Verwaltungsrecht

Asylrecht (Syrien), Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verneint, Folgeantrag, Militärdienstentzug, Keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, Grundsatzfrage nicht entscheidungserheblich und überdies nicht Klärungsbedürftig

Aktenzeichen  21 ZB 22.30063

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 717
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1 und 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 4 K 21.30373 2021-11-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1. Der Kläger wendet sich dagegen, dass es das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) abgelehnt hat, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen.
Der Kläger ist ein am 1. Januar 1999 in Daraa geborener Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien islamischen Glaubens (Sunnit). Er reiste nach seinem Vorbringen im September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. Januar 2016 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 2. Dezember 2016 äußerte sich der Kläger im Wesentlichen wie folgt:
„Er sei zusammen mit seiner Mutter und dem jüngeren Bruder im März 2014 nach Jordanien ausgereist, wo sein älterer Bruder bereits seit einem Jahr gelebt habe. Nach Syrien habe er nicht zurückkehren können. Er wäre dort sicher von der syrischen Armee zwangsrekrutiert worden. Normalerweise werde man mit 18 Jahren zum Militärdienst eingezogen. Während des Bürgerkriegs sei das anders. Mittlerweile würden 15- bis 16-Jährige rekrutiert.“
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Februar 2017 erkannte das Bundesamt den Kläger als subsidiär schutzberechtigt an und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab.
2. Am 17. Februar 2021 stellte der Kläger erneut einen Asylantrag. Er verwies insoweit auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. November 2020 (C-238/19) und führte aus, ihm sei unter Berücksichtigung dieses Urteils die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe. Dazu legte er ein in arabischer Sprache abgefasstes Dokument und dessen Übersetzung in die deutsche Sprache vor. Nach deren Inhalt sei bei der Überprüfung der Register festgestellt worden, dass der Kläger „aufgrund von Nichterscheinen zur Wehrpflicht gesucht wird.“
Das Bundesamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. April 2021 als unzulässig ab.
3. Mit Urteil vom 26. November 2021, dem Kläger zugestellt am 1. Dezember 2021, wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage ab.
Der Kläger ließ dagegen am Montag, den 3. Januar 2022, die Zulassung der Berufung beantragen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn sie eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die klärungsbedürftig sowie für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist und eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung hat (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36).
Der Kläger formuliert als grundsätzlich bedeutsam die Frage,
„ob ein wie in diesem Fall vorgelegtes Schreiben oder ähnliche Schreiben geeignet sind, hinreichende Anknüpfungstatsache ist, wie oben (Zitat von Seite 7 Mitte des Urteil) angegeben. Dabei ist zu klären, dass Fahndungsschreiben der Generalstaatsanwaltschaft Daraa oder anderer syrischer Generalstaatsanwaltschaften geeignet sind, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für rückkehrende Kriegsdienstentzieher oder -verweigerer eine flüchtlingsrelevante, also politische Verfolgung der Betroffenen nach sich zieht.“
Der Sache nach möchte der Kläger damit berufungsgerichtlich klären lassen, ob es beachtlich wahrscheinlich ist, dass syrische Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter allein deshalb in Anknüpfung an eine (unterstellte) regimefeindliche Gesinnung eine politische Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben.
1.1 Diese Frage wäre in einem Berufungsverfahren schon nicht entscheidungserheblich.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Das erfordert gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG unter anderem, dass sich entweder die dem bestandskräftigen Bundesamtsbescheid vom 10. Februar 2017 zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers geändert hat (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2). Hier liegen schon keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor, so dass es nicht auf die mit der Grundsatzrüge angesprochene Frage ankommt, ob sich die behauptete nachträgliche Änderung – hier die Militärdienstentziehung – und/oder das angeblich neue Beweismittel zugunsten des Klägers auswirken und zu der mit dem Folgeantrag angestrebten Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes führen kann.
Der Kläger hatte sich bereits bei Erlass des Bescheids vom 10. Februar 2017 der in Syrien bestehenden Militärdienstpflicht entzogen, denn er hatte am 1. Januar 2017 das 18. Lebensjahr vollendet und unterlag damit nach seinem zutreffenden Anhörungsvorbringen in Syrien der Verpflichtung, den Militärdienst zu leisten (vgl. dazu bereits BayVGH, U.v. 16. 12.2016 – 21 B 16.30372 – juris Rn. 61; OVG RhPf, U.v. 16.12.2016 – 1 A 10922.16 – juris Rn. 135).
Das vom Kläger vorgelegte Dokument ist auch kein neues Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, denn damit soll letztlich eine Militärdienstentziehung des Klägers und damit unter Berücksichtigung des Anhörungsvorbringens, das sich auf eine Zwangsrekrutierung Minderjähriger bezog, nicht eine bereits früher vorgetragene („alte“) Tatsache nachträglich unter Beweis gestellt werden (vgl. dazu BVerwG, U.v. 26.6.1984 – 9 C 875.81 – jurisRn. 14). Im Übrigen werden damit auch keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Tatsache, dass sich der Kläger seiner Militärdienstpflicht entzogen hat, lag – wie ausgeführt – bereits bei Erlass des bestandskräftigen Erstbescheids vor.
1.2 Unabhängig davon bedürfte es zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Sie ist in der Rechtsprechung des Senats unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. November 2020 (C-238/19) geklärt. Danach ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass Rückkehrer im militärdienstpflichtigen Alter (Militärdienstpflichtige, Reservisten) allein deshalb in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle bzw. regimefeindliche Gesinnung eine Verfolgung durch syrische Sicherheitskräfte zu befürchten haben, weil sie sich durch Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben (vgl. BayVGH, U.v. 23.6.2021 – 21 B 19.33586 – juris und zuletzt U. v. 29.9.2021 – 21 B 19.34339 – n.v). Der Zulassungsantrag zeigt nicht konkret auf, dass neuere Erkenntnisse vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, die Grundsatzfrage anders zu beantworten. Der Verweis des Klägers auf das im Verfahren W 2 K 21.30099 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. August 2021 ist dazu schon deshalb nicht geeignet, weil das Verwaltungsgericht Würzburg insoweit lediglich einen geringen Teil der vom Senat berücksichtigten Quellen heranzieht und sich zudem in keiner Weise mit den Erwägungen des Senats auseinandersetzt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. November 2021 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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