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Soweit sich der Kläger auf ein Telefonat seines Bevollmächtigten mit dem zuständigen juristischen Staatsbeamten des Landratsamts vom 11. Januar 2017 und eine E-Mail vom selben Tag mit der Anregung beruft, den Bescheid vom 3. Juli 2015 „einfach aufzuheben“, mag zwar ein auf eine Erledigung gerichtetes Einwirken auf die zuständige Behörde als eine Tätigkeit im oben genannten Sinn angesehen werden können (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt: RVG, 23. Auflage 2017, VV 1002 Rn. 49). Der Sachverhalt gibt aber hinreichenden Anhalt für die Annahme, dass hier darin kein relevanter Beitrag des Bevollmächtigten des Klägers an der Herbeiführung der Erledigung gesehen werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass letztlich das richterliche Hinweisschreiben vom 9. Dezember 2016 den Anlass für das Landratsamt gegeben hat, den angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 2015 zurückzunehmen. In diesem Schreiben wurde auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. August 2015 im Eilverfahren Bezug genommen, mit dem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage wegen rechtlicher Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 3. Juli 2015 wiederhergestellt hat. Im Rücknahmebescheid vom 13. Januar 2017 hat sich das Landratsamt ausdrücklich darauf berufen, dass der Bescheid vom 3. Juli 2015 aufgrund der Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 25. August 2015 zu dessen Rechtswidrigkeit zurückgenommen wird. Nach dem Schreiben des Landratsamts vom 5. Oktober 2017 wurde auch in einer Stellungnahme des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Anordnung im Bescheid vom 3. Juli 2015 als ungerechtfertigt angesehen, so dass sich in einer Gesamtschau der rechtlichen Situation nur durch eine Rücknahme des Bescheids weiterer Kostenanfall zu vermeiden gewesen sei. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar und glaubhaft, dass das Landratsamt sich in seinem prozessualen Verhalten maßgeblich an Hinweisen des Gerichts zur Rechtslage und nicht schon an dem Vorbringen der Gegenseite orientiert hat (vgl. OVG NW, B.v. 19.12.2013 – 16 E 204/13 – juris Rn. 21), zumal sich das Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers in der E-Mail vom 11. Juli 2017 auf die bloße Anregung beschränkt hat, den angefochtenen Bescheid „einfach aufzuheben“ und sich der Telefonnotiz vom 11. Januar 2017 keinerlei Aussage über den Inhalt des Gesprächs mit dem Landratsamt entnehmen lässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ergibt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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