Verwaltungsrecht

Asyl, Afghanistan: Geltendmachung einer PTBS durch Gutachten eines Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten

Aktenzeichen  RN 7 K 16.32563

Datum:
5.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21554
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2 c

 

Leitsatz

1 Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch eine qualifizierte, gewissen Mindestanforderungen genügende ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Besondere Anforderungen hierfür gelten nach der stRspr im Hinblick auf das Vorbringen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Hierfür bedarf es regelmäßig der Vorlage eines fachärztlichen Attestes. (Rn. 16 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung, dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gem. § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (BayVGH BeckRS 2018, 1335). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Aus- bzw. Weiterbildung bzw. die Qualifikation zur Führung des Titels eines „Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten“ muss wie die des „Psychologischen Psychotherapeuten“ Mindestanforderungen erfüllen. Die Rechtsprechung hat im Hinblick darauf und weil die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nur „regelmäßig“ die Vorlage eines fachärztlichen Attestes fordert auch z.B. die Vorlage eines Gutachtens eines Psychologischen Psychotherapeuten zur Darlegung einer PTBS ausreichen lassen, wenn es die inhaltlichen Mindestanforderungen erfüllt (BayVGH BeckRS 2016, 51387). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird
abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, weiter hilfsweise Abschiebungsschutz.
Der am …1997 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Volkszugehöriger der Hazarer und schiitischen Glaubens. Er reiste laut BÜMA am 3.12.2015 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22.4.2016 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG (Asylgesetz) vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 23.8.2016 gab der Kläger Folgendes an: Er habe in Afghanistan am 28.10.2015 verlassen. Er habe dort seit 2005 bis zu seiner Ausreise in Kabul, Stadtteil … … gelebt. Die Reise auf dem Landweg habe 5000 – 6000 US Dollar gekostet. Seine Eltern seien verstorben. Er habe niemanden in Afghanistan. Die Geschwister hielten sich in Deutschland oder in Istanbul auf, Onkel und Tanten seien überall verstreut. Er sei bis zur zehnten Klasse in die Schule gegangen. Er habe in einer Bäckerei gearbeitet, früher hätten sie selbst einen eigenen Laden gehabt, in dem sie Kekse verkauft hätten, diesen aber später aufgegeben. Seine Mutter sei 2013 an einer Krebserkrankung gestorben. Im Jahr 2015 sei sein Vater auf dem Weg in eine andere Provinz vom Fahrzeug heruntergezerrt und von den Taliban erschossen worden. Dann sei die ganze Verantwortung auf ihn als Familienoberhaupt zugekommen. Weil sie aus W. gewesen seien, hätten sie bei Behördenangelegenheiten immer dorthin den gefährlichen Weg nehmen müssen. Er habe nach dem Tod seines Vaters dann ständig Angst gehabt, dass er eines Tages auch getötet werde und er nicht in der Lage wäre für seine Familie zu sorgen. Nach diesen Problemen familiärer Art und weil er für seine jüngeren Brüder habe sorgen müssen hätten sie sich entschlossen Afghanistan zu verlassen. Sie hätten ständig Angst gehabt. Keiner habe sich um sie gekümmert. Sie seien Richtung Iran gegangen und von dort aus nach Europa. Nahe Verwandte und Bekannte des Vaters hätten ihnen dabei geholfen. In der Türkei seien sie getrennt geworden. Zwei Schwestern und zwei Brüder seien dort geblieben. Auf Nachfrage: Er persönlich sei nicht direkt bedroht worden. Sein Onkel väterlicherseits habe mit dem Fremden gearbeitet. Seine Familie sei bekannt gewesen. Seinen Vater hätte dies auch bedroht. Zwei Onkel in Kanada hätten früher mit den Amerikanern zusammen gearbeitet, ein Onkel, der jetzt in Deutschland sei, für die Caritas. Befragt, was er bei einer Rückkehr befürchten würde gab er an, es gebe dort kein Leben. Er sei unruhig, habe schlaflose Nächte. Er fürchte nicht mehr ans Ziel zu kommen. Er leide psychisch darunter. Auch als Hazara hätten sie in Afghanistan keine Sicherheit.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.9.2016 wurde in Ziffer 1 der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und in Ziffer 2 der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt. In Ziffer 3 des Bescheids wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt. In Ziffer 4 des Bescheids wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. In Ziffer 5 forderte das Bundesamt den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, würde er nach Afghanistan abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. In Ziffer 6 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde laut Bundesamtsakte am 23.9.2016 als Einschreiben zur Post gegeben.
Mit am 6.10.2016 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten ließ der Kläger gegen den Bescheid Klage erheben. Zur Begründung wird vorgebracht, dem Kläger würde in Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung durch die Taliban drohen, weil diesen bekannt sei, dass der Vater und der Onkel des Klägers für ausländische Organisationen gearbeitet hätten. Zumindest habe er Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots vor, da der – noch sehr junge – Kläger an einer psychischen Erkrankung leide. Es wurde hierzu eine gutachterliche Stellungnahme des Dr. …, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut, vom 31.3.2017 vorgelegt. Wie darin nachvollziehbar dargelegt werde, leide der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Zusammenhang mit seinen Erlebnissen in Afghanistan stünden und wegen derer er eine längerfristige psychotherapeutische Behandlung benötige. Der Kläger gehöre deswegen als besonders schutzbedürftige Person zum Kreis der Flüchtlinge mit einem besonderen Risikoprofil im Sinne der UNHCR-Richtlinien, für die eine Existenzmöglichkeit unter den Lebensbedingungen in Afghanistan nicht bestehe. Im Falle einer Rückkehr hätte der Kläger im Hinblick auf die in Afghanistan bestehenden Mängel im Gesundheitswesen und das Erfordernis, über finanzielle Mittel verfügen zu müssen, nicht nur keinen Zugang zu der für ihn notwendigen Behandlung, was aus allen Erkenntnismitteln deutlich hervorgehe. Er wäre auch im Hinblick auf seine besondere Verletzlichkeit nicht in der Lage, sich ohne Unterstützung von Verwandten im täglichen Überlebenskampf durchzusetzen. Über Verwandte verfüge er nicht mehr.
Der Kläger beantragt,
1.die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.9.2016, zugestellt am 27.9.2016, zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
2.hilfsweise, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
3.weiter hilfsweise festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen,
4.dem Kläger unter Beiordnung der Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 5.9.2018 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichterin übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die übermittelte Bundesamtsakte Bezug genommen.
II.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist nach Maßgabe von § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. §§ 114, 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers abzulehnen, weil der Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
1. Im Bescheid vom 22.9.2016 hat das Bundesamt im Hinblick auf seine Anhörung nach § 25 AsylG ausführlich und zutreffend dargestellt und ohne erkennbare Rechtsfehler begründet, warum die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG sowie subsidiärer Schutz nicht zuerkannt werden kann und die Voraussetzungen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht erfüllt sind. Das Gericht folgt deshalb nach summarischer Prüfung den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 77 Abs. 2 des Asylgesetzes (AsylG)).
Soweit im Klageverfahren pauschal vorgebracht wird, dass sich Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes aus der Tätigkeit des Vaters für eine ausländische Organisation ergeben würden, bleibt offen, worauf sich der Kläger insoweit konkret beruft. Beim Bundesamt hat der Kläger nichts davon erwähnt, dass der Vater für eine ausländische Organisation gearbeitet hätte. Er hat allerdings angeführt, dass Onkel von ihm für die Caritas bzw. für die Amerikaner gearbeitet hätten, allerdings blieb auch der Vortrag hierzu unkonkret und vage und ist nicht geeignet, eine entsprechende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung nach § 77 Abs. 1 AsylG auch nicht nach Auswertung der neuesten Erkenntnisquellen zur Sicherheitslage. Gesamtbetrachtend führt die Lage in Afghanistan nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu gewähren wäre (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.1.2018 – 13a ZB 17.30687; B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris; B.v. 8.11.2017 – 13a ZB 17.30615 – juris;).
2. Auch soweit nun im Klageverfahren im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen erstmals eine posttraumatische Belastungsstörung geltend gemacht wird, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Voraussetzungen für die hilfsweise begehrte Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG (menschenrechtswidrige Behandlung) bzw. nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erfüllt.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren‚ die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind‚ während Gefahren‚ die sich aus der Abschiebung als solche ergeben‚ nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; vgl. BVerwG‚ U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – DVBl 2003, 463; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – BVerwGE 105‚ 383 m.w.N.). Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris). Gründe hierfür können nicht nur fehlende Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch die tatsächliche Nichterlangbarkeit einer an sich vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33).
Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch eine qualifizierte, gewissen Mindestanforderungen genügende ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (BayVGH, B.v. 27.11.2017 – 9 ZB 17.31302 – juris Rn. 4). Besondere Anforderungen hierfür gelten nach der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf das Vorbringen einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds und seiner vielfältigen Symptome bedarf es hierfür regelmäßig eines fachärztlichen Attests, das den Mindestanforderungen genügt. So muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris).
Das Gericht hat im Rahmen der summarischen Prüfung bereits erhebliche Zweifel, ob die vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung im Hinblick auf die fachliche Qualifikation des Gutachters ausreicht. Wie in der zitierten Rechtsprechung des BVerwG zu den Anforderungen der Darlegung einer PTBS ausgeführt, bedarf es hierzu regelmäßig einer Vorlage eines fachärztlichen Attestes. Das vorgelegte Gutachten stammt allerdings nicht von einem Facharzt, sondern von einem Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten. Die Aus- bzw. Weiterbildung bzw. die Qualifikation zur Führung des Titels eines „Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten“ muss zwar wie die des „Psychologischen Psychotherapeuten“ Mindestanforderungen erfüllen (vgl. § 5 PsychThG – Zugangsvoraussetzung kann anders als beim Psychologischen Psychotherapeuten aber nicht nur ein Hochschulstudium der Psychologie, sondern auch ein Hochschulstudium der Pädagogik oder Sozialpädagogik sein). Die Rechtsprechung hat im Hinblick darauf und weil die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nur „regelmäßig“ die Vorlage eines fachärztlichen Attestes fordert auch z.B. die Vorlage eines Gutachtens eines Psychologischen Psychotherapeuten zur Darlegung einer PTBS ausreichen lassen, wenn es die inhaltlichen Mindestanforderungen erfüllt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.8.2016 – Az. 20 ZB 16.30110 – juris).
Es entspricht inzwischen allerdings gefestigter Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – juris Rn. 4; B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 8; OVG NRW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17A – juris Rn. 19 ff.; OVG LSA, B.v. 28.9.2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2 ff.), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG (eingefügt durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016, BGBl I 2016, 390) auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn. 7).
§ 60a Abs. 2c Satz 2 und Satz 3 AufenthG fordern dem Wortlaut nach aber eindeutig eine ärztliche Bescheinigung. Der Ausländer muss danach eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine „qualifizierte ärztliche Bescheinigung“ glaubhaft machen. Diese „ärztliche Bescheinigung“ soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die „fachlich-medizinische Beurteilung“ des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach „ärztlicher Beurteilung“ aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Ausnahmen oder eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur „regelmäßig“ gefordert wird, enthält die Vorschrift dem Wortlaut nach nicht.
Die vorgelegte Stellungnahme des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten Dr. Phil. … vom 31.3.20178 zum Gesundheitszustand des Klägers genügt den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG damit schon deshalb nicht, weil sie nicht von einem approbierten Arzt erstellt wurde (so auch VG München, B.v. 18.10.2017 – M 21 S 17.33668 – juris Rn. 29 unter Verwies auf BT-Drucks. 18/7538 S. 19; VG Augsburg, U.v. 17.5.2018 – Au 6 K 17.31062 – juris Rn 58).
In dem Gutachten wurde unabhängig davon auch inhaltlich nicht entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung und des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG eine PTBS mit entsprechendem Schweregrad und Behandlungsbedürftigkeit dargelegt, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im beschrieben Sinne darstellt.
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die beschriebene Erkrankung offenbar weder in der Zeit seit der Einreise bis zur Begutachtung (ca. 15 Monate) dazu geführt hat, dass der Kläger um ärztliche oder sonst fachkundige Hilfe nachgesucht hat, noch in der Zeit nach der Begutachtung eine entsprechende Behandlung eingeleitet worden wäre.
Zwar wird ausgeführt, der Kläger benötige eine längerfristige psychotherapeutische Behandlung. Grundvoraussetzung sei aber eine gesicherte Aufenthaltssituation. Solange der Kläger sich durch eine mögliche Abschiebung bedroht fühle, könne keine Therapie erfolgreich sein. Auch wenn das Gericht keine ausreichende Fachkunde für eine eigene Beurteilung hat, spricht der Umstand, dass nach dem Gutachten derzeit akut eine Behandlung (Medikamente, Psychotherapie etc.) unabhängig von der Notwendigkeit einer längerfristigen Therapie nicht gesehen wird nicht dafür, dass das Krankheitsbild eine Schwere aufweist, wie es das Gesetz für die Feststellung von Abschiebungshindernissen fordert.
Wie ausgeführt muss sich aus einem Gutachten zum Vorliegen einer PTBS zudem nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Begutachter seine Diagnose gestellt hat, insbesondere auch ob die geschilderten Beschwerden durch die eigene erhobenen Befunde bestätigt werden und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Es muss Aufschluss über die Schwere der Krankheit und deren Behandlungsbedürftigkeit geben. Insoweit ist der pauschale Verweis auf die Notwendigkeit einer längerfristigen psychotherapeutischen Behandlung unter der Voraussetzung einer gesicherten Aufenthaltssituation wenig konkret und nicht ausreichend. Auch ist nach der angeführten Rechtsprechung dazulegen, warum der Erkrankung nicht früher geltend gemacht wurde, nachdem erst 15 Monate nach der Einreise und nach der Ablehnung des Asylantrags eine PTBS vorgebracht wurde. Zu verweisen ist auch darauf, dass das Krankheitsbild einer PTBS grundsätzlich ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes voraus setzt, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (vgl. z.B. OVG NRW v. 13.6.2018, 13 A 1080/18.A – juris Rn. 15). Soweit hierzu im Gutachten (Ziffer 5) ausgeführt wird, der Kläger sei als Kind und Jugendlicher in Afghanistan und auf dem Fluchtweg nach Deutschland wiederholt massiven direkten und beobachteten Traumatisierungen/Gewalterfahrungen schutzlos ausgesetzt gewesen, er sei hierdurch schwerst traumatisiert worden, fällt schon auf, dass weder im Rahmen der vom Gutachter dargelegten Anamnese noch in den Schilderungen des Klägers beim Bundesamt von Traumatisierungen/Gewalterfahrungen auf dem Fluchtweg die Rede ist. Auch soweit in der Anamnese ausgeführt wird, der Kläger habe berichtet, er könne gar nicht alles aufzählen, was er in all den Jahren als Kind und Jugendlicher in Kabul/Afghanistan erlebt habe; er sei Augenzeuge von schlimmsten Gewalttaten (Bombenexpolsionen, Anschläge durch Selbstmordattentäter) in Kabul gewesen, bleibt dies zeitlich und auch im Hinblick auf das konkret Erlebte allgemein und vage. Es ergibt sich zudem nicht, dass der Gutachter diese Schilderungen einer eigenen kritischen Betrachtung unterzogen hätte.
Insgesamt hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger in psychischer Hinsicht erheblich belastet ist. Insoweit weist der Gutachter auch nachvollziehbar auf die Belastung durch den unsicheren Aufenthaltsstatus hin. Eine PTBS bzw. psychische Erkrankung ausreichender Schwere, die zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis führt, ist aber nicht dargelegt.
Aus den genannten Gründen ergibt sich auch kein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf die humanitären Bedingungen im Abschiebezielstaat (vgl. BVerwG v. 31.1.2013, 10 C 15/12 – juris), da die anzuwendenden Gefahrenmaßstäbe weitgehend übereinstimmen. Insbesondere ergibt sich aus den dargelegten Gründen auch nicht, dass der Kläger infolge einer Erkrankung zumindest sein Existenzminimum in seinem Heimatland, z.B. durch Gelegenheitsarbeiten, etc. erwirtschaften könnte.
Nach alledem bietet die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Diese Entscheidung ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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