Verwaltungsrecht

Antrag auf Beschlussänderung wegen veränderter Umstände

Aktenzeichen  W 4 S 20.270

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7900
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltverband, begehrt mit dem vorliegenden Antrag die teilweise Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 im Verfahren 22 CS 19.2297.
Mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilte das Landratsamt W. der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon E 101 mit einer Nennleistung von 3 Megawatt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Genehmigungsbescheid vom 26. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. März 2014 in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom 31. Juni 2014 und 13. Oktober 2014 auf (Az.: W 4 K 14.604). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2015 den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte der Beigeladene die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage Enercon E 101 mit 3 Megawatt Leistung und einer Nabenhöhe von 135,40 m.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt W. der Beigeladenen daraufhin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Von den baurechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO wurde für die Abstandsflächen zu mehreren Grundstücken eine Abweichung zugelassen. Unter Ziffer IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 an das Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg, hier eingegangen am selben Tage, ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragte zudem im Verfahren W 4 S 19.1006, die aufschiebende Wirkung der Klage W 4 K 19.769 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Mit Beschluss vom 30. Oktober 2019 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg diesen Antrag ab. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 23. Januar 2020 (Az. 22 CS 19.2297) auf die Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. Oktober 2019 abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Genehmigung vom 29. Mai 2019 wiederhergestellt, soweit die Genehmigung den Betrieb der Windenergieanlage im Zeitraum 1. August bis 31. Oktober in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang zulässt. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Unter dem 10. Februar 2020 beantragte der Antragsteller, den Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020, 22 CS 19.2297, dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (VG Würzburg, W 4 K 19.769) gegen die Genehmigung des Antragsgegners vom 29. Mai 2019 auch insoweit wiederhergestellt wird, als die Genehmigung den Betrieb der Windenergieanlage im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. März in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang zulässt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragten jeweils den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO, gerichtet darauf, den Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Genehmigung des Antragsgegners vom 29. Mai 2019 auch insoweit wiederhergestellt werde, als die Genehmigung den Betrieb der Windenergieanlage im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. März in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang zulasse, hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, vorliegend das Verwaltungsgericht, da bei ihm die Hauptsacheklage anhängig ist, Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Vorliegend hat der Antragsteller mit Schreiben vom 10. Februar 2020 einen solchen Antrag auf Änderung des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 wegen veränderter Umstände gestellt. Ihm fehlt allerdings bereits die erforderliche Antragsbefugnis. Denn, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 7 VwGO ergibt, ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Antrags, dass sich die für die Beurteilung maßgeblichen, tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte derart geändert haben, dass objektiv eine andere Beurteilung der Erfolgsaussichten möglich oder zumindest eine neue Interessenabwägung erforderlich ist. Eine solche Veränderung der Umstände, aus der sich zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der Eilentscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 ergeben könnte, kann die Kammer vorliegend allerdings nicht erkennen.
Der Antragsteller begründet seinen Antrag damit, dass der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Januar 2020 die Auffassung vertrete, dass die Begründung des Antragsgegners im Genehmigungsbescheid vom 29. Mai 2019, warum die offenbar für den Zeitraum April bis Juli angenommene Gefährdungssituation nach dem Juli eines jeden Jahres nicht mehr bestehen solle, nicht nachvollziehbar sei. Sofern es um den Beginn der mit der Nebenbestimmung 6.4 angeordneten Tagabschaltung gehe, habe der Bayer. Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es der Beschwerdebegründung an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg gefehlt habe. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof habe sich aus diesem Grund gehindert gesehen, diesen Vortrag seiner Entscheidung noch zugrunde zu legen, weil er außerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfolgt sei. Da somit eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf den Beginn der Tagabschaltung nur aus formalen Gründen abgelehnt worden sei, bestehe für den Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO eine Antragsbefugnis.
Dem kann jedoch seitens der Kammer nicht gefolgt werden. Denn dieser Vortrag zeigt keine neuen oder veränderten Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art gegenüber der Ausgangsentscheidung i.S.v. § 80 Abs. 7 Satz 2 Alternative 1 VwGO auf, sondern verweist vielmehr auf den ursprünglichen Vortrag, sodass es bereits an einer Antragsbefugnis fehlt.
2. Doch selbst dann, wenn mit Blick auf die bloße Filterfunktion der Antragsbefugnis die Geltendmachung veränderter Umstände in dem Sinne genügen sollte, dass der Antragsteller einen schlüssigen Vortrag bietet, wäre der Antrag jedenfalls unbegründet, da veränderte Umstände i.S.v. § 80 Abs. 7 Satz 2 Alternative 1 VwGO jedenfalls tatsächlich nicht vorliegen.
Der Vortrag des Antragstellers, die Abschaltung der Windkraftanlage müsse auch im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. März in der Zeit von einer halben Stunde nach Sonnenaufgang bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang erfolgen, wurde bereits im ursprünglichen Verfahren geltend gemacht und stellt somit keinen veränderten Umstand i.S.d. Vorschrift dar. Auch die Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Januar 2020 selbst stellt keinen veränderten Umstand etwa in Form einer Veränderung der Rechtslage dar, zumal der Bayer. Verwaltungsgerichtshof sich inhaltlich mit dem Vortrag des Antragstellers, dass die verfügte Tagabschaltung auch insoweit fachlich unzureichend und rechtsfehlerhaft sei, als sie nicht schon ab März, sondern erst ab April einsetze, inhaltlich nicht auseinandergesetzt hat.
Im Übrigen wäre nach Überzeugung der Kammer eine andere Auffassung auch nicht mit § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO und der dort geregelten Beschränkung der Begründungsfrist vereinbar. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Bayer. Verwaltungsgerichtshof als Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung über die Beschwerde in der Sache grundsätzlich auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt, soweit sie sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und nicht lediglich eine Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder eine bloße Behauptung darstellen. Eine vollumfängliche Prüfung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist also mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Reduktion des Umfangs der Begründetheitsprüfung nicht vereinbar. Würde man nunmehr dem Antragsteller und Beschwerdeführer die Möglichkeit eröffnen, über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO die vom Beschwerdegericht wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht berücksichtigten Gründe erneut vorzubringen, würde dies zu einer Umgehung dieser Vorschrift führen und damit dem Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO widersprechen, da trotz der vom Gesetz vorgesehenen Reduktion des Umfangs der Begründungsprüfung „durch die Hintertür“ eine erneute vollumfängliche Prüfung durch das Beschwerdegericht durchgeführt werden müsste.
3. Der Antrag war demnach abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben